Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch seine Mitglieder Dr Hason als Vorsitzende, Mag Schöbinger als Beisitzerin und Dr Frey als
Berichter über die Berufung der Frau Ingrid M gegen die als "Bescheid" bezeichnete Erledigung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 18.8.1995, Zahl MBA 6/7-MA/A 8813/95, wie folgt entschieden:
Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.
Begründung:
I) Der Spruch der angefochtenen Erledigung hat folgenden Wortlaut:
"Gegen die Firma "C" mit dem Standort Wien, O-Gasse, in welcher die Betriebsinhaberin, Frau Ingrid M, das Handelsgewerbe ausübt, wird folgende vorläufige Maßnahme zur Gefahrenabwehr gemäß § 12 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit § 8 Abs 1 Z 6 PSG 1994 sowie in Verbindung mit der Kondomprüfungsverordnung getroffen:
Es wird gemäß § 12 Abs 2 zweiter Satz PSG 1994 ein vorläufiges Verbot
des in Verkehrbringens der zum Verkauf angebotenen Kondome laut beiliegender Liste die einen Bestandteil des gegenständlichen Bescheides bildet, getroffen."
Die angefochtene Erledigung weist an ihrem Ende folgende
Zustellverfügung auf:
"Ergeht an:
1)
Frau Ingrid M, z Hd Herrn RA Dr Georg Z, N-Markt, Wien (RSb)
2)
MBA 2 z Hd Herrn SR Dr C
3)
Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentschutz 4)5) Akt"
Im übrigen findet sich unter der Aktenzahl der angefochtenen
Erledigung folgender Betreff:
"Fa "C"
Standort: Wien, O-Gasse
Betriebsinhaberin: Ingrid M
Vorläufige Maßnahme zur Gefahrenabwehr gemäß § 12 Abs 1 Z 3
Produktsicherheitsgesetz 1994 - PSG 1994"
II) Gegen diese Erledigung richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung, worin unter anderem folgendes vorgebracht wird:
"Nach dem Spruch des Bescheides wird der Firma "C" durch eine vorläufige Maßnahme ein Verbot des Inverkehrbringens bestimmter Kondome auferlegt. Die Berufungswerberin, Frau Ingrid M, ist Inhaberin des nicht protokollierten Einzelunternehmens "C". Die Bezeichnung "C" ist eine Etablissementbezeichnung für den Betrieb in Wien, O-Gasse; "C" ist im Firmenbuch nicht eingetragen und auch sonst
keine juristische Person. Der angefochtene Bescheid richtet sich an die Firma "C", sohin ein nicht existentes Rechtssubjekt, und ist schon aus diesem Grund mit einem unbehebbaren Mangel behaftet."
III) Das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz gab zu diesem Teil der Berufung folgende Stellungnahme ab:
"Es wird darauf hingewiesen, daß sich die Berufungswerberin in ihrer Berufung selbst als Inhaberin des nicht protokollierten Einzelunternehmens "C" bezeichnet. Im Zusammenhalt von Bescheidadresse und Bescheidspruch geht die Bescheidadressatin eindeutig hervor. Dem Berufungsvorbringen ist weiters entgegenzuhalten, daß an oberster Stelle der Adresse zwar die Fa "C" aufscheint, daß Frau Ingrid M als Betriebsinhaberin jedoch sehr wohl genannt ist, so daß die Bescheidadresse so aufzufassen ist, daß Fa "C" eher als zur Ortsbezeichnung gehörend zu sehen ist, und Frau M - ähnlich wie ein persönlicher Zustellhinweis - auf die Person hindeutet, an die der Bescheid gerichtet ist. Dies umso mehr, als die
Firmenbezeichnung "C" unter Anführungszeichen steht, was zum Ausdruck
bringt, daß dieser Firmenbezeichnung keine amtliche Bestätigung (Eintragung ins Firmenbuch) zugrunde liegt. Auch im Spruch des Bescheides ist Frau M ausdrücklich genannt."
IV) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 9 AVG ist die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten, insoweit sie in Frage kommt, von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen. Gemäß § 17 HGB ist die Firma eines Kaufmannes der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (siehe auch VwGH 21.6.1979, 3252/78).
