TE UVS Steiermark 1996/01/19 30.4-180/95

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Veröffentlicht am 19.01.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung des Herrn R.L., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Maderspergerstraße 8, 6330 Kufstein, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 22.11.1995, GZ.: 15.1 1994/6206, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz in Verbindung mit durch die Berufungsbehörde ergänzend durchgeführten Erhebungen ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 22.11.1995 waren über Herrn R.L. auf Rechtsgrundlage des § 367 Z 25 GewO 1994 i.V.m. den Auflagenpunkten 17., 34., 37., 38., 41., 85., 99., 101., 117., 118., 120. und 121 des Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 21.3.1989 insgesamt 12 Verwaltungsstrafen zu je S 300,--, im Uneinbringlichkeitsfall jeweils 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt worden, da er als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Firma W.

Unterlandgesellschaft für Kunststofftechnik GesmbH. mit dem Sitz in K., welche Betreiberin einer Produktions- und Lagerhalle auf den Grundstücken .., KG P., wäre, dafür verantwortlich wäre, daß, wie anläßlich eines Ortsaugenscheines in P. am 3.11.1994 festgestellt worden sei, zumindest bis zu diesem Tage diese Betriebsanlage betrieben worden wäre, ohne daß die bereits angeführten Auflagen erfüllt worden wären. Dieser Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, die im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz vorgebrachte Verantwortung des Beschuldigten dahingehend, daß er seit 18.9.1993 nicht mehr handelsrechtlicher Geschäftsführer dieser Firma, nicht mehr Angestellter der Gesellschaft gewesen sei und somit auch keine Verantwortlichkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer hätte haben können, ändere nichts an seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit, da dem Gewerbereferat der Bezirkshauptmannschaft Judenburg zumindest bis 3.11.1994 keine Änderung hinsichtlich der gewerberechtlichen Geschäftsführerbestellung gemeldet worden wäre. Die ursprüngliche gewerberechtliche Geschäftsführerkenntnisnahme sei daher für das freie Gewerbe Erzeugung von Papierwaren aller Art in Form eines Industriebetriebes zumindest bis zu diesem Zeitpunkt als aufrecht anzusehen, sodaß der Beschuldigte die nichtbestrittene Nichteinhaltung der einzelnen Auflagenpunkte zu verantworten hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, in welcher R.L. wie bereits im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz nachgewiesen hat, er sei mit 18.9.1993 als handelsrechtlicher Geschäftsführer aus dem Unternehmen ausgeschieden und somit davon ausgegangen, die Geschäftsführung hätte auch die erforderlichen Schritte hinsichtlich seines Ausscheidens als gewerberechtlicher Geschäftsführer getroffen. Sein Ausscheiden ergebe sich zweifelsfrei aus dem schon vorgelegten Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 17.9.1993, wonach er mit 18.9.1993 in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer gelöscht worden sei. Es sei daher auszuschließen, daß er als gewerberechtlicher Geschäftsführer eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit über den Zeitraum bis zum 18.9.1993 haben könnte, weshalb beantragt würde, in Stattgebung der Berufung das Strafverfahren einzustellen und das angefochtene Straferkenntnis zu beheben.

Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind; dies ist im konkreten Fall aus folgenden Gründen nicht erforderlich:

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen. Im österreichischen Gewerberecht ist die Ausübung von Gewerben nicht auf natürliche Personen beschränkt, da gemäß § 9 Abs 1 GewO 1994 juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechtes sowie eingetragene Erwerbsgesellschaften Gewerbe ausüben können, jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter bestellt haben müssen.

Scheidet der gewerberechtliche Geschäftsführer aus, ist der Gewerbeinhaber gemäß § 39 Abs 4 GewO 1994 verpflichtet, die Bestellung und das Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers der Bezirksverwaltungsbehörde anzuzeigen. Diese Anzeige ist gemäß § 345 Abs 2 leg. cit. bei der Bezirksverwaltungsbehörde des Standortes zu erstatten, die entsprechenden Belege sind gemäß § 345 Abs 7 leg. cit. der Anzeige anzuschließen; die jeweils zuständige Bezirksverwaltungsbehörde hat sodann gemäß § 345 Abs 8 Z 5 leg. cit. die Anzeige über das Ausscheiden eines Geschäftsführers in den Verwaltungsakten entsprechend zu vermerken, wenn nicht die Erlassung eines Bescheides oder die Ausfertigung einer Bescheinigung beantragt worden ist.

Gemäß § 370 Abs 2 GewO 1994 sind Geldstrafen gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines solchen angezeigt oder genehmigt worden ist. Die strafrechtliche Verantwortung des gewerberechtlichen Geschäftsführers endet jedoch nicht erst mit der Anzeige des Gewerbeinhabers über dessen Ausscheiden, wozu dieser verpflichtet ist, sondern bereits mit dem Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers aus dieser Funktion (VwGH 14.10.1983, 83/04/0069). Dies auch deshalb, da jemand nur für das verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sein kann, was er wirksam zu beeinflussen in der Lage ist; eine Verantwortlichkeit darüber hinaus wäre wohl unsachlich und damit gleichheitswidrig (vgl. VfSlg. 10081/1984).

Der gewerberechtliche Geschäftsführer ist somit nur für jene Sachverhalte verantwortlich, die sich in der Zeit zwischen dem Wirksamwerden seiner Bestellung zum Geschäftsführer (Genehmigung bzw. ordnungsgemäße Anzeige und Kenntnisnahme) und dem Zeitpunkt seines Ausscheidens ereignet haben; für diese Sachverhalte kann er auch noch nach seinem Ausscheiden nach Maßgabe der Vorschriften über die Verjährung zur Verantwortung gezogen werden. Somit führt das Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers zum Ende seiner verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit und zur Rückverlagerung auf den Gewerbetreibenden bzw. die nach § 9 VStG verantwortlichen Personen (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0152). Diese wiederum sind bzw. wären im konkreten Fall verwaltungsstrafrechtlich dafür verantwortlich (gewesen), daß die zwingend vorgeschriebene Anzeige über das Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers im Sinne des § 39 Abs 4 GewO 1994 unterlassen worden ist; diesbezüglich wäre somit gegen diesen Personenkreis das Verwