TE UVS Steiermark 1995/11/16 20.3-8

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Veröffentlicht am 16.11.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die am 22. Juni 1995 eingelangten Beschwerden des Herrn M.H., der Frau R.H., der Frau V.P., und Frau E.H., alle vertreten durch Herrn Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in 8010 Graz, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Beamte des Bundesministers für Inneres gemäß § 67 c Abs 1 und Abs 4 Allgemeines Verwaltungsver-fahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 7 und § 8 Waffengebrauchsgesetz 1969 wie folgt entschieden: Der Waffengebrauch am 12. Mai 1995 um ca. 22.00 Uhr durch zwei Beamte des Bundesministers für Inneres auf der Hofzufahrtsstraße zum Anwesen R. etwa 2,5 km nordwestlich des Ortszentrums von Modriach gegen die Insassen des Fahrzeuges, Kennzeichen VO..., (Frau V.P. und Frau E.H.) und des Fahrzeuges, Kennzeichen St... (Herr M.H. und Frau R.H.), war rechtswidrig.

Der Bundesminister für Inneres hat als belangte Behörde den Beschwerdeführern gemäß § 79 a AVG die für den Zweck entsprechende Rechtsverfolgung notwendigen und mit S 38.231,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I. 1. In der Beschwerde vom 13. Juni 1995 wird - soweit nicht der gemäß § 67 c Abs 2 Z 3 AVG angeführte Sachverhalt beschrieben wird - nachfolgendes

vorgebracht:

2.) Beschwerdelegitimation:

a) Der Schußwaffengebrauch gegen die Beschwerdeführer erfolgte am 12.5.1995, die 6-wöchige Beschwerdefrist ist daher gewahrt.

b) Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, daß die Beschwerdeführer durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, sowie in einfach gesetzlichen Rechten verletzt wurden.

c) Die beiden eingeschrittenen Exekutivorgane sind dienstrechtlich und fachlich der Bundespolizeidirektion Wien zugeordnet, waren aber außerhalb des Sprengels dieser Behörde tätig. Ein Auftrag der örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde (Bezirksverwaltungsbehörde) lag

nicht vor. Die Amtshandlung erfolgte in Ausübung einer Aufgabe im Rahmen der Sicherheitspolizei, namentlich der Abwehr einer allgemeinen Gefahr (§ 21 SPG).

Im vorliegenden Fall ist für die Beschwerdeführer unklar, woher die beiden Exekutivorgane, die der Bundespolizeidirektion Wien zugeordnet sind, die Befugnis zu einer Amtshandlung außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches dieser Behörde nehmen. Das Sicherheitspolizeigesetz geht davon aus, daß die Befugnisse der Exekutivorgane auch in örtlicher Hinsicht von den Zuständigkeiten der Sicherheitsbehörde

abgeleitet sind, denen diese Organe zugeordnet sind. In diesem Sinne sagt z.B. § 9 (2) SPG, daß für die Bezirksverwaltungsbehörde die ihnen unterstellten oder beigegebenen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Exekutivdienst versehen; und:

den Sicherheitsbehörden obliegt gem. § 14 (1) SPG die Ausübung der Sicherheitspolizei innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches.

Eine Änderung dieser Zuständigkeitsordnung kann durch die Bildung von Sondereinheiten (§ 6, Abs. 3 SPG), allenfalls auch durch ein Anheben auf eine höhere Zuständigkeitsebene (Sicherheitsdirektion oder Bundesministerium für Inneres) erfolgen (§ 14, Abs. 1, 2 SPG).

Zufolge § 14 (3) SPG dürfen in Fällen, in denen keine örtlich zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig setzen kann, die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb des Sprengels der Behörde, der sie beigegeben, zugeteilt oder unterstellt sind, sicherheitspolizeiliche Amtshandlungen  führen. Diese gelten als Amtshandlungen der örtlich zuständigen Bundespolizeidirektion oder Bezirksverwaltungsbehörde; das einschreitende Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes hat diese Behörde von der Amtshandlung unverzüglich zu benachrichtigen. Diese Bestimmung ist auch darauf zugeschnitten, daß sich Exekutivorgane außer Dienst etwa zur Abwehr eines gefährlichen Angriffes ad hoc vorübergehend selbst in Dienst stellen (siehe auch Fuchs/Funk/Szymanski, Sicherheitspolizeigesetz2, 1993, S. 29).

Im gegebenen Fall ist keine der genannten

Bestimmungen anwendbar. Dies gibt Anlaß zur Frage, ob die einschreitenden Organe überhaupt befugt waren, außerhalb des Wirkungsbereiches ihrer Behörde (Bundespolizeidirektion Wien) tätig zu werden.

Weiters stellt sich die Frage, welche Behörde als belangte Behörde die Amtshandlung zu vertreten hat. Dem § 14 (3) SPG liegt der Gedanke zugrunde, daß die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde auch dann einzustehen hat, wenn ohne ihr Wissen in ihrem

Sprengel sicherheitspolizeiliche Amtshandlungen durch fremde Exekutivorgane gesetzt werden. Dies spricht für eine Zurechnung des Einschreitens zur örtlich

zuständigen Sicherheitsbehörde, nämlich der Bezirksverwaltungsbehörde Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, als belangter Behörde.

Aus § 67 c (2) Zif. 2 AVG geht hervor, daß die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer

verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

unter anderem eine Angabe darüber zu enthalten hat, welcher Behörde der angefochtene Verwaltungsakt als belangter Behörde zuzurechnen ist. Diese Angabe ist jedoch nur verlangt soweit dies zumutbar ist.

