Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufung des Herrn H.P., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 6.11.1995, GZ.: 15.1 1994/2235, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Die belangte Behörde bestrafte mit dem angeführten Straferkenntnis den Beschuldigten wegen einer Verletzung des § 2 Abs 2 i.V.m. § 8 Abs 1 Z 1 lit. c und § 8 Abs 3 lit. b der Verordnung BGBl. Nr. 419/87 und verhängte nach § 30 Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz - KJBG - i.V.m. § 13 der angeführten Verordnung eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzarrest 3 Tage), da er folgendes zu verantworten habe: Er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Möbelbau H.P. GesmbH. in I. zu verantworten, daß der jugendliche Lehrling M.A., im Betrieb in A. 7 am 12.4.1994 alleine mit Fräsarbeiten beschäftigt worden sei, wobei sich dieser den Ringfinger der rechten Hand verletzt habe, obwohl Jugendliche nur unter Aufsicht mit Arbeiten an und mit Fräsmaschinen betraut werden dürften.
Der Beschuldigte berief gegen das Straferkenntnis und verwies auf die Darlegung seines Standpunktes in erster Instanz. Der Vorwurf, daß M.A. unbeaufsichtigt mit Fräsarbeiten beschäftigt worden sei, sei unrichtig. Da dem Lehrling langweilig gewesen sei, habe er mit dem Finger auf eine sich drehende Schraube gegriffen, was nicht vorauszusehen und auch nicht notwendig gewesen sei. Seinerseits und auch auf Seiten des verantwortlichen Meisters liege kein Verschulden vor. Er stelle den Antrag auf Aufhebung des Bescheides und Feststellung, daß kein strafbarer Tatbestand im Sinne des KJBG vorliege. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark übermittelte die Berufung dem Arbeitsinspektorat Leoben als mitbeteiligter Partei unter Anschluß eines Aktenvermerkes vom 29.11.1995 und einer
auszugsweisen Fotokopie des Durchführungserlasses des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 2. März 1982, äußerte darin die Ansicht, daß die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens vorzuliegen schienen und ersuchte das Arbeitsinspektorat um Stellungnahme. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1995, eingelangt am 10.1.1996, teilte das Arbeitsinspektorat mit, daß es gegen die beabsichtigte Verfahrenseinstellung keinen Einwand erhebe.
Nach Überprüfung der Berufungssache anhand der Aktenlage gelangt der Unabhängige Verwaltungssenat zu folgenden Feststellungen:
Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Möbelbau H.P. Gesellschaft mbH. mit Sitz in I., die am 12.4.1994 unter anderem den Lehrling Herrn M.A., beschäftigte.
An diesem Tag war der genannte Lehrling mit Fräsarbeiten an einer Fräsmaschine beschäftigt. Der für die Lehrlingsausbildung und Einschulung in diesem Betrieb zuständige Meister Herr J.M. arbeitete in einer Entfernung von ca. 2 m vom Lehrling und beaufsichtigte ihn dabei gleichzeitig. Vor Beginn der Fräsarbeiten wurden dem Lehrling vom Meister die Schutzeinrichtungen und die vorzunehmenden Arbeiten erklärt. Durch eine Unachtsamkeit zog sich der Lehrling eine kleine Verletzung am Ringfinger der rechten Hand zu. Der Meister stellte sofort die Fräsmaschine ab. Er hatte sich vor Beginn der Arbeiten davon überzeugt, daß die Fräsmaschine ordnungsgemäß gesichert war.
Nach § 2 Abs 2 der Verordnung der Bundesminister für Arbeit und Soziales, für wirtschaftliche Angelegenheiten und für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 2. Oktober 1989, BGBl. Nr. 527, über die Beschäftigungsverbote und - Beschränkungen für Jugendliche, in der Fassung der Verordnung vom 12. August 1987, BGBl. Nr. 449 dürfen Jugendliche unter anderem mit den oder bei den im § 8 angeführten Arbeiten nicht beschäftigt werden, sofern nicht anderes bestimmt wird. Wenn Arbeiten unter Aufsicht erlaubt werden, ist unter Aufsicht die Überwachung durch eine geeignete fachkundige Person, die jederzeit unverzüglich zum Eingreifen bereitstehen muß, zu verstehen.
