TE UVS Wien 1995/11/09 02/26/15/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Fridl über die Maßnahmenbeschwerde der Frau Karoline S vom 23.3.1995, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

I. Der Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Verletzung des Hausrechts wendet, insofern Folge gegeben, als das Eindringen von Organen der Bundespolizeidirektion Wien in die Wohnung der Beschwerdeführerin in Wien, S-gasse, am 13.2.1995 gegen 6.50 Uhr und die danach bis 7.15 Uhr durchgeführte Hausdurchsuchung gemäß § 67c Abs 3 AVG für rechtswidrig erklärt werden.

II. Soweit sich die Beschwerde gegen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gemäß Art 3 MRK im Zuge dieser Hausdurchsuchung richtet, wird sie gemäß § 67c Abs 3 AVG zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Kosten in Höhe von S 18.845,-- binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die gegenständliche Beschwerde hat folgenden Inhalt:

Die Beschwerdeführerin erhebt fristgerecht gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt BESCHWERDE wegen Verletzung von subjektiven Rechten an den unabhängige Verwaltungssenat für Wien:

"1) ANGEFOCHTENER VERWALTUNGSAKT:

Eindringen in die Wohnung der Beschwerdeführerin und Niederschlagen der Beschwerdeführerin anläßlich des Einsatzes von Organen der Bundespolizeidirektion Wien am 13.2.1995 in Wien, S-gasse.

2) BELANGTE BEHÖRDE:

Der angefochtene Verwaltungsakt wurde von Organen der Bundespolizeidirektion Wien gesetzt, weshalb er dieser Behörde zuzurechnen ist.

3) SACHVERHALT:

Die Beschwerdeführerin hielt sich am 13.2.1995 gegen 6.15 Uhr in ihrer Wohnung in Wien, S-gasse auf. Da sie vor der Wohnungstüre diverse Geräusche vernahm, wollte die Beschwerdeführerin vorerst durch den "Spion" nachsehen, was sich auf dem Gang vor ihrer Eingangstüre ereignet. Da jedoch dieses Sichtfenster verdeckt war konnte sie nichts erkennen. Daher sperrte die Beschwerdeführerin die Wohnungstüre von innen auf und drückte mit der linken Hand die Türschnalle nieder.

In diesem Moment wurde der Beschwerdeführerin ein Schlag versetzt, sodaß sie zur Boden fiel. Mehrere uniformierte, jedoch vermummte Exekutivbeamte, vermutlich Mitglieder der Alarmeinheit der Bundespolizeidirektion Wien, stürzten in die Wohnung und durchsuchten dieselbe, ohne die Beschwerdeführerin über den Grund des Einsatzes zu informieren.

Die Beschwerdeführerin wurde durch den Schlag gegen ihren Kopf erheblich verletzt, blutete aus einer Wunde unmittelbar oberhalb des linken Auges, und erlitt weiters eine starke Prellung des linken Unterarmes und der linken Hand.

Die einschreitenden Exekutivbeamten verließen daraufhin wieder die Wohnung, ohne der Beschwerdeführerin näher die Umstände zu erläutern und auch ohne sich weiter um die Verletzungen der Beschwerdeführerin zu kümmern.

In der Folge wurde die Beschwerdeführerin durch die Rettung in das Allgemeine Krankenhaus der Stadt Wien gebracht, wo die Verletzungen behandelt wurden.

Beweis: Einvernahme der Beschwerdeführin

vorzulegende ärztliche Unterlagen

vorzulegende Fotos

4) ZULÄSSIGKEIT DER BESCHWERDE

Gegen die Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist gem § 67a AVG der Unabhängige Verwaltungssenat zuständig. Der Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wurde am 13.2.1995 gesetzt.

Die vorliegende Beschwerde ist somit rechtzeitig.

5) BESCHWERDEGRÜNDE

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch die Anwendung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in folgenden verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt:

Unverletzlichkeit des Hausrechtes (Art 9 StGG, Art 8 Abs 1 MRK), Recht keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art 3 MRK).

6) BEGRÜNDUNG

Die Organe der Bundespolizeidirektion Wien haben am 13.2.1995 eine Hausdurchsuchung durchgeführt, da sie offenbar nach einer bestimmten Person oder nach einem bestimmten Gegenstand gesucht haben, wobei unbekannt war, wo sich diese Person oder dieser Gegenstand befindet. Diese Hausdurchsuchung wurde in der Wohnung der Beschwerdeführerin durchgeführt.

Diese Hausdurchsuchung wurde nicht aufgrund eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehles vorgenommen bzw wurde ein solcher auch nicht innerhalb der nächsten 24 Stunden der Beschwerdeführerin zugestellt. Auch Gefahr in Verzug war nicht gegeben. Selbst wenn Gefahr im Verzug gegeben gewesen wäre, so wurde der Beschwerdeführerin auch nicht sogleich oder doch binnen 24 Stunden eine Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe zugestellt.

Die Hausdurchsuchung erfolgte somit nicht rechtmäßig und wurde daher die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Unverleztlichkeit des Hausrechts gem Art 9 StGG und Art 8 Abs 1 MRK verletzt. Weiters wurde die Beschwerdeführerin durch Organe der Bundespolizeidirektion Wien am 13.2.1995 durch einen Schlag in das Gesicht oberhalb des linken Auges verletzt. Durch diesen physischen Zwangsakt wurde die Beschwerdeführerin einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen, da diesem Zwangsakt eine die Menschenwürde beeinträchtigende gröbliche Mißachtung der Beschwerdeführerin als Person zu eigen war. Weiters war die physische Gewaltanwendung in keiner Weise notwendig. Die Beschwerdeführerin hätte keineswegs den Organen der Bundespolizeidirektion Wien den Eintritt in die Wohnung verwehrt, geschweige denn hätte sie aktiven oder auch nur passiven Widerstand geleistet. Viel mehr wurde die Beschwerdeführerin überrumpelt und ohne Vorwarnung und ohne daß dies notwendig gewesen wäre, niedergeschlagen. Gerade darin liegt die unmenschliche Behandlung. Die grundlose Gewaltanwendung stellt sich um so mehr als unmenschliche Behandlung dar, wenn es sich, wie bei der Beschwerdeführerin, um eine fast 75 jährige Frau handelt. Es konnte somit auch von den Organen der Bundespolizeidirektion Wien nicht im entferntesten angenommen werden, daß die Beschwerdeführerin aktiven oder auch nur passiven Widerstand leisten würde.

