TE UVS Wien 1995/11/21 06/37/46/95

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.11.1995
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Rotter über die Berufung der Frau Nadja K, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 22. Bezirk, vom 10.1.1995, MBA 22 - S 5733/94, wegen Übertretung des Wiener Jugendwohlfahrtgesetzes (WrJWG) LGBl Nr 36/1990 entschieden:

Das angefochtene Straferkenntnis wird in der Schuldfrage mit der Maßgabe bestätigt, daß der Tatzeitraum zu lauten hat: "Jänner 1994 bis Mai 1994" und die Wortfolge "S Elisabeth, geboren 1986" durch die Wortfolge "Mario Sch, dzt wohnhaft in Wien, Sch-gasse" ersetzt wird und die Übertretungsnorm zu lauten hat: § 41 Abs 1 Z 2 in Verbindung mit § 23 Abs 1 Z 1 und § 33 Abs 1 und 2 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz, LGBl Nr 36/1990 in der Fassung LGBl Nr 5/1994.

Der Berufung wird in der Straffrage insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe von S 5.000,-- auf S 3.000,-- herabgesetzt wird und die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen auf 3 Tage herabgesetzt wird.

Demgemäß ermäßigt sich der erstinstanzliche Kostenbeitrag auf S 300,--.

Gemäß § 65 VStG hat die Berufungswerberin keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Begründung:

Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde Frau Nadja K zur Last gelegt, sie habe es zu verantworten, daß sie in der Zeit von Jänner 1994 bis 21.6.1994 mehrere Pflegekinder unter 16 Jahren (ua Georg P und Elisabeth S) in ihrer Wohnung in Wien, A-weg ohne die erforderliche Pflegebewilligung aufgenommen habe bzw die Pflege dortorts fortgesetzt habe, obwohl die Pflegebewilligung widerrufen worden sei. Sie habe daher gegen § 41 Abs 1 Z 2 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz verstoßen und werde deshalb über sie die genannte Strafe verhängt.

Begründend wurde ausgeführt, das im Spruch näher beschriebene strafbare Verhalten der Beschuldigten sei der Bezirksverwaltungsbehörde von einem Organ des Amtes für Jugend und Familie in Wien 22 auf Grund eigener dienstlicher Feststellungen angezeigt und der Beschuldigten zur Kenntnis gebracht worden. Die Beschuldigte habe sich dahingehend gerechtfertigt, daß die Beaufsichtigung der Kinder nur in geringem Umfang und nur für kurze Zeit und weder regelmäßig noch gewerbsmäßig erfolgt sei. Es habe sich um Kinder von Bekannten und Verwandten gehandelt. Die erstinstanzliche Behörde habe festgestellt, daß die Bewilligung zur Betreuung dreier Kinder tagsüber vom 27.11.1990 gemäß § 24 Abs 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz mit Bescheid vom 8.7.1992 widerrufen worden sei. Bei Besuchen des Jugendamtes bei der Beschuldigten ua am 21.4.1994 und 16.5.1994 seien von den Bediensteten des Jugendamtes jeweils zwei bzw drei Kleinkinder angetroffen worden. Am 21.4.1994 habe Frau K auch den Beamtinnen gegenüber zugegeben, zwei Tageskinder zu beaufsichtigen. Auch in einem Schreiben vom 17.5.1994 habe die Beschuldigte angegeben, seit März 1994 zwei Tageskinder zu beaufsichtigen. Im Zuge des Verfahrens seien die zuständige Sozialarbeiterin des Amtes für Jugend und Familie für den 22. Bezirk sowie einige Mütter einvernommen worden; auf Grund dieser Aussagen stehe fest, daß die nunmehrige Berufungswerberin (Bw) regelmäßig und gegen Entgelt Kinder nicht nur vorübergehend ohne erforderliche Pflegebewilligung als Tagesmutter aufgenommen habe. Das Verschulden der nunmehrigen Bw sei gegeben, weil sie trotz Kenntnis, daß keine Pflegebewilligung vorliege und trotz mehrmaliger Aufforderung des Jugendamtes die Tätigkeit einzustellen weiterhin als Tagesmutter gearbeitet habe. Bei der Strafbemessung seien weder erschwerende noch mildernde Umstände berücksichtigt worden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Bw hätten nicht berücksichtigt werden können, es sei daher von mittleren finanziellen Verhältnissen ausgegangen worden.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die gegenständliche Berufung, in der ausgeführt wurde, das erstinstanzliche Verfahren sei mangels Einvernahme der Zeuginnen Po und Schi mangelhaft; die erstinstanzliche Behörde unterstelle weiters dem § 23 Abs 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz einen unrichtigen Inhalt: Es sei nämlich nur die Übernahme eines Pflegekindes für nicht vorübergehende Dauer für mehr als einen Teil des Tages bewilligungspflichtig, wenn die Pflege und Erziehung gewerbsmäßig gewährt werde und die Handlungsweise regelmäßig erfolge. Nur bei Vorliegen aller dieser Tatbestandelemente könnten von einem pönalisierten Verhalten gesprochen werden. Die Betreuung von Tageskindern, wenn sie nur von vorübergehender Dauer oder für einen Teil des Tages erfolge und nicht gewerbsmäßig und nicht regelmäßig gewährt werde, sei nicht pönalisiert. Aus den im gegenständlichen Verfahren vorliegenden Aussagen könne ein Verstoß der Bw gegen das Wr Jugendwohlfahrtsgesetz nicht geschlossen werden. Es werde daher der Antrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und mit Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen die Bw vorzugehen und in eventu das Verwaltungsstrafverfahren zur Durchführung eines neuerlichen und ergänzenden Beweisverfahrens an die Erstbehörde rückzuverweisen und in der weiteren Folge zur Einstellung zu bringen.

