Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erwin Ganglbauer über die Berufung des Herrn Ing. J.F., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz, vom 3.4.1995, Punkt 2.) GZ.: A 4 - St 924/1- 1994/305, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 800,-- binnen einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Der Spruch wird insoweit berichtigt, als der Berufungswerber die Tat als Vorstandsmitglied der T. AG und somit als gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener zu verantworten hat.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden dem Berufungswerber zwei Verstöße gegen die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung zur Last gelegt.
In der Berufung vom 23.5.1995 wird ausschließlich die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung des Berufungswerbers bestritten.
Gemäß § 51 c VStG ist zur Entscheidung über Punkt 2.) (Geldstrafen unter S 10.000,--) das Einzelmitglied, über Punkt 1.) (Geldstrafe über S 10.000,--) die Kammer des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark berufen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu nachfolgendes fest:
Mit Mitteilung gemäß § 23 Abs 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 vom 22.7.1993, eingelangt beim Arbeitsinspektorat am 10.8.1993, wurde die Bestellung des Ing. J.F., zum verantwortlichen Beauftragten der T. Aktiengesellschaft Graz, L. 43, Zentrale M., Wien, bekanntgegeben. Als sachlicher Zuständigkeitsbereich wurde die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993, die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften und die Einhaltung aller sonstigen Verwaltungsvorschriften angeführt. Als örtlicher Zuständigkeitsbereich wurde Steiermark angeführt. Weiters wurde angegeben, daß der verantwortliche Beauftragte Arbeitnehmer sei, Leiter der Niederlassung Steiermark und Prokurist. Ein Widerruf der Bestellung zum verantwortlich Beauftragten wurde dem Arbeitsinspektorat Graz mit Schreiben vom 31.1.1995, eingelangt am 7.2.1995, angezeigt. Am 4.10.1993 wurde der Berufungswerber in den Vorstand der T.
Aktiengesellschaft berufen. Die verfahrensgegenständlichen Vorfälle ereigneten sich am 12.10.1994.
Gemäß der Mitteilung gemäß § 23 Abs 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 vom 11.8.1993 (Zeitpunkt des Einlanges beim Arbeitsinspektorat Graz ist unbekannt) wurde dem Arbeitsinspektorat Graz die Bestellung des Ing. K.S., zum verantwortlichen Beauftragten der T. AG angezeigt. Als sachlicher Zuständigkeitsbereich wurde die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 sowie die Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften angeführt. Als örtlicher Zuständigkeitsbereich ist der Bereich Feldbach angeführt. Weiters wurde bekanntgegeben, daß der verantwortliche Beauftragte Arbeitnehmer sei und zwar Gebietsbauleiter für den Bereich Feldbach.
Mit Mitteilung vom 2. Februar 1994 wurde dem Arbeitsinspektorat Graz die Bestellung des Ing. H.K., als verantwortlichen Beauftragten der T. AG
bekanntgegeben. Der sachliche Zuständigkeitsbereich wurde mit Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetz 1993, Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften sowie Einhaltung anderer Verwaltungsvorschriften so weit nicht ein anderer verantwortlich Beauftragter in einem sachlich eingeschränkten Zuständigkeitsbereich bestellt wurde, umschrieben. Als örtlicher Zuständigkeitsbereich wurde Bundesland Steiermark, sofern nicht ein anderer Beauftragter in einem örtlich eingeschränkten Zuständigkeitsbereich bestellt wurde, angeführt. Der verantwortliche Beauftragte sei Arbeitnehmer, er sei Niederlassungsleiter (Leiter der Zweigniederlassungen Graz und Feldbach), seine Befugnisse seien die eines Gesamtprokuristen sowie eines gewerberechtlichen Geschäftsführers der genannten Betriebsstätten für das Asphaltierer-, Isolierer- und Schwarzdeckegewerbe.
