Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Karl Ruiner, Dr. Erich Kundegraber und Dr. Reingard Steiner über die Berufung des Herrn A.A., vertreten durch Herrn Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, gegen Punkt 1.) und Punkt 3.) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 13. Dezember 1994, GZ.:
15.1 1994/5030, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß Punkt 1.) und Punkt
3.) des angefochtenen Bescheides als eine Übertretung des § 5 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden StVO) gewertet wird und hiefür gemäß § 99 Abs 1 lit a StVO eine Geldstrafe von S 10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 13 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wird.
Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz in den Punkten 1.) und
3.) auf S 1.000,--, welcher binnen 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten ist. Gemäß § 64 Abs 3 VStG werden die Kosten des medizinischen Sachverständigen mit S 600,-- als Barauslagen vorgeschrieben, wobei auch dieser Betrag binnen 4 Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe 1) am 2.7.1994 um ca. 04.30 Uhr den Pkw WZ.. auf der B 64 von Weiz nach Passail und anschließend im Ortsgebiet Passail auf der Gemeindestraße Kirchenstraße bis vor das Haus 8162 Passail Nr. 78 in Richtung B 64 gelenkt und sich hiebei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden (Blutalkoholgehalt mindestens 2,5 Promille). 2) Sie haben sich im Anschluß daran vor den Häusern 8162 Passail 78 und 79 aufgehalten und dabei mit den Füßen gegen die Eingangstür dieser Häuser getreten und dadurch ungebührlicherweise störenden Lärm erregt. 3) Sie haben um ca. 04.45 Uhr den Pkw WZ.. auf der Kirchenstraße in Passail sowie auf der B 64 weiter auf der L 357 (Gollerstraße) von Passail über Arzberg bis zum Haus Garrach 4, Gemeinde Gutenberg, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Blutalkoholgehalt mindestens 2,6 Promille). 4) Sie haben um 05.50 Uhr des 2.7.1994 den Pkw WZ.. von Garrach 4, Gemeinde Gutenberg, nach Garrach Ortsgebiet und anschließend um 05.50 Uhr auf der L 357 (Gollerstraße) bei km 6,7 in Fahrtrichtung Arzberg in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt (Blutalkoholgehalt mindestens zwischen 2,6 und 2,7 Promille)
und dadurch in Punkt 1.) und Punkt 3.) eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit. a StVO i.V.m.
§ 5 Abs 1 StVO begangen. Hiefür wurde in beiden Punkten je eine Geldstrafe von S 20.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall je 18 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 1 lit. a leg. cit. verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens der Behörde erster Instanz in diesen beiden Punkten ein Betrag von S 4.000,-- vorgeschrieben.
In der rechtzeitig eingebrachten Berufung wurde ausschließlich Punkt 1.), 2.) und 3.) bekämpft, wodurch die dem Berufungswerber in Punkt 4.) vorgeworfene Verwaltungsübertretung in Rechtskraft erwuchs. Gemäß § 51 c VStG war in Punkt 1.) und Punkt 3.) des angefochtenen Bescheides die Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark zur Entscheidung zuständig.
Nach den Ausführungen im Rechtsmittel behauptete der Berufungswerber, daß er weder zur Tatzeit in Punkt 1.), noch zur Tatzeit in Punkt 2.) die in § 5 Abs 1 StVO vorgesehenen Alkoholgrenzwert überschritten habe.
Zur öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß 51 e Abs 1 VStG wurde daher ein gerichtlich beeideter medizinischer Sachverständiger geladen. Da der Berufungswerber bereits am Beginn der Verhandlung die Alkoholbeeinträchtigung im Punkt 1.) und Punkt 3.) im Hinblick auf den Atemalkoholwert der Atemluft am 2. Juli 1994 um 6.48 Uhr (1,21 mg/l Atemluft) außer Streit stellte, konnte von einem weiteren Tätigwerden des gerichtlich beeideten Sachverständigen abgesehen werden und waren daher gemäß § 76 Abs 1 AVG hiezu ausschließlich die Kosten in der Höhe von S 600,-- dem Berufungswerber vorzuschreiben. Der Berufungswerber erklärte sich mit der Höhe der Kosten einverstanden. Im wesentlichen wurde sodann die Berufung auf die Rechtsfrage eingeschränkt, nämlich daß durch die Bestrafung im Punkt 4.) die Punkte 1.) und 3.) konsumiert wären, d. h. daß es sich hiebei um ein fortgesetztes Delikt gehandelt hätte und die Bestimmung des § 22 VStG nicht zur Anwendung gelangen könne. Es wäre somit mit der verhängten Geldstrafe zu Punkt 4.) das Auslangen zu finden gewesen.
Diese Rechtsmeinung wurde von der Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark aus nachfolgenden Gründen nicht geteilt:
Die Bestimmung des § 22 VStG lautet: Hat jemand durch verschiedene selbständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen.
Im Verwaltungsstrafverfahren gilt das sogenannte Kumulationsprinzip (VwGH 25.5.1966 Slg. 6932 A), dies bedeutet, daß für jedes Delikt eine eigene Strafe, somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind. In concreto hat der Berufungswerber bei den Verwaltungsübertretungen in Punkt 1.) und Punkt 3.) im Hinblick auf Punkt 4.) des angefochtenen Bescheides durch verschiedene Taten, nämlich das Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, zwei Verwaltungsübertretungen begangen (gleichartige Realkonkurrenz). Laut ständiger Rechtssprechung (VwGH 4.7.1962, 557/62) handelt es sich um zwei selbständige Übertretungen, für welche von der Verwaltungsbehörde je eine gesonderte Strafe zu verhängen ist, wenn ein Kraftfahrer am selben Tag zweimal, und zwar mit entsprechendem Zeitunterschied, in alkoholisiertem Zustand sein Fahrzeug lenkt.
Ereignisse, die zeitlich aufeinanderfolgen, sind nicht schon allein deshalb vom einheitlichen Willensentschluß des Handelnden erfaßt. Es kommt bei den beiden - grundsätzlich in ihrer Motivation und ihrer Zielrichtung verschiedenen - Willensentschlüssen weder auf die verhältnismäßig kurze Zeit zwischen ihrer jeweiligen Fassung, noch auf den Umstand an, daß der Motor des abgestellten Pkws weiterhin in Betrieb war (VwGH 28.4.1976, 1434/75). Hiebei war der Willensentschluß des Berufungswerbers bei der Fahrt am 2. Juli 1994 um
4.30 Uhr darauf gerichtet, mit seinem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen bis zu seinem Haus Garrach 4, Gemeinde Gutenberg, zu fahren. Dabei kam es zwar zu einer Fahrtunterbrechung beim Haus 8162 Passail Nr. 78, die darin bestand, daß der Berufungswerber an die Haustür geklopft hat und sodann, als sich niemand gemeldet hat, sofort weitergefahren ist. Eine Konsumation von Alkohol fand nicht statt und war die Fahrtunterbrechung auf einige Minuten beschränkt. Hiebei ist von zwei gesetzwidrigen Einzelhandlungen auszugehen, nämlich der Fahrtantritt um 4.30 Uhr und der Fahrtantritt um ca. 4.45 Uhr nach einer kurzen Unterbrechung, wobei aufgrund der Gleichartigkeit der Begehungsform (gleiches Fahrzeug, kurze Zeitspanne, kein Konsum von Alkohol während der Unterbrechung), sowie der äußeren Begleitumstände im Rahmen eines noch erkennbaren zeitlichen Zusammenhanges und eines diesbezüglichen Gesamtkonzeptes des Täters (nämlich nach Hause zu fahren), diese Einzelhandlungen zu einer Einheit zusammentraten und die Verwaltungsübertretung in Punkt 1.) und Punkt 3.) als fortgesetztes Delikt zu werten waren (VwGH 25.5.1966 Slg. 6932 A, VwGH 19.4.1979, 668, 669/78, 19.5.1980 Slg. 10138 A, 16.4.1986, 84/11/0270, 19.11.1986, 86/09/0142). Allein das Aussteigen aus dem Fahrzeug, das Klopfen an der Eingangstüre und Wiedereinsteigen in das Fahrzeug weist eine derartige zeitliche Verbundenheit auf (VwGH 19.5.1980 Slg. 10138A). Die erkennende Behörde hat auch den Spruch dahingehend berichtigt, daß die unter Punkt 1.) und Punkt 3.) angeführten Verwaltungsübertretungen als eine Verwaltungsübertretung zu werten waren.
Im Gegensatz dazu stellt die Fahrtunterbrechung und neuerliche Betriebnahme des Fahrzeuges unter Punkt 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses sehr wohl eine gleichartige Realkonkurrenz dar, weil der Willensentschluß des Berufungswerbers vorerst bei Fahrtantritt in Weiz darauf gerichtet war, nach Hause zu fahren und der Berufungswerber, nachdem er ca. 1 Stunde geschlafen hatte, einen neuerlichen Willensentschluß faßte, sein Fahrzeug in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand in Betrieb zu nehmen, um Milch zu holen (siehe oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Es war somit von zwei in ihrer Zielrichtung verschiedenen Willensentschlüssen auszugehen, wobei der relativ kurzen Zeitspanne der Fahrtunterbrechung (ca. 1 Stunde) keine Relavanz zukommt.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Bestimmung des § 5 Abs 1 StVO zielt darauf ab, daß Personen, die sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden, ein Kraftfahrzeug weder lenken, noch in Betrieb nehmen, da dies ein erhebliches Unfallsrisiko darstellt, weil durch die Alkoholbeeinträchtigung das Reaktionsvermögen, sowie die Aufmerksamkeit in einem erheblichen Maß herabgesetzt wird. Der Berufungswerber wies ca. 2 Stunden nach Beendigung der Fahrt einen Blutalkoholwert von 2,4 Promille auf - ein Alkoholkonsum nach Beendigung dieser unter Punkt 3.) angeführten Fahrt wurde nicht behauptet - und war der Blutalkoholwert als erschwerend bei der Strafbemessung zu werten, da gerade ein derartiger hoher Alkoholisierungsgrad das Unfallsrisiko enorm erhöht.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG war noch zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abdeckung eine Strafmilderung möglich wäre.
Zu einer Reduzierung der Strafe kam es deshalb, da der im erstinstanzlichen Verfahren angeführte Erschwerungsgrund einer einschlägigen Vorstrafe nicht vorlag und somit der Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit bei der Strafbemessung zur Anwendung gelangte. Hiebei wird bemerkt, daß der Erschwerungsgrund der einschlägigen Vorstrafe von der erkennenden Behörde nicht nachvollziehbar war, weil die belangte Behörde weder bei Vorlage der Berufung einen entsprechenden Auszug aus der Verwaltungsstrafkartei anschloß, noch der schriftlichen Aufforderung in der Ladung vom 11. August 1995 einen derartigen Auszug aus der Verwaltungsstrafkartei bis spätestens zur Verhandlung vorzulegen, nachkam und auch während der Verhandlung fernmündlich eingeholte Auskünfte bei der belangten Behörde zu keinem anders lautenden Ergebnis führten. Die verhängte Strafe ist auch den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen des Berufungswerbers angemessen (monatliches Nettoeinkommen S 12.000,--, vermögenslos, keine Sorgepflichten, Kreditschulden in der Höhe von S 83.750,--, monatliche Rückzahlungsrate von S 3.420,--). Gemäß § 64 Abs 3 VStG waren dem Berufungswerber
die Kosten des medizinischen Sachverständigen als Barauslage aufzuerlegen. Die Kosten sind auf Grundlage des Gebührenanspruchsgesetzes errechnet worden.
Dem Berufungsantrag konnte daher aus obgenannten Gründen insoweit Folge gegeben werden, als die Geldstrafe reduziert wurde.