Im vorliegenden Fall ist aus der Sicht der Beschwerdeführer nicht mit Sicherheit erkennbar, wem die Amtshandlung zuzurechnen ist. Eine eindeutige

Lösung ist nicht ersichtlich. Eine sinngemäße Heranziehung des § 14 (3) SPG spricht für eine Zurechnung der Amtshandlung zur örtlich zuständigen Sicherheitsbehörde I. Instanz, nämlich der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg.

Die Angabe der belangten Behörde kann hier den Beschwerdeführern aber nicht (mit der gebotenen Sicherheit) zugemutet werden. Es wird Sache des Unabhängigen Verwaltungssenates sein, diese Frage zu beantworten. Denkbar wäre auch, daß hier als belangte und verantwortliche Behörde die Sicherheitsdirektion für Steiermark oder aber das Bundesministerium für Inneres (für den Fall einer Hebung der Zuständigkeit) als belangte Behörde in Frage kommen. Sicherheitshalber haben

daher die Beschwerdeführer sämtlich in Betracht

kommenden Behörden als belangte Behörden

angegeben.

3.) Beschwerdegründe:

a) Die MRK, die gemäß dem BVG BGBl 1964/95 Verfassungsrang hat, bestimmt in ihrem Artikel 3, daß niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen

werden darf. § 2 WaffGG 1969 in der geltenden Fassung bestimmt, daß im Rahmen exekutiver Zwangsbefugnisse von der Dienstwaffe nur in Fällen gerechter Notwehr, zur Überwindung eines auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes, zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme, zur Verhinderung des Entkommens einer rechtmäßig festgehaltenen Person und zur Abwehr einer von einer Sache drohenden Gefahr Gebrauch gemacht werden darf.

Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben.

Darüberhinaus lag nach Auffassung der Beschwerdeführer sogar lebensgefährlicher

Waffengebrauch im Sinne des § 7 WaffGG vor, wobei

dieser überhaupt nur im Falle gerechter Notwehr zur Verteidigung eines Menschen, zur Unterdrückung eines Aufstandes oder Aufruhrs, zur Erzwingung der Festnahme oder Verhinderung des Entkommens einer Person, die eines Verbrechens überwiesen oder dringend verdächtigt ist, das für sich allein oder in Verbindung mit ihrem Verhalten bei der Festnahme oder Entweichung sie als einen für die Sicherheit des Staates, der Person oder des Eigentums allgemein gefährlichen Menschen kennzeichnet oder zur Erzwingung der Festnahme oder Verhinderung des Entkommens eines Geisteskranken,

der für die Sicherheit der Person oder des Eigentums

allgemein gefährlich ist, zulässig ist.

Diese Voraussetzungen lagen jedenfalls nicht vor.

Insbesonders ist auch im Sinne des § 4 WaffGG der Waffengebrauch nur zulässig, wenn ungefährliche oder weniger gefährliche Maßnahmen, wie insbesonders die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen

Zustandes, die Androhung des Waffengebrauches, die Verfolgung eines Flüchtenden, die Anwendung von Körperkraft oder verfügbare gelindere Mittel, etc.

ungeeignet erscheinen oder sich als wirkungslos

erwiesen habe. Im übrigen darf von der Waffe nur dann

Gebrauch gemacht werden, wenn dies notwendig ist und

maßhaltend vor sich geht. Dies war jedoch nicht

gegeben, sodaß der Waffengebrauch jedenfalls

rechtswidrig war und die Beschwerdeführer in ihrem

Recht nach Art. 3 MRK verletzte, nicht einer

unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung

unterworfen zu werden.

b) Art. 2 MRK bestimmt, daß das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt ist; abgesehen von der Vollstreckung eines gerichtlich verhängten Todesurteils darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden; nach Art. 2 (2) MRK ist eine Tötung zulässig, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt, um die Verteidigung eines Menschen gegenüber rechtswidriger Gewaltanwendung sicherzustellen, um eine

ordnungsgemäße Festnahme durchzuführen oder das Entkommen einer ordnungsgemäß festgehaltenen Person

zu verhindern, oder um im Rahmen der Gesetze eine Aufruhr oder Aufstand zu unterdrücken. Der Schußwaffengebrauch der beiden Beamten war dem Beschwerdeführer gegenüber lebensgefährdend. Infolge der Rechtswidrigkeit des lebensgefährdenden Schußwaffengebrauches, der den Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes jedenfalls nicht entsprach, wurde das Recht des Beschwerdeführers auf Leben im Sinne des Art. 2 MRK verletzt (vergl. VfSlg 8082).

c) Darüber hinaus vertreten die Beschwerdeführer die Ansicht, daß der eindeutig lebensgefährdende, ja auf Tötung gerichtete Waffengebrauch (Schußhöhe!!) auch dann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

widersprochen hätte, wenn er sich tatsächlich gegen Täter (Angreifer im Sinne des SPG) gerichtet hätte. Bei den gegebenen Umständen konnte eine Gefährdung von Unbeteiligten selbst dann nicht ausgeschlossen werden, wenn der Waffengebrauch den Richtigen getroffen hätte. Zusätzlich wurde noch in Ablichtung der Anzeige der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 19. Mai 1995 an die Staatsanwaltschaft Graz gegen die beiden Beamten wegen des Verdachtes des Vergehens

nach den §§ 88 und 89 Strafgesetzbuch, sowie das Schreiben des Landesgendarmeriekommandos für

Steiermark, Kriminalabteilung vom 23. Mai 1995 an die Staatsanwaltschaft Graz wegen Verdachtes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt der Beschwerde

beigegeben.

