TE UVS Tirol 1995/10/24 20/153-1/1995

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Veröffentlicht am 24.10.1995
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Spruch

Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §§24, 51 Abs1 und 51e Abs2 VStG wird der Berufung insoweit Folge gegeben, als die über den Berufungswerber verhängten Geldstrafen von S 6.000,-- auf je S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen 4 Tage) herabgesetzt werden.

 

Dementsprechend wird der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens gemäß §64 Abs1 und 2 VStG mit jeweils S 400,-- festgesetzt.

 

Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird insoferne ergänzt,

 

als beim Faktum 1) folgender Satz eingefügt wird:

 

"Dadurch wurde die zulässige Einsatzzeit um 24 Stunden und 45 Minuten überschritten."

und darüber hinaus die entsprechende Bestimmung des erwähnten Kollektivvertrages mit Artikel VIa, 19. genauer bezeichnet wird.

 

als hinsichtlich des Faktums 2) folgender Satz angefügt wird:

"Dadurch wurde die zulässige Lenkzeit um 9 bzw. 10 Stunden überschritten."

 

Überdies wird der Sitz des im Spruch angeführten Unternehmens mit R genau bezeichnet.

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber folgendes vorgeworfen:

 

"Sie haben als Geschäftsführer der U GesmbH. & Co.KG zu verantworten, daß anläßlich einer am 29.07.1994 auf der Fernpaßbundesstraße B 314 bei km 22,2 im Gemeindegebiet von Biberwier durch Organe der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos von Tirol durchgeführten Überprüfung festgestellt wurde, daß

 

1) der Arbeitnehmer K K, als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen in der Zeit vom 26.07.1994, 07.15 Uhr, bis 27.07.1994, 24.00 Uhr, nach den vorliegenden Schaublättern mit einer Einsatzzeit von 40 Stunden und 45 Minuten beschäftigt wurde.

 

2) der Arbeitnehmer K K, als Lenker des LKW mit dem Kennzeichen in der Zeit vom 26.07.1994, 07.15 Uhr, bis 27.07.1994, 24.00 Uhr, nach den vorliegenden Schaublättern mit einer Lenkzeit von 18 Stunden beschäftigt wurde."

 

Dadurch habe der Berufungswerber

zu 1) gegen §16 Abs3 Arbeitszeitgesetz, BGBlNr461/1969 in der Fassung BGBlNr446/1994, iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe, iVm §28 Abs1a Z7 Arbeitszeitgesetz und iVm §9 Abs1 Verwaltungsstrafgesetz, und

 

zu 2) gegen Artikel 6 Abs1 EG-VO 3820/85 iVm §28 Abs1a, Z4 Arbeitszeitgesetz in der oben angeführten Fassung und iVm §9 Abs1 Verwaltungsstrafgesetz verstoßen, weshalb über den Berufungswerber jeweils Geldstrafen in der Höhe von S 6.000,-- unter gleichzeitiger Festsetzung von Ersatzfreiheitsstrafen verhängt wurden.

 

Dagegen wurde innerhalb offener Frist Berufung erhoben und in der Begründung ausgeführt, daß dem Berufungswerber kein wie immer geartetes Verschulden zur Last zu legen sei. Wie bereits bisher dargelegt, seien allen Mitarbeitern der Fa U GesmbH. & Co.KG am 01.07.1994 die jeweils gültigen Arbeitszeitvorschriften für Lenker von LKW's im Güterbeförderungsgewerbe zur Kenntnis gebracht worden. Den Lenkern, so auch K K, sei nicht nur das bezügliche Schriftstück überreicht, sondern seien diese auch ausdrücklich persönlich über die für sie relevanten Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes belehrt worden.

Es sei unrichtig, daß keine ausreichenden Kontrollen durchgeführt würden. Es werde in den turnusmäßigen Mitarbeiterbesprechungen immer wieder auf die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes hingewiesen und habe er sich regelmäßig Schaublätter zur Prüfung vorlegen lassen. Auch im Zuge der mit den Fahrern geführten Telefongespräche während der Fahrt habe er immer wieder auf das Einhalten der vorgeschriebenen Einsatz- und Lenkzeiten gedrängt. Wenn ein Fahrer gegen seinen ausdrücklich erklärten Willen im meisten Fall die vorgeschriebenen Einsatz- und Lenkzeiten überschreitet, so liege dies außerhalb seines Einflußbereiches. Wenn er gemerkt habe, daß einzelne Fahrer die bezüglichen Bestimmungen mehrmals nicht eingehalten haben, habe er nicht davor zurückgescheut, das Dienstverhältnis aufzukündigen.