Aus dem vorgelegten erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt geht hervor, daß die Frau Nadja K mit Bescheid vom 27.11.1990 zur Zl AJF/1/8/9 erteilte Pflegebewilligung des Amtes für Jugend und Familie für den 1./8. und 9. Bezirk für die Betreuung dreier Kinder tagsüber gemäß § 24 Abs 1 des Gesetzes vom 27.4.1990 betreffend die Jugendwohlfahrt (Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz 1990) mittels Bescheides des Amtes f Jugend und Familie für den

22. Bezirk vom 8.7.1992 widerrufen worden war. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel eingebracht.

Am 27.4.1995, am 8.6.1995 und am 28.9.1995 wurde in der Sache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführt. Dabei wurden die Bw, Frau Sabine Po, eine Bedienstete des Amtes für Jugend und Familie für den 22. Bezirk, Frau Edith Rü, Frau Irmgard P, Herr Armin Sch, Frau Renate Ri und Frau Agnes S als Zeuginnen einvernommen. Zu Beginn der Verhandlung zog der Vertreter des Bw seinen Antrag auf Zurückverweisung der Rechtsache an die erste Instanz zurück. Weiters beantragte er die Einvernahme der Zeuginnen Ri, P, S, Pe, H, Rü und Schi vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien. In der Verhandlung vom 27.4.1995 wurde die Bw einvernommen und gab dabei an, sie habe früher eine Bewilligung als Tagesmutter gehabt; diese Tatsache habe sich in der Nachbarschaft herumgesprochen und sei sie darauf angesprochen worden, ob sie Kinder aus der Nachbarschaft beaufsichtigen könne. Sie habe dieser Beaufsichtigung nach Maßgabe ihrer Berufstätigkeit zugestimmt. Sie habe selbst zwei Kinder, die 1985 bzw 1987 geboren seien und die sehr oft befreundete Kinder einladen würden. Ihre eigenen Kinder würden aber in der Regel genau so oft bei fremden Kindern eingeladen. In dem ihr vorgeworfenen Zeitraum habe sie fallweise Stefanie Ri, Georg P und Lisa S betreut. Stefanie Ri sei die Tochter einer Freundin und damals etwa 2 1/2 Jahre alt gewesen. Sie sei nur fallweise und unentgeltlich von der Bw betreut worden. Lisa S sei eine Schulfreundin ihrer Tochter und sei etwa einmal pro Woche auf zwei bis drei Stunden zur Bw gekommen; für diese Betreuung habe sie Entgelt für Essen und Aufwendungen erhalten. Georg P sei zum Tatzeitpunkt etwa 2 1/2 Jahre alt gewesen und tageweise für etwa vier bis fünf Stunden entgeltlich von der Bw betreut worden. Nicole Pe sei eine Freundin ihrer Tochter und sei die Bw mit der Familie Pe befreundet. Mario Sch sei etwa drei Wochen von ihr betreut worden, weil seine Eltern auf einen Kindergartenplatz gewartet hätten; er sei dann krank geworden und nicht mehr gekommen. Entgelt habe sie hiefür nicht erhalten. Frau Rü habe einmal etwa im Frühsommer 1994 für sie auf die Kinder aufgepaßt, während sie für etwa zehn Minuten einkaufen gewesen sei. Bei dem angeführten Entgelt habe es sich lediglich um Entgelt für tatsächlich notwendige Aufwendungen (Essen, Windeln, Ausflüge und Spielzeug) gehandelt. Es sei durchaus möglich, daß gleichzeitig bis zu acht Kinder im Haus gewesen seien, weil ihre eigenen Kinder oft auch mehrere Kinder eingeladen hätten. Die Zeugin Sabine Po gab an, sie habe als Bedienstete des Amtes für Jugend und Familie für den 22. Bezirk Hausbesuche bei der Bw durchgeführt. Anläßlich eines Hausbesuches am 21.4.1994 habe man vor der Haustüre der Bw eine Frau getroffen, die ihr Kind gerade bei Frau K abholen habe wollen; diese Frau, die der Zeugin nicht namentlich bekannt sei, habe angegeben, sie bezahle für die Betreuung ihres Kindes. In dem darauffolgenden Gespräch habe die Bw angegeben, es gehe das Jugendamt nichts an, wenn sie Kinder von Freunden bei sich hätte; außerdem werde sie auf Grund ihrer bevorstehenden Berufstätigkeit in einigen Wochen keine fremden Kinder mehr betreuen. Anläßlich eines Hausbesuches am 16.5.1994 hätten die Zeugin und ihre Kollegin H drei Kleinkinder im Hause der Bw gesehen, die sich offensichtlich alleine in diesem Hause aufgehalten hätten. Als Frau K an diesem Tag zu ihrem Hause zurückgekehrt sei, habe sie den beiden Erhebungsbeamtinnen eine Liste mit den Namen dreier Kinder gegeben, die von ihr an diesem Tag betreut worden seien. Über eine allfällige Entgeltlichkeit und Regelmäßigkeit dieser Betreuung könne die Zeugin aber keine Angaben machen. Vor den beiden Hausbesuchen habe es anonyme Anrufe gegeben, daß die Bw trotz des Widerrufes ihrer Tagesmutterbewilligung weiterhin Kinder betreue.

In der fortgesetzten Verhandlung vom 8.6.1995 wurden Frau Edith Rü, Frau Irmgard P und Herr Armin Sch als Zeugen einvernommen. Frau Edith Rü gab an, ihre beiden älteren Kinder seien früher gelegentlich bei Frau K auf Besuch gewesen, weil sie mit deren Kindern befreundet seien. Sie selbst habe einmal für etwa eine halbe Stunde auf drei Kleinkinder aufgepaßt, während Frau K einkaufen gewesen sei. Sie könne sich erinnern, daß sie einmal vor dem Haus der Bw zwei Frauen vom Jugendamt getroffen habe. Sie habe diesen Frauen aber keine Auskünfte gegeben, weil sie sich nicht vorgestellt hätten. Sie selbst habe Frau K niemals Geld für die Besuche ihrer Kinder gegeben. Sie wisse aber, daß die Bw als Tagesmutter tätig gewesen sei. Schließlich habe ihr Frau H vom Jugendamt erzählt, daß die Bewilligung von Frau K nicht mehr bestehe. Sie wisse, daß Simone Ha etwa im Schuljahr 1992/1993 von Frau K betreut worden sei und daß Nicole Pe und Lisa S im Schuljahr 1993/1994 bei Frau K gewesen seien. Genauere Angaben könne sie hiezu aber nicht machen. Sie selbst habe Frau K niemals Geld gegeben.

