TE UVS Niederösterreich 1996/01/15 Senat-MD-95-528

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Veröffentlicht am 15.01.1996
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), BGBl Nr 51/1991 Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und gemäß §45 Abs1 Z2 VStG, BGBl Nr 620/1995 idgF die Einstellung des Verfahrens verfügt.

Text

Mit dem bekämpften Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft xx vom 28.03.1995, Zl 3-*****-93, wurde über Herrn H****** S****** in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied und damit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma M****************** AG mit dem Sitz in W** N****** wegen der Übertretung der Bestimmung des §8 MSchG eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe im Nichteinbringungsfalle: 5 Tage), gemäß §37 Abs1 leg cit verhängt.

 

Angelastet wurde ihm, dafür verantwortlich zu sein, daß die spruchgenannte gravide Arbeitnehmerin an den im Spruch konkretisiert angegebenen Tagen mehr als die gesetzlich zulässigen neun Stunden beschäftigt war.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschuldigte durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung, und begründete vorliegendes Rechtsmittel sowohl mit Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit des Bescheides, machte verfassungsrechtliche Bedenken geltend und beantragte die Behebung des angefochtenen Straferkenntnisses, Einstellung des Strafverfahrens und hilfsweise die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe.

 

Im einzelnen wurde dazu ausgeführt, daß für die verfahrensgegenständliche Filiale gemäß §9 VStG der dortige Marktmanager zum verantwortlichen Beauftragten bestellt worden wäre, der aufgrund seiner im einzelnen detailliert dargelegten Aufgaben - und Verantwortungsbereiche die Kriterien eines leitenden Angestellten im Sinne des §23 ArbIG erfülle, dem Beschuldigten kein subjektives Fehlverhalten angelastet werden könne, die Bestellungsurkunde hinsichtlich der Namhaftmachung eines leitenden Angestellten an das für den Sitz der M***** W*********** AG zuständige Arbeitsinspektorat für den *. Aufsichtsbezirk weitergeleitet worden wäre, und er seiner ihn treffenden Verpflichtungen im ausreichenden Maße nachgekommen sei.

 

Im Rahmen des erteilten Parteiengehörs hat das am Verfahren mitbeteiligte Arbeitsinspektorat nach Kenntnis des Vorbringens in der Berufung den gestellten Strafantrag vollinhaltlich aufrecht gehalten.

 

Im Zuge der am 12.10.1995 am Sitz der Bezirkshauptmannschaft xx durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung hielt der Beschuldigte sein gesamtes Berufungsvorbringen vollinhaltlich aufrecht und legte ergänzend zu seinen Ausführungen zum Beweis für die rechtswirksame und fristgerechte Bestellung die den Marktmanager betreffenden Bestellungsurkunden sowie das Begleitschreiben an das Arbeitsinspektorat vor und bestritt unter Bezugnahme auf sein schriftliches Rechtsmittel insbesondere das subjektive Verschulden in der Person seines Mandanten.

 

Die Vertreterin des Arbeitsinspektorates verwies auf die Strafanzeige und beantrage die vollinhaltliche Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, wohingegen der anwesende Vertreter der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz auf die aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Annahme des Vorliegens eines leitenden Angestellten verwies.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat daher erwogen wie folgt:

 

Ohne auf das weitere materiellrechtliche Vorbringen des Einschreiters bzw die geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken weiter einzugehen, ist den Berufungsausführungen des Beschuldigten zu folgen und erweist sich vorliegendes Rechtsmittel als berechtigt.

 

Im näheren ist dazu auszuführen:

 

I.

Zur Frage der rechtswirksamen Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 Abs2 und 3 VStG iVm §23 ArbIG:

 

Ausgehend von den Berufungsausführungen hinsichtlich des beruflichen Aufgaben- und Verantwortungsbereiches des verfahrensgegenständlich zum verantwortlich Beauftragten Bestellten namhaft gemachten Marktmanagers der Firma M****************** AG und der damit in Einklang zu bringenden Amtskenntnis des Senates ist als erwiesen anzusehen, daß dieser auf der vierten Ebene der innerbetrieblichen Hierarchie stehende Marktmanager der spruchgenannten Gesellschaft als leitender Angestellter im Sinne des §23 Abs2 ArbIG für verfahrensgegenständliche zur Last gelegten Verwaltungsübertretung anzusehen ist.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner aktuellen und nunmehr als gesichert anzusehenden Rechtsprechung zum Ausdruck bringt, liegt es im Wesen der Funktion eines mit diesen Kompetenzen und Verantwortungsbereichen ausgestatten Dienstnehmers, am Ort des Geschehens für die Einhaltung bestimmter rechtlicher Gebote und Verbote durch entsprechende Anweisungen im Zuge seiner permanenten Anwesenheit in dem betreffenden Verbrauchergroßmarkt zu sorgen.

 

Der namhaft gemachte Marktmanager, Mitarbeiter der vierten Ebene der Unternehmens, dessen Kompetenz im wesentlichen gleichgelagert ist mit den Aufgaben- und Verantwortungsbereichen eines Rayonsleiters im übrigen Konzernbereich der B****-AG, wäre entsprechend seiner Funktion im gegenständlichen Verfahren in der Lage gewesen und dazu verpflichtet, für die Einhaltung jener Vorschriften des MSchG zu sorgen, deren Verletzung dem Rechtsmittelwerber mittels angefochtenen Bescheid zur Last gelegt wurde.

Dafür zu sorgen, daß entsprechend den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen die für gravide Arbeitnehmerinnen geltenden höchstzulässigen Arbeitszeitgrenzen nicht überschritten würden, ist eine geradezu typische Angelegenheit, die sinnvollerweise in den Verantwortungsbereich eines mit den geschilderten Rechten und Pflichten ausgestatteten Dienstnehmers übertragen werden kann (vgl. analog VwGH vom 7.4.1995, Zl. 94/02/070 und VwGH vom 9.6.1995, Zl. 95/02/0046).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind somit die im §23 Abs2 ArbIG erforderlichen Kriterien der rechtswirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragen gemäß §9 Abs2 und 3 VStG erfüllt.

 

II.

Sogar unter der Annahme der nicht rechtswirksamen Bestellung des namhaft gemachten Filialinspektors kann dem Berufungswerber subjektives Verschulden im Sinne des §5 VStG nicht angelastet werden.

 

Aufgrund der zu dem weitgehend rechtlich identen gleichgelagerten Verfahren MD-94-560 durchgeführten Ermittlungen, der in diesem Verfahren eingeholten Zeugenaussagen, des unbestritten gebliebenen Vorbringens des Rechtsmittelwerbers und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß durch das Arbeitsinspektorat die Richtigkeit der Urkunde und der Aussage der damals vernommenen Zeugen bestätigt wurde, und der noch im obig angeführten Akt aufliegenden Urkunden E und F, welche auch die Entscheidungsgrundlage in diese Richtung noch verbreiterten und mit den verfahrensgegenständlich zum Akt genommenen Beilagen A bis C in den verfahrenswesentlichen Punkten übereinstimmen und aufgrund ihres Inhaltes die Richtigkeit des Vorbringens des Einschreiters hinsichtlich der erforderlichen Übermittlung von Bestellungsurkunden an das Arbeitsinspektorat für den *. Aufsichtsbezirk dokumentieren, ist dem Beschuldigten ein tauglicher Entlastungsbeweis gelungen.

 

Die allenfalls zeitlich erheblich verzögerte Übermittlung der Bestellungsurkunde an das zuständige Arbeitsinspektorat kann somit nicht dem Rechtsmittelwerber angelastet werden, er hat dies erwiesenermaßen nicht verschuldet und konnte auch ein allenfalls subjektives Fehlverhalten nicht einsehen, da er der objektiven Sorgfaltspflicht in einem Ausmaß entsprochen hat, wie es ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle eingehalten hätte, (vgl VwGH 12.06.1989, 88/10/0169 ua) und der Aufforderung des Arbeitsinspektorates hinsichtlich der Übermittlung von Bestellungsurkunden nachgekommen ist, sein Handeln somit einen Schuldausschließungsgrund bildet.

 

In Hinblick auf die obigen Ausführungen erübrigt sich weiteres Eingehen einerseits auf die geltengemachten verfassungsrechtlichen Bedenken und andererseits auf die Frage der Strafzumessunggründe, war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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