Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn K.S., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Heinz Kalss, Bahnhofstraße 103, 8990 Bad Aussee, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Bad Aussee, vom 18.8.1994, GZ.: 15.1 1994/73, wie folgt entschieden:
Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von ÖS 460,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen BA.. (LKW) zur Last gelegt, er habe das oben genannte Fahrzeug am 22.12.1993 um 7.13 Uhr, in Arnoldstein, Südautobahn A 2, Baukilometer 378,000, Fahrtrichtung Italien gelenkt, obwohl das höchstzulässige Gesamtgewicht des Sattelkraftfahrzeuges von 38 t um 4.640 kg überschritten worden sei.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften des § 102 Abs 1 KFG iVm § 101 Abs 1 lit a KFG wurde über den Berufungswerber gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von S 2.300,--, bei deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 3 Tagen und 12 Stunden verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von S 230,-- vorgeschrieben.
In seiner rechtzeitig erhobenen Berufung gegen das Straferkenntnis brachte der Berufungswerber im wesentlichen vor, er habe sich bei Übernahme der Ladung über das Gewicht ausreichend informiert. Seitens der Lieferfirma des Holzes, der Firma R.R., sei versichert worden, daß das Ladegewicht keinesfalls mehr als 24 t betragen würde. Tatsächlich sei das Gewicht der geladenen Ware (11 Pakete Nadelschnittholz) im internationalen Frachtbrief mit 24 t angegeben worden. Auch nach seiner einigermaßen fachkundigen Schätzung schien eine Überladung nicht vorzuliegen. Offensichtlich sei diese darauf zurückzuführen, daß das geladene Holz mehr Feuchtigkeit enthalten habe, als üblicherweise. Dies könne auch von einem durchaus fachkundigen
Holzkenner ohne Zuhilfenahme von Spezialgeräten nicht abgeschätzt werden. Der Berufungswerber habe sich auf die richtige Gewichtsangabe im Frachtbrief verlassen können, nachdem er sich zuvor noch zusätzlich bei der Firmenleitung über das Ladegewicht erkundigt habe und auch die mündliche Zusicherung erfolgt sei, daß das zulässige Gesamtgewicht keinesfalls überschritten werde. Unter diesen Voraussetzungen treffe den Beschuldigten an der gegenständlichen Gewichtsüberschreitung kein Verschulden. Ein solches müsse allerdings bei den befugten Organen bzw. Gehilfen der Ladefirma gesehen werden.
Der Berufungswerber habe nicht - wie dies die belangte Behörde angenommen hat - nach der Beladung am 21.12.1993 noch genügend Zeit gehabt, sich zur nächstgelegenen Waage zu begeben, um das Gewicht
zu kontrollieren. Die Ladung sei in den Abendstunden vom Berufungswerber übernommen worden; die Abfahrt
in Richtung Italien sei früh morgens erfolgt. Dies ergäbe sich bereits aus den Zollpapieren. Es habe demnach zeitlich keine Möglichkeit bestanden, zwischen Ladung und Abfahrt eine Waage zu befahren.
Angefochten werde auch das Ausmaß der Strafe,
welches in Anbetracht der Einkommensverhältnisse des Berufungswerbers unangemessen hoch ausgefallen sei. Es wurde beantragt, in Stattgebung der erhobenen Berufung das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschuldigten zur Einstellung zu bringen, in eventu die Strafe auf ein schuldangemessenes Maß herabzusetzen. Am 1.12.1995 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat unter Mitwirkung des Berufungswerbers, seines Rechtsvertreters und des Vertreters der belangten Behörde eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattgefunden. Aufgrund von Ermittlungen beim Zollamt Arnoldstein und aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens, gewonnen aus den durchwegs glaubhaften Aussagen der vernommenen Zeugin, Frau R.R., und den Angaben des Berufungswerbers werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Berufungswerber ist seit dem Jahre 1993 bei der Firma M. Transporte als LKW-Fahrer beschäftigt. Vor Aufnahme seiner Tätigkeit verfügte über keine einschlägige Berufserfahrung. Der Berufungswerber wird sowohl für den Transport von Bauteilen und Gipsplatten, als auch für den Transport von Schnittholz eingesetzt. Er wurde seitens der Transportfirma im Hinblick auf die Einschätzung von Holzfeuchtigkeit nicht geschult; er weiß nur, daß das Gewicht des Holzes je nach Dauer der Lagerung unterschiedlich sein kann. Hilfsmittel zur Einschätzung des Gewichtes, wie etwa Gewichtstabellen stehen dem Berufungswerber nicht zur Verfügung. Er muß sich auf die Richtigkeit der Gewichtsangaben im Frachtbrief verlassen. Sofern eine nachprüfende Kontrolle an der nächsten Wiegestelle, einer privatbetriebenen Waage in St. aufgrund der Öffnungszeiten (bis 16.00 - 17.00 Uhr) in Betracht kommt, wird diese manchmal vom Berufungswerber genutzt.
