TE Vwgh Erkenntnis 2001/10/9 97/21/0466

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Veröffentlicht am 09.10.2001
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §74 Abs1;
MRK Art6 Abs3 litc;
VStG §24;
VStG §51a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des am 20. November 1969 geborenen A in O, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/II/23, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 29. Jänner 1997, Zl. Senat-PL-96-219, betreffend Antrag auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in einem Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 29. Jänner 1997 wurde der Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsbürgers der Bundesrepublik Jugoslawien, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten vom 18. Juli 1996, mit dem der Beschwerdeführer wegen Übertretung der §§ 15 Abs. 1 Z. 2 und 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- und einer Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden bestraft wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt. Weiters wurde der Antrag des Beschwerdeführers, dem Rechtsträger der belangten Behörde Rechtsanwaltskosten in der Höhe von S 16.538,88 (zum Zweck der Verfassung einer Berufung sowie der Teilnahme an der Verhandlung vor der belangten Behörde) gemäß § 74 Abs. 1 AVG zurückgewiesen.

Hinsichtlich der - mit der vorliegenden Beschwerde allein angefochtenen - Zurückweisung des Kostenerstattungsbegehrens des Beschwerdeführers wurde der angefochtene Bescheid damit begründet, dass gemäß § 74 Abs. 1 AVG jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst zu bestreiten habe, weshalb dieser Antrag mangels Antragslegitimation zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet sich die vorliegende, zunächst beim Verfassungsgerichtshof erhobene und von diesem abgelehnte und dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 8. Juli 1997, B 640/97, abgetretene Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit in diesem Umfang aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil dem Beschuldigten in einem Verwaltungsstrafverfahren - "will er die Kosten einer qualifizierten anwaltlichen Vertretung vermeiden" - lediglich die Möglichkeit offen stehe, Verfahrenshilfe zu beantragen. § 74 AVG sei jedoch vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK verfassungskonform auszulegen. Bei einer drohenden Bestrafung nach dem Fremdengesetz handle es sich im Hinblick auf die in der Folge drohende Verhängung eines Aufenthaltsverbotes um eine Verwaltungsstrafsache mit weit reichenden Folgen. Im Maßnahmebeschwerdeverfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten sei ein Kostenersatz explizit vorgesehen. Es sei kein vernünftiger Grund ersichtlich, weshalb dies nicht auch in Verwaltungsstrafsachen der Fall sein solle. Daher sei auch im Verwaltungsstrafverfahren in Analogie zu den Regelungen des Maßnahmebeschwerdeverfahrens (§ 79a Abs. 1 AVG) ein Kostenersatz zuzubilligen.

Damit zeigt der Beschwerdeführer jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Weder das VStG noch das AVG sehen nämlich den vom Beschwerdeführer begehrten Ersatz von Vertretungskosten im Verwaltungsstrafverfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Fall der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens vor. Die vom Beschwerdeführer behauptete Lücke ist nicht ersichtlich, weil - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - im vorliegenden Fall die im Grunde des § 24 VStG zur Anwendung kommende Bestimmung des § 74 Abs. 1 AVG vorsieht, dass jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten hat. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen dieses Ergebnis werden hinsichtlich des Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK vom Verwaltungsgerichtshof deswegen nicht geteilt, weil der Beschwerdeführer auch im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren durchaus die Möglichkeit gehabt hat, gemäß § 51a VStG Verfahrenshilfe zu beantragen und im Fall der Erfüllung der Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle auch bewilligt zu erhalten. Die Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz werden im Hinblick auf den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl. dazu VfSlg. 10.770/1986, 10.823/1986 und 11.368/1987) vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt, weshalb auch keine Veranlassung bestand, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung von im Beschwerdefall angewendeten Gesetzesbestimmungen zu stellen.

Bestand aber kein Recht des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des von ihm begehrten Kostenersatzes, so hat die belangte Behörde seinen diesbezüglichen Antrag zu Recht zurückgewiesen und war die dagegen beim Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1997210466.X00

Im RIS seit

14.01.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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