Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Engelhart über die Berufung des Herrn Predrag R, vertreten durch Rechtsanwalt, vom 21.07.1993, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 17.
Bezirk, Zahl MBA 17 - S 225/93, vom 17.06.1993, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs
1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
1. Das angefochtene Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 17.06.1993 ist gegen den Berufungswerber als Beschuldigten gerichtet und enthält folgenden Spruch:
"Sie haben als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Firma D-Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien, L-Gasse als Arbeitgeber zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 16.10.1992
auf der Baustelle in Wien, E-Straße/K-gasse
1)
den jugoslawischen Staatsangehörigen Fisnik P und
2)
den jugoslawischen Staatsangehörigen Blerim P mit Bauhilfsarbeiten
beschäftigt hat, ohne daß für die Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt oder eine Arbeitserlaubnis oder ein
Befreiungsschein ausgestellt worden wäre.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
zu 1) und 2) § 28 Abs 1 Z 1 lit a in Verbindung mit § 3 Abs 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl Nr 218/1975 in der Fassung des BGBl Nr 450/1990.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe zu 1) S 5.000,--, zu 2) S 5.000,--, zusammen S 10.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 1) 5 Tagen, zu 2) 5 Tagen, zusammen 10 Tagen, gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG 1. Straffall zu zahlen.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: S 1.000,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das
sind 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe und Kosten) beträgt daher
S 11.000,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)."
2. Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten vom 21.07.1993, in welcher dieser beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Der Berufungswerber bringt, soweit hier wesentlich vor, er sei lediglich bis 15.10.1992 handelsrechtlicher Geschäftsführer der D-GesmbH (im folgenden kurz: Fa D) gewesen. Mit 15.10.1992 sei er als
Geschäftsführer rechtswirksam abberufen worden und übe seit diesem Zeitpunkt keine Funktion mehr bei der Fa D aus.
Er habe bereits mit erstinstanzlichem Schriftsatz vom 06.04.1993 der Behörde den Gesellschafterbeschluß der Gesellschafter der Fa D vom 15.10.1992 in Kopie übermittelt, aus welchem hervorgehe, daß er als bisheriger Geschäftsführer abberufen und ihm für seine bisherige Tätigkeit als Geschäftsführer die Entlastung erteilt wurde. Die Ausführungen der erstinstanzlichen Behörde, daß im Zentralgewerberegister vom 07.05.1993 ein Geschäftsführerwechsel in der Fa D zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Firmenbuch eingetragen war, sei im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die ordnungsgemäße Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers einer GesmbH sofort wirksam und von der Eintragung im Handelsregister unabhängig ist, irrelevant.
Der Berufungswerber sei deshalb ab diesem Zeitpunkt für keinerlei Vorfälle im Zusammenhang mit der Fa D verantwortlich, auch nicht für eine etwa nicht durchgeführte Benachrichtigung des Zentralgewerberegisters.
Das Arbeitsmarktservice Wien als Partei beantragte mit schriftlicher Stellungnahme vom 25.11.1994 unter Anschluß von Kopien aus dem Firmenbuch die Einstellung des Verfahrens.
In dieser Stellungnahme ist ausgeführt, das Arbeitsmarktservice Wien habe im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen Kontrolle (16.10.1992) und Abberufungsbeschluß (15.10.1992) Einblick in das Firmenbuch genommen. Laut Notariatsakt vom 15.10.1992 hätten der Berufungswerber und Frau Snezana S sämtliche Anteile am Stammkapital der Fa D an Herrn Zoran S abgetreten. Der Abberufungsbeschluß bezüglich des Berufungswerbers stamme vom selben Tag. Da sich aus dem
Erhebungsbericht die illegale Beschäftigung der Ausländer nur am 16.10.1992 entnehmen lasse und keine Beschäftigung an den vorangegangenen Tagen nachweisbar gewesen sei, der Berufungswerber aber zu diesem Zeitpunkt nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer war, werde die Einstellung des Verfahrens beantragt.
3. Die Berufung ist begründet.
Nach § 9 Abs 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte iSd § 9 Abs 2 VStG bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Das ist im Fall einer GmbH deren handelsrechtlicher Geschäftsführer ( vgl VwGH 02.07.1990, Zl 90/19/0109). Im angefochtenen Straferkenntnis wird der Berufungswerber "als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der Fa D Gesellschaft mbH" der Begehung von zwei Verwaltungsübertretungen nach
dem Ausländerbeschäftigungsgesetz durch die Fa D am 16.10.1992 für schuldig erkannt.