Die Beschwerdeführer beantragten zudem die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen

Verhandlung, als auch die Fällung folgender

Entscheidung:

Die Beschwerdeführer sind dadurch, daß Organe der Bundespolizeidirektion Wien am 12. Mai 1995 aus der Dienstwaffe mehrere Schüsse auf sie bzw. auf den von M.H. gelenkten Personenkraftwagen, in welchem R.H.

auf dem Beifahrersitz saß, abfeuerten, wobei das von M.H. gelenkte Fahrzeug 7 mal von Projektilen getroffen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Leben (Art. 2 MRK) und im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden (Art. 3 MRK) sowie in ihrem Recht, daß im Rahmen polizeilicher Zwangsbefugnisse Organe der Bundespolizei von der Dienstwaffe nur gemäß den Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969 Gebrauch machen,

verletzt worden., sowie ......... mehrere Schüsse auf sie bzw. auf den von V.P. gelenkten Personenkraftwagen, in welchem sich E.H. auf dem Beifahrersitz befand, abfeuerten, wobei das von V.P. gelenkte Fahrzeug

dreimal von Projektilen getroffen wurde, .....

2. Aufgrund der eingelangten Beschwerden konnte die erkennende Behörde ermitteln, daß die beiden Beamten infolge des Aktenvermerkes der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro vom 12. Mai 1995, Zl. II-

495/SB95, dem Bundesminister für Inneres am 12. Mai 1995 Dienst zugeteilt wurden.

3. Der Einladung zur Erstattung einer Gegenschrift kam die belangte Behörde insoweit nach, als sie ihre Zuständigkeit erklärte und beantragte, der UVS Stmk. möge die Verfahren UVS 20.3-8,9/95-3 und UVS 20.3- 10,11/95-3 bis zur Klärung des Sachverhaltes in dem unter Zl. 4 ST 2763/95 derzeit bei der Staatsanwaltschaft Graz anhängigen Strafverfahren und bis zur rechtskräftigen Beendigung desselben aussetzen. Der Antrag wurde damit begründet, daß es im gerichtlichen Strafverfahren um die Klärung desselben Sachverhaltes gehen würde und die gerichtsmedizinischen

Untersuchungen von Spuren an dem laut Angaben der Beamten bei der Amtshandlung verwendeten Anhaltestab noch nicht abgeschlossen seien. Sollte dem Antrag nicht stattgegeben werden, wurde auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung von vornherein verzichtet.

4. Im Zuge des weiteren Verfahrens wurde das zu Aktenzeichen 16 Vr 1538/95 des Landesgerichtes für Strafsachen Graz erstattete Gutachten des Herrn Ass. Prof. Dr. Peter Roll, Institut für gerichtliche Medizin der Universität Graz vom 18. September 1995 eingeholt. Das Gutachten befaßte sich mit der Fragestellung, den mitgelieferten Anhaltestab zu untersuchen und nach Möglichkeit festzustellen, ob und welche Substanz zum Anhaften der Grashalme verwendet wurde und die anhaftenden Grashalme dahingehend zu untersuchen, ob sie mit jenen der Örtlichkeit in Modriach übereinstimmen können und hatte nachfolgenden Inhalt:

Bei den durchgeführten biochemischen Untersuchungen ließ sich eindeutig beweisen, daß als Haftmittel keine biologischen Substanzen nachgewiesen werden konnten. Bei der stereomikroskopischen Untersuchung ließen sich keine Hinweise für die Verwendung eines Klebstoffes gewinnen, da weder sog. Klebstoffperlen noch Klebstoffäden, die im allgemeinen bei der Anwendung solcher Mittel vorhanden sind, festzustellen waren. Es zeigte sich bei der stereomikroskopischen und anschließenden mikroskopischen Untersuchung, daß

sich zwischen den anhaftenden getrockneten Pflanzenbestandteilen und der glatten Oberfläche der Reflexfolie des Anhaltestabes gering bis reichlich Staub und Sandanhaftungen feststellen ließen, womit offensichtlich erwiesen ist, daß sich durchnäßte und schmutzbehaftete Teile auf der Fläche befanden.

Von Prof. TEPPNER wurden Lupenuntersuchungen der Pflanzenteile durchgeführt, wobei sich ergab, daß es sich um Stengel bzw. Blatteile von Gräsern handelt. Nach seinen Ausführungen ist einer genaue Zuordnung äußerst schwer und nur nach aufwendigen rasterelektronenoptischen Untersuchungen möglich.

Beim Versuch unter ähnlichen Bedingungen derartige getrocknete durchnäßte Pflanzenteile zum Haften zu bringen ergab sich einerseits, daß bloßes Fallenlassen kaum zu Spurenanhaftungen führte, andererseits gelang ein artifizielles Aufbringen dieser durchfeuchteten und mit Staub und Sand verschmutzten Grasstückchen

ausgesprochen leicht. Es zeigte sich ein starkes Haften dieser Teile, womit auch ein längerer Transport bzw. kräftiges Schütteln bzw. Schläge die Teile nicht lösen konnten.

Da die botanischen Spezialuntersuchung äußerst

aufwendig ist, könnte man eine Untersuchung der Stäube und Sande hinsichtlich einer topographischen Zuordnung zum Auffindeort durchführen und wäre eine

diesbezügliche Untersuchung evtl. bei der Kriminaltechnischen Zentralstelle in Wien möglich.

Des weiteren wurden von der belangten Behörde nach Beendigung der mündlichen Verhandlung eine Niederschrift mit den Gendarmeriebeamten Bez. Insp. F.P. und Bez. Insp. W.B. vom Gendarmerieposten

Köflach vom 14. Mai 1995 als auch der Untersuchungsbericht der Bundespolizeidirektion Graz, Kriminaltechnische Untersuchungsstelle vom 19. Mai 1995 über den Polizeianhaltestab und der Dienstpistolen (Zl. II-KD-1150/95/Löf) übermittelt.

II. 1. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle am 10. Oktober 1995 unter Einvernahme der Beschwerdeführer in beiden Verfahren sowie der beiden Zeugen Rev.Insp. R.H. und Rev.Insp. H.H., als auch sämtlicher der erkennenden Behörde vorliegenden schriftlichen Unterlagen (siehe die unter I. angeführten Aktenbestandteile), wird der Entscheidung nachfolgender Sachverhalt zugrundegelegt:

Im Zuge einer geplanten Geldübergabe bei einer Erpressung wurden die beiden Beamten Rev.Insp. R.H. und Rev.Insp. H.H. zur Durchführung der Observationstätigkeit dem Bundesminister für Inneres dienstzugeteilt (Aktenvermerk der Bundespolizeidirektion Wien, Sicherheitsbüro vom 12. Mai 1995). Um ca. 21.50 Uhr des 12. Mai 1995 waren die beiden Beamten mit

einem Dienstkraftfahrzeug mit Gänserndorfer Deckkennzeichen unterwegs. Die beiden Beamten waren in Kenntnis der Richtung des Abwurfortes des Geldsackes, der über eine Autobahnbrücke nach

Angaben des Erpressers abgeworfen werden sollte. Über die nicht immer funktionsfreie Funkverbindung erhielten sie die Nachricht, daß das Geldpaket von der Autobahnbrücke hinabgeworfen wurde und unter der Brücke Fahrzeuge seien. Eine Nachricht über Aufnahme des Geldpaketes durch den Erpresser wurde nicht

empfangen bzw. mitgeteilt. Auch hätten die örtlichen Gegebenheiten - der Abwurfsort befindet sich in einem Tal und ist zwischendurch bergiges Gelände - eine derartige Funkmeldung nicht zugelassen (Zeugenaussage des Rev.Insp. R.H., Seite 11, erster Absatz, der Verhandlungsschrift). Seit dem Zeitpunkt der Mitteilung, daß der Geldsack abgeworfen wurde, hielten die Beamten ihr Dienstfahrzeug an, schalteten das Licht aus und kurbelten die Seitenscheiben herunter. Es herrschte Dunkelheit und Regen. Dies war ca. 200 m vom

Vorfallsort des Schußwaffengebrauches.

Nach einigen Minuten nahmen die Beamten den Lichtkegel des von der Hofzufahrtsstraße zum Anwesen R. vulgo W. kommenden Fahrzeuges mit dem Kennzeichen VO... wahr. Dieses Fahrzeug wurde von

Frau V.P. gelenkt und war Frau E.H. Beifahrerin.

Die im Freiland befindliche Hofzufahrtsstraße zum Anwesen R. ist etwa 2,5 km nordwestlich des Ortszentrums von Modriach gelegen. Der Ort des Vorfalles befindet sich ca. 110 m südlich der Brücke von

der A 2 (Südautobahn). Die Straße weist in diesem Bereich eine Steigung von ca. 8,5 Prozent und eine Breite von 2,70 m auf. Etwa 10 m nördlich vom

Vorfallsort zweigt eine asphaltierte Hofzufahrtsstraße in

südwestlicher Richtung ab. Im Bereich der Straßengabelung steht ein A-Mast. Östlich und westlich der Straße befindet sich eine Wiese. Der östliche Wiesenstreifen liegt etwa 20 cm bis 30 cm unter dem Fahrbahnniveau. Das Gras hatte eine Länge bis zu 15 cm (Beschreibung des Tatortes in der Sachverhaltsmappe des Landesgendarmeriekommandos Steiermark, Kriminalabteilung - Tatortgruppe, Seite 2 und 3).

Rev.Insp. R.H. fuhr sodann dem wahrgenommenen

Fahrzeug mit eingeschalteten Scheinwerfern entgegen und stellte das Dienstfahrzeug quer über die Fahrbahn ab. Hiebei wurde der Motor und die Scheinwerfer in Betrieb gelassen. Aufgrund der geöffneten Türen war auch die Innenbeleuchtung des Dienstfahrzeuges eingeschaltet. Beide Beamten zogen daraufhin ihre Dienstwaffen und stiegen aus dem Fahrzeug. Ein Anhaltestab wurde nicht verwendet.

Während mit dem Dienstkraftfahrzeug zum Anhalteort gefahren wurde, näherte sich das entgegenkommende Fahrzeug der Beschwerdeführerin V.P. mit einer Geschwindigkeit von 40 km/h. Bei Stillstand des Dienstkraftfahrzeuges wurde von der Beschwerdeführerin die Geschwindigkeit ihres Fahrzeuges auf Schrittempo reduziert und konnten die beiden Insassen erkennen, daß es sich um ein unbekanntes Kennzeichen, nämlich nicht aus der Gegend stammend, handelt.

Währenddessen begaben sich die beiden Beamten auf

die Fahrbahn, wobei der Zeuge H.H. beim

Dienstfahrzeug verblieb und der Zeuge R.H. dem Fahrzeug VO... entgegeneilte. Beide Beamte hielten ihre Dienstwaffe mit ihren Händen in Richtung des entgegenkommenden Fahrzeuges. Beide Beamten waren

in Zivil gekleidet. Der Zeuge R.H.schrie Halt - Polizei und wiederholte mehrmals die Aufforderung. Als der Beamte einige Meter vom Fahrzeug der Beschwerdeführerin

entfernt war, lenkte Frau V.P. ihr Fahrzeug in das östliche Wiesengrundstück und wich somit dem quergestellten Dienstkraftfahrzeug aus, wobei sie kurz danach wieder auf die Fahrbahn zurückkehrte. Während dieses Ausweichmanövers wurden von den beiden Beamten

Schüsse auf das davonfahrende Fahrzeug abgegeben

und dieses getroffen (siehe Sachverhaltsmappe des LGK für Steiermark, Kriminalabteilung, Seite 6 und 7).

Personen wurden hiebei nicht verletzt. Der Zeuge R.H .begab sich währenddessen ebenfalls von der Fahrbahn auf das östliche Wiesengrundstück, der andere Zeuge Rev.Insp. H.H.verließ hiebei seinen Sicherungsposten beim Dienstfahrzeug und begab sich in Richtung seines Kollegen.

Als sich das Fahrzeug der Frau V.P. ca. 200 m vom Ort des Vorfalles entfernt hatte, kam den Beamten das Fahrzeug St..., gelenkt von Herrn M.H., ebenfalls aus gleicher Richtung wie das erste Fahrzeug, entgegen. In dem Fahrzeug befand sich als Beifahrerin Frau R.H. Der in der Wiese stehende Zeuge Rev.Insp. R.H.lief auf den Pkw zu und rief Halt - Polizei!, um das Fahrzeug zum Anhalten zu bewegen. Hiebei war die Dienstpistole auf das Fahrzeug gerichtet und wurde bei Nichtanhaltung des Fahrzeuges ein Schuß abgegeben. Der zweite am

östlichen Fahrbahnrand befindliche Zeuge Rev.Insp. H.H. gab auf das herannahende Fahrzeug - als dieses nicht anhielt - ebenfalls Schüsse ab. Der Lenker des zweiten Fahrzeuges, Herr M.H., sah die Spuren des ersten Fahrzeuges in der Wiese und führte ebenso ein Ausweichmanöver über das östliche Wiesengrundstück

durch. Hiebei wurden von beiden Beamten weitere

Schüsse auf das Fahrzeug abgegeben und das Fahrzeug

beschädigt (siehe Sachverhaltsmappe des LGK für Steiermark, Kriminalabteilung, Seite 5 und 6). Der Lenker des Fahrzeuges wurde bei der Schußabgabe an

der linken Gesichtshälfte verletzt. Während des Schußwaffengebrauchs waren beide Beamten auf dem östlichen Wiesengrundstück.

Das Ausweichmanöver der beiden Fahrzeuglenker wurde von diesen damit erklärt, daß sie aufgrund der vorgefundenen Situation der Meinung waren, sie seien Opfer eines Überfalles und sahen daher im Davonfahren eine Fluchtmöglichkeit.

Nachdem sich auch das zweite Fahrzeug entfernte,

nahmen beide Beamten die Verfolgung auf und konnten in einem nahegelegenen Gasthaus das Fahrzeug des Herrn M.H. wahrnehmen und wurde dort die Situation - nämlich, daß es sich nicht um die Täterfahrzeuge gehandelt hat - geklärt.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich insbesondere auf die Aussagen der Beschwerdeführer, nämlich Herrn M.H. und Frau R.H. (zu GZ.: UVS 20.3- 8,9/95) und Frau V.P. und Frau E.H. (zu GZ.: UVS 20.3- 10,11/95). Sämtliche Beschwerdeführer gaben in der mündlichen Verhandlung am 10. Oktober 1995 in

schlüssiger und nachvollziehbarer Weise den Geschehnisablauf wieder. Die Darstellungen stehen auch in keinem Widerspruch mit den Erhebungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark. Im Gegensatz dazu sind die beiden Zeugenaussagen von Rev.Insp. R.H. und Rev.Insp. H.H. unglaubwürdig, soweit sie von der Verwendung eines Anhaltestabes, als auch dem Einschalten der Alarmblinkanlage beim

Dienstfahrzeug ausgehen. Die erkennende Behörde

wurde im Rahmen des durchgeführten Lokalaugenscheines mit den offensichtlich lückenhaften Angaben der beiden Zeugen konfrontiert, wobei nach der allgemeinen Lebenserfahrung jedenfalls davon

ausgegangen werden muß, daß es einem Beamten

möglich sein muß, den Ablauf eines derartigen Einsatzes auf Befragung auch noch nach 5 Monaten in den wesentlichen Zügen wiederzugeben. Dies war jedoch aufgrund der beiden Zeugenaussagen nicht möglich, da der Zeuge Rev.Insp. H.H. überhaupt nicht sagen konnte, welche Bewegungsveränderungen er während des

gesamten Vorfalles vorgenommen habe. Auch der Zeuge Rev.Insp. R.H. konnte nicht einmal ungefähre Angaben machen, wo er zum Zeitpunkt des Anhalteversuches

beim zweiten Fahrzeug gewesen ist, noch an welcher

Seite das Fahrzeug an ihm vorbeigefahren ist. Es ist daher auch nicht nachvollziehbar, daß beide Zeugen sehr wohl feststellen konnten, daß beim herannahenden

Fahrzeug VO... das Seitenfenster an der Beifahrerseite zum Teil geöffnet war. Im übrigen war in einer derartigen Situation die Aufmerksamkeit der Beamten sicherlich auf andere Umstände gelenkt (Geschwindigkeit des Fahrzeuges, Fahrlinie des Fahrzeuges) und zum anderen war es aufgrund der eingeschaltenen Scheinwerfer des frontal herannahenden Fahrzeuges fast unmöglich, eine derartige Wahrnehmung zu machen.

Die erkennende Behörde geht grundsätzlich davon aus, daß der Ablauf der Ereignisse am Vorfallsort sehr rasch vor sich ging, wobei die beiden Beamten aufgrund ihrer Einschätzung davon ausgingen, daß es sich bei den

beiden Fahrzeugen um die Täterfahrzeuge gehandelt hat. Als sie nun den Lichtkegel des ersten Täterfahrzeuges wahrnehmen konnten, setzten sie das Dienstfahrzeug in Bewegung und fuhren zum Anhalteort. Wegen des bereits in Sichtweite gelegenen ersten Täterfahrzeuges wurden auch die Türen des Dienstfahrzeuges beim Aussteigen nicht geschlossen, und wurde hiebei auch nicht - im Gegensatz zu den Aussagen beider Zeugen - die Alarmblinkanlage des Dienstfahrzeuges eingeschaltet. Keiner der Beschwerdeführer konnte auch die Alarmblinkanlage wahrnehmen - umsomehr wie der Beschwerdeführer M.H. glaubwürdig angab - ein

derartiges Blinklicht in der Dunkelheit hätte auffallen müssen. Auch ist es für die erkennende Behörde

schlüssig nachvollziehbar, wenn die Insassen des ersten Fahrzeuges, Frau V.P. und Frau E.H. übereinstimmend angaben, daß ein Anhaltestab vom Zeugen Rev.Insp.

R.H. nicht verwendet wurde, da zwischen dem Beamten und dem Fahrzeug der Beschwerdeführerinnen eine Distanz von maximal 10 m gewesen ist und die Insassen des mit Schrittgeschwindigkeit fahrenden Fahrzeuges den beleuchteten Anhaltestab im Scheinwerferlicht jedenfalls hätten erkennen müssen. Beim Anhalteversuch des

zweiten Fahrzeuges gaben selbst die Zeugen an, keinen Anhaltestab mehr verwendet zu haben. Folgt man nun der weiteren Zeugenaussage von Rev.Insp. R.H., daß er

beim Zurückeilen zum Dienstfahrzeug zwecks Aufnahme der Verfolgung der Täterfahrzeuge den beleuchteten Anhaltestab in der Wiese mitgenommen habe, so ist dies nicht glaubwürdig, da erfahrungsgemäß ein die Verfolgung aufnehmender Exekutivbeamter keinesfalls die Zeitversäumnis der Aufnahme eines Anhaltestabes in Kauf nimmt. Dies umso mehr, da Herr Rev.Insp. R.H. zu diesem Zeitpunkt von seiner Position näher beim Dienstfahrzeug gewesen sein muß, als bei der Liegeposition des beleuchteten Anhaltestabes. Er hätte somit, um den Anhaltestab wieder aufnehmen zu

können, einen - wenn auch nur distanzmäßig kleinen - Umweg zu seinem Dienstfahrzeug machen müssen. Bei

der gebotenen Eile, die bei der Verfolgung eines Fahrzeuges von Erpressern erforderlich wäre, ist wohl die Vornahme einer derartigen Handlung nicht schlüssig und widerspricht der allgemeinen Erfahrung.

An der Annahme der Nichtverwendung des Anhaltestabes ändert auch der Umstand nichts, daß Bez.Insp. F.P. und Bez.Insp. W.P. am 14. Mai 1995 am GPK Köflach

angaben, daß beide Beamte nach dem Vorfall

angegeben hätten, daß sie zwei unter der Autobahnbrücke daherkommende Pkw mit einem mit Rotlicht-Anhaltestab anzuhalten versucht hätten, da sowohl die beiden Zeugen, als auch die Beschwerdeführer unmittelbar nach dem Vorfall ihre Version des Geschehnisablaufes wiedergaben. Auch der Untersuchungsbericht der Bundespolizeidirektion Graz, Kriminaltechnische Untersuchungsstelle vom 19. Mai 1995, als auch das gerichtsmedizinische Gutachten vom 18. September 1995 konnten keine weitere Klärung des Sachverhaltes bringen. Es kann für die Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen keinesfalls ins Treffen geführt werden, daß laut gerichtsmedizinischem Gutachten kein Hinweis für die Verwendung eines Klebstoffes festzustellen war. Sehr wohl findet die durchgeführte Beweiswürdigung insofern eine Deckung im gerichtsmedizinischen Gutachten, als dort aufgezeigt wird, daß sich einerseits beim Versuch unter ähnlichen Bedingungen derartige getrocknete durchnäßte Pflanzenteile zum Haften zu bringen ergab, daß bloßes Fallenlassen kaum zu Spurenanhaftungen führte, andererseits gelang ein artifizielles Aufbringen dieser durchfeuchteten und mit Staub und Sand verschmutzten Grasstückchen ausgesprochen leicht. Es zeigte sich ein starkes Haften dieser Teile, womit auch ein längerer Transport bzw. kräftiges Schütteln bzw. Schläge die Teile nicht lösen konnten. Unter den aufgezeigten Vorgaben im gerichtsmedizinischen Gutachten erwartet sich die Behörde auch bei Einholung eines weiteren Gutachtens bezüglich der topographischen Zuordnung der Stäube und Sande zum Auffindungsort keine weiteren wesentlichen Anhaltspunkte zur Wahrheitsfindung, umsomehr das durchgeführte Verfahren und die obigen Überlegungen die Nichtverwendung des Anhaltestabes in nachvollziehbarer Weise zutage gebracht haben.

