Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien entscheidet über die Berufung von Herrn Michael T, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen die Bestrafung mit S 1.500,-- oder 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe gemäß
§ 368 Einleitungssatz GewO 1994 wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 368 Z 14 iVm § 148 Abs 1 GewO 1994 durch das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6./7. Bezirk, vom 29.9.1995 (GZ: MBA 6/7 - S 9195/95):
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis behoben sowie die Einstellung des zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG verfügt.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:
"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer (§ 370 Abs 2 GewO 1994) der M-gmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 13.8.1995 um 23.35 Uhr den Gastgarten des Gastgewerbebetriebes in der
Betriebsart eines Kaffeehauses in Wien, M-Straße, bis 23.35 Uhr, betrieben hat, obwohl Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, nur von 8 bis 22 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23 Uhr betrieben werden dürfen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 368 Z 14 in Verbindung mit § 148 Abs 1 GewO 1994
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 1.500,--, falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden.
gemäß § 368 Einleitungssatz GewO 1994
Ferner haben Sie gemäß § 64 VStG Strafkosten in der Höhe von 150,--
Schilling zu bezahlen.
Gesamtsumme daher Schilling 1.650,--"
In der Begründung dieses Straferkenntnisses wird weiter ausgeführt, daß die Verwaltlungsübertretung aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Mariahilf, bekannt geworden sei. Der Beschuldigte habe erklärt, daß damals dort keine Ausübung des Gastgewerbes mehr erfolgt wäre und nur Gäste anwesend gewesen wären, die nichts mehr konsumiert hätten. Dem sei jedoch entgegenzuhalten, daß kein Anlaß gefunden werde, an der Richtigkeit der polizeilichen Anzeige zu zweifeln. Da der Beschuldigte auch nicht behauptet oder bewiesen habe, daß ihm die Einhaltung der übertretenen Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden nicht möglich gewesen sei, sei die ihm zur Last gelegte Tat aufgrund der genannten Anzeige erwiesen.
Es folgen Ausführungen zur Strafbemessung.
Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte, Berufung, in der die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sowie die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt wird. Dies wird damit begründet, daß der zur Anzeige gebrachte (und festgestellte) Sachverhalt eine Bestrafung nach § 148 Abs 1 GewO 1994 nicht rechtfertige. Die M-gmbH habe zum verfahrensgegenständlichen Zeitpunkt ihr Gewerbe nicht ausgeübt und den Gastgarten nicht betrieben. Vielmehr sei von Mitarbeitern der M-gmbH der Ausschank von
Getränken und das Betreiben des Gastgartens vor 23 Uhr eingestellt und die anwesenden Gäste aufgefordert worden, den Gastgarten spätestens bis 23 Uhr zu verlassen, wobei diese Aufforderung mehrmalig wiederholt worden sei. Daß einzelne Personen dieser Aufforderung trotz Androhung der Polizeiverständigung keine Folge geleistet hätten, begründe noch kein strafrechtlich relevantes Verhalten im Sinne des § 368 Z 14 iVm § 148 Abs 1 GewO 1994. Die Verpflichtung des Gewerbetreibenden, Gästen weder einen Zutritt zu den Gasträumen noch Gästen ein weiteres Verweilen nach Eintritt der Sperrstunde in den Gasträumen zu gestatten, finde sich nur im § 152 Abs 3 GewO 1994, der für Gastgärten nicht anzuwenden sei. Dies ergebe sich schon daraus, daß der Gewerbetreibende keinen Einfluß darauf habe, ob sich Personen auf öffentlichem Grund aufhielten. Da offenbar Feststellungen fehlten, die den Vorwurf des Betreibens des Gastgartens näher spezifizieren würden, sei das angefochtene Straferkenntnis rechtswidrig. Im übrigen habe die Behörde die Behauptungen des Rechtsmittelwerbers völlig ignoriert, wobei in der Polizeianzeige noch keine Rede davon sei, daß der Gastgarten betrieben und eine Gewerbeausübung erfolgt sei.
Abgesehen davon sei gemäß § 368 Z 14 GewO 1994 das Nichteinhalten von
in der Gewerbeordnung genannten Ge- oder Verboten strafbar, jedoch enthalte § 148 Abs 1 GewO 1994 weder ein Gebot noch ein Verbot, sondern nur eine Betriebsgarantie (für Gastgärten) für den im Gesetz genannten Zeitraum. Ge- oder Verbote enthalte die Bestimmung des § 148 Abs 1 GewO 1994 nur insoweit, als darin die Mindestöffnungsgarantie an bestimmte Voraussetzungen, wie zum Beispiel Anschläge über das Verbot des lauten Sprechens etc, gebunden
sei.
Die Berufung ist berechtigt.
Gemäß § 368 Z 14 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer andere als im § 366, § 367 Z 1 bis 13 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die aufgrund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält. Gemäß § 148 Abs 1 GewO 1994 dürfen Gastgärten, die sich auf öffentlichem Grund befinden oder an öffentliche Verkehrsflächen angrenzen, jedenfalls von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr, vom 15. Juni bis einschließlich 15. September bis 23.00 Uhr, betrieben werden, wenn sie ausschließlich der Verabreichung von Speisen und dem Ausschank von Getränken dienen, lautes Sprechen, Singen und Musizieren in ihnen
vom Gastgewerbetreibenden untersagt ist und auf dieses Verbot hinweisende Anschläge dauerhaft und von allen Zugängen zum Gastgarten
deutlich erkennbar angebracht sind. Der erste Satz gilt auch für bereits bestehende sonstige Gastgärten.
Mit der Bestimmung des § 148 Abs 1 GewO 1994 wurde im Rahmen der Neufassung des II. Hauptstückes der Gewerbeordnung 1973 durch Z 118 der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl Nr 29/1993, eine Regelung für die
"Gewerbeausübung in Gastgärten" erlassen, die mit der früheren Regelung des § 195 GewO 1973 über die "Gewerbeausübung außerhalb der genehmigten Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen" zum neuen § 153 GewO 1973 (als dessen Abs 1) verschmolzen wurde. Diese gesetzgeberische Maßnahme hatte eine Unterschriftenaktion zugunsten des Erhalts von Gastgärten (insbesondere in Wien) zum Hintergrund und bezweckte tatsächlich (wie vom Berufungswerber richtig angeführt), daß "dem Konsenswerber aufgrund dieser neugeschaffenen Bestimmung bestimmte Betriebszeiten garantiert sind" (Durchführungserlaß zur Gewerberechtsnovelle 1992). Die Bestimmung des (nunmehrigen) § 148 Abs 1 GewO 1994 hatte somit also vor allem den Zweck, bei ihrem Inkrafttreten existierende entgegenstehende (vor allem betriebsanlagenrechtliche) Beschränkungen
für den Betrieb von Gastgärten zu beseitigen, wie sich insbesondere auch aus der Bestimmung des § 148 Abs 1 letzter Satz GewO 1994 ergibt, der sich ausdrücklich auf "bereits bestehende sonstige Gastgärten" bezieht (dementsprechend auch Gerscha-Steuer, Kommentar zur Gewerbeordnung, Anmerkung 3 zu § 148 GewO 1994). Schon daraus ergibt sich, daß im Zusammenhang mit der Übertretung der
Sperrstunde in der Regel nur § 152 GewO 1994 in Verbindung mit der (Wiener) Sperrzeitenverordnung 1982, LGBl 1982/15 in der geltenden Fassung, heranzuziehen ist.
§ 148 Abs 1 GewO 1994 kann diesbezüglich nur dann zur Anwendung kommen, wenn in Betriebsanlagen- oder Konzessionsbescheiden bzw Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien (aufgrund des § 198 Abs 5 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992) für Gastgärten eine frühere Sperrstunde vorgeschrieben war, als nunmehr durch § 148 Abs 1 GewO 1994 "garantiert" ist.
Solche (früheren) Beschränkungen sind für den gegenständlichen Gastgarten aber nicht aktenkundig. Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben und die Einstellung des zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu verfügen.