Somit wurde die Beschwerdeführerin durch das Niederschlagen in ihrem Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden gem Art 3 MRK verletzt.

Es wird daher beantragt zu fällen den BESCHEID:

1) die Beschwerdeführerin wurde am 13.2.1995 in Wien, S-gasse durch Organge der Bundespolizeidirektion Wien dadurch, daß die Organe der Bundespolizeidirektion Wien in ihre Wohnung eindrangen und eine Hausdurchsuchung durchführten in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht auf Wahrung des Hausrechtes gem Art 9 StGG und Art 8 Abs 2 MRK verletzt.

2) die Beschwerdeführerin wurde weiters am 13.2.1995 in Wien, S-gasse dadurch, daß Organe der Bundespolizeidirektion Wien sie grundlos niedergeschlagen haben in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden gem Art 3 MRK verletzt.

3) Der Bund (Bundesministerium für Inneres) als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, der Beschwerdeführerin die Kosten dieses Verfahrens zu bezahlen.

Karoline S

An Kosten werden verzeichnet:

Schriftsatzaufwand S 8325,00

Eingabegebühr S 120,00

gesamt S 8445,00."

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie

beantragte, die Beschwerde dagegen, daß

1.) Organe der Bundespolizeidirektion Wien in die Wohnung der Beschwerdeführerin eindrangen und eine Hausdurchsuchung durchführten, wodurch sie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht auf Wahrung des Hausrechtes gem Art 9 StGG und Art 8 Abs 2 MRK verletzt worden sei, abzuweisen;

2) Organe der Bundespolizeidirektion Wien die Beschwerdeführerin grundlos niedergeschlagen und sie in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleistetem Recht, keiner unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden gem Art 3 MRK verletzt hätten, zurückzuweisen.

An Kosten machte die belangte Behörde S 3.043,-- geltend. Die Bundespolizeidirektion Wien legte den von ihrem Bezirkspolizeikommissariat Favoriten geführten Verwaltungsakt AZ:

Kr 542-F/95 in Ablichtung vor.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 17.8.1995 und am 19.9.1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung vom 17.8.1995 wurden die Zeugen Insp Josef P und RvI Manfred Sch, am 19.9.1995 die Zeugen BzI Reinhold R und RvI Günter H sowie die Beschwerdeführerin vernommen. Von Parteienseite waren überdies der Vertreter der Beschwerdeführerin (BfV) und jeweils ein Vertreter der Bundespolizeidirektion (BhV) anwesend. Der BhV gab in der Verhandlung an, daß zum Zeitpunkt des gegenständlichen Vorfalles weder ein Haftbefehl noch ein Hausdurchsuchungsbefehl ausgestellt worden waren.

Der BfV legte einen Bericht des AKH vom 23.2.1995 und einen Befund vom selben Tag vor, sowie 11 Fotos zum Beweis dafür, daß die Verletzungen nicht durch das Öffnen einer Tür, sondern durch einen Schlag erfolgten.

Der BhV brachte vor, daß aus den Fotos nicht ersichtlich gewesen sei, ob die Verletzungen durch einen von einem Menschen geführten Schlag oder durch ein sonstiges Stoßen gegen einen harten Gegenstand, etwa in der Wohnung, geschehen war.

Der Zeuge Insp Josef P sagte aus:

"Ich kann mich an den Sachverhalt erinnern. Beim Eintreffen bei der gegenständlichen Wohnung war ein Lichtstreifen unter der Eingangstüre zu sehen, der erlosch. Es waren Schritte zu hören, außerdem wurde das Geklirre von Schlüsseln gehört. Da trotz heftigen Klopfens von mir und meinem Kollegen RvI Sch die Türe nicht geöffnet wurde, wurde von uns via Funk die Alarmabteilung gerufen. Beim Eintreffen der Alarmabteilung begab ich mich außerhalb des Hauses, dies zur Außensicherung."

Über Befragen des BfV:

"Die Wohnung befand sich vermutlich im 1. oder 2. Stock. Eine Außensicherung erschien daher erforderlich."

Über Befragen des BhV:

"Nach dem Vorfall begab ich mich in die Wohnung. Ich sah die Verletzungen der Bf im Kopfbereich und es wurde von uns der Rettungsdienst gerufen."

Über weiteres Befragen des Verhandlungsleiters:

"Die Beamten der Alarmabteilung traf ich im Stiegenhaus. Es handelte sich dabei vermutlich um 8 bis 10 Personen. Auch ein leitender SWB, nämlich ein Offizier, war dabei. Es wurde mir von den Kollegen der Alarmabteilung mitgeteilt, daß der gesuchte Günther S nicht in der Wohnung sei. Über den verfahrensgegenständlichen Vorfall wurde nicht gesprochen. Mein Kollege RvI Sch war vor meinem Eintreffen in der Wohnung schon anwesend und er war es auch, der den Rettungsdienst holte. Es kann auch sein, daß dies von der Alarmabteilung gemacht worden war. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ich mit der Bf über den Vorfall, der zu den Verletzungen führte, gesprochen habe. Zu der Art der Verletzung befragt: die Frau hatte Blut im Augenbereich. An genauere Details kann ich mich nicht mehr erinnern."

Über Befragen des BhV:

"Außer der Bf und den Beamten war niemand in der Wohnung. Bis zum Eintreffen der Alarmabteilung wurde die Wohnungstüre gesichert. Es ist möglich, daß mein Kollege RvI Sch in einer anderen Wohnung, ich glaube unterhalb, sich nach der Beschaffenheit der gegenständlichen Wohnung erkundigt hat. Der Bf wurde keinerlei Bestätigung etc von uns ausgestellt, da die Amtshandlung von der Alarmabteilung unter der Leitung eines Offiziers durchgeführt worden war."

Der Zeuge RvI Manfred Sch sagte folgendes aus:

"Ich kann mich an den Sachverhalt erinnern. Nach Eintreffen bei der gegenständlichen Wohnung sahen wir, daß Licht herausdrang. Wir klopften und läuteten, es machte sich niemand bemerkbar. Wir hörten Schritte und dann ging das Licht aus. Auf Grund dessen nahmen wir an, daß der Gesuchte Günther S sich in der Wohnung befand. Es wurde daher von mir die Alarmabteilung gerufen. Mein Kollege Insp P sicherte die Wohnungstüre, währenddessen ich mir einen Überblick über die Gegebenheiten in der unteren Wohnung verschaffte. Nach dem Eintreffen der Alarmabteilung gab ich die Information an die Alarmabteilung weiter, die sich ebenfalls die untere Wohnung ansah. Anschließend habe ich den Kollegen Insp P in die H-gasse zur Sicherung der Fensterfront beordert. Ich selbst habe dann in der S-gasse von Funkwagen aus eine ZMA-Anfrage durchgeführt und als ich dann wieder raufkam, war die Amtshandlung der Alarmabteilung bereits abgeschlossen. Die Wohnung war bereits geöffnet und von der Alarmabteilung durchsucht. Es handelte sich um einen Sturmtrupp der Alarmabteilung unter Leitung eines Offizieres. Es wird sich zwischen 5 und 8 Personen gehandelt haben. Ich wurde von einem Kollegen der Alarmabteilung zur Verletzung der Bf informiert. Es wurde mir von dem Kollegen folgendes dazu mitgeteilt: kurz bevor die Alarmabteilung die Wohnung stürmen wollte, sie hatten sich bereits entsprechend aufgestellt, ging die Tür einen Spalt auf. Die Tür wurde in der Folge aufgeschlagen, wobei die Bf die Tür ins Gesicht bekommen habe. Welcher der Beamten der Alarmabteilung mir dies mitteilte, weiß ich nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß zur Art der Verletzung in diesem Zusammenhang etwas gesprochen wurde. Die Alarmabteilung verständigte den Rettungsdienst. Die Alarmabteilung wurde abgezogen und ich blieb bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes in der Wohnung. Die Bf stand im Vorzimmer. Sie war geschockt. Sie hatte eine offene, blutende Wunde im Augenbereich. Die Bf sagte, sie habe Schmerzen im Brustkorb. Ich fragte die Bf, warum sie trotz Klopfens die Wohnungstür nicht geöffnet habe, worauf sie erwidert hatte, nicht gut zu hören. Im übrigen befragte ich sie zu dem von uns gesuchten Sohn. Die Bf sprach zu mir nicht zur Frage des Eindringens in die Wohnung. Ich versuchte, ihr den Grund für die Vorgangsweise zu erklären. Über nochmaliges Befragen gebe ich an, mich nicht erinnern zu können, daß die Bf sich in irgendeiner Weise über die Form des Eindringens durch die Alarmabteilung beschwert hat. Im Gegenteil zeigte die Bf Verständnis für die Vorgangsweise. Im Vordergrund stand für sie die Sorge um den Sohn."

Über Befragen des BhV:

"Wir hatten relativ stark geklopft, zumal wir schon Schritte gehört hatten. Wir gingen davon aus, daß der Gesuchte in der Wohnung sei. Die Glocke funktionierte. Die Bf bekam keinerlei Bestätigung von mir. Sie verlangte auch nichts derartiges. Sie verlangte auch keine Ermächtigung. Sie wurde von mir aufmerksam gemacht, daß sie gegebenenfalls eine Bestätigung in der B-gasse haben könne."

Die Beschwerdeführerin sagte folgendes aus:

"Als ich in die Küche ging, hörte ich ein Geräusch vom Gang. Ich sah beim Guckloch raus und sah nichts. Ich vermutete, daß die Geräusche von Bauarbeiten her stammten. Um welches Geräusch es sich gehandelt hat, weiß ich nicht mehr. Als ich ein zweites Mal ein Geräusch vernahm, blickte ich abermals durch das Guckloch, sah wieder nichts, drückte die Klinke nach unten, als die Tür von außen nach innen aufgeschlagen wurde, und zwar mit großer Wucht, sodaß ich zurückstürzte. Es drangen vermummte Gestalten in meine Wohnung. Ich wußte nicht, was geschah. Ich bekam einen Schlag auf den Kopf und auf die Brust. Ich weiß nicht mehr, wodurch dieser Schlag erfolgte. Außerdem verletzte ich mich beim Stürzen an der linken Hand. Ich blieb liegen, bis mir einer der vermummten Männer aufhalf. Ich erhielt keine Bestätigung, forderte auch keine, weil ich nicht daran dachte."

Über Befragen des BfV:

"Ich weiß jetzt, daß das Guckloch beide Male, als ich versuchte, durchzuschauen, zugehalten wurde. Irgendjemand muß das gesagt haben, wer, weiß ich nicht. Ich hörte kein Klopfen und auch kein Läuten. Wenn geklopft oder geläutet worden wäre, hätte ich das hören müssen, da alle Türen in meiner Wohnung geöffnet waren. Ich bin nicht hörbehindert. Zum Vergleich führe ich aus, daß in der Nacht darauf von Polizisten geläutet wurde, als ich bereits schlief. Dieses Läuten hörte ich."

Über Befragen des BhV:

"Ich schwöre, daß weder geklopft noch geläutet wurde. Die Tür wurde mit dem Fuß aufgeschlagen. Das sah ich nicht sofort. Man sah jedoch den Abdruck eines Schuhabsatzes auf der Türe. Außerdem ist innen der Lack abgesplittert. Ich kann ausschließen, daß zunächst die Türe leicht geöffnet wurde, dann versucht wurde, diese von innen zu schließen und daraufhin erst der Beamte den Fuß zwischen Türe und Türschwelle gestellt hat."

Der Zeuge RvI Günter H sagte aus:

"Ich weiß, worum es in diesem Verfahren geht.

Über Einsatzbefehl unserer Funkstelle, eine Wohnungsöffnung durchzuführen, trafen wir zeitlich in der Früh in der S-gasse ein. Der Einsatzgrund war eine Person in der Wohnung, die eines Mordversuches verdächtig war. Die Kollegen vom BezPolKoat waren bereits vor der Wohnungstüre. Sie teilten uns mit, daß jemand in der Wohnung aufhältig sei. Es sei auch schon mehrmals angeklopft worden und von den SWB die Aufforderung ergangen, die Wohnungstüre zu öffnen. Dieser Aufforderung sei nicht Folge geleistet worden, obwohl Schritte in der Wohnung wahrgenommen worden seien. Zwei Personen der Alarmabteilung sicherten daraufhin vor der Türe. Vier Personen des Eindringtruppes, dem ich auch angehörte, legten sich schußsichere Kleidung an. Der Kollege vom Sicherungstrupp teilte uns mit, daß sicher jemand in der Wohnung sei und Schritte gehört worden seien und auch gehört worden sei, daß jemand zur Türe gehe. Während mir das mitgeteilt wurde, wurde die Türe von innen einen Spalt geöffnet. Daraufhin rief ich singemäß: 'Halt, Polizei'. Daraufhin wurde versucht, die Türe wieder zuzumachen. Als ich das wahrnahm, stellte ich einen Fuß zwischen Türe und Türschwelle. Daraufhin flog die Türe nach innen auf. Ich sah, daß die Bf auf dem Boden lag. Daraufhin durchsuchten wir (der Eindringtrupp) die Wohnung. Die Durchsuchung war negativ. Die Erstversorgung der verletzten Bf wurde durch den Sicherungstrupp durchgeführt. Ich habe ganz sicher nicht das Guckloch zugehalten oder sonst an der Türe hantiert, da in dem Moment, als ich mit dem Sicherungstrupp Kontakt aufnahm, schon die Türe geöffnet wurde."

Über Befragen des BfV:

"Es wurde uns von den Kollegen vor Ort mitgeteilt, daß geklopft wurde. Ich selbst habe das nicht wahrgenommen. Vom Wiedererscheinen nach dem Anlegen der schußsicheren Westen bis zum Öffnen der Türe vergingen lediglich einige Sekunden. Es wäre an sich vorgesehen gewesen, daß der Eindringtrupp zunächst geklopft hätte und den oder die Wohnungsinhaber aufgefordert hätte, die Wohnung freiwillig zu öffnen unter Androhung der gewaltsamen Öffnung der Türe bei Nichtbefolgung. Es kam deswegen nicht dazu, da während der Kontaktaufnahme mit dem Sicherungstrupp die Türe geöffnet wurde."

Die Bf erklärte dazu, daß sie von "Halt, Polizei" nichts gehört habe.

Über weiteres Befragen des Verhandlungsleiters gab der Zeuge fortgesetzt vernommen an:

"Es ist möglich, daß ich mit dem Fuß gegen die Türe gedrückt habe, nicht aber ein gezielter Tritt gegen die Türe. Nachdem die Türe geöffnet worden war und ich den Fuß zwischen Türe und Türschwelle gestellt hatte, drückte ich die Türe auf. Wenn es einen Abdruck auf der Türe gab, dann muß er nicht von mir stammen."

Über Befragen des BfV an die Bf:

"Der Schuhabdruck befand sich ca in Höhe von 1 Meter über dem Boden. Dieser ist noch sichtbar."

Der Zeuge BzI Reinhold R sagte aus:

"Als wir eintrafen, waren bereits Kollegen vom BezPolKoat anwesend, die uns mitteilten, daß sie geklopft hätten und in der Wohnung Geräusche wahrgenommen hätten. Da jedoch nicht geöffnet wurde, seien wir um Unterstützung ersucht worden. Ich war der Kommandant des Eindringtruppes. 5 oder 6 Personen des Eindringtruppes gingen nach oben. Wir stellten uns vor der Türe auf. Oben waren bereits die Kollegen vom Bezirk. Ob Kollegen von der Alarmabteilung bereits oben waren, kann ich nicht sagen. Wir klopften an der Wohnungstüre, ohne daß geöffnet wurde. Wir hörten Geräusche in der Wohnung. Dann ging die Türe auf, wir drangen ein. Ich sah, daß die Wohnung offen war und jemand auf dem Boden lag. Als Kommandant des Eindringtruppes befand ich mich an vorletzter oder letzter Stelle. Ich kann nicht sagen, ob zwischen Personen des Sicherungstrupps und des Eindringtrupps vor der Türöffnung ein Gespräch stattfand. Meine Funktion wäre gewesen, der Situation entsprechend Befehle zu erteilen. Ich sah aus meiner Position, daß die Türe zunächst einen Spalt aufging, dann wieder zu, dann wieder auf. Die Türe ging nicht wieder ganz zu. Aus meiner Position konnte ich nicht sehen, was der vorderste Beamte mit seinen Füßen machte. In der Regel ist es die Aufgabe des Beamten, der ganz vorne ist, 'Halt, Polizei' zu rufen. Im konkreten Fall hörte ich, daß 'Polizei' gerufen wurde. Wer das war, weiß ich nicht mehr. Ich weiß, daß vor dem Öffnen der Türe von einem Angehörigen des Sturmtrupps an der Türe geklopft worden war, jedoch nicht mehr, wer das war. Ich weiß nicht mehr, wer sich damals in unmittelbarer Nähe des RvI H befand."

Über Befragen des BfV:

"Das zweite Öffnen der Türe erfolgte ruckartig. Es ist naheliegend, daß dabei ein Kollege nachgeholfen hat."

Über Befragen durch die Bf:

"Ich sah die Bf beim ersten Öffnen der Türe nicht. Zu einem späteren Zeitpunkt, als wir wegen der Beschädigung der Türe nochmals dort waren, hatte mir die Bf gesagt, sie habe Medikamente genommen."

Dazu führte die Bf aus, daß diese nicht im Zusammenhang mit ihrer

Hörfähigkeit stünden.

Über Befragen des BfV führte der Zeuge aus:

"Ob ich zunächst ohne schutzsichere Weste raufging und dann wieder runter, um diese zu holen, oder gleich mit dieser raufging, weiß ich nicht mehr."

Über Vorhalt der Aussage des Zeugen H, wonach von der Alarmabteilung nicht geklopft worden sei, da die Türe aufgegangen sei: "Von der Alarmabteilung wurde sicher geklopft, es ist jedoch möglich, daß zu diesem Zeitpunkt Herr H nach unten gegangen war, um die Weste zu holen. Es ist nicht üblich zu klopfen, bevor der gesamte Sturmtrupp komplett ist. Es ist jedoch möglich."

Über Befragen des Verhandlungsleiters:

"Es steht von vornherein nicht fest, wie groß der Einsatztrupp im

konkreten Fall ist."

Über Befragen des BfV:

"Das Klopfen erfolgt immer über Weisung des Kommandanten. Es kommt auch vor, daß Wohnungsöffnungen ohne Klopfen durchgeführt werden, dies dann, wenn eine Person mit einer Schußwaffe in der Wohnung vermutet wird. Wir gingen von einer Bewaffnung mit einem Messer aus. Es wäre auch denkbar gewesen, daß der Gesuchte eine Schußwaffe hatte. Trotzdem klopften wir. Bei einem späteren Eintreffen in der Wohnung nahm ich Abschürfungen, nämlich leichte Kratzspuren, auf der Außenseite der Türe und innen beim Türriegel Lackabsplitterungen wahr. Diese Beschädigungen wurden von mir fotografiert. Ich sah absolut nicht, daß es sich bei den Schäden auf der Außenseite um einen Schuhsohlenabdruck handelte."

Nochmals aufgerufen gab der Zeuge H über Befragen des BfV an:

"Als ich runterging, um die schußsichere Weste anzulegen, ging ich für mich hinunter. Ob jemand mit mir, vor mir oder hinter mir hinunterging, weiß ich nicht."

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens wird folgender Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Am 13.2.1994 gegen 5.30 Uhr bedrohte der Sohn der Beschwerdeführerin Günther S seine ehemalige Lebensgefährtin Ingrid St in Wien, Q-platz, mit einem Messer und fügte ihr Verletzungen zu. Über Aufforderung der Bediensteten der Wiener Stadtwerke B und Z wurden die Sicherheitswachebeamten Schu und Re zum Expedit des Bahnhofes F beordert, wohin die Verletzte von den Stadtwerkebediensteten gebracht worden war. Noch vor Eintreffen der Sicherheitswachebeamten hatte sich der Verdächtige entfernt. Von den Polizeibeamten befragt, erklärte die Verletzte, daß sie sich im Dezember 1994 mit ihrem Lebensgefährten zerstritten habe und er daraufhin glaublich wieder zu seiner Mutter nach Wien, S-gasse gezogen sei. Daraufhin wurde eine Fahndung nach dem Verdächtigen eingeleitet. Um 6.16 Uhr beorderte die Funkstelle der Bundespolizeidirektion Wien RvI Sch und Insp P zur Wohnung der BF, um dort Nachschau nach dem Verdächtigen zu halten. Die Beamten klopften an die Eingangstür und läuteten, nachdem sie einen Lichtstreifen unter der Eingangstüre gesehen hatten. Obwohl in weiterer Folge aus der Wohnung auch Schritte und das Geklirre von Schlüsseln zu hören waren, öffnete - trotz wiederholten lauten Klopfens - niemand die Tür und das Licht in der Wohnung ging wieder aus. Die Beamten forderten in der Folge die Alarmabteilung zur Unterstützung an. Bis zum Eintreffen derselben erkundigte sich der Beamte Sch bei einer Hausbewohnerin in einer darunterliegenden Wohnung über die Verhältnisse in der Wohnung top 9. Sein Kollege übernahm die Außensicherung im Stiegenhaus. Um 6.43 Uhr beorderte die Funkstelle der Bundespolizeidirektion Wien mehrere Beamte der Alarmabteilung zu der genannten Adresse. Ein gerichtlicher Hausdurchsuchungsbefehl war nicht eingeholt worden. Etliche der eingetroffenen Wega-Beamten formierten sich zu einem Eindringtrupp, andere Beamte bildeten einen Sicherungstrupp und postierten sich vor der Wohnungstüre, während sich die Beamten des Eindringtrupps, darunter der Beamte H, mit schußsicheren Westen aus ihren Fahrzeugen versorgten. Wieder oben wurde H von einem Angehörigen des Sicherungstrupps informiert, daß sicher jemand in der Wohnung sei, daß Schritte gehört worden seien und auch gehört worden sei, daß jemand zur Türe gehe. Noch während dieses Gesprächs öffnete sich die Türe einen Spalt breit. Die Bf hatte nämlich von außen kommende Geräusche vernommen und wollte vorerst durch den "Spion" nachsehen, was sich auf dem Gang vor ihrer Eingangstüre ereignete, konnte jedoch nichts erkennen. Daher sperrte die Bf die Wohnungstüre von innen auf und drückte mit der linken Hand die Türschnalle nieder. H rief "Halt Polizei!" und als die Türe wieder zuging, drückte er sie nach innen auf und stellte gleichzeitig seinen Fuß zwischen Türe und Schwelle. Er erkannte nicht, daß sich die Bf unmittelbar hinter der Türe befand. Durch die aufschlagende Türe wurde der Beschwerdeführerin ein Schlag unmittelbar oberhalb des linken Auges versetzt, sie stürzte und erlitt weiters eine Prellung des linken Unterarmes und der linken Hand. Einige Beamte durchsuchten daraufhin die Wohnung. Der Verdächtige wurde nicht vorgefunden. Nach dieser Durchsuchung wurde der Rettungsdienst angefordert. Die geschockte Bf wurde über den Zweck des Einschreitens informiert, sie verlangte aber keine Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe. Der Beamte Sch blieb bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes bei der Bf. Noch am selben Tag, allerdings nach dem oben beschriebenen Geschehen wurden ein gerichtlicher Haft - und Hausdurchsuchungsbefehl erteilt.

Diese Feststellungen gründen sich auf die Aussage der Beschwerdeführerin und der einvernommenen Zeugen, sowie den Inhalt des Aktes der Bundespolizeidirektion Wien, Koat Favoriten, Zl Kr 542/95, ferner auf die vorgelegten Fotos und ärztlichen Berichte. Wenn die Bf ausführt, sie könne ausschließen, daß die Türe zunächst leicht geöffnet und dann versucht worden sei, diese von innen zu schließen, wird nicht ihr, sondern den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen H und R gefolgt. Dies deswegen, da die Bf geschockt war und zwar nicht erst beim Niederstoßen, sondern bereits beim ersten Anblick der Wega-Beamten, die in der Beschwerde als "vermummt" bezeichnet werden. Es erscheint daher als der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend, daß der Bf infolge dieses Schocks etliche Details entfielen. Es wird ihr aus eben diesen Gründen auch nicht gefolgt, daß sie das heftige Klopfen der Beamten P und Sch nicht gehört habe. Ferner wird ihrem Vorbringen, das in der Verhandlung dahingehend präzisiert worden war, daß die Verletzung durch einen Schlag - nicht aber durch die Türe - erfolgt sei, nicht gefolgt. Die Zeugen H und R hatten den Vorfall schlüssig und nachvollziehbar im Sinne der obigen Sachverhaltsfeststellungen dargestellt.

Der belangten Behörde wurde hingegen nicht gefolgt, daß das Aufschlagen der Türe nur durch das Hineinstellen des Fußes des Zeugen H erfolgte. Es erscheint in Anbetracht der gegebenen Situation wahrscheinlicher und der angenommenen Sachlage entsprechender, daß H unmittelbar, nachdem die Türe geöffnet wurde, mit seinem Körpergewicht nachhalf (in diesem Sinne auch die Aussage des Zeugen R).

Daß versucht worden sei, einen gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehl zu erwirken, wurde weder in der Gegenschrift noch in den beiden Verhandlungsterminen von den Vertretern der belangten Behörde behauptet, noch von den einvernommenen Zeugen, die sich im übrigen sichtbar bemüht zeigten, weitgehend von sich aus den Sachverhalt vollständig darzustellen.

Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes wurde erwogen:

Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 iVm § 67c AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden wegen der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Darunter ist nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts eine solche Amtshandlung zu verstehen, die ein behördliches Handeln im Rahmen der der Behörde zustehenden Befehls- und Zwangsgewalt bildet, der in irgendeiner Form eine rechtsfeststellende oder rechtserzeugende Wirkung beigemessen werden kann und bei der es sich um einen gegen eine individuell bestimmte Person gerichteten Verwaltungsakt und somit um eine Amtshandlung individuellen normativen Inhaltes handelt (vgl etwa VfSlg 7346).

Akte von Verwaltungsbehörden, die in Durchführung richterlicher Befehle gesetzt werden, können nicht dem Bereich der Hoheitsverwaltung zugeordnet werden. Da im vorliegenden Fall unbestritten feststeht, daß ein richterlicher Befehl zum maßgeblichen Zeitraum nicht erteilt worden war, sind die vorgenommenen Akte als verwaltungsbehördliche anzusehen. Da die BF unbestritten Inhaberin der gegenständlichen Wohnung ist und die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.

1.) Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Hausrechtes:

Gemäß Art 8 Abs 1 MRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Eingriffe in diese Rechte sind gemäß Art 8 Abs 2 MRK unter anderem im Dienste der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen zulässig. Art 9 StGG (Unverletzlichkeit des Hausrechtes) gewährleistet den Schutz gegen willkürliche Hausdurchsuchungen. Laut dem Gesetz vom 27.10.1862, RGBl Nr 88, zum Schutz des Hausrechtes, welches gemäß Art 149 Abs 1 B-VG als Verfassungsgesetz zu gelten hat, dürfen Hausdurchsuchungen zum Behufe der polizeilichen Aufsicht nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen vorgenommen werden.

§ 1 HausrechtsG bestimmt, daß eine Hausdurchsuchung, das ist die Durchsuchung der Wohnung oder der sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten, in der Regel nur Kraft eines mit Gründen versehenen richterlichen Befehls unternommen werden darf.

Dessen § 2 bestimmt jedoch folgendes:

"Zum Zwecke der Strafgerichtspflege kann bei Gefahr am Verzuge auch ohne richterlichen Befehl eine Hausdurchsuchung von Gerichtsbeamten, Beamten der Sicherheitsbehörden oder Gemeindevorstehern angeordnet werden. Der zur Vornahme Abgeordnete ist mit einer schriftlichen Ermächtigung zu versehen, welche er dem Beteiligten vorzuweisen hat.

Zu demselben Zwecke kann eine Hausdurchsuchung auch durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommen werden, wenn gegen Jemanden ein Vorführungs- oder Verhaftbefehl erlassen, oder wenn Jemand auf der That betreten durch öffentliche Nacheile oder öffentlichen Ruf einer strafbaren Handlung verdächtig bezeichnet oder im Besitze von Gegenständen betreten wird, welche auf die Beteiligung an einer solchen hinweisen. In beiden Fällen ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder doch binnen der nächsten 24 Stunden die Bescheinigung über die Vornahme der Hausdurchsuchung und deren Gründe zuzustellen."

Da die Beschwerdeführerin, wie sie auch selbst angab, die gegenständliche Tür zu den Räumlichkeiten, in denen die Hausdurchsuchung stattfand, aufsperrte, stellte sich zunächst die Frage, ob überhaupt ein verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsakt vorgelegen hat.

Wenn die Beschwerdeführerin der Hausdurchsuchung (freiwillig) zugestimmt hätte, würde dies eines (normativen) Zwangscharakters entbehren, sodaß die Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt mangels eines Beschwerdegegenstandes als unzulässig zurückzuweisen wäre.

Da sich jedoch im Ermittlungsverfahren ergeben hat, daß die Hausdurchsuchung auch stattgefunden hätte, wenn die Beschwerdeführerin nicht selbst die Tür geöffnet hätte, daß nämlich in diesem Fall die Türe gewaltsam geöffnet worden wäre, überdies die Beschwerdeführerin unmittelbar nach dem Öffnen versuchte, die Türe wieder zu schließen, wurde vom Vorliegen einer Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ausgegangen.

Für die Prüfung der Frage, ob Gefahr im Verzug bestanden hat, ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ein strenger Maßstab anzulegen ist: Von der grundsätzlichen Regel, daß ein richterlicher Hausdurchsuchungsbefehl einzuholen ist, darf nur in besonderen (Ausnahms-)Fällen, dh wenn die besonderen Umstände eine Einholung nicht erlauben, abgegangen werden (vgl ua VfSlg 8298/1978). Unerläßlich ist die Einholung eines richterlichen Befehls zB im allgemeinen immer dann, wenn mit dem Untersuchungsrichter des zuständigen Gerichts während der Dienst- und Journaldienststunden unverzüglich eine fernmündliche Verbindung hergestellt werden kann. Diese Möglichkeit war hier - schon im Hinblick auf die Einrichtung eines Tag- und Nachtjournaldienstes beim zuständigen Landesgericht für Strafsachen Wien - unzweifelhaft gegeben. Erst nach dem allfälligen Fehlschlagen des Versuches, mit dem Untersuchungsrichter das Einvernehmen zu pflegen, hätten die einschreitenden Organe selbständig prüfen dürfen, ob die gesetzlichen Bedingungen für eine Hausdurchsuchung zutrafen (vgl VfSlg 9934/1984; VfGH 28.11.1989, B 1285-1288/88).

Wenn in der Gegenschrift ausgeführt wird, daß es offensichtlich gewesen sei, daß in der gegebenen Situation, wie sie sich den beiden Sicherheitswachebeamten darbot, eine Kontaktaufnahme mit dem Journalstaatsanwalt und dem Journalrichter zeitlich nicht mehr möglich gewesen sei und bei einem Zuwarten mit den Vorbereitungen für das Eindringen in die Wohnung nicht nur die Gefahr bestanden hätte, daß der Verdächtige Spuren der Tat oder die Tatwaffe beseitigen, sondern auch, daß er flüchten würde, so ist dem zunächst folgendes entgegenzuhalten:

Die die Amtshandlungen auslösende Tat des Günther S wurde um ca

5.30 Uhr gesetzt. Ein StKw mit den Beamten Insp Schu und Re wurde um 5.42 Uhr zum Tatortbereich beordert, dort wurden die Zeugen B und Z und die Geschädigte vernommen. Um 6.16 Uhr wurden die Beamten Insp P und RvI Sch zur Wohnung der Bf beordert, um 6.43 Uhr die Einsatzkräfte der Wega. Zwischenzeitig bzw während des Wegaeinsatzes hatten P und Sch eine Außensicherung vorgenommen und Sch eine ZMA-Anfrage durchgeführt.

Bei der Wertung eines beschwerdegegenständlichen Sachverhalts ist zwar jeweils auf den Zeitpunkt des Einschreitens abzustellen respektive auf jene Umstände, die den einschreitenden Beamten zu diesem Zeitpunkt bekannt waren und ob sie - bezogen auf diesen konkreten Einzelfall - in vertretbarer Weise zu der Vornahme der nunmehr angefochtenen Verwaltungsakte berechtigt waren (VfSlg 10272, 8461, ua). Nun ist aber schon nicht einsichtig, warum zwar eine ZMA- Anfrage durchgeführt werden konnte, sich aber nicht eines der Organe um eine (zumindest telefonische) Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Gericht bemühen konnte (vgl hiezu auch das Erkenntnis VfSlg 9107/1983). Immerhin war zwischen dem ersten behördlichen Kontakt (Schu und Re) und dem Eindringen der Wegabeamten in die Wohnung ca eine Stunde vergangen und war in Summe gesehen doch eine größere Zahl von Beamten in den Fall involviert.

Auch eine nach § 2 Abs 2 HausrechtsG (§ 141 Abs 2 StPO) durch die Sicherheitsorgane aus eigener Macht vorgenommene Hausdurchsuchung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl zB das Erkenntnis des VfGH vom 26.11.1990, B 1295-1297/88) nur bei Gefahr im Verzug zulässig (siehe auch Foregger-Serini, StPO, 4. Auflage, 1989, Erläuterung I zu § 141 StPO).

Abgesehen davon, daß das Vorliegen einer Ermächtigung im Sinne des ersten Absatzes des § 2 des Hausrechtsgesetzes von der belangten Behörde nicht dargetan worden war, kam im Ermittlungsverfahren auch kein Umstand hervor, der die Annahme von Gefahr im Verzug (unmittelbar bevorstehende Gefahr für Leben und Gesundheit einer Person, Sicherung oder Wiederherstellung der Freiheit einer Person, Schutz gefährdeten Eigentums, Abwehr eines gefährlichen Angriffs) im Sinne des Hausrechtsgesetzes rechtfertigen würden. Aus der Sicht der einschreitenden Beamten lag der begründete Verdacht vor, daß sich in der Wohnung der BF deren Sohn, nach welchem wegen Mordversuchs gefahndet wurde, aufhalte. Da auf das Klopfen und Läuten der ersteintreffenden Beamten die Wohnungstür nicht geöffnet worden war, jedoch Licht in der Wohnung brannte und Schritte daraus zu hören waren, konnte auch davon ausgegangen werden, daß der Verdächtige tatsächlich in der Wohnung anwesend sei. Den Hinweis auf den konkreten Aufenthaltsort des Verdächtigen hatte kurze Zeit vorher das Opfer selbst gegeben. Die Voraussetzung des begründeten Verdachtes im Sinne des § 139 Abs 1 StPO lag daher vor.

Es trifft sohin zwar, zu daß die von den Beamten eingeschlagene Vorgangsweise aus deren Sicht zweckmäßig erschien, doch war sie - gemessen an den vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Maßstäben - aus folgenden Gründen nicht rechtmäßig:

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 3108) ist unter "öffentlicher Nacheile" eine Verfolgung des Verdächtigen unmittelbar nach der Tat und im Freien zu verstehen. Ein öffentlicher Ruf liegt dann vor, wenn der Verdächtige durch Zurufe der Menge der Tat beschuldigt wird.

Im vorliegenden Fall war der Verdächtige im maßgeblichen Zeitraum von niemandem verfolgt worden, vielmehr schritten die Sicherheitswachebeamten aufgrund der individuellen Beobachtung der Aufforderer B und Z, in weiterer Folge der Verletzten, ein. Es lag sohin weder ein öffentlicher Ruf noch eine öffentliche Nacheile im Sinne des § 2 HausrG bzw § 141 Abs 2 StPO vor. Die vom Verfassungsgesetzgeber in diesen Fällen der Hausdurchsuchung ohne richterlichen Befehl geforderte höhere Garantie, daß der von der Hausdurchsuchung Betroffene eine strafbare Handlung begangen hat, war daher nicht gegeben.

Dazu hat der Verfassungsgerichtshof schon im zuletzt zitierten Erkenntnis vom 4.12.1956 ausgeführt, daß der verfassungsrechtliche Schutz des Hausrechtes in allen jenen Fällen, in denen die Sicherheitsorgane auf Grund einer Anzeige einschreiten, bei gegenteiliger Ansicht illusorisch wäre. Gerade im vorliegenden Fall, in dem die gänzlich unbeteiligte Bf tatsächlich zu Schaden kam, wird die Sinnhaftigkeit der vom Verfassungsgesetzgeber vorgenommenen Interessensabwägung zwischen Strafrechtspflege und Hausrecht besonders deutlich.