Frau Irmgard P gab an, ihr Sohn Georg, der damals etwa 2 Jahre alt gewesen sei, sei von Mai 1993 bis April 1994 bei Frau K als Tageskind untergebracht gewesen. Er sei im Schnitt täglich etwa fünf bis sechs Stunden dort gewesen und zwar jeweils Montag bis Freitag für etwa drei Wochen pro Monat. Er habe dort sein Mittagessen bekommen und einen Mittagsschlaf gemacht. Er habe zu diesem Zeitpunkt noch Windeln gebraucht, die Frau P immer selbst mitgebracht habe. Spielzeug sei bei Frau K vorhanden gewesen. Ausflüge habe Frau K eher selten mit den Kindern gemacht. Die Zeugin habe vorgehabt, ihren Sohn bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres von Frau K betreuen zu lassen. Auf Grund der Aufklärung durch das Jugendamt, daß Frau K keine Bewilligung als Tagesmutter mehr habe, sei das Betreuungsverhältnis abgebrochen worden. Sie könne sich erinnern, daß sie bezüglich dieser Betreuung einen schriftlichen Vertrag mit Frau K abgeschlossen habe, der eine Aufschlüsselung der Kosten für Essen, Spielzeug, Betreuung und sogar für Heizkosten beinhaltet habe. Sie habe diesen Vertrag aber nicht aufgehoben. Sie könne sich erinnern, daß sie einen fixen Betrag von etwa S 3.000,-- bis S 3.600,-- pro Monat als Entgelt für die Betreuung an Frau K gezahlt habe; je nachdem wieoft ihr Sohn bei Frau K gewesen sei, sei die Abwesenheit tageweise abgezogen worden. Sie wisse auch noch, daß auch andere Kleinkinder bei Frau K gewesen waren, es seien nachmittags auch Volksschulkinder dort gewesen. Frau K sei ihr als Tagesmutter von der "Kinderdrehscheibe" genannt worden. Herr Armin Sch gab in der Verhandlung vom 8.6.1995 als Zeuge an, daß sein Sohn Mario von etwa August 1993 bis Mai 1994 bei der Bw als Tageskind untergebracht gewesen sei. Er sei damals etwa vier Jahre alt gewesen und habe keine Windeln mehr gebraucht. Er habe bei Frau K Frühstück und Mittagessen bekommen. Es habe zwar Spielzeug bei Frau K gegeben, dieses sei aber für ihn weniger geeignet gewesen. Ausflüge seien eher selten gemacht worden. Mario sei werktags täglich von 7.00 Uhr bis ca 12.30 Uhr von Frau K betreut worden; ursprünglich sei geplant gewesen, daß er zumindest bis Schulbeginn als Tageskind bei Frau K bleiben solle, weil er im Kindergarten Schwierigkeiten gehabt habe. Der Zeuge sei aber mit der Betreuung seines Sohnes durch die Bw, die sich sehr oft von einer älteren Dame vertreten habe lassen, nicht zufrieden gewesen, sodaß im Mai 1994, als Frau K wieder berufstätig geworden sei, Mario wieder zurück in den Kindergarten gekommen sei. Für die Unterbringung seines Sohnes bei Frau K habe der Zeuge etwa S 2.800,-- im Monat bezahlt. Für Tage, an denen Mario nicht bei Frau K betreut werden sollte, sei ein Platzgeld vereinbart worden; der Zeuge könne sich aber nicht mehr erinnern, ob ein solcher Fall jemals eingetreten sei. Eine schriftliche Vereinbarung habe es nicht gegeben. Frau K sei ihm über die "Kinderdrehscheibe" namhaft gemacht worden. Gemeinsam mit seinem Sohn seien noch etwa zwei bis drei Kinder im Alter von etwa 2 1/2 bis 3 Jahren bei Frau K untergebracht gewesen.

Mit Schriftsatz vom 29.8.1995 gab der BwV bekannt, auf die Einvernahme der Zeuginnen H und Schi zu verzichten. In der fortgesetzten Verhandlung vom 28.9.1995 gab Frau Renate Ri an, sie sei mit der Bw schon längere Zeit befreundet. Zwischen Februar und Anfang Mai 1994 sei ihre Tochter Stefanie stundenweise bei der Bw untergebracht gewesen; dies sei zwei- bis dreimal in der Woche von 8.00 Uhr morgens bis ca 12.00 Uhr bzw 12.30 Uhr der Fall gewesen. Stefanie sei zu diesem Zeitpunkt etwa drei Jahre alt gewesen und habe keine Windeln mehr gebraucht. Sie habe bei Frau K Essen bekommen und habe dort auch Spielzeug zur Verfügung gehabt. Frau K habe für diese Betreuung auf Grund ihrer Freundschaft kein Geld verlangt und habe sich die Zeugin gelegentlich durch Einladungen oder durch die Betreuung der Kinder von Frau K revanchiert. Sie wisse, daß stets viele Kinder bei der Bw gewesen seien. Sie wisse aber nicht, ob dies Freunde der Kinder der Bw oder Tageskinder gewesen seien. Sie könne sich erinnern, daß im ersten Halbjahr 1994 etwa zwei kleinere Kinder bei Frau K gewesen seien. Sie könne sich nur mehr an den Namen Georg erinnern. Frau Agnes S gab an, sie sei eine Bekannte von Frau K. Ihre Tochter Elisabeth sei heute neun Jahre alt und sei in der Regel einmal in der Woche von 13.00 Uhr bis etwa 15.00 Uhr bei Frau K untergebracht. Dies diene zur Entlastung der Mutter der Zeugin, die sonst Lisa zwischen dem Schulende um 13.00 Uhr und der Rückkehr der Eltern um etwa 15.00 Uhr betreue. Lisa erhalte bei Frau K eine Mahlzeit, für die jeweils S 40,-- bezahlt werde. Lisa fahre an einem jeweils bestimmten Tag, der sich nach dem Stundenplan ihres Mannes, der Lehrer an einer Berufschule sei, richtet zur Bw. Diese fallweise Unterbringung von Lisa bei Frau K erfolge seit etwa zwei Jahren.

Nach dieser Aussage wurde das Beweisverfahren geschlossen. Der BwV führte in seinem Schlußwort aus, daß das Verfahren einzustellen sei, wenn man den Aussagen der Bw und der Zeuginnen S, Rü und Ri folge. Folge man aber den Aussagen der Zeugen Sch und P so sei zu berücksichtigen, daß entgegen dem Vorwurf der Erstbehörde nur zwei Kinder unbewilligt betreut worden seien. Weiters sei die Strafe überhöht, weil die Bw unbescholten sei und nur über ein geringes Einkommen verfüge und zwei Sorgepflichten habe.

Von der Einvernahme weiterer Zeugen wurde Abstand genommen, weil der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits ausreichend geklärt war.

Am 21.11.1995 wurde der Berufungsbescheid verkündet.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 22 Abs 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz dürfen Pflegekinder unter 16 Jahren nur mit Bewilligungen (Bescheid) des Magistrates in Pflege und Erziehung übernommen werden.

Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung darf die Bewilligung nur für ein bestimmtes Pflegeverhältnis erteilt werden. Bewilligungen, die Tagesmüttern/-vätern erteilt werden, müssen die Namen der Kinder nicht enthalten. Im Bescheid ist jedoch nach Erfordernis durch Auflagen sicherzustellen, daß die ordnungsgemäße Pflege und Erziehung der Kinder gewährleistet ist.

Gemäß § 23 Abs 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz bedarf die Übernahme eines Pflegekindes für vorübergehende Dauer oder einen Teil des Tages keiner Bewilligung, wenn Pflege und Erziehung nicht gewerbsmäßig und nicht regelmäßig gewährt werden.

Gemäß § 41 Abs 1 Z 2 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen, wer ein Pflegekind unter 16 Jahren ohne die erforderliche Pflegebewilligung aufnimmt oder die Pflege fortsetzt, obwohl die Pflegebewilligung widerrufen wurde, soferne die Tat nicht nach anderen Strafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist.

Festgestellt wird, daß die Bw gegen das Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz verstoßen hat, indem sie trotz Widerruf ihrer Pflegebewilligung als Tagesmutter Georg P und Mario Sch, die zum Tatzeitpunkt noch nicht 16 Jahre alt waren, zwischen Jänner und Mai 1994 gewerbsmäßig und regelmäßig als Tagesmutter betreut hat.

Diese Feststellung ergibt sich aus den glaubwürdigen Aussagen der Zeugen P und Sch, denen die Aussagen der Zeuginnen S, Rü und Ri nicht widersprechen. Jeder dieser Elternteile konnte jeweils nur Angaben über das eigene Verhältnis zu Frau K machen, über die Beziehungen anderer Eltern und Kinder zur Bw konnten naturgemäß nur Vermutungen geäußert werden. Wenn die Kinder der letztgenannten Zeuginnen unentgeltlich und auf Freundschaftsbasis von der Bw beaufsichtigt wurden, so schließt das nicht aus, daß Georg P und Mario Sch von ihr im Zuge eines Tagesmutterverhältnisses betreut wurden. Die Bw hat selbst mehrfach zugegeben, fremde Kinder betreut zu haben; im Berufungsverfahren bezeichnete sie das dafür enthaltene Entgelt als bloße Aufwandsentschädigung.

Die Einvernahmen der Zeuginnen H, Schi und Pe konnte unterbleiben, da der Sachverhalt durch die durchgeführten Einvernahmen ausreichend geklärt war.

Der Argumentation der Berufung, alle vier Tatbestandselemente des § 23 Abs 1 Z 1 Wiener Jugendwohlfahrtsgesetz müßten erfüllt bzw nicht erfüllt sein, ist folgendes entgegenzuhalten: Gerade die Qualifizierung einer Pflegetätigkeit durch vorübergehende Dauer und die Erstreckung über einen Teil des Tages ist maßgeblich für die Tätigkeit einer Tagesmutter. Genau hiedurch unterscheidet sie sich von Pflegeeltern, die Pflegekinder, das sind gemäß § 20 des Wiener Jugendwohlfahrtgesetzes Minderjährige, die von anderen als bis zum dritten Grad Verwandten oder Verschwägerten von Wahleltern oder vom Vormund gepflegt und erzogen werden, nicht nur für vorübergehende Dauer und in der Regel ständig beaufsichtigen und erziehen. Bewilligungsfrei ist in einem solchen Fall also nur die Übernahme eines Pflegekindes, die nicht gewerbsmäßig und nicht regelmäßig gewährt wird.

Gemäß § 1 Abs 2 der Gewerbeordnung 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist; hierbei macht es keinen Unterschied, ob der durch die Tätigkeit beabsichtigte Ertrag oder sonstige wirtschaftliche Vorteil im Zusammenhang mit einer in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Tätigkeit oder im Zusammenhang mit einer nicht diesem Bundesgesetz unterliegenden Tätigkeit erzielt werden soll. Gemäß Abs 3 leg cit liegt Selbständigkeit im Sinne dieses Bundesgesetzes vor, wenn die Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wird. Das Tatbestandsmerkmal der Gewinnabsicht setzt weder eine bestimmte Höhe des Gewinnes noch eine im Zusammhang damit stehende kaufmännische Gebarung voraus (VwGH vom 13.6.1980, Zl 292/79 Slg 1016). Die Entgeltlichkeit einer Tätigkeit indiziert den äußeren Anschein der Gewinnerzielungsabsicht, sodaß es Sache des Beschuldigten ist, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht durch ein entsprechendes mit Beweisen belegtes Vorbringen die mangelnde Gewinnerzielungsabsicht trotz Entgeltlichkeit darzutun (VwGH vom 16.12.1986, Zl 86/04/0133, VwGH vom 5.11.1991, Zl 91/04/0150).

Ein solches Vorbringen hat die Bw nicht erstattet: Sie hat lediglich vorgebracht, die von ihr entgegengenommenen Geldbeträge hätten ausschließlich zur Abdeckung des tatsächlich entstandenen Aufwandes für täglich frisch gekochtes Essen, Windeln, Ausflüge und Spielzeug gedient. Diese Angaben hat die Bw weder zahlenmäßig präzisiert noch durch Beweisanbote belegt.

Hinzu kommt, daß dieses unsubstantiierte Vorbringen der Bw durch die Aussagen der Zeugen P und Sch widerlegt wird: Diese beiden Eltern haben angegeben, daß Windeln stets selbst mitgebracht wurden bzw nicht mehr erforderlich waren und daß Ausflüge nur sehr selten gemacht wurden. Herr Sch hat darüberhinaus angegeben, daß zwar Spielzeug vorhanden gewesen sei, daß dieses für sein Kind aber nur bedingt tauglich war. Die Aufwendungen der Bw für Windeln, Spielzeug und Ausflüge waren daher gering. Folgt man der Aussage der Zeugin S, daß durch einen Betrag von S 40,-- die Aufwendungen der Bw für ein Mittagessen für ein Kind abgedeckt sind, ergibt sich für Georg P ein monatlicher Mittagessenaufwand in Höhe von S 600,-- (Anwesenheit bei Frau K an fünf Tagen pro Woche bei drei Wochen im Monat) bzw von S 800,-- bei Mario Sch (20 Tage pro Monat). Schlägt man noch die Hälfte des Mittagessenbeitrages für allfällig konsumiertes Gabelfrühstück oder Jause hinzu, ergibt sich für reine Essensaufwendungen ein Betrag von S 1.200,-- bzw S 900,--. Selbst wenn man noch einen Betrag von S 1.000,-- pro Monat für Aufwendungen für Windeln, Spielzeug, Ausflüge und sonstige Beiträge berücksichtigt, ergibt sich dabei ein Gesamtbetrag für Naturalaufwendungen in Höhe von S 2.200,-- bzw S 1.900,--. Dem stehen von den Eltern geleistete Zahlungen in Höhe von S 2.800,-- bzw S 3.600,-- gegenüber. Eine mangelnde Gewinnerzielungsabsicht erscheint anhand dieser Überlegungen nicht glaubwürdig.

Weiters besteht kein Zweifel, daß die Tätigkeit der Bw bei der Beaufsichtigung der Kinder auf eigene Rechnung und Gefahr ausgeübt wurde, sodaß auch das Vorliegen der Selbständigkeit im Sinne der oben zitierten Gesetzesbestimmung und Judikatur gegeben erscheint. Auch die regelmäßige Ausübung der Betreuungstätigkeit durch die Bw ist durch die Aussagen der Eltern P und Sch erwiesen. Der objektive Tatbestand der Verwaltungsübertretung war somit erfüllt.

Wie bereits ausgeführt, wurde die Tagesmutterbewilligung der Bw bereits im Jahre 1992 rechtskräftig widerrufen; sie wurde mehrfach darauf hingewiesen, daß eine weitere Tätigkeit als Tagesmutter unerlaubt und strafbar ist. Es ist daher davon auszugehen, daß sie vorsätzlich und somit schuldhaft gehandelt hat. Somit war auch die subjektive Tatseite erfüllt.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Strafdrohung des § 41 Abs 1 Z 2 zielt darauf ab, Betreuung von Tageskindern nur unter behördlicher Aufsicht zu gestatten und eine unbewilligte Beaufsichtigung von Kindern durch Tagesmütter und -väter hintanzuhalten. Diesem Verbot hat die Bw zuwidergehandelt und ist daher der mit dieser Verwaltungsübertretung verbundene Unrechtsgehalt nicht als geringfügig zu bewerten.

Wie bereits ausgeführt trifft die Bw der Vorwurf vorsätzlichen Verhaltens.

Der Tatzeitraum wurde gegenüber dem Spruch der Erstbehörde verkürzt. sodaß schon deshalb im Berufungsverfahren eine Herabsetzung der Strafe auszusprechen war.

Weiters kommt der Bw entgegen der Annahme der Erstbehörde der Milderungsgrund der absoluten Unbescholtenheit zugute; Erschwerungsgründe sind nicht hervorgekommen. Auch die unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse der Bw sowie das Fehlen von Vermögen und die Sorgepflicht für zwei Kinder wurde von der Erstbehörde nicht berücksichtigt, sodaß die Strafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen war.

Der Kostenausspruch gründet sich auf die zitierten Bestimmungen. Die Spruchänderungen dienen der Anpassung an die Strafnorm sowie der Präzisierung derselben.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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