Laut Durchführungserlaß des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung vom 2. März 1982, Zl. 62.470/1- 3/82, wird als geeignete fachkundige Person jede physische Person zu verstehen sein, die aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung nicht nur die notwendigen fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Lehrberuf, sondern auch in den Unfallverhütungsvorschriften, die bei der Berufsausübung anzuwenden sind, besitzt (z. B. Ausbilder). Jederzeit unverzüglich zum Eingreifen bereitstehen bedeute im Hinblick darauf, daß eine Aufsichtsperson, z. B. der Ausbilder, in der Lehrwerkstätte mehrere Jugendliche zu beaufsichtigen habe, nicht, daß nunmehr neben jedem Jugendlichen eine Aufsichtsperson stehen müsse. Es müsse aber von der Aufsichtsperson erwartet werden, daß sie jederzeit ohne Verzug, also so rasch wie möglich, an der Stelle des erforderlichen Eingreifens erscheint und die erforderlichen Maßnahmen setzt.
Bei Herrn J.M. handelt es sich zweifellos um eine geeignete fachkundige Person, da er im Zuge der Kurse für die Meisterprüfung vor ca. 5 Jahren auch in Unfallverhütung ausgebildet worden war.
Er befand sich ca. 2 m vom Arbeitsplatz des Jugendlichen entfernt, war zwar selbst mit Arbeiten beschäftigt, was ihn jedoch nicht hinderte, den Jugendlichen gleichzeitig bei seinen Fräsarbeiten zu beaufsichtigen. Wie aus dem Durchführungserlaß hervorgeht, ist eine ausschließliche Konzentration der Aufsichtsperson auf den zu beaufsichtigenden Jugendlichen nicht erforderlich. Die Aufsichtsperson muß jedoch imstande sein, nötigenfalls jederzeit eingreifen zu können. Dies war im vorliegenden Fall auch gegeben, denn der Meister stellte nach Auftreten der Verletzung die Fräsmaschine sofort ab. Die Aufsicht des Herrn J.M. zeigt sich auch darin, daß er dem Jugendlichen die Sicherheitsvorrichtungen und die durchzuführenden Arbeiten zuvor erklärt und sich selbst von der ordnungsgemäßen Sicherung der Maschine vor Beginn der Arbeiten überzeugt hatte. Dies ergibt sich unbedenklich aus den Aussagen der beiden genannten Zeugen vor der belangten Behörde.
Nach § 8 Abs 1 Z 1 lit. c stellt die Bedienung von Fräsmaschinen für die Bearbeitung von Stoffen aller Art, ausgenommen Fräsmaschinen zur Metallbearbeitung und Drehmaschinen Arbeiten nach § 2 Abs 2 dar.
Nach § 8 Abs 3 lit. b dürfen Jugendliche, die in einem Lehr- oder gesetzlich anerkannten Ausbildungsverhältnis stehen, unter Aufsicht, wenn dies in den Ausbildungsvorschriften vorgesehen ist, mit Arbeiten nach Abs 1 Z 1 lit. c beschäftigt werden nach Vollendung der ersten Hälfte der vorgeschriebenen Lehr- oder Ausbildungszeit, nicht jedoch vor Vollendung des 16. Lebensjahres.
Auch diese Voraussetzungen lagen vor, denn der Lehrling stand bereits knapp vor Vollendung des 18. Lebensjahres und im dritten Lehrjahr vier Monate vor Beendigung des Lehrverhältnisses.
Somit steht fest, daß eine Verletzung des § 2 Abs 2 i. V.m. § 8 Abs 1 Z 1 lit. c und § 8 Abs 3 lit. b der Verordnung BGBl. Nr. 527/1981 am 12.4.1994 durch den Berufungswerber nicht vorlag. Vielmehr wurde erwiesen, daß er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, weswegen der Bescheid der belangten Behörde zu beheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen war.
Da der Sachverhalt bereits durch die belangte Behörde ausreichend geklärt war, und Sachverhaltsfragen nicht strittig waren, konnte diese Entscheidung ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden (§ 51 e Abs 2 VStG).