Auch die Einvernahme des von den Beschwerdeführern beantragten Zeugen F.E. konnte unterbleiben, da dieser nicht am Vorfallsort anwesend war, und somit sich die Aussage nur über mittelbare Wahrnehmungen beziehen

würde.

Auch der weitere Einwand der belangten Behörde, daß in der anläßlich der mündlichen Verhandlung vorgelegten Skizze im Maßstab 1:100, Punkt C, den tatsächlichen Standort des Zeugen R.H. zum Zeitpunkt der Schußabgabe zeigt, während Punkt A (Angabe der Zeugen, d.h. der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Rekonstruktion des Vorfalles) nicht mit den

vorgefundenen Patronenhülsen in Einklang zu bringen ist, kann die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Beschwerdeführer nicht untergraben, da zum einen die diesbezüglichen Angaben nur ungefähr sind und zum

anderen gerade diese Skizze aufzeigt, daß der Standort des Zeugen Rev.Insp. H.H. laut seinen Angaben nicht mit den vorgefundenen Patronenhülsen des Zeugen übereinstimmt. Die erkennende Behörde ist sich aufgrund des stattgefundenen Geschehnisablaufes bewußt, daß

sich eine exakte Standortpositionierung nicht mehr rekonstruieren läßt, sehr wohl kann jedoch eine Aussage darüber getroffen werden, ob sich die Beamten zu einem gewissen Zeitpunkt näher oder weiter vom Dienstfahrzeug entfernt haben. Auch ist die Fahrlinie der Fahrzeuge durch die Reifenspuren in der Wiese genau festgelegt. Diese Tatsachen konnten der Behörde in Verbindung mit den während des Lokalaugenscheines gemachten Aussagen

der Beteiligten ein Bild vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt, insbesondere über die Verwendung des Anhaltestabes, vermitteln.

Gerade aufgrund dieser vorgelegten Skizze und der vorgefundenen Patronenhülsen läßt sich eine Notwehrsituation des Zeugen Rev.Insp. H.H. keinesfalls ableiten, da die vorgefundenen Patronenhülsen hinter dem Dienstfahrzeug bzw. neben dem Dienstfahrzeug

waren.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:

1. Die Beschwerden über den Schußwaffengebrauch am 12. Mai 1995 langten beim Unabhängigen

Verwaltungssenat für die Steiermark am 22. Juni 1995 (Postaufgabestempel 21. Juni 1995) ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die von den Beamten des Bundesministers für Inneres vorgenommenen Handlungen im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark veranlaßt wurden. Wegen verfahrensökonomischer Überlegungen hat die Behörde die Entscheidung über die zwei eingelangten Beschwerdeschriftsätze (vier Beschwerdeführer) in einem Bescheid getroffen.

2. Das auf einfachgesetzlicher Ebene zur Anwendung gelangte Gesetz ist das Bundesgesetz vom 27. März 1969 über den Waffengebrauch von Organen der Bundespolizei, der Bundesgendarmerie und der Gemeindewachkörper, BGBl. 1969/149 i.d.g.F. (im folgenden Waffengebrauchsgesetz 1969). Das Gesetz

regelt den Waffengebrauch im Rahmen der polizeilichen Zwangsbefugnisse (§ 1 leg. cit.). Der Schußwaffengebrauch der beiden dem Bundesminister für Inneres zugeteilten Beamten ist somit an den Anforderungen dieses Gesetzes zu messen.

Unzweifelhaft steht fest, daß das Schießen in der Dunkelheit auf ein mit Insassen fahrendes Fahrzeug ein lebensgefährdender Waffengebrauch darstellt und ein derartiger Waffengebrauch in den §§ 7 und 8 Waffengebrauchsgesetz 1969 seine Einschränkungen

erfährt.

Gemäß § 7 Z 1 und Z 3 leg. cit. ist der mit

Lebensgefährdung verbundene Gebrauch einer Waffe

gegen Menschen nur zulässig (Z 1) im Fall gerechter Notwehr zur Verteidigung eines Menschen; (Z 3) zur Zwingung der Festnahme oder Verhinderung des Entkommens einer Person, die einer gerichtlich

strafbaren Handlung überwiesen oder dringend verdächtig ist, daß für sich allein oder in Verbindung mit ihrem Verhalten bei der Festnahme oder Entweichung sie als einen für die Sicherheit des Staates, der Person oder des Eigentums allgemein gefährlichen Menschen

kennzeichnet.

Gemäß § 8 Abs 1 leg. cit. ist der lebensgefährdende Waffengebrauch gegen Menschen ausdrücklich, zeitlich unmittelbar vorangehend und deutlich wahrnehmbar anzudrohen. Gegenüber einer Menschenmenge ist die Androhung zu wiederholen. Als Androhung des Schußwaffengebrauches gilt auch die Abgabe eines Warnschusses. Gemäß Abs 3 finden im Falle gerechter Notwehr die Bestimmungen der Abs 1 und 2 keine

Anwendung.

