Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Frey über die Berufungen des Herrn Leopold G gegen die Straferkenntnisse der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten vom 1.9.1994, AZ 1) Cst 80637/Mg/94 und 2) Cst 80638/Mg/94, wegen Übertretung der §§ 1) 23 Abs 2 StVO und 2) 24 Abs 1 lit e StVO, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird den Berufungen keine Folge gegeben und werden die angefochtenen Straferkenntnisse bestätigt. Der Berufungswerber hat daher gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von zu
1) und 2) je S 240,--, zusammen S 480,--, das sind 20% der verhängten Geldstrafen, zu bezahlen.
Begründung:
I) Mit den angefochtenen Straferkenntnissen wurde der Berufungswerber schuldig erkannt, er habe am 5.2.1994, von 8.05 Uhr bis 8.20 Uhr, in Wien, S-gasse den Pkw mit dem Kennzeichen W-18 1) außerhalb eines Parkplatzes schräg zum Rande der Fahrbahn abgestellt, wodurch eine Verkehrsbeeinträchtigung bzw Verkehrsbehinderung gegeben gewesen sei und 2) im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels während der Betriebszeit nicht nur kurz zum Ein- oder Aussteigen abgestellt, wodurch das Massenbeförderungsmittel am Zu- oder Wegfahren bzw Personen beim Ein- oder Aussteigen behindert worden sei. Hiedurch habe er zu 1) § 23 Abs 2 StVO und zu 2) § 24 Abs 1 lit e StVO verletzt, weswegen über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO jeweils eine Geldstrafe von S 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt und je S 120,-- an Verfahrenskostenbeitrag auferlegt wurden.
II) In seiner gegen das erstgenannte Straferkenntnis gerichteten Berufung wendet der Berufungswerber ein, es liege Doppelbestrafung vor, da durch das Abstellen im Haltebereich jede andere Art des nicht ordnungsgemäßen Parkens bereits konsumiert sei. Hinsichtlich der Strafbemessung wird auf die Berufung gegen das zweitgenannte Straferkenntnis verwiesen.
In der Berufung gegen das zweitgenannte Straferkenntnis wird ausschließlich die Strafhöhe bekämpft.
III) Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs 2 1. Satz StVO ist ein Fahrzeug außerhalb von Parkplätzen, sofern sich aus Bodenmarkierungen oder Straßenverkehrszeichen nichts anderes ergibt, zum Halten oder Parken am Rande der Fahrbahn und parallel zum Fahrbahnrand aufzustellen.
Nach § 24 Abs 1 lit e StVO ist das Halten und Parken im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungmittels, das ist der Bereich innerhalb von 15 m vor und nach den Haltestellentafeln, während der Betriebszeiten des Massenbeförderungsmittels verboten. In diesem Bereich darf jedoch zum Aus- oder Einsteigen kurz gehalten werden (§ 24 Abs 2a StVO).
§ 99 Abs 3 lit a StVO bedroht unter anderem einen Verstoß gegen
diese beiden Vorschriften mit Strafe.
Zur Frage der eingewandten Konsumtion:
Gemäß § 22 VStG gilt im Verwaltungsstrafverfahren das sogenannte Kumulationsprinzip. Das bedeutet, daß für jedes Delikt eine eigene Strafe, bei einer Mehrheit von Delikten somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind. Eine Einschränkung erfährt dieses Prinzip durch die Konsumtion. Eine solche liegt dann vor, wenn eine wertende Beurteilung ergibt, daß der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt miterfaßt wird, wie dies insbesondere im Fall der Verletzung des selben Rechtsgutes anzunehmen ist. Dies trifft aber dann nicht zu, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen, mit anderen Worten, wenn das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen verbunden ist (vgl zB VwGH 12.6.1990, 90/05/0007 uva).
Zur Frage der Konsumtion bei Vorschriften betreffend das Halten und Parken hat der Verwaltungsgerichtshof folgendes ausgesprochen:
Das Abstellen eines Fahrzeuges vor einer Haus- und Grundstücksausfahrt unter Benutzung des davor befindlichen Gehsteiges ist sowohl nach § 24 Abs 3 lit b StVO als auch nach § 8 Abs 4 StVO zu bestrafen, weil der volle Unrechtsgehalt der Tat durch einen Schuldspruch nach der einen Bestimmung allein nicht voll ausgeschöpft wäre (VwGH 16.11.1988, 88/02/0144). Das Aufstellen eines Fahrzeuges nicht parallel zum Fahrbahnrand (§ 23 Abs 2 StVO) und das Halten in einem beschilderten Halteverbot (§ 24 Abs 1 lit a StVO) stellen zwei verschiedene Tatbilder dar, die einander nicht ausschließen, weil jedes für sich allein und beide gleichzeitig verwirklicht werden können (VwSlg 9366 A). Die Frage des Verhältnisses von § 23 Abs 2 StVO zu § 24 Abs 1 lit e StVO hat der VwGH - soweit die Judikatur zugänglich ist - noch nicht erörtert.
Im Hinblick auf das erstzitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (zu § 22 VStG allgemein), wonach es auf das (geschützte) Rechtsgut ankommt, ist folgende weitere Judikatur zu zitieren:
Die Bestimmung des § 23 Abs 2 StVO dient dazu, eine Behinderung des Fließverkehrs hintanzuhalten (OGH 6.7.1978, 2 Ob 122/78, ZVR 1979/165).
Als hauptsächlicher Regelungszweck der Bestimmung des § 24 Abs 1 lit e StVO erscheint hingegen der Zweck, den Benützern des Massenbeförderungsmittels ein ungehindertes und ungefährdetes Ein- und Aussteigen zu ermöglichen. Der Unwert des einen Deliktes nach § 24 Abs 1 lit e StVO ist daher von der Strafdrohung gegen das andere nach § 23 Abs 2 StVO nicht gänzlich miterfaßt. Das eine Delikt ist auch nicht notwendig mit dem anderen verbunden, da einerseits ein Fahrzeug im Haltestellenbereich eines Massenbeförderungsmittels so abgestellt werden kann, daß es parallel zum Fahrbahnrand steht, und andererseits ein Fahrzeug auch außerhalb eines Haltestellenbereiches so abgestellt werden kann, daß es nicht parallel zum Fahrbahnrand steht. Es liegt somit kein Fall der Konsumtion vor und sind daher für die beiden Delikte zwei gesonderte Strafen nebeneinander zu verhängen. In diese Richtung scheint auch folgendes Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu zielen:
Jedes der Vorschrift des § 23 Abs 2 widersprechende Halten und Parken steht unter Strafsanktion, unabhängig davon, ob überhaupt das Halten oder Parken an den betreffenden Orten erlaubt ist oder nicht (VwGH 30.6.1977, 1049/76).
Aus diesem Erkenntnis erscheint ableitbar, daß, selbst wenn das Halten und Parken an dem betreffenden Ort nicht erlaubt ist - wie im vorliegenden Fall in der Bushaltestelle -, jedes der Vorschrift des § 23 Abs 2 widersprechende Halten und Parken unter Strafsanktion steht und daher kein Fall der Konsumtion vorliegt. Aus all den dargestellten Gründen kann der Rechtsauffassung des Berufungswerbers betreffend die Frage der Konsumtion nicht gefolgt werden.
Zur Strafbemessung:
Eine Herabsetzung der Strafen kommt aus folgenden Gründen bei keinem der beiden angefochtenen Straferkenntnisse in Betracht:
Gemäß § 19 Abs 1 VstG ist die Grundlage der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß Abs 2 leg cit sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen, die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Das der Bestrafung zugrundeliegende Verhalten gefährdete in nicht unerheblichem Maße das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an der Hintanhaltung von Verkehrsbeeinträchtigungen, und zwar zu Punkt 1) des Fließverkehrs und zu Punkt 2) des Fußgängerverkehrs, der als Benützer eines Massenbeförderungsmittels in Betracht kam, weshalb der objektive Unrechtsgehalt erheblich war. Da weder hervorgekommen noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen ist, daß die Einhaltung der Vorschriften eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder daß die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, war das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig einzustufen. Insbesondere muß selbst einem Behinderten - der zu sein der Berufungswerber vorbringt - zugemutet werden, einen Abstellplatz für sein Fahrzeug so zu wählen, daß er keinem gesetzlichen Verbot zuwiderhandelt, zumal die StVO in § 29b Behinderten hinsichtlich der Halte- und Parkverbote ohnehin Ausnahmen gewährt. Deren Voraussetzungen waren allerdings im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, da (was sowohl die Übertretung des § 23 Abs 2 StVO als auch jene des § 24 Abs 1 lit e StVO betrifft) der Berufungswerber sein Fahrzeug nicht - wie in § 29b StVO gefordert - bloß für die Dauer des Aus- oder Einsteigens oder des Aus- oder Einladens etwa eines Rollstuhles, sondern einer Ladetätigkeit abgestellt hatte, und überdies (was die Übertretung des § 24 Abs 1 lit e StVO anbelangt) das hier gegenständliche Halte- und Parkverbot nicht ein durch das Straßenverkehrszeichen "Halten und Parken verboten" kundgemachtes war (§ 24 Abs 1 lit a StVO) - woran § 29b StVO die Ausnahme von dauernd stark Gehbehinderten knüpft -, sondern wegen des Haltestellenbereiches sich unmittelbar aus dem Gesetz ergab.
Mildernd ist die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Berufungswerbers, erschwerende Umstände kamen nicht hervor. Hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien von den eigenen Angaben des Berufungswerbers aus, die sich als durchschnittlich darstellen (Einkommen von monatlich netto S 23.000,--, 14 mal jährlich, Vermögenslosigkeit und gesetzliche Sorgepflicht für eine studierende Tochter).
Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis jeweils S 10.000,-- reichenden Strafsatz ist die von der Erstinstanz mit jeweils S 1.200,-- ohnedies im untersten Bereich der möglichen Strafbemessung festgesetzte Geldstrafe durchaus angemessen und keineswegs zu hoch.
Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.