TE UVS Steiermark 1995/10/19 30.8-110/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.10.1995
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn E.B., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 06.06.1995, GZ.: 15.1 1994/4539, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 14.10.1995, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt und die Einstellung in Bescheidform vorausgesprochen.

Text

Der Berufungswerber stand in Verdacht an einem genau bezeichneten Tatort und Tatzeitpunkt als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges das Lichtzeichen Halt Rotlicht mißachtet zu haben und sein Kraftfahrzeug nicht vor dem Schutzweg angehalten zu haben.

Wegen dieser Übertretung des § 38 Abs 5 iVm § 38 Abs 1 lit b StVO wurde der Berufungswerber mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bestraft.

Der Berufungswerber erhob rechtzeitig Berufung und führte an, er habe bei grün blinkend die Verkehrssignalanlage und den Schutzweg passiert. Zur Aufklärung des Sachverhaltes wurde im Beisein der anzeigenden Beamten, des Berufungswerbers und eines KFZ-technischen Sachverständigen eine Verhandlung vor Ort durchgeführt. Der Sachverständige erstattete Befund und Gutachten wie folgt:

Der gegenständliche Vorfall ereignete sich am 08.07.1994, gegen 16.40 Uhr, auf der B96, in Murau, im Bereich des Schutzweges Roseggerkreuzung. In

diesem Bereich verläuft die B96 aus Scheifling kommend in Richtung Seetal in Form einer annähernd rechtwinkeligen Kurve. Die Richtung Scheifling entspricht hierbei annähernd der Richtung Osten, die Richtung Seetal entspricht hierbei der Richtung Norden.

Unmittelbar in der Verlängerung der B 96 aus Richtung Scheifling gesehen beginnt in westlicher Richtung die B 97 in Richtung Tamsweg. Die vorher definierte BL bezieht sich auf Strkm 0,0 der B 97. Unmittelbar auf dem Scheiflinger Ast der B 96 befindet sich ein ca. 3 m breiter Schutzweg. Dieser befindet sich 39 m östlich BL. In diesem Bereich ist die B96 auf einer Breite von 11,75 m mit einer geschlossenen Asphaltdecke befestigt. Der Schutzweg selbst ist mit einer Ampelanlage, die von den Fußgängern angesteuert werden kann, geregelt. Dieser Schutzweg wurde vom Berufungswerber bei dem Vorfall überfahren. Die B 96 weist am nördlichen Fahrbahnrand eine Bushaltestelle auf, wobei für diese Bushaltestelle ein ca. 2,5 m breiter Teil der Asphaltfahrbahn durch eine Straßenmarkierung abgetrennt ist. Am nördlichen und südlichen Rand grenzt jeweils ein erhöhter Gehweg an. Zum heutigen Zeitpunkt zeigt die Ampelanlage ein viermaliges Grünblinksignal, wobei die gesamte Grünblinkphase einen Zeitraum von 3,5 Sekunden in Anspruch nimmt. An die Grünblinkphase schließt eine 3 Sekunden dauernde Gelbphase an, bevor die Ampelanlage auf Rotlicht schaltet.

In Fahrtrichtung Seetal gesehen weist die B 96 unmittelbar vor dem Fußgängerübergang eine Steigung von ca. 3 bis 4 Prozent auf. Zum Zeitpunkt des Vorfalls herrschte Tageslicht. Im Bereich der Kreuzung gilt sowohl für die B 96 als auch für die B 97 eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h (Ortsgebiet). Die Sichtweite auf die Ampel beträgt sowohl auf der B 96 aus Scheifling kommend als auch auf der B 97 aus Tamsweg kommend mehr als 100 m.

Beim Fahrzeug, gelenkt vom Berufungswerber, handelt es sich um einen LKW MB.., der zum Zeitpunkt des Vorfalls mit ca. 3 t beladen war.

Gutachten:

Zunächst zur Variante des Berufungswerbers: Dieser gab an, daß die Begegnung mit dem Polizeiauto ca. 55 m westlich der Fußgängerampel stattfand. Geht man nun von einer konstant eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit für das Fahrzeug des Berufungswerbers von ca. 45 km/h

aus, so ergibt sich für dieses Fahrzeug ein Zeitbedarf von ca. 4,5 Sekunden, für das Durchfahren dieser Strecke. Dies bedeutet, daß also der Berufungswerber ca. 4,5 Sekunden bevor es zur Begegnung mit dem Polizeiauto kam, die Fußgängerampel überfuhr.

Zur Fahrbewegung des Polizeifahrzeuges kann

angegeben werden: Geht man von einer normalen Betriebsbremsung aus (ca. 3 m/sek2) so ergibt sich bei einer ursprünglich eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit von ca. 45 km/h eine Anhaltezeit für dieses Fahrzeug von ca. 4 Sekunden. Das Fahrzeug legt in dieser Zeit eine Strecke von ca. 26 m zurück. Bei dieser Variante ergibt sich demnach, daß das Polizeifahrzeug noch in der Reaktionsphase war, als es zur Begegnung der beiden Fahrzeuge kam. Kombiniert man diese Variante mit der Aussage des Zeugen RI J.B., daß dieser sich 35 m westlich BL - also 74m westlich des Schutzweges - befand, als die Ampel auf Rotlicht schaltete, so ergibt sich:

Das Polizeifahrzeug benötigte zum Durchfahren der Strecke - Umschalten auf Rotlicht bis zur Begegnung - 1,6 Sekunden. Der Berufungswerber fuhr somit ca. 3,2 Sekunden vor dem Umschalten der Ampel auf Rotlicht, also unmittelbar beim Übergang der Grünblinkphase in die Gelbphase in die Ampel ein. Hierbei sind ca. 4 m Abstand zwischen den beiden Haltelinien westlich und östlich des Fußgängerüberganges berücksichtigt. Bei dieser Variante ist es egal, ob ein oder drei Fahrzeuge vor dem Polizeifahrzeug an der Kreuzung anhielten, da dieses zum Zeitpunkt der Begegnung noch die volle Fahrgeschwindigkeit von 45 km/h einhielt.