Die erstinstanzliche Behörde stützt ihre Entscheidung hinsichtlich der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit des Berufungswerbers für Verwaltungsübertretungen durch die Fa D auf die Auskunft des Zentralgewerberegisters des Magistrates der Stadt Wien vom 07.05.1993 (Bl 27/MBA-Akt). Demnach ist der Berufungswerber laut Eintragung im Firmenbuch Wien vom 12.10.1992 handelsrechtlicher Geschäftsführer der Fa D und ist weiters ein Geschäftsführerwechsel bis dahin nicht in das Firmenbuch eingetragen worden. Der Berufungswerber bestreitet seine strafrechtliche Verantwortlichkeit für Verwaltungsübertretungen durch die Fa D zum Tatzeitpunkt (16.10.1992) und bringt vor, er sei mit Gesellschafterbeschluß vom 15.10.1992 rechtswirksam als Geschäftsführer der Fa D abberufen worden, daß er zur Tatzeit noch im
Firmenbuch eingetragen war, sei irrelevant.
Die Bestellung von Geschäftsführern einer GmbH kann im Gesellschaftsvertrag, durch Gesellschafterbeschluß, durch den Bund, ein Land oder eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft oder durch Gericht erfolgen (Reich-Rohrwig, Das Österreichische GmbH-Recht, 95).
Nur im Falle der im Gesellschaftsvertrag erfolgenden Bestellung von Gesellschaftern zu Geschäftsführern bestimmt § 15 Abs 1 GmbH-Gesetz, daß diese nur für die Dauer ihres Gesellschaftsverhältnisses (Zugehörigkeit zur Gesellschaft) bestellt sind. Durch Übertragung ihres Geschäftsanteiles endet ihre Geschäftsführerfunktion. Ein Abberufungsbeschluß der Gesellschafter erübrigt sich (Reich-Rohrwig, aaO, 166).
Dazu wird festgestellt, daß die Fa D mit Gesellschaftsvertrag (Notariatsakt) vom 19.12.1991 von den Gesellschaftern Predrag R, sohin dem Berufungswerber und Snezana S gegründet wurde (Beilage /B/UVS-Akt). Der Berufungswerber wurde im Gesellschaftsvertrag (Punkt
V) als Gesellschafter zum alleinigen Geschäftsführer bestellt und
wurde auch ausdrücklich iSd § 15 Abs 1 GmbH-Gesetz darauf hingewiesen, daß diese Bestellung längstens für die Dauer seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft erfolgt.
Mit Abtretungsvertrag (Notariatsakt) vom 15.10.1992 (Beilage /K/UVS-Akt) wurden sämtliche Geschäftsanteile, so auch jene des Berufungswerbers, an Herrn Zoran S veräußert (sodaß eine Einmann-GmbH
entstanden ist).
Im Sinne der obigen Ausführungen hat sohin die Geschäftsführerfunktion des Berufungswerbers, der als Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zum Geschäftsführer bestellt worden war, bereits durch die Übertragung seines Geschäftsanteiles am 15.10.1992 geendet. Ein gesonderter Abberufungsbeschluß (das im Verfahren vorgelegte Protokoll vom 15.10.1992 über den Abberufungsbeschluß wurde von der erstinstanzlichen Behörde nach der Begründung im verurteilenden Straferkenntnis offenbar als bedenkliche Urkunde gewertet) hätte sich damit erübrigt.
Nun hat der Verwaltungsgerichtshof, worauf der Berufungswerber in seinen Ausführungen zutreffend verweist, in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß die ordnungsgemäße Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer einer GmbH sofort wirksam und von der Eintragung im Handelsregister unabhängig ist. Einer Person kann daher trotz anders lautendem Registerstand die Geschäftsführereigenschaft fehlen (vgl VwGH 20.12.1991, Zl 90/17/0112 und die dort genannte Vorjudikatur, vgl auch Reich-Rohrwig, aaO, 167).
Es war daher, da die Geschäftsführerstellung des Berufungswerbers zur
Tatzeit bereits erloschen war, der Berufungswerber sohin zur Tatzeit nicht mehr iSd § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung der Fa D nach außen berufen war, unbeschadet der Tatsache, daß er im Firmenbuch noch eingetragen war, spruchgemäß das Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
4. Gemäß § 51e Abs 1 VStG wurde keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.