 

Ein gänzliches Unterbinden von Überschreitungen der Einsatz- und Lenkzeiten wäre nur dann möglich, wenn er persönlich oder ein von ihm beauftragter Mitarbeiter ständig als Beifahrer anwesend sei, was jedoch mit Rücksicht auf die Anzahl der von ihm beschäftigten Fahrer nicht zumutbar sei.

 

Aufgrund dieser Berufung wurde am 24.10.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der der Berufungswerber sowie die Zeugen K K sowie F M einvernommen wurden. Weiters wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in die erstinstanzlichen Akten (2-St-45391/94 und 2-St-44483/94) sowie in die Akten der Berufungsbehörde.

 

Aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens steht der von der Erstbehörde angenommene und dem angefochtenen Straferkenntnis zugrunde gelegte Sachverhalt als erwiesen fest. Die Richtigkeit der zeitlichen Angaben ergibt sich aufgrund der im erstinstanzlichen Akt befindlichen Ablichtungen der Tachoscheiben in Verbindung mit den Angaben des Zeugen K K.

 

Gemäß §16 Abs3 Arbeitszeitgesetz iVm dem Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe darf die Einsatzzeit 16 Stunden nicht überschreiten.

 

Gemäß §16 Abs1 legcit umfaßt die Einsatzzeit von Lenkern, die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen. Bei Teilung der täglichen Ruhezeit beginnt eine neue Einsatzzeit nach Ablauf des letzten Teiles der Ruhezeit. Dabei muß ein Ruhezeitenblock jedoch mindestens 8 Stunden umfassen.

 

Im gegenständlichen Fall findet sich zwischen dem Zeitraum 26.07.1994, 07.15, Uhr, bis 27.07.1994, 24.00 Uhr, keine (die Einsatzzeit unterbrechende) Ruhezeit. Es liegt daher eine Einsatzzeitüberschreitung um 24 Stunden und 45 Minuten vor.

 

Gemäß Artikel 6 Abs1 der EG-VO 3820/85 darf die tägliche Lenkzeit 9 Stunden, zweimal in der Woche 10 Stunden, betragen.

 

Um den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit zu bestimmen, ist davon auszugehen, daß die tägliche Arbeitszeit eines Fahrers in dem Moment beginnt, in dem er nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Wird die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen, beginnt die Arbeitszeit am Ende der Ruhezeit, deren Dauer 8 Stunden nicht unterschreiten darf. Folglich entspricht das Ende der täglichen Arbeitszeit dem Beginn einer täglichen Ruhezeit oder, wenn die tägliche Ruhezeit in zwei oder drei Zeitabschnitten genommen wird, dem Beginn einer Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden (EuGH 09.06.1994, c-394/92, vgl. auch VwGH vom 14.01.1993, Zahl 91/19/0010).

 

Dementsprechend wurde auch die zwischen zwei Ruhepausen zulässige Lenkzeit in dem von der Erstbehörde festgestellten Ausmaß überschritten.

 

Der vom Berufungswerber im Zuge der öffentlichen mündlichen Verhandlung erhobene Einwand, daß die Ermittlung der Lenkzeiten tagesbezogen erfolge, geht daher ins Leere.

 

Gemäß §28 Abs1a Z4 Arbeitszeitgesetz sind, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde ... Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bis S 25.000,-

zu bestrafen, die Lenker über die gemäß Artikel 6 Abs1 und/oder Abs2 der Verordnung (EWG) 3820/85 zulässige Lenkzeit hinaus einsetzen.

 

Nach Z7 legcit gilt die vorerwähnte Strafdrohung auch für Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die Lenker über die gemäß §16 Abs2 - 4 zulässige Einsatzzeit hinaus einsetzen.

 

Im Bezug auf die Frage, ob der Berufungswerber tatsächlich die ihm zur Last gelegten Übertretungen zu verantworten hat, ist ein Eingehen auf die Verwirklichung der subjektiven Tatseite erforderlich.

 

Bei den im Gegenstandsfall angelasteten Übertretungen handelt es sich um sogenannte Ungehorsamsdelikte. Das heißt, daß Fahrlässigkeit ohne weiteres anzunehmen ist, sofern der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muß ein Arbeitgeber, will er seine Schuldlosigkeit im Sinne des §5 Abs1 VStG glaubhaft machen, dartun, daß er ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem eingerichtet und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen habe, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften sicherzustellen. Dazu gehört es auch, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, daß sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, daß ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems auch ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgt ist, kann ihm der Verstoß in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht nicht zugerechnet werden (vgl. VwGH vom 25.02.1993, Zahl 91/19/0073, und die dort zitierte Vorjudikatur).

