Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die eingelangte Beschwerde des Herrn D.J., vertreten durch Herrn Dr. Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, gemäß § 67 c Abs 1 und Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) i.V.m. § 76 Abs 1 Kraftfahrgesetz 1967 (im folgenden KFG), wie folgt entschieden:
Der Antrag, die vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers durch Beamte des Gendarmerieposten Voitsberg am 13. Juli 1995 um ca. 19.20 Uhr am Gendarmerieposten Voitsberg für rechtswidrig zu erklären, wird als unbegründet abgewiesen.
Gemäß § 79 a AVG hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg in der Höhe von S 3.842,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
I. 1. In der Beschwerde vom 21. August 1995 wird nachfolgendes vorgebracht:
Am 13.7.1995 fuhr der Beschwerdeführer gemeinsam mit einem Freund, Herrn K.N., mit dem Peugeot 106 mit
dem Kennzeichen VO.. zum Club A. in V.. Er wurde auch von einem weiteren Freund, Herrn H.A., der mit seinem eigenen PKW gefahren ist, begleitet.
Als der Beschwerdeführer bereits alkoholische Getränke konsumiert hatte, tauchten plötzlich zwei Beamte des Gendarmeriepostens Voitsberg im Lokal Club A. auf und forderten den Beschwerdeführer auf, ihnen zum Gendarmerieposten zu folgen, wobei in weiterer Folge eine Überprüfung des Blutalkoholwertes mittels Alkomaten vorgenommen wurde, die einen Blutalkoholwert von 1,2 Promille ergeben hat.
Das Einschreiten der Gendarmeriebeamten erfolgte aufgrund einer Anzeige eines dem Beschwerdeführer unbekannten Mannes, der behauptet hat, daß der Beschwerdeführer ziemlich stürmisch beim Lokal Club A. mit seinem Peugeot 106 mit dem Kennzeichen VO..
vorgefahren sei.
Dem Beschwerdeführer wurde beim Gendarmerieposten
V. aufgrund der festgestellten Alkoholisierung im Ausmaß von 1,2 Promille die Lenkerberechtigung abgenommen und wurde dies damit begründet, daß der Beschwerdeführer gemäß § 76 KFG 1967 infolge übermäßigen Alkoholgenusses nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt und ein Kraftfahrzeug gelenkt hat.
Beweis: H.A., M.Straße 2, K., K.N., L.straße 8, S., A.W., St.gasse 11, V. als Zeugen, Einvernahme der erhebenden Gendarmeriebeamten des GPK Voitsberg..
Bei der vorläufigen Abnahme des Führerscheines handelt es sich um eine beschlagnahmeähnliche faktische Amtshandlung, sodaß im gegenständlichen Fall eine Maßnahmenbeschwerde zulässig ist.
Gemäß § 76 KFG 1967, BGBl 267, haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einem Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Kraftfahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß sich zum Zeitpunkt des Eingreifens der Gendarmeriebeamten der Beschwerdeführer bereits im Lokal Club A. in V. befunden hat und zwar zumindest 30 min, sodaß er zum Zeitpunkt der Beanstandung weder ein Kraftfahrzeug gelenkt, noch in Betrieb genommen, noch versucht hat, es in Betrieb zu nehmen.
Absolut unrichtig ist demnach die Darstellung in der Anzeige, wonach dem Beschwerdeführer anläßlich einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle vor dem Club A. der Führerschein abgenommen worden wäre bzw. die Behauptung, daß der Beschwerdeführer von Beamten
des GPK Voitsberg beim Lenken eines PKWs auf Höhe
des Club A. um 18.40 Uhr kontrolliert worden wäre.
Daß diese Darstellung in der Anzeige vom 13.7.1995 nur auf einem Irrtum beruhen kann, zeigt sich bereits daraus, daß in der Beilage zur Anzeige festgehalten ist, daß der Beschwerdeführer um 18.45 Uhr, das heißt 5 min nach der angeblichen Tathandlung, noch ein großes Bier konsumiert hatte. Wenn diese von den Beamten des GPK V. angegebene zeitliche Abfolge richtig wäre, würde dies bedeuten, daß die beiden Gendarmeriebeamten unmittelbar nach der Beanstandung um 18.40 Uhr noch zuließen, daß der Beschwerdeführer um 18.45 Uhr im Lokal A. ein großes Bier konsumieren konnte.
Offensichtlich haben die einschreitenden Beamten aufgrund einer anonymen Anzeige den Club A.
aufgesucht, den Beschwerdeführer ausgeforscht und haben aus der Ausforschungszeit um ca. 19.00 Uhr abgeleitet, daß der Beschwerdeführer etwa gegen 18.40 Uhr den PKW gelenkt haben muß.
Da allerdings der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beanstandung weder ein Fahrzeug gelenkt hat noch in Betrieb zu nehmen versucht hat, war die vorläufige Abnahme des Führerscheines mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen rechtswidrig, weshalb dem diesbezüglichen Organhandeln die Rechtsgrundlage fehlte.
Der Beschwerdeführer beantragte, der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Steiermark möge nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung aussprechen, daß die vorläufige Abnahme des Führerscheines des Beschwerdeführers durch die Beamten des Gendarmeriepostens Voitsberg am 13.7.1995 um ca. 19.20 Uhr rechtswidrig war. Die belangte Behörde ist schuldig, dem Beschwerdeführer gemäß § 79 a AVG die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Die Kosten wurden mit S 27.620,-- angegeben.
2. Die Bezirkshauptmannschaft Voitsberg gab hiezu keine Gegenäußerung ab und legte den Führerscheinsentzugsakt, GZ.: 11 J a 63/95, vor.
II. 1. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 18. Dezember 1995 unter Einvernahme der Zeugen H.A., K.N., A.W., Bez.Insp. P.R. und Gr.Insp. R.Z. sowie dem Akteninhalt des Führerscheinentzugsaktes der belangten Behörde, GZ.:
11 J a 63/95, wird der Entscheidung nachfolgender Sachverhalt zugrundegelegt:
Der Beschwerdeführer fuhr mit seinem Fahrzeug, amtliches Kennzeichen VO.. am 13.7.1995 um ca. 18.40 Uhr auf der Gemeindestraße in den Club A. in V.
Aufgrund einer Anzeige wegen einer zu schnellen Fahrweise begaben sich die mittels Funk verständigten Meldungsleger zum Parkplatz des Lokales Club A. in der G. Hiebei konnten sie feststellen, daß am Fahrzeug des Beschwerdeführers die Eingangstüre unversperrt war und der Zündschlüssel steckte. Nachdem der Zeuge Bez.Insp. P.R. den Beschwerdeführer im Lokal ausfindig gemacht hat, wurde dieser beim Fahrzeug zum Gegenstand der Anzeige befragt. Hiebei konnten beide Meldungsleger Alkoholgeruch beim Beschwerdeführer feststellen und gab dieser auch zu, zuvor mit seinem Fahrzeug zum Lokal gefahren zu sein. Der Aufforderung zur Durchführung des Alkotestes am Gendarmerieposten Voitsberg kam der Beschwerdeführer nach und ergab die Messung des Atemluftalkoholgehaltes um 19.16 Uhr 0,63 mg/l. Der Beschwerdeführer gab nach anfänglichem Leugnen eines Alkoholkonsums gegenüber der Exekutive an, ein Krügerl Bier im Lokal getrunken zu haben.
Daraufhin wurde dem Beschwerdeführer der Führerschein gegen Aushändigung der Bestätigung gemäß § 76 Abs 1 KFG abgenommen, wobei der Zündschlüssel für das Fahrzeug ebenfalls einbehalten wurde. Den Exekutivorganen gegenüber gab der Beschwerdeführer während der gesamten Amtshandlung nicht zu verstehen, daß er die Absicht gehabt hätte, sein Fahrzeug nach dem Alkoholkonsum wieder in Betrieb zu nehmen, äußerte jedoch gegenüber dem Zeugen Bez.Insp. P.R. die Worte Ihr könnt eh machen was Ihr wollt, es interessiert mich nicht. Die Meldungsleger waren auch aufgrund des angesteckten Zündschlüssels in Kenntnis der Fahrtauglichkeit des Fahrzeuges des Beschwerdeführers, als auch des Umstandes, daß die Entfernung zwischen dem Lokal und dem Wohnort des Beschwerdeführers eine Distanz von ca. 10 km bis 12 km aufweist.
2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich insbesondere auf die Zeugenaussagen der beiden Gendarmeriebeamten in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat. Der Beschwerdeführer gab selbst an, den Meldungslegern mitgeteilt zu haben, daß er zu Mittag, als auch nach Beendigung der Fahrt im Lokal Alkohol konsumiert habe. Soweit die Konsumation von Alkohol im entscheidungsrelevanten Sachverhalt aufscheint, gibt es auch diesbezüglich keine widersprüchlichen Aussagen der übrigen drei Zeugen, mit denen der Beschwerdeführer im Lokal zusammengewesen ist.
III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:
1. Die Beschwerde über die vorläufige Abnahme des Führerscheines am 13. Juli 1995 wurde am 24. August 1995 (Datum des Poststempels) beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eingebracht, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die von den Organen des Gendarmeriepostens Voitsberg vorgenommene Handlung
im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark veranlaßt wurde.