In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis Zl. 94/02/0470 vom 7. April 1995 mit den Erfordernissen der Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten auseinandergesetzt und zu § 9 Abs 4 VStG ausgeführt, daß die Bestellung und Namhaftmachung von verantwortlichen Beauftragten für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche eines Unternehmens dann nicht rechtswirksam sind, wenn dieser Bereich nicht klar abgegrenzt ist, sodaß die Verwaltungsstrafbehörde die Bestellung auf Grund der Ergebnisse von hiezu erforderlichen Ermittlungen einer Interpretation zu unterziehen hat. Die Bestellungen (Namhaftmachungen) dürfen keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offen lassen (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Februar 1993 Zl. 92/11/0258 vom 9. August 1994 Zl. 94/11/0207, 0208, vgl. auch das Erkenntnis vom 28. Juni 1994 Zl. 94/11/0051). Eine solche eindeutige und zu keinem Zweifel Anlaß gebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüberhinaus nur dann vor, wenn für die in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt.
Wird im Bereich der Tätigkeit einer juristischen Person oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit von der gesetzlichen Grundregel der Strafbarkeit aller ihrer zur Vertretung nach außen befugten Organe abgegangen und von der Möglichkeit einer Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit auf andere Personen mit entsprechender Anordnungsbefugnis Gebrauch gemacht, dann kann für
ein und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlich Beauftragter bestellt werden). Die rechtspolitisch fragwürdige Situation, daß ungeachtet ihrer tatsächlichen internen Aufgabenverteilung alle eine bestimmte Organstellung bekleidenden Personen - auch kumulativ - für Verstöße gegen Verwaltungsvorschriften zu Verantwortung gezogen werden dürfen, soll im Fall gewillkürten Abgehens zu der Lösung führen, daß die Verantwortlichkeit möglichst klar definiert ist. Dies ist jedenfalls dann nicht gegeben, wenn auf Grund überlappender Verantwortungsbereiche wiederum
mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können. Besonders plastisch wird dies in einem Fall, in dem verschiedene Arbeitnehmer für den selben Verantwortungsbereich, die noch dazu zueinander im Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, von denen also der eine
gegenüber dem anderen die Funktion eines Vorgesetzten mit Anordnungsbefugnis ausübt, zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden sollen.
Die unterscheidungslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Dienstnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer für den selben Verantwortungsbereich ist daher nicht rechtswirksam.
Im konkreten Fall waren hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften im Zusammenhang mit
der Baustelle Kanalanschluß H. 57 am 12.10.1994 sowohl Prokurist H.K. als auch der ihm untergeordnete Ing. K.S. zu verantwortlich Beauftragten bestellt, sodaß eine unklar definierte konkurierende Verantwortlichkeit vorlag und die vorliegenden Bestellungen auf Grund der vorangeführten Erwägungen nicht als solche anzuerkennen sind.
Gemäß § 9 Abs 1 ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift durch juristische Personen oder Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit so weit die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und so weit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich, der zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß § 71 Aktiengesetz 1965 i.d.g.F. sind zur Vertretung einer Aktiengesellschaft nach außen die Mitglieder des Vorstandes berufen. Zum Tatzeitpunkt war aber unter anderem unbestrittenermaßen der Berufungswerber Mitglied des Vorstandes und daher verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.
Wenn der Berufungswerber vorbringt, mit der Bestellung von Herrn Ing. K.S. für den Bereich Feldbach sei die allgemeine Bestellung des Herrn Ing. J.F. für die gesamte Steiermark eingeschränkt worden, der Berufungswerber sei am 4.10. in den Vorstand der T. Aktiengesellschaft berufen worden und es sei am 2.2.1994 Herr Ing. H.K. an seiner Stelle zum verantwortlich Beauftragten für die gesamte Steiermark bestellt worden, sofern nicht andere veranwortlich Beauftragte gemeldet seien und die Bestellung des Herrn Ing. H.K. zum verantwortlich Beauftragten vom 2.2.1994 bedeute gleichzeitig einen Widerruf der Bestellung des Beschuldigten, so ist völlig unzweifelhaft, daß dieser Effekt beabsichtigt war. Der Inhalt der vorgelegten Urkunden sowie auch die zeitliche Abfolge der Ausstellung macht dies vollkommen plausibel und nachvollziehbar. Allerdings sieht das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 im § 23 Abs 1 vor, daß die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG 1991 für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung des Arbeitsinspektionsgesetzes erst dann rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Reziprok zur Bestellung bestimmt § 23 Abs 3 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, daß der Arbeitgeber den Widerruf der Bestellung und das Ausscheiden von verantwortlichen Beauftragten nach Absatz 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 dem zuständigen Arbeitsinspektorat schriftlich mitzuteilen hat. Es führt kein Weg an der Tatsache vorbei, daß jedenfalls zum Tatzeitpunkt 12.10.1994 für die festgestellten Verstöße nach außen hin formell drei Personen verantwortlich waren.