 

Dem Berufungswerber ist zwar durchaus zuzugestehen, daß er Maßnahmen zur Hintanhaltung von Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes getroffen hat, doch kann von der Darlegung eines wirksamen Kontrollsystems, welches nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes unerläßlich ist, nicht gesprochen werden. Stichprobenartige Überprüfungen reichen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 02.05.1995, Zahl 95/02/0026) nicht aus, ebensowenig sind die pauschale Behauptung, "alle erforderlichen, möglichen und zumutbaren Maßnahmen getroffen (zu haben), um die Einhaltung der Lenkzeit bzw. Einsatzzeit sicherzustellen", nicht ausreichend, ebenso wie der Hinweis, "strikte Dienstanweisungen" betreffend der Einhaltung der "gesetzlich gebotenen Zeiten" und die Behauptung "laufende Kontrollen ... natürlich durchgeführt (zu haben)" (vgl. VwGH vom 04.03.1991, Zahl 90/19/0558).

 

Bei der Verantwortung des Berufungswerbers ist zunächst zu beachten, daß sich der Berufungswerber im Zuge seiner ersten Einvernahme vor der Erstbehörde am 17.01.1995 damit gerechtfertigt hat, daß der Lenker eine zeitliche Vorgabe für das Abladen oder Abholen der Rückladung nicht bekommen habe, und er keinen Einfluß auf die Tätigkeit der Lenkzeit oder die Ruhepausen habe, jedoch allen Fahrern nachweislich ein Merkblatt über die Arbeitszeitvorschriften für Lenker im Güterbeförderungsgewerbe übergeben habe und diese zur Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften angehalten habe.

 

Erst im Berufungsverfahren wurden Behauptungen in der Richtung erhoben, daß auch persönlich Belehrungen über die relevanten Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes durch den Berufungswerber erfolgt seien und er sich regelmäßig Schaublätter zur Prüfung habe vorlegen lassen.

 

In der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung kam zwar durchaus zutage, daß dem Berufungswerber an der Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften gelegen ist, es kam jedoch nicht hervor, durch welche konkreten Maßnahmen, auf welche Art und in welchem Umfang sowie in welchen zeitlichen Abständen Kontrollen durchgeführt wurden (vgl. VwGH vom 17.12.1990, Zahl 90/19/0570). Beide als Zeugen einvernommenen Fahrzeuglenker gaben an, daß die Tachoscheiben von ihnen gesammelt abgegeben und kontrolliert werden würden. Beide räumten jedoch ein, daß sie die Durchführung einer Kontrolle als Schlußfolgerung ansehen würden.

 

Da der Berufungswerber im einzelnen nicht dargetan hat, welches Kontrollsystem eingerichtet wurde und wie dieses konkret funktionieren sollte, ist es ihm nicht gelungen, ein mangelndes Verschulden an der Überschreitung der zulässigen Lenkzeit und Einsatzzeit glaubhaft zu machen. Die Erstbehörde hat daher die gegen den Berufungswerber gerichteten Schuldvorwürfe zu Recht erhoben.

 

Im Bezug auf die Strafhöhe ist auszuführen, daß der Unrechtsgehalt der angelasteten Übertretungen als erheblich anzusehen ist, zumal die mißachteten Bestimmungen nicht nur der Gesundheit des Fahrers, sondern auch der Sicherheit des Straßenverkehrs dienen und diesen Interessen angesichts der hohen Zeitüberschreitungen erheblich zuwidergehandelt wurde.

 

Was das Verschulden betrifft, so ist dem Berufungswerber durchaus zugute zu halten, daß er nicht völlig untätig geblieben ist, um Arbeitszeitüberschreitungen hintanzuhalten, sondern verschiedene Maßnahmen zur Vermeidung solcher Übertretungen gesetzt hat. Entsprechend den ihn treffenden Sorgfaltsmaßstab wäre er jedoch verpflichtet gewesen, ein wirksames Kontrollsystem einzurichten. Anlaß dafür boten auch bereits verschiedene Beanstandungen wegen Arbeitszeitüberschreitungen aus dem Jahre 1992, wenngleich diese offensichtlich nicht zu einer einschlägigen Strafvormerkung führten.

 

Unter Bedachtnahme auf diese Erwägungen vor allem unter Rücksichtnahme auf den Verschuldensgrad erweisen sich die von der Erstbehörde verhängten Geldstrafen - auch unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit als auch der vom Berufungswerber bekanntgegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse - als etwas überhöht, sodaß eine entsprechende Herabsetzung vorzunehmen war.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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