Da der BW das KFZ zur Tatzeit nur in Betrieb genommen hatte (es war bei laufendem Motor auf einem Parkplatz abgestellt), hat er die ihm zur Last gelegte Tat auch nicht begangen, da § 58 Abs 1 StVO 1960 lediglich das Lenken eines Fahrzeuges verbietet.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied DDr Lacina über die Berufung des Herrn Stefan M gegen Punkt 1) des Straferkenntnisses der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt vom 7.3.1995, AZ Pst 2529/S/94, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 58 Abs 1 StVO 1960, womit über den Beschuldigten eine Geldstrafe zu Punkt 1) von S 2.000,--, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe zu Punkt 1) von 2 Tage verhängt und ein erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag zu Punkt 1) von S 200,-- vorgeschrieben wurde, entschieden:
Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung, die sich nur gegen Punkt 1) richtet, und nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 11.12.1995 wird das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt gemäß § 66 Abs 4 AVG behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Dem Berufungswerber wird gemäß § 65 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.
Begründung:
1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 7.3.1995, AZ:
Pst 2529/S/94, wurde dem Berufungswerber in Punkt 1) zur Last gelegt,
er habe am 20.4.1994 um 17.55 Uhr in Wien, S-stätte, das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen W-66 in Betrieb genommen, obwohl sie (er) sich nicht in einer geeigneten geistigen und körperlichen Verfassung befanden, in der sie (er) ein Fahrzeug zu
beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermochten.
Wegen Übertretung des § 58 Abs 1 StVO 1960 wurde über den Berufungswerber eine betragsmäßig näher bestimmte Geldstrafe, im Nichteinbringungsfalle eine entsprechende Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein zehnprozentiger erstinstanzlicher Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.
2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung, die sich nur gegen Punkt 1) richtet, führte der Berufungswerber im wesentlichen aus, daß ihm im gegenständlichen Fall die mangelnde Kenntnis des Umstandes, daß er durch die Einnahme der Medikamente in einen fahrunfähigen Zustand geraten sei, nicht als Verschulden zuzurechnen wäre. Zu der durch den Amtsarzt um 19.45 Uhr punktuell festgestellten
mangelnden Fahrfähigkeit sei es nur deshalb gekommen, da er auf Grund
eines grippalen Infektes Medikamente eingenommen hätte, die offensichtlich in Zusammenhang mit den Medikamenten, die er auf Grund
seines schweren Oberschenkelhalsbruches einnahm, zu einer potenzierenden Wirkung geführt hätten. Hinzu käme, daß er im gegenständlichen Fall das Fahrzeug gar nicht gelenkt, sondern nur den
Motor habe laufen lassen, um die Klimaanlage in Betrieb zu halten, sodaß auch aus diesem Grund an seinem subjektiven Verschuldensgrad ein weniger strenger Maßstab anzulegen sei, als wenn er das Fahrzeug tatsächlich gelenkt hätte.
3. Beweisverfahren
Anläßlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme am 11.12.1995 führte der Meldungsleger zum maßgeblichen Sachverhalt befragt, folgendes aus:
"Inspektor X und ich waren damals als Fußstreife im 1. Bezirk unterwegs. Der Tatort S-stätte befindet sich direkt an der Kreuzung mit der S-straße und als wir zur Ecke kamen, sahen wir den Berufungswerber, wie er gerade sein Kfz einparkte. Wir wurden dadurch
auf ihn aufmerksam, da er den Motor seines Kfz laufen ließ. Wir näherten uns dann von hinten dem Fahrzeug und konnten beobachten, wie
der Berufungswerber die Auslaßöffnung einer Sahneflasche im Mund hatte und eine Gaspatrone dieser Flasche gerade wechselte. Wir fragten dann den Berufungswerber nach seinem Führerschein und seinem Zulassungsschein und beugte sich dieser zum Handschuhfach, wobei er auf den Beifahrersitz fiel. Auf mich machte der Berufungswerber zu diesem Zeitpunkt einen schwer alkoholisierten Eindruck. Wir forderten
ihn daraufhin auf, aus dem Kfz zu steigen und als der Berufungswerber
ausgestiegen war, konnte er sich kaum auf den Beinen halten. Ich habe
auch die Schlagobersflasche untersucht und aufgeschraubt und war diese völlig leer. Wir fuhren dann mit dem Berufungswerber zum Wachzimmer Am Hof mittels eines herbeigerufenen Streifenkraftwagens und wurde dort eine Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt mittels Alkomat vorgenommen, wobei sich der Berufungswerber während der Untersuchung kaum auf den Beinen halten konnte. Da das Ergebnis beider Messungen 0,00 mg/l war, haben wir ihn gefragt, ob er Drogen nehmen würde und da er dies verneinte, wurde er dem Amtsarzt vorgeführt."
4. Rechtliche Würdigung
§ 58 Abs 1 StVO bestimmt in der zur Tatzeit geltenden Fassung:
"Unbeschadet der Bestimmungen des § 5 Abs 1 darf ein Fahrzeug nur lenken, wer sich in einer solchen körperlichen und geistigen Verfassung befindet, in der er ein Fahrzeug zu beherrschen und die beim Lenken eines Fahrzeuges zu beachtenden Rechtsvorschriften zu befolgen vermag. Sind diese Voraussetzungen offenbar nicht gegeben, so sind die Bestimmungen des § 5 Abs 3 sinngemäß anzuwenden."
Da diese Gesetzesbestimmung - anders als § 5 Abs 1 StVO 1960 - nur auf das Lenken eines Fahrzeuges abstellt und nicht auf die Inbetriebnahme bzw auf das versuchte Lenken oder die versuchte Inbetriebnahme eines Fahrzeuges, ist die dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis in Punkt 1) zur Last gelegte Tat daher auch nicht strafbar.
Da die dem Berufungswerber zur Last gelegte Tat sohin keine Verwaltungsübertretung nach der herangezogenen Gesetzesbestimmung bildet, war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis in Punkt 1) zu beheben und die Einstellung des Verfahrens gegen den Berufungswerber in diesem Punkt spruchgemäß zu verfügen.