Wenn der Berufungswerber vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Entscheidung zu § 9 Abs 4 festgestellt, daß die Voraussetzungen zur Bestellung als verantwortlicher Beauftragter nicht nur zum Bestellungszeitpunkt gegeben sein müssen, sondern vielmehr eine dauernde Bedingung für die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten darstellen, so übersieht er, daß als verantwortliche Beauftragte sowohl Personen aus dem Kreis der gemäß § 9 Abs 1 VStG zur Vertretung nach außen Befugten (Vorstandsmitglieder der T. AG) als auch andere Personen (§ 9 Abs 3 VStG) zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden können. Aus der Tatsache, daß der Berufungswerber nach seiner gemäß § 9 Abs 3 erfolgten Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten in den Vorstand berufen wurde, läßt sich weder für noch gegen die Auffassung des Berufungswerbers etwas gewinnen.
Der Schutzzweck der BauASVO besteht zum einen darin, hinsichtlich der Arbeitsbedingungen der auf dem Bau beschäftigten Arbeitnehmer einen gewissen Mindeststandard zu gewährleisten und zum anderen
durch Sicherheitsvorschriften hinsichtlich der Durchführung der Arbeiten sowie der dabei verwendeten Geräte Arbeitsunfälle hintanzuhalten. Die Bestimmungen der BauASVO haben präventiven Charakter und sind
daher sogenannte Ungehorsamsdelikte, bei denen zur Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes der Eintritt eines rechtswidrigen Erfolges, etwa in Gestalt eines Arbeitsunfalles, nicht erforderlich ist. Es gilt daher die in § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG normierte Umkehr der Beweislast, wobei, da die materiengesetzliche Strafnorm des § 31 ANSchG nichts Gegenteiliges bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.
§ 19 Abs 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Demnach ist bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzten Strafrahmens (hier bis S 50.000,--) insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist ebenso bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände,
hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Dem Berufungswerber ist fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen und zwar dergestalt, daß er als Mitglied des Vorstandes unterlassen hat - möglicherweise im unrichtigen Vertrauen auf die Bestellungen des Ing. K.S. und des H.K. zu verantwortlichen Beauftragten - ein System zu installieren, welches mit gutem Grund die Verletzung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen hintanzuhalten geeignet gewesen wäre. Für letzteres wäre gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG beweispflichtig - und damit vorerst zumindest behauptungspflichtig - gewesen.
Bei der Strafbemessung war als mildernd nichts, als erschwerend neun Verstöße gegen die Bestimmungen
der Bauarbeiterschutzverordnung zu werten. Weiters war als erschwerend zu werten, daß sich tatsächlich ein Arbeiter, nämlich G.S., in der Künette befand und konkret gefährdet wurde, was bei Anwesenheit einer fachkundigen und verantwortungsvollen Person nicht vorgekommen wäre.
Bei der Strafbemessung war ein Einkommen in Höhe von S 40.000,--, Vermögen in Form eines Einfamilienhauses sowie Sorgepflichten für die Ehegattin bei der Strafbemessung zu
berücksichtigen. Da die verhängte Strafe ohnedies nur 8 Prozent beträgt, war eine weitere Strafsenkung weder aus general- noch aus spezialpräventiven Gründen möglich.