Die "Firma" als solche ist kein selbständiges Rechtssubjekt (VwGH 22.2.1989, 88/03/0192).
Ein Bescheid kann nur an jemanden ergehen, der Träger von Rechten
und
Pflichten sein kann (VwGH 20.1.1988, 87/03/0181).
Als Adressat einer Genehmigung der Errichtung und des Betriebes
einer
gewerblichen Betriebsanlage oder der Änderung einer genehmigten gewerblichen Betriebsanlage kommt eine Firma nicht in Betracht (vgl VwGH 20.10.1987, 87/04/0043).
Eine nichtexistente "Firma", an die Bescheide ergangen sind, kann nicht mit der Person gleichgesetzt werden, die sich der ihr nicht zustehenden Bezeichnung bedient; Bescheide an eine derartige "Firma" gehen ins Leere (VwGH 17.11.1983, Slg 11226 A).
Im vorliegenden Fall kann somit dahingestellt bleiben, ob die Firma "C", an die die angefochtene Erledigung laut ihrem Spruch gerichtet ist, existent ist oder nicht, da nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder eine existente noch eine nichtexistente Firma als Bescheidadressat in Betracht kommt. Es stellt sich jedoch im vorliegenden Fall die Rechtsfrage, ob sich der Bescheidadressat aus dem Bescheidspruch oder aus der Zustellverfügung ergibt, wenn Spruch und Zustellverfügung einander insofern widersprechen, als in ersterem eine "Nichtperson", in letzterem hingegen eine existente natürliche Person genannt ist. Auf diesen vorliegenden Fall ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 12.1.1970, Slg 7703A, nicht anzuwenden, da dort der im Spruch nur abstrakt bezeichnete "Eigentümer der Liegenschaft" durch die Zustellverfügung widerspruchsfrei konkretisiert wurde, im gegenständlichen Fall hingegen eben ein Widerspruch und keine sinnvolle Konkretisierung vorliegt. Dazu kommt, daß im genannten Erkenntnis folgendes ausgesprochen ist:
"Wird also im Spruch eine Person nur abstrakt bezeichnet, so kommt der Zustellverfügung, in der sie dann namentlich bezeichnet wird, wesentliche Bedeutung zu, weil dadurch erst die notwendige Individualisierung bewirkt wird."
Der Verwaltungsgerichtshof spricht also ausdrücklich von einer im Spruch genannten Person; im vorliegenden Fall hingegen ist im Spruch eben keine Person, sondern eine "Nichtperson" genannt. Zwar wird laut Verwaltungsgerichtshof (Erkenntnis vom 1.3.1976, Slg 9005A) der Adressat einer Baubewilligung auch dadurch, daß er in der auf den Bescheidausfertigungen angebrachten Zustellverfügung genannt wird, mit hinreichender Deutlichkeit bestimmt, doch spricht der Verwaltungsgerichtshof im selben Erkenntnis von der "Person des Bauwerbers", der eine beantragte Bewilligung erteilt wurde. Im vorliegenden Fall hingegen wurde keine Bewilligung beantragt, sodaß man auch nicht sagen kann, die Identität des Bescheidadressaten ergibt sich aus seinem Antrag, der der bescheidmäßigen Erledigung zugrundeliegt. Im übrigen gilt zur Problematik hinsichtlich "Person" bzw "Nichtperson" das zum vorher genannten Erkenntnis (VwSlg 7703A) Ausgeführte.
Wenn der Verwaltungsgerichtshof weiters in seinem Erkenntnis vom 17.4.1980, 2261/78, ausgesprochen hat, daß kein Verstoß gegen die Bestimmung des § 59 AVG vorliegt, wenn sich aus dem Zusammenhang von Einleitung, Spruch, Begründung und Zustellverfügung eines Bescheides die eindeutige Bezeichnung des Verpflichteten ergibt, so ist festzustellen, daß auch dieses Erkenntnis auf den vorliegenden Fall nicht zutrifft. In dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall war die Sachlage nämlich im Gegensatz zum vorliegenden so, daß im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides der Bescheidadressat nicht genannt war. Im vorliegenden Fall aber ist er sehr wohl genannt, allerdings durch Bezeichnung einer "Nichtperson". In dem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall enthält weiters der Bescheid "keinen einzigen Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer der Verpflichtete sei", sodaß nicht gesagt werden könne, daß die im Spruch des Bescheides zu begründende Leistungspflicht nicht ausreichend bestimmt wäre. Im vorliegenden Fall hingegen ist diese tatsächlich insofern nicht ausreichend bestimmt, als im Spruch des gegenständlichen Bescheides eben nicht nur Frau Ingrid M - noch dazu in einem Nebensatz - genannt ist, sondern sich der Spruch nach seinem
ausdrücklichen Wortlaut "gegen die Firma C" richtet. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.6.1985, 84/01/0067, 0068, ausgesprochen, daß das Fehlen der Bezeichnung der Adressatin im Bescheid ebenso wie eine falsche Bezeichnung dann unbeachtlich ist, wenn der Bescheid demjenigen, für den er seinem Inhalt nach bestimmt ist, zugestellt wird, und daß ernstliche Zweifel des Beschwerdeführers an dem Umstand, daß der Bescheid in Wahrheit an ihn gerichtet war, schon nach seinem eigenen Vorbringen nicht bewirkt werden konnten, weil er durch seine Vertreterin den Bescheid übernommen und dagegen Vorstellung erhoben hat; es ist jedoch auch dieses Judikat auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zum einen handelt es sich im vorliegenden Fall weder um ein gänzliches Fehlen der Bezeichnung der Adressatin im Bescheid noch um eine falsche Bezeichnung (im Sinne eines Schreibfehlers, weshalb der VwGH auf sein Erk VwSlg 8496 verweist), sondern um einen klaren Widerspruch zwischen der Bezeichnung des Bescheidadressaten im Spruch einerseits und der Zustellverfügung andererseits. Außerdem kann der Bescheidinhalt aus nichts anderem als
seinem Spruch gewonnen werden; gerade dieser Spruch aber bezeichnet eine "Nichtperson". Es kann daher aus dem Inhalt nicht geschlossen werden, daß der Bescheid an eine Person (nämlich Frau Ingrid M) gerichtet wäre.
Schließlich ist auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.6.1966, 516/66, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da in diesem vom Verwaltungsgerichtshof entschiedenen Fall aus dem Spruch überhaupt nicht hervorgeht, an wen sich diese hoheitliche Anordnung (Bauauftrag) richten könnte, und erst in der Zustellverfügung ein Adressat genannt ist. Im vorliegenden Fall hingegen wird bereits im Spruch - allerdings in unzulässiger Weise - ein "Adressat" von der Behörde bestimmt.
Zusammenfassend kann daher zu dieser Problematik folgendes gesagt werden:
Am Ergebnis, daß die angefochtene Erledigung an eine "Nichtperson" gerichtet ist und damit ein rechtswirksamer Bescheid nicht vorliegt, ändert auch der Umstand nichts, daß in der mit den Worten "Ergeht an"
eingeleiteten Zustellverfügung am Ende des angefochtenen Bescheides nicht die Firma "C", sondern Frau Ingrid M genannt ist, wurde doch das gegenständliche Verbot laut dem Spruch des angefochtenen Bescheides ausdrücklich "gegen die Firma C" verhängt. Nimmt die Berufungsbehörde eine Berufung gegen einen Bescheid, der einer Nichtperson eine Bewilligung erteilt, zum Anlaß, in der Sache selbst den Bescheidadressaten auszuwechseln, so beansprucht sie eine ihr nicht zustehende Entscheidungskompetenz. Ein an eine Nichtperson erlassener Bescheid kann keine Rechtswirkungen entfalten (VwGH 10.11.1970, Slg 7902 A).
Was der Verwaltungsgerichtshof für die Erteilung einer Bewilligung ausgesprochen hat, gilt nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien in gleicher Weise für die Verhängung eines (vorläufigen) Verbotes.
Es war daher im vorliegenden Fall die Berufung mangels Vorliegens eines rechtswirksamen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.