Die Nadelschnittholzpakete werden bei der Firma R. am Firmengelände - mit Brettern abgedeckt - gelagert. Dies ist den LKW-Fahrern bekannt, nachdem an dieser Örtlichkeit auch der Verladevorgang stattfindet. Die Zusammenstellung des Transportes wird durch die Sägewerksinhaberin, Frau R., etwa eine Woche vor Abholung durch die Speditionsfirma vorbereitet. Die Beladung des Sattelkraftfahrzeuges erfolgt durch Mitarbeiter der Firma R. vor Ort am Sägewerksgelände mit Hubstaplern, die nicht mit einer automatischen Gewichtsanzeige ausgestattet sind. Über die besondere Beschaffenheit des Ladegutes, im besonderen über das Gewicht, können die Belader keine verläßliche Auskunft geben.
Frau R. geht bei der Erstellung der Frachtbriefe von einer trockenen Ware aus und zieht ein Gewicht von 450 bis 460 kg pro Kubikmeter für die Ermittlung des Gesamtgewichtes heran. Sie verfügt über keine abgestufte Gewichtstabelle. Nachträglich eintretende Veränderungen am Feuchtigkeitsgrad des Holzes, z. B. durch Schneefall oder Regen, bleiben bei der Ausweisung des Gesamtgewichtes in den Frachtbriefen unberücksichtigt. Die Lenker vertrauen auf die Gewichtsangaben im Frachtbrief; ein ausdrückliches Nachfragen bei der Firmenleitung, ob die Angaben im Frachtbrief stimmen, kommt in der Praxis nicht vor. Bis zum Beitritt Österreichs zur Europäischen Union wurde am Zollamt Arnoldstein jeder beladene LKW gewogen. Das festgestellte Gewicht war in den meisten Fällen höher, als in den Frachtbriefen eingetragen. Eine Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichtes bis zu 2 Prozent hatte keine Folgen, bis 5 Prozent wurde eine Geldstrafe von S 500,-- verhängt; darüberhinausgehende Überladungen wurden zur Anzeige gebracht.
In den Vorweihnachtstagen des Jahres 1993 erhielt die Firma M. von der Firma R. den Auftrag, einige Fuhren Schnittholz nach Triest zu liefern. Einen Transport übernahm der Berufungswerber. Die Fracht wurde von ihm am 21.12.1993 gegen Abend am Gelände der Firma
R. übernommen. Nach dem Ladevorgang erhielt der Berufungswerber die Frachtpapiere, in denen das Ladegewicht mit 24 t ausgewiesen war. Bei der am 22.12.1993 gegen 7.13 Uhr erfolgten Gewichtskontrolle beim Zollamt Thörl-Maglern in Arnoldstein wurde festgestellt, daß das Sattelkraftfahrzeug ein Gesamtgewicht von 42.640 kg aufwies.
Zur rechtlichen Beurteilung
§ 102 Abs 1 ordnet an, daß der KFZ-Lenker ein Fahrzeug erst in Betrieb nehmen darf, wenn er sich - soweit dies zumutbar ist - davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug sowie dessen Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entspricht. Gemäß § 101 Abs 1 lit a KFG ist die Beladung von Kraftfahrzeugen und Anhängern grundsätzlich nur zulässig, wenn das höchste zulässige Gesamtgewicht, die höchsten zulässigen Achslasten und die größte Breite des Fahrzeuges sowie die Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte eines Kraftwagens mit Anhänger durch die Beladung nicht überschritten werden. In der Berufung ist unbestritten geblieben, daß der Berufungswerber zum Tatzeitpunkt am Tatort das schon näher bezeichnete Sattelkraftfahrzeug gelenkt hat, bei dem das höchstzulässige Gesamtgewicht von 38 t um
4.640 kg überschritten worden ist. Das Berufungsverfahren war daher auf die Frage konzentriert, ob dem Berufungswerber ein Verschulden an der ihm angelasteten Verwaltungsübertretung vorgeworfen werden kann.