Da also weder der Fall der öffentlichen Nacheile noch auch der des öffentlichen Rufs vorlag - die übrigen vom Gesetz angeführten Fälle scheiden wie oben ausgeführt auch aus - wurde die Bf durch das zwangsweise Eindringen in ihre Wohnung und die vorgenommene Hausdurchsuchung ohne richterlichen Befehl in ihren Rechten verletzt, weswegen der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären war.

2.) Was die Behauptung, die BF sei unmenschlich bzw erniedrigend behandelt worden, betrifft, ist folgendes auszuführen:

Der im Verfassungsrang stehende Art 3 MRK bestimmt, daß niemand der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen werden darf.

Der Begriff der unmenschlichen Behandlung besteht im absichtlichen Zufügen schweren seelischen oder psychischen Leidens. Den einschreitenden Sicherheitswachebeamten war lediglich bekannt, daß die Nachschau in der Wohnung dem Zwecke der Auffindung eines des versuchten Mordes verdächtigen Mannes diente. Da bei solchen Personen stets erhöhte Gefahr anzunehmen ist, mußte die Durchsuchung mit möglichster Konsequenz betrieben werden. Auf mehrfaches Klopfen und Rufen war zunächst keine Reaktion erfolgt, obwohl klar war, daß sich jemand in der Wohnung befindet. Als sich die Beamten schließlich auf das Eindringen in die Wohnung vorbereiteten und die Tür für sie überraschend geöffnet wurde, war rasches Handeln zwingend erforderlich. Dies um so mehr, als versucht wurde, die Tür sogleich wieder zuzuschlagen. RvI H hatte unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der Tatsache, daß er nicht erkennen konnte, wer sich hinter der Wohnungstür befand, nur die Möglichkeit, das Zuschlagen der Tür durch Hineinstellen des Fußes und das Aufdrücken der Türe zu verhindern. Dies geschah ohne die Absicht, dadurch jemanden zu verletzten. Der ausschließliche Zweck dieser Aktion war es, das Schließen der Tür und sohin den Eintritt einer Verzögerung sowie das gewaltsame Öffnen der Tür durch die Beamten zu verhindern bzw zu vermeiden. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen wird. Ein derartiger Eingriff ist im allgemeinen dann gegeben, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physichen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (VwGH 19.1.1982, Zl 81/07/0060; VfSlg 10.020, 10.956, zitiert nach Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 7. Auflage, Wien 1992, RZ 610). Voraussetzung für die Qualifikation als sogenannte faktische Amtshandlung ist daher ua daß es sich um eine Amtshandlung individuellen normativen Inhaltes handelt (VfSlg 7346). Fehlt einem Akt die "Normativität", so kann er nicht als eine nach Art 129a B-VG anfechtbare Maßnahme angesehen werden (VfSlg 4082).

Weder die einvernommenen Zeugen noch die Bf selbst gaben in ihren Aussagen Anlaß zur Annahme, daß das Öffnen der Türe einen physischen Zwang konkret gegen die Bf dargestellt habe. Zum einen war durch die nur zu einem Spalt geöffnete Türe nicht zu erkennen, wer sich dahinter befand, zum anderen bestand zwischen der fast 75-jährigen Bf und den Beamten der Alarmabteilung ein derartig augenscheinliches Mißverhältnis im Hinblick auf die jeweilige physische Konstitution, daß schon dieses ein vorsätzliches gewaltsames Vorgehen gegen die Bf als geradezu absurd erscheinen hätte lassen. Es fehlte daher am behördlichen Willen, die BF einer solchen Maßnahme zu unterwerfen. Auch in der Beschwerde wird ausdrücklich festgehalten, daß physische Gewaltanwendung gegen die Bf nicht notwendig gewesen wäre. Wenn in der Beschwerde jedoch sinngemäß dargetan wird, daß die Bf nicht vorgewarnt worden sei, ist dem entgegenzuhalten, daß eine förmliche Warnung im Hinblick auf den Verdacht, in der Wohnung einen des Mordversuchs Verdächtigen vorzufinden, von den Beamten aus deren Sicht nicht zielgerecht gewesen wäre.

Aus diesen Gründen ergibt sich, daß sich die Beschwerde diesbezüglich als unzulässig erweist, weswegen sie zurückzuweisen war.

Der Kostenzuspruch an die Beschwerdeführerin gründet sich auf § 79a AVG; für die Berechnung der Höhe wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen: Danach hat sich der Unabhängige Verwaltungssenat bei der Entscheidung über den Kostenersatz nach § 79a AVG an den Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG iVm der auf § 49 VwGG gestützten Verordnung des Bundeskanzlers über die Pauschalierung der Aufwandersätze vor dem Verwaltungsgerichtshof, BGBl Nr 416/1994, zu orientieren. Hiebei sind die in dieser Verordnung angeführten Pauschalsätze unter Bedachtnahme auf den Grundsatz einer Abstufung des Kostenersatzes im Verfahren entsprechend der Unter- bzw Überordnung der angerufenen Behörden und der damit verbundenen verschiedenartigen Mühewaltung um ein Drittel (gerundet) zu kürzen. (vgl ua die Erkenntnisse des VwGH vom 23.9.1991, Zlen 91/19/0162 und 91/19/0226 sowie vom 30.9.1991, Zlen 91/19/0163 und 91/19/0165). Demnach war der Beschwerdeführerin Schriftsatzaufwand in Höhe von S 8.325,--, Verhandlungsaufwand in Höhe von S 10.400,-- und Ersatz für Bundesstempel in Höhe von S 120,--, insgesamt sohin S 18.845,-

-, zuzusprechen.

Die von der Bf zusätzlich bekämpfte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unterlassung unmenschlicher und erniedrigender Behandlung gemäß Art 3 MRK stellt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien - obzwar ein eigener Abspruch möglich ist - wegen ihres engen Konnexes einen Teil der Amtshandlung vom 13.2.1995 dar, weswegen die Beschwerde iSd § 50 VwGG, "gegen einen Verwaltungsakt" gerichtet, der mehrere Teilakte umfaßt, anzusehen ist. Die als Einheit zu beurteilende Beschwerde hatte demnach teilweise Erfolg, die Bf gilt als obsiegende Partei.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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