Keinesfalls kann von einer deutlich wahrnehmbaren Androhung des lebensgefährdenden Waffengebrauchs gesprochen werden, wenn zwei in Zivil gekleidete Sicherheitswachebeamte in der Dunkelheit auf einer Hofzufahrtsstraße mit ihren Dienstwaffen im Anschlag und einem Dienstkraftfahrzeug mit Deckkennzeichen ausschließlich die Worte Halt - Polizei dem

anzuhaltenden Fahrzeug entgegenrufen. Gerade bei

einem lebensgefährdenden Waffengebrauch ist an der

deutlichen Wahrnehmbarkeit ein strenger Maßstab

insofern anzulegen, als dem Sicherheitswachebeamten an der deutlichen Wahrnehmbarkeit für die Betroffenen kein wie immer gearteter Zweifel aufkommen darf. Die beiden Beamten waren in Kenntnis der äußeren Begleitumstände, wie z. B. Dunkelheit, zivile Kleidung, Fahrzeug mit Deckkennzeichen und abgelegener Ort im Freiland, sodaß auf die deutliche Wahrnehmbarkeit eines Schußwaffengebrauches eine erhöhte Aufmerksamkeit zu legen war. Somit war das Rufen Halt - Polizei alleine sicherlich nicht geeignet, den nachfolgenden Schußwaffengebrauch zu rechtfertigen.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ist jedenfalls eine Notwehrsituation des Zeugen Rev.Insp. H.H. nicht zu erkennen. Soweit bei der Situation des Zeugen Rev.Insp. R.H. von einer Notwehrsituation auszugehen wäre, steht dem die Feststellung entgegen, daß der Beamte den Angriff selbst veranlaßt hat. Aufgrund der oben geschilderten äußeren Begleitumstände und dem Kenntnisstand über den Ablauf der Geldübergabe,

nämlich, daß diese noch nicht stattgefunden hatte, sondern nur der Geldrucksack abgeworfen wurde und

sich drei nicht näher definierte Fahrzeuge im Zielgebiet aufgehalten haben, konnte der Beamten nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit für die Voraussetzung eines lebensgefährdenden

Waffengebrauches ausgehen, daß es sich hier um ein Täterfahrzeug handle. Durch sein Verhalten, dem Entgegenlaufen mit der auf das Fahrzeug gerichteten Pistole hat er zumindest grob fahrlässig und damit schuldhaft einen Angriff (das Weiterfahren des entgegenkommenden Fahrzeuges gegen seine Person) provoziert, und wäre daher verpflichtet gewesen, ohne Abgabe von Schüssen auf das herannahende Fahrzeug

sich durch einen Sprung auf die Seite vor dem Angriff zu retten. Da der § 8 Abs 3 Waffengebrauchsgesetz die Bestimmungen des Abs 1 leg. cit. nur im Fall gerechter Notwehr ausschließt, kann somit dem Vorbringen, in Notwehr gehandelt zu haben und daher die Notwendigkeit der deutlichen Wahrnehmung des anzudrohenden Waffengebrauches zu entfallen gewesen wäre, kein

Erfolg beschieden sein. Die von der belangten Behörde hierüber gemachten Ausführungen, insbesondere der Hinweis auf VfSlg. 8082, gehen daher ins Leere. Die zitierte Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes

kommt schon deshalb in concreto nicht zur Anwendung, da die dortige Sachlage völlig unterschiedlich von dem vorliegenden Sachverhalt war und der Verfassungsgerichtshof insbesondere das Verhalten des Beschwerdeführers vor der Festnahme als Voraussetzung des lebensgefährdenden Waffengebrauches rechtfertigte (dringender Verdacht des Vergehens nach § 269 Abs 1 StGP). Auch der weitere Einwand der belangten

Behörde, daß die Erhebungen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark unmittelbar nach dem Vorfall mit groben Mängel behaftet seien, kann nicht gefolgt werden, da der entscheidungsrelevante

Sachverhalt von der erkennenden Behörde selbst

erhoben wurde und die Angaben im Erhebungsbericht der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark durchaus als Unterlage geeignet waren. Soweit der Vorwurf auf die strafgerichtliche Verfolgung bezogen ist, braucht hiezu nicht näher eingegangen zu werden.

3. Gemäß § 67 c Abs 4 AVG hat der Unabhängige Verwaltungssenat den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand

herzustellen.

Da sich eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bereits aus dem Waffengebrauchsgesetz 1969 ergibt und dies als die Sache im Sinne des § 66 Abs 4 AVG darstellt, war auf die beantragten Grundrechtseingriffe des Art. 2 MRK und Art. 3 MRK nicht weiter einzugehen. Eine Feststellung über die behaupteten Grundrechtseingriffe konnten daher entfallen.

4. Im Rahmen des beantragten Kostenbegehrens wurden gemäß § 79 a AVG i.V.m. der Verordnung BGBl. 1994/416 den Beschwerdeführern die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von

S 38.231,-- zugesprochen (VwGH 29.9.1991, 91/19/0162). Den Beschwerdeführern gebühren S

16.000,-- an Schriftsatzaufwand (zwei Beschwerdeschriftsätze), S 20.800,-- an Verhandlungsaufwand (Verhandlung am 10. Oktober 1995 zur Feststellung der zwei den jeweiligen Beschwerden zugrundeliegenden Sachverhalten), S 600,-- an Stempelgebührenersatz (S 240,-- für die zwei Beschwerdeschriftsätze, S 360,-- für die jeweiligen Beschwerdebeilagen), S 187,-- Verpflegungskostenpauschale (Lokalaugen-schein) und S 644,-- Fahrtkostenaufwand (Lokalaugenschein Graz - Edelschrott - Hofzufahrtsstraße zum Anwesen R. - Graz).

Schlagworte
Maßnahmenbeschwerde lebensgefährdender Waffengebrauch Anhaltung Fahrzeug
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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