Zur Variante der Gendarmerie kann folgendes angegeben

werden:

Entsprechend deren Aussagen fand die Begegnung ca. 35 m vor dem Fußgängerübergang statt. Somit ergibt sich, daß das Polizeifahrzeug bereits in der Verzögerungsphase war, als es zur Begegnung kam.

Von Beginn der Rotlichtphase bis zur Begegnung vergingen demnach 3,3 bis 3,4 Sekunden - je nachdem ob 2 oder 3 Fahrzeuge vor dem Polizeifahrzeug anhielten. Der Berufungswerber benötigte zum Durchfahren der Strecke von der Haltelinie bis zur Begegnung 3,1 Sekunden. Bei dieser Variante ergibt sich demnach, daß der Berufungswerber ca. 0,2 bis 0,3 Sekunden nach Beginn der Rotlichtphase die Ampel (seine Haltelinie) überquerte.

Zusammenfassung:

Bei der Variante des Berufungswerbers, daß die Begegnung der beiden Fahrzeuge ca. 55 m westlich der Ampelanlage stattfand ergibt sich, daß dieser die Ampel beim Übergang von Grün blinken auf Gelblicht überquerte.

Bei der Variante des Polizisten, daß die Begegnung der beiden Fahrzeuge ca. 35 m westlich der Ampelanlage stattfand ergibt sich, daß dieser die Ampel unmittelbar nach Beginn der Rotlichtphase überquerte.

Anhand der mathematisch nachvollziehbaren Angaben

der Zeugen und des Berufungswerbers sind somit beide Varianten rechnerisch möglich und in gleichem Maße wahrscheinlich. Vorbehaltlich der weiteren Ausführungen wäre eine Bestrafung des Berufungswerbers gerechtfertigt, die glaubwürdige Aussage des RI J.B. ergab, daß ein Fußgänger den Schutzweg betrat, als der Berufungswerber diesen mit seinem Kraftfahrzeug überfuhr; ausgehend davon, daß die Rotlichtphase zeitgleich mit der Grünphase des Schutzweges gekoppelt ist, war somit eindeutig für den Berufungswerber Rotlicht, als dieser den Schutzweg überfuhr.

Rechtlich ist jedoch weiters auszuführen:

Gemäß § 94 b Abs 1 lit a StVO ist Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht Zuständigkeit der Gemeinde oder der Bundespolizeibehörde ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde für die Verkehrspolizei, das ist die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs durch Arm- oder Lichtzeichen, nicht jedoch für Verkehrspolizei auf Autobahnen.

Gemäß § 36 Abs 1 StVO hat die Behörde zur Wahrung

der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehres nach Straßen nach öffentlichem Verkehr unter Bedachtnahme auf die Verkehrserfordernisse zu bestimmen, ob und an welcher Stelle der Verkehr durch Arm- oder Lichtzeichen zu regeln ist. Die Regelung mittels Lichtzeichen wird von der Bezirksverwaltungsbehörde mittels Bescheid an den Straßenerhalter angeordnet, wobei der Umfang der Regelung und die Art der Signalisierung nicht vorzuschreiben sein wird.

Die Verpflichtung nach § 38 Abs 5 bei rotem Licht anzuhalten, trifft der Lenker eines Fahrzeuges dann, wenn hinsichtlich der betreffenden Verkehrslichtsignalanlage die Behörde im Sinne des § 36 Abs 1 1. Satz bestimmt hat, daß an der betreffenden Stelle der Verkehr durch ein Lichtzeichen zu regeln ist (Erk. des VwGH vom 18.02.1981, Zl. 03/3031/80).

Eine Bestimmung im Sinne des § 36 Abs 1 stellt keine Verordnung im Sinne des § 43 StVO dar, weil die Anordnung, daß an einer Stelle der Verkehr durch Lichtzeichen zu regeln ist, noch nichts über die konkreten Rechte und Pflichten der Verkehrsteilnehmer aussagt. Eine Verkehrslichtsignalanlage mag bestimmt im Sinne des § 36 Abs 1 oder bloß vom Straßenerhalter angebracht sein, im Sinne des § 98 Abs 3. Sobald sie von einem jedoch zuständigen Organ händisch oder automatisch in Betrieb gesetzt wird, sind ihre Lichtzeichen für die Verkehrsteilnehmer verbindlich (Erk. VwGH verstärkter Senat vom 08.05.1987, Zl. 85/18/0257).

Im hier vorliegenden Fall konnte in Erfahrung gebracht werden, daß, so die Auskunft des zuständigen Organes, der Bezirkshauptmannschaft Murau, die hier vorliegende Verkehrssignalanlage an der B 96 einfach so aufgestellt wurde. Eine Bestimmung, somit ein Willensakt der zuständigen Behörde, ist nicht nach außen aufgetreten, sodaß die vorliegende Verkehrssignalanlage im Sinne des § 98 Abs 3 StVO angebracht wurde. Jedenfalls wurde diese nicht von den zuständigen Organen in Betrieb gesetzt. Hiermit fehlt jedoch die Verbindlichkeit für die übrigen Verkehrsteilnehmer anhand der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Deshalb war das Strafverfahren in dem hier vorliegenden Fall einzustellen.

Schlagworte
Verkehrssignalanlage Lichtzeichen Verkehrsregelung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten