Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn G.J., vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert Jürgens, Schlögelgasse 5/II, 8010 Graz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18.10.1993, GZ.:
15.1-1993/5876, wegen zweier Übertretungen nach der Allgemeinen Arbeitnehmerschutz-verordnung (AAV) sowie einer Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung (BaSchVO), nach einer am 19.1.1996 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung in sämtlichen drei Punkten als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens hinsichtlich aller drei Punkte einen Betrag von jeweils S 200,-- (insgesamt S 600,- -) binnen vier Wochen nach Erhalt dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu leisten.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 18.10.1993 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der G.J.-Bau GesmbH mit Sitz in R., A. 22 zu verantworten, daß, wie anläßlich einer Kontrolle der Baustelle 5-Familienwohnhaus in der M. Straße in G. am 13.4.1993 um 11.30 Uhr festgestellt worden sei
1.) auf der Baustelle weiße Leitungen vorgefunden worden seien, die nicht dem Typ HO7RN-F bzw. AO7RN entsprechen,
2.) auf der obgenannten Baustelle die für die erste Hilfeleistung notwendigen Mittel nicht vorhanden gewesen seien und
3.) die genannte Baustelle zumindest bis zum Kontrolltag nicht dem Arbeitsinspektorat gemeldet worden sei, obwohl die genannte Baustelle bereits seit 29.3.1993 in Betrieb gewesen sei.
Dadurch habe der Berufungswerber Verwaltungsübertretungen 1.) gemäß § 38 Abs 1 AAV in Verbindung mit § 55.4.1 ÖVE-EN 1, Teil 4, 2.) gemäß § 81 Abs 2 erster und letzter Satz AAV und 3.) gemäß § 5 Abs 1 erster Satz BaSchVO begangen und wurden über
ihn hinsichtlich aller drei Punkte Geldstrafen von jeweils S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber zunächst aus, daß von der J.-Bau
GesmbH keinerlei weiße Leitungen verlegt würden und innerbetrieblich den Arbeitnehmern ausschließlich solche elektrotechnische Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden, die den geltenden Vorschriften entsprechen würden. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden,
daß ein Arbeitnehmer aus seinem Privatbesitz ein für die Verwendung auf Baustellen nicht geeignetes Kabel verwendet habe. Es lägen überhaupt keine gesicherten Beweisergebnisse vor, daß der Berufungswerber seinen Arbeitnehmern ein unzulässiges Kabel zum Betrieb auf einer Baustelle übergeben habe. Hinsichtlich des Erste-Hilfe-Materials brachte der Berufungswerber vor, daß er bei einem einschlägigen Hersteller komplette, auf dem neuersten Stand befindliche Pakete für die Erste-Hilfe-Leistung bestellt habe, diese jedoch ohne entsprechendes Verschulden seinerseits nicht rechtzeitig geliefert worden wären. Weiters gestand der Berufungswerber zu, daß die Baustellenmeldung an das Arbeitsinspektorat nicht erfolgt sei und er bat in diesem Punkt um eine Ermahnung.
Am 19.1.1996 fand vor dem Unabhängigen
Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung statt, an der der Berufungswerber, sein Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der mitbeteiligten Partei (Arbeitsinspektorat Graz) teilnahmen und in deren Verlauf neben dem Berufungswerber auch der anzeigende Arbeitsinspektor Ing. G., der damalige Polier J.H. sowie der zum Zeitpunkt der Kontrolle auf der Baustelle arbeitende Gerald Gether als Zeugen einvernommen wurden. Zu Beginn der Verhandlung stellte der Berufungswerber klar, daß er die Punkte 1.) und 2.) vollinhaltlich bekämpfe, es sich beim Punkt 3.) aber nur um eine Strafberufung handle. Somit ist der Schuldspruch in Punkt 3.) in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich der Punkte 1.) und 2.) wurde bei der nunmehrigen Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der G.J.-GesmbH mit Sitz in G., A. 22. Bei der Baustelle 5-Familienwohnhaus in der M. Straße in G. war die G.J.-Bau GesmbH Generalunternehmer. Die Arbeiten begannen am 29.3.1993 und dauerten ungefähr ein Jahr.
Am 13.4.1993 um 11.30 Uhr führte der Arbeitsinspektorat Ing. G. eine Kontrolle auf der Baustelle durch. Seine Ansprechperson auf der Baustelle war der Polier J.H.. Auf der Baustelle nahm Ing. G. wahr, daß mit Hilfe eines weißen PVC-Kabels eine Kreissäge an einem Baustromverteiler angeschlossen war. Das Kabel wies keinen Prüfaufdruck auf. Auf der Baustelle wurden gerade die Kellerwände aufgestellt und befand sich die Kreissäge im Keller. Zum Zeitpunkt der Überprüfung befanden sich nur Arbeiter der Firma G.J. auf der Baustelle. Auf Befragen konnte der Polier J.H. dem Arbeitsinspektor kein Erste-Hilfe-Material für die Baustelle vorweisen. Der für diese Baustelle zuständige Bauleiter der G.J.- GesmbH Herr G. besuchte die Baustelle im Durchschnitt zweimal pro Woche. Der Berufungswerber kam während
der einjährigen Bauarbeiten nur sehr selten auf die Baustelle und zwar dann, wenn es Probleme gab.
Der festgestellte Sachverhalt stützt sich, soweit er die G.J. GesmbH und die generellen Feststellungen für diese Baustelle betrifft, auf die Ausführungen des Berufungswerbers sowie des Poliers J.H.. Die Feststellungen über die Kontrolle durch den Arbeitsinspektor am 13.4.1993 sowie die dabei festgestellten Mängel basieren auf den Angaben des Arbeitsinspektors Ing. G., die auch vom Polier J.H. bei seiner Einvernahme bestätigt wurden. Die Feststellungen über die Baustellenbesuche des Bauleiters bzw. des Berufungswerbers basieren auf den Angaben des Poliers J.H.. Hinsichtlich der Übertretung in Punkt 1.) fertigte der anzeigende Arbeitsinspektor auch ein Lichtbild an, auf dem man ein weißes Kabel sieht, welches an einem Baustromverteiler angeschlossen ist. Dieses Lichtbild befindet sich im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt und konnten die anwesenden Parteien anläßlich der Berufungsverhandlung das Lichtbild einsehen.
Gemäß § 38 Abs 1 AAV sind auf elektrische Anlagen und Betriebsmittel, die auf Grund des Elektrotechnikgesetzes durch Verordnung verbindlich erklärten elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften und Vorschriften über Normalisierung und Typisierung (SNT-Vorschriften) anzuwenden.
Gemäß § 55.4.1 ÖVE-N1, Teil 4 müssen ungeschützt verlegte und bewegliche Leitungen dem Typ HO7RN-F
bzw. AO7RN-F (GMSuö) entsprechen oder hinsichtlich ihrer Beanspruchbarkeit gleichwertige Leitungen müssen eine Kältebeständigkeit von mindestens minus 25 Grad Celsius für Transport, Verlegung und Bewegung im Betrieb haben und mit K 25 gekennzeichnet sein.
Die österreichischen Vorschriften für die Elektrotechnik ÖVE-K 40/1978 enthalten Normen über Energieleitungen mit einer Isolierung aus Gummi. Diese Vorschriften stimmen im wesentlichen mit dem Harmonisierungsdokument D 22 Leitungen mit einer Isolierung aus Gummi mit Nennspannungen Uo/U bis 450/470 V des Europäischen Komitees für elektrotechnische Normung (CENELEC) überein.
§ 2.4 handelt von schweren Gummischlauchleitungen,
die nach CENELEC die Bezeichnung H O7RN-F bzw. die
nationale Bezeichnung GMSuö besitzen.
§ 2.7 regelt ölbeständige und flammwidrige
Gummiaderleitungen, die nach CENELEC die Bezeichnung AO7RN-F bzw. die nationale Bezeichnung
GUöf aufweisen.
Auf Grund des vorliegenden Lichtbildes und der übereinstimmenden Aussagen von Ing. G. und J.H. ist davon auszugehen, daß auf der Baustelle die Kreissäge mit einem weißen PVC-Kabel betrieben wurde. Dieses Kabel entspricht aber keineswegs dem Typ HO7RN-F
bzw. AO7RN-F. Gummischlauchleitungen dieses Typs
sind an der Oberfläche sehr weich und widerstandsfähig. Im Gegensatz dazu ist ein weißes PVC-Kabel, wie es auf der Baustelle verwendet wurde, steif und wenig widerstandsfähig. Da das weiße PVC-Kabel auch keinen Aufdruck aufwies, daß es ÖVE geprüft wäre, ist der objektive Tatbestand als erwiesen anzusehen.
Der Berufungswerber wandte ein, daß ein Arbeitnehmer offensichtlich aus seinem Privatbesitz dieses Kabel mitgebracht und verwendet habe. Diese Vermutung
konnte im Zuge der Berufungsverhandlung erhärtet werden, da sowohl der Polier H. als auch der auf der Baustelle arbeitende G.G. angaben, daß das weiße PVC-Kabel J.H. gehört. Das weiße PVC-Kabel sei zufälligerweise im Bus gelegen und da geeignete Kabel nicht rechtzeitig auf die Baustelle geliefert worden seien, habe man sich damit beholfen und das weiße PVC-Kabel verwendet. Sowohl J.H. als auch G.G. gaben bei ihren Einvernahmen zu, daß eine Verwendung derartiger
weißer PVC-Kabel nicht zulässig sei, da diesen Kabeln die Widerstandsfähigkeit fehle. Der Einwand des Berufungswerbers spielt aber bei der rechtlichen Beurteilung insofern keine Rolle, als es nicht darauf ankommt, wem das weiße PVC-Kabel zum Zeitpunkt der Kontrolle gehörte. Tatsache ist, daß dieses weiße PVC-Kabel auf der Baustelle von Arbeitern der G.J. GesmbH verwendet wurden. Es ist nicht nur Aufgabe des Berufungswerbers seinen Arbeitern auf den Baustellen solche elektrotechnische Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, die den geltenden Vorschriften entsprechen, sondern er hat auch dafür Sorge zu tragen, daß nur derartige elektrotechnische Einrichtungen auf den Baustellen verwendet werden.
Der Einwand des Berufungswerbers auf Baustellen seines Unternehmens würden nur geprüfte Kabel verwendet werden, wird dadurch erschüttert, daß einige Monate nach dem gegenständlichen Vorfall auf der Baustelle des Kindergartens W. von Arbeitern der G.J.-Bau GesmbH ebenfalls weiße Leitungen verwendet wurden.
Gemäß § 81 Abs 2 erster Satz AAV müssen für die erste Hilfeleistung die entsprechenden Mittel in einer der Größe des Betriebes ausreichenden Zahl von staubdicht schließenden Behältern, wie Kasten, jederzeit gebrauchsfertig und in hygienisch einwandfreiem Zustand bereitgestellt sein. Gemäß § 81 Abs 2 letzter Satz AAV sind außerhalb des Standortes des Betriebes tätigen Arbeitnehmern die notwendigen Mittel mitzugeben,
sofern diese auf der auswärtigen Arbeitsstelle nicht unmittelbar zur Verfügung stehen.
Auf Grund des Ermittlungsverfahrens konnte festgestellt werden, daß der für die Baustelle in der M. Straße zuständige Polier J.H. dem Arbeitsinspektor kein Erste-Hilfe-Material vorweisen konnte, welches auf der Baustelle für die Arbeiter vorhanden gewesen wäre.
Zum Einwand des Berufungswerbers, im Firmenbus,
welcher zum Zeitpunkt der Kontrolle auf der Baustelle gewesen sei, habe sich ein Verbandszeug befunden, ist zunächst auszuführen, daß der auf der Baustelle anwesende Polier J.H. dem Arbeitsinspektor gegenüber keinerlei Andeutung in diese Richtung machte. Auf der anderen Seite ist aber ein Verbandszeug im Sinne des § 102 Abs 10 KFG, welches in jedem Kraftfahrzeug mitzuführen ist, nicht als ausreichendes Erste-Hilfe-Material im Sinne des § 81 Abs 2 AAV anzusehen.
Bereits in der Bestimmung des § 81 Abs 2 AAV wird ausgeführt, daß die Ausstattung der Behälter insbesondere auf die Art der Arbeitsvorgänge, Arbeitsverfahren und Arbeitsstoffe, auf die Arbeitsweise sowie auf die Zahl der Arbeitnehmer Bedacht zu nehmen hat und insbesondere Mittel zur ersten Hilfeleistung für Augenverletzungen, Verbrennungen und Knochenbrüche, Verbandszeug für Wunden und Mittel
zur Blutstillung zur Verfügung zu stellen sind. Der Inhalt des Erste-Hilfe-Materials wird darüberhinaus noch in der Ö-Norm Z 1020 Verbandkästen für Betriebe und für Schutzräume bis 50 Personen (Anforderungen, Inhalt, Prüfung, Normkennzeichnung) näher beschrieben. Als Richtwerte für die Größe von Verbandkästen für Betriebe und Schutzräume gibt es drei Typen:
Type A: für Bereiche bis 5 Arbeitnehmer bzw. für Schutzräume bis 10 Personen
Type B: für Bereiche bis 20 Arbeitnehmer bzw. für Schutzräume für 11 bis 25 Personen
Type C: für Bereiche mit mehr als 20 Arbeitnehmern bzw. für Schutzrämue für 26 bis 50 Personen.
An Mindestinhalt ist für die Type A folgendes vorgesehen:
Stückzahl/Länge Artikel 2 Verbandpäcken (Monentverband), groß, Binde 10 cm x 3 m, mit nicht mit der Wunde verklebendem Wundkissen 10 cm x 10 cm einzeln steril und keimdicht verpackt. 2 Verbandpäcken (Momentverband), mittel, Binde 8 cm x 3 m, mit nicht mit der Wunde verklebendem
Wundkissen 8 cm x 10 cm, einzeln steril und keimdicht verpackt.
0,5 m Pflasterschnellverband, 8 cm breit
3 Pflasterschnellverband, 6 cm breit c 10 cm, einzeln
staubdicht verpackt
5 Pflasterschnellverbandstrips, 6 cm x 1,9 cm, einzeln staubdicht verpackt
6 Kompressen, nicht fasernd, 10 cm x 10 cm, rundum verschlossen, nicht mit der Wunde verklebend, einzeln steril und keimdicht verpackt, mit einer Mindestsaugkapazität von 30 g/dm2
3 elastische Mullbinden, 10 cm x 4 m einzeln staubdicht verpackt
2 elastische Mullbinden, 8 cm x 4 m, einzeln staubdicht verpackt
1 elastische Binden (selbsthaftend) 8 cm 5 m, einzeln
verpackt
1 Fixationsbinde, 6 cm x 1 m, selbsthaftend
2 Fingerschnellverband, elastisches Band mit
aufgenähtem Wundkissen (4 cm x 4 xm) und Verschluß
1 Lederfingerlinge, sortierte Größen
1 Heftpflaster auf Spule mit Schutzhülle, 2,5 cm x 5 m 1 Verbandtuch, metallisiert, 40 cm x 60 cm, mit Saugkissen, nicht mit der Wunde verklebend, Rückseite flüssigkeitsabweisend, mit Angabe des Mindestsaugvermögens von 100 g H2O, einzeln steril
und keimdicht verpackt
2 Dreiecktücher gemäß ÖNORM K 2122
6 Sicherheitsnadeln, mindestens Größe 2
1 Schere gemäß ÖNORM K 2121
1 Splitterpinzette 8 cm rostfrei
6 Schutzhandschuhe aus Latex, nahtlos, mit
Mindestmaterialdicke von 0,20 mm, Sorte groß
1 Alu-Rettungsdecke silber/silber oder silber/gold 140 cm x 220 cm
1 tubuslose Atemspendemaske mit Richtrückatemventil 1 100 ml flüssiges Händedesinfektionsmittel auf Basis von 50 Prozent bis 60 Prozent des Volumens Propanol oder Iso-Propanol
1 betriebsbereite Lichtquelle
1 Erste-Hilfe-Anleitung
1 Inhaltsverzeichnis
Für die Typen B und C ist eine entsprechend größere Stückzahl bzw. Länge der Artikel als Mindestinhalt vorgeschrieben.
Ein Verbandszeug für ein Kraftfahrzeug ist sicherlich nicht ausreichend für ein erforderliches Erste-Hilfe-Material auf einer Baustelle. Somit ist die dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung auch in diesem Punkt als erwiesen anzusehen.
Wenn sich der Berufungswerber damit rechtfertigt, daß gerade auf dem neuersten Stand befindliche Erste-Hilfe-Pakete bei einem einschlägigen Händler bestellt worden seien, dieser jedoch das Material nicht rechtzeitig geliefert habe, so konnte dieses Vorbringen nicht entsprechend belegt werden, da dieses Vorbringen nicht näher ausgeführt wurde und andererseits im Ermittlungsverfahren lediglich eine Rechnung der Firma M. Grall vom 14.9.1993 über 1 Stk. Koffer m.
Verbandsmaterial komplett vorgelegt wurde. Da die gegenständliche Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat bereits am 13.4.1993 stattfand, kann ein unmittelbarer Zusammenhang mit der eben angeführten Rechnung nicht hergestellt werden, da nicht davon auszugehen ist, daß der Berufungswerber fünf Monate nicht in der Lage war ein entsprechendes Erste-Hilfe-Material für die Baustelle anzukaufen.
Es war nunmehr noch zu prüfen, ob die über den Berufungswerber in den Punkten 1.) bis 3.) verhängten Geldstrafen als angemessen anzusehen sind.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Einhaltung der elektrotechnischen Sicherheitsvorschriften soll gewährleisten, daß die Unfallgefahren möglichst minimiert werden. Eine solche Sicherheitsvorschrift stellte auch die Bestimmung des § 55.4.1 ÖVE-EN 1, Teil 4 dar und wurde der Schutzzweck dadurch, daß auf der Baustelle in der Mariatroster Straße ein weißes PVC-Kabel verwendet wurde, erheblich verletzt.
Auf Baustellen kommt es des öfteren zu Verletzungen. Daher ist es wichtig, daß geeignetes Erste-Hilfe-Material an Ort und Stelle zur Verfügung steht. Gerade eine rasche Hilfe ist häufig notwendig, um schwerwiegende Folgen einer Verletzung zu vermeiden. Dadurch, daß auf der Baustelle kein geeignetes Erste-Hilfe-Material zur Verfügung stand, wurde massiv gegen den Schutzzweck dieser Bestimmung verstoßen.
Die Meldung einer Baustelle im Sinne des § 5 Abs 1 BaSchVO dient der Information des Arbeitsinspektorates. Dadurch soll das Arbeitsinspektorat auch in die Lage versetzt werden Kontrollen über die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften durchführen zu können. Dadurch, daß zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits rund 14 Tage gearbeitet wurde, beim Arbeitsinspektorat aber keine Meldung über diese Baustelle einlangte, wurde gegen den Schutzzweck dieser Bestimmung verstoßen.
Daran ändert auch der Umstand nichts, daß eine Kontrolle durch das Arbeitsinspektorat trotzdem stattfand, da es ja Sinn und Zweck der Bestimmung ist, daß das Unternehmen die Baustelle meldet und nicht daß das Arbeitsinspektorat zufälligerweise von Arbeiten auf einer Baustelle Kenntnis erlangt.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß
anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Erschwerungs- und Milderungsgründe liegen nicht vor. Die Ansicht der belangten Behörde es liege als Milderungsgrund ein teilweises Geständnis des Berufungswerbers vor, kann nicht geteilt werden. Der Berufungswerber gab nur in Punkt 3.) die Verwaltungsübertretung zu, doch handelt es sich dabei nur um ein bloßes Zugeben des Tatsächlichen, da beim Arbeitsinspektorat ja keine Meldung über die Baustelle eingelangt ist. Ein bloßes Zugeben des Tatsächlichen kann aber als kein qualifiziertes Geständnis erblickt werden, welches wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hätte (vgl. VwGH 6.5.1974, 1370/73; VwSlg. 12.124 A/1986). Die belangte Behörde hat auch irrigerweise die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers als Milderungsgrund herangezogen,
da aus den vorliegenden Vorstrafenauszügen ersichtlich ist, daß der Berufungswerber zwar keine einschlägigen Verwaltungsstrafen aufweist, aber eine rechtskräftige und nicht getilgte Verwaltungsvormerkung wegen einer Übertretung der StVO. Nur die absolute verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit hätte einen Milderungsgrund dargestellt (vgl. VwGH 24.4.1963, 790/61, VwSlg. 9755A/1979).
Der Berufungswerber war nur selten auf der verfahrensgegenständlichen Baustelle. Er hat auch kein Vorbringen dahingehend erstattet, daß er ein funktionierendes Kontrollsystem eingerichtet hätte, welches geeignet gewesen wäre, Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften zu verhindern. Daher kann sein Verschulden als nicht nur geringfügig angesehen werden.
Der Strafrahmen für die dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen beträgt in allen drei Fällen bis zu S 50.000,--.
Der Berufungswerber gab anläßlich der Berufungsverhandlung am 19.1.1996 an, daß er
monatlich brutto S 38.000,-- verdiene, an Vermögen ein Wohnhaus in unbekanntem Wert besitze, als außergewöhnliche Belastungen ein Privatdarlehen in der Höhe von S 1,3 Millionen aufweise sowie Sorgepflichten für ein minderjähriges Kind habe.
Unter Berücksichtiung des Unrechtsgehaltes der Verwaltungsübertretungen, des Verschuldens des Berufungswerbers, des Strafrahmens und seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse sind die über ihn von der belangten Behörde verhängten Geldstrafen, welche sich durchwegs im untersten Bereich des Strafrahmens befinden, als angemessen und gerechtfertigt anzusehen. Eine Herabsetzung der Geldstrafen kam auch aus spezialpräventiven
Erwägungen nicht in Betracht, da der Berufungswerber nachdrücklich dazu veranlaßt werden soll, ein entsprechendes Kontrollsystem in seinem Unternehmen einzurichten, damit Übertretungen, wie im gegenständlichen Fall, vermieden werden. Auf Grund des nicht nur geringfügigen Verschuldens kam auch ein Absehen von der Strafe und der Ausspruch lediglich einer Ermahnung nicht in Betracht.
Gemäß § 64 Abs 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.
Gemäß § 64 Abs 2 VStG sind die Kosten für das Strafverfahren erster Instanz mit 10 Prozent der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 Prozent der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit S 20,-- zu bemessen. Darauf stützt sich die im Spruch vorgenommene Kostenentscheidung.