Im Hinblick auf die Bestimmung des § 5 Abs 1 VStG 2. Satz hat der Beschuldigte glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Beschuldigte hat somit initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch ein geeignetes Tatsachenvorbringen und durch die Beibringung von Beweismitteln bzw. die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Es kommt daher darauf an, ob und welche Vorkehrungen der Lenker getroffen hat, um eine Überladung hintanzuhalten. Aufgrund objektiv geeigneter Vorkehrungen könnte er, obwohl eine Beanstandung wegen Überladung erfolgte, auch straffrei bleiben (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 13.12.1984, Zl. 84/02b/0014). Im vorliegenden Fall mußte festgestellt werden, daß der Berufungswerber über keine ausreichenden Kenntnisse oder über Unterlagen verfügt, die ihn in die Lage versetzen könnten, das zu transportierende Nadelschnittholz im Hinblick auf das spezifische Gewicht (trocken, mittelfeucht, feucht) einschätzen zu können. Das Beweisverfahren hat weiters aufgezeigt, daß die Belader der Firma R. keine verläßliche Auskunft über das Ladegut geben können und Anfragen bei der Firmenleitung, ob die Gewichtsangaben im Frachtbrief stimmen, nicht üblich sind. Der Berufungswerber verläßt sich offenbar darauf, daß die Gewichtsangaben im Frachtbrief immer richtig sind, ohne in der Lage zu sein, die fehleranfälligen Angaben mit eigenem Schätzungsvermögen überprüfen zu können. Die Lagerungsbedingungen bei der Firma R., insbesondere auch die Lagerzeit des zusammengestellten Transportgutes, erfordern - z.B. bei geänderten Witterungsverhältnissen - eine Nachjustierung des Ladegewichtes.
Es ist dem Berufungswerber als Berufskraftfahrer - gerade weil er noch nicht lange in der Transportbranche tätig ist - zuzumuten, sich jenes Wissen und jene Grundlagen zu verschaffen, die ihn selbst in die Lage versetzen, das Gewicht des Ladegutes einzuschätzen. Die Einstellung des Berufungswerbers, er müsse sich auf die Kenntnisse des Beladers und auf die Gewichtsangaben im Frachtbrief verlassen, läßt jenen Teil an Verantwortung vermissen, die den Lenker, und damit den Berufungswerber, trifft. Er haftet - neben dem Zulassungsbesitzer und dem Belader - in seinem Bereich für die Einhaltung der kraftfahrrechtlichen Bestimmungen. Daß der Berufungswerber in irgendeiner Weise seiner Verpflichtung, Überladungen vor Ort beim Beladevorgang hintanzuhalten, nachgekommen wäre, hat das Berufungsverfahren nicht ergeben. Eine nachträgliche Abwaage des LKW-Zuges außerhalb des Firmengeländes kann von vornherein nur mehr eine vorangegangene Einschätzung bestätigen oder korrigieren und so zur Verbesserung des Schätzvermögens beitragen. Ein solcher Kontrollvorgang kann somit naturgemäß eine Überprüfung des Ladegewichtes im Sägewerk nicht ersetzen. Dem Berufungswerber ist daher unter den festgestellten Umständen ein Verschulden an der vorliegenden Überladung vorzuhalten.
Zur Strafbemessung:
§ 19 Abs 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Demnach ist bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzten Strafrahmens (hier S 30.000,--) insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist ebenso bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.
Die vom Berufungswerber übertretenen Bestimmungen sollen einerseits die Sicherheit der übrigen Straßenbenützer gewährleisten und andererseits die vorzeitige Abnützung der Straßenbeläge vermeiden.
Dadurch, daß der Berufungswerber als Lenker des beanstandeten Sattelkraftfahrzeuges - mangels eigener Schätzkenntnisse - fahrlässig eine Gewichtsüberschreitung in Kauf genommen hat, hat er gegen den Schutzzweck der Ladevorschriften verstoßen. Ob dem Belader - neben dem Lenker - ein Verschulden an der Überladung trifft, war in diesem Verfahren nicht zu beurteilen.
Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Bei der Strafbemessung war als mildernd die absolute Unbescholtenheit des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt, als erschwerend nichts zu werten. Im Hinblick auf die nicht mehr als geringfügig anzusehende Überladung von 4.640 kg und bei Einbezug der oben ausgeführten Überlegungen erscheint das verhängte Strafausmaß gerechtfertigt und schuldangemessen.
Die vom Berufungswerber bekanntgegebenen
persönlichen Verhältnisse (ca. S 12.000,--
Monatseinkommen, keine Sorgepflichten, kein
Vermögen) waren für sich nicht geeignet, strafherabsetzend zu wirken.
Die Bemessung des Kostenbeitrages des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 Abs 1 und 2 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 Prozent der verhängten Strafe festzusetzen ist.