2. Gemäß § 76 Abs 1 KFG haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Kraftfahrzeuglenker, aus dessen Verhalten deutlich zu erkennen ist, daß er insbesondere infolge eines übermäßigen Alkoholgenusses oder eines außergewöhnlichen Erregungs- oder Ermüdungszustandes nicht mehr die volle Herrschaft über seinen Geist und seinen Körper besitzt, den Führerschein vorläufig abzunehmen, wenn er ein Fahrzeug lenkt, in Betrieb nimmt oder versucht, es in Betrieb zu nehmen. Bei der vorläufigen Abnahme ist eine Bescheinigung auszustellen, in der die Gründe für die Abnahme und eine Belehrung über die zur Wiedererlangung des Führerscheines erforderlichen Schritte enthalten sind.
Die vorläufige Abnahme des Führerscheines gemäß Art. 129 a Abs 1 B-VG eine beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark anfechtbare Maßnahme in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (analog VwGH 12.12.1984, ZVR 1985/113). Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorläufige Abnahme des Führerscheines eine Sicherungsmaßnahme, die im Interesse der Verkehrssicherheit gesetzt wird. Sie soll verhindern, daß eine Person ein Kraftfahrzeug lenkend am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl sie sich in einem Zustand befindet, in dem sie das Kraftfahrzeug nicht zu beherrschen imstande ist. Es muß daher für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Annahme berechtigt sein, die betreffende Person werde in ihrem die Fähigkeit hiezu ausschließenden Zustand ein Kraftfahrzeug lenken (VwGH 23.2.1993, 92/11/0064).
Der Beschwerdeführer wurde wegen der Alkoholisierungssymptome, die er aufgrund seines vorangegangenen Alkoholgenusses aufgewiesen hat (Alkoholgeruch der Atemluft, leichte Bindehautrötung) zur Ablegung einer Atemluftprobe auf einem Gendarmerieposten aufgefordert. Der Atemalkoholwert ergab beim Beschwerdeführer jedenfalls eine Alkoholisierung im Sinne des § 5 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (0,63 mg/l Atemluft). Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Abnahme des Führerscheins hat als Sicherungsmaßnahme auf jenen Zeitpunkt bezogen zu werden, in dem der Sicherungszweck, die betreffende Person am Lenken
des Kraftfahrzeuges zu hindern, zum Tragen kommt (VwGH 24.1.1989, 88/11/0260; 31.5.1994, 92/11/0268). Dies war im vorliegenden Fall der Zeitpunkt, ab dem sich die eingeschrittenen Gendarmeriebeamten mit dem Beschwerdeführer nicht mehr befaßten, somit zum Zeitpunkt des Verlassens des Gendarmeriepostens. Ob der Beschwerdeführer zuvor äußerte, sein Kraftfahrzeug wiederum in Betrieb zu nehmen, ist in concreto nicht entscheidungsrelevant. Daß dem Beschwerdeführer
neben dem Führerschein auch die Fahrzeugschlüssel abgenommen worden sind, bewirkt nicht die Rechtswidrigkeit der Führerscheinabnahme. Der Beschwerdeführer hätte - so konnte befürchtet werden - (etwa fernmündlich oder im Wege der Benützung eines anderen Fahrzeuges) sich in den Besitz von Reserve- oder Zweitschlüssel des Kraftfahrzeuges setzen und allenfalls zu diesem Zweck ein anderes Kraftfahrzeug benützen können (VwGH 18.12.1990, 90/11/0156;
28.6.1994, 94/11/0146). Zudem konnten die Exekutivbeamten von der uneingeschränkten Fahrtüchtigkeit des Kraftfahrzeuges des Beschwerdeführers ausgehen und war das Kraftfahrzeug in erheblicher Entfernung vom Wohnhaus des Beschwerdeführers abgestellt (ca. 10 km bis 12 km). Daß er, als die Gendarmeriebeamten anwesend waren, sein Kraftfahrzeug nicht lenken wollte und ihnen gegenüber während der Amtshandlung auch nicht erklärte, sein Fahrzeug wieder in Betrieb zu nehmen, um nach Hause zu fahren, schließt keineswegs aus, daß er sein Fahrzeug dennoch zur Erreichung seines Wohnhauses in Betrieb genommen hätte. Im übrigen bemerkte der Beschwerdeführer gegenüber den Meldungslegern, daß sie machen können was sie wollen, weil es ihn nicht interessiere. Beim festgestellten Sachverhalt konnte somit von einem abschließenden Lenkvorgang des Beschwerdeführers nicht die Rede sein und war daher die vorläufige Führerscheinabnahme nicht rechtswidrig.
3. Gemäß § 79 a AVG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 waren der belangten Behörde die Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in der Höhe von
S 3.842,-- zuzusprechen (VwGH 29.9.1991, 91/19/0162, VwGH 22.10.1991, 91/11/0170 u. a.). Der belangten Behörde gebühren S 376,-- an Vorlageaufwand und S 3.466,-- an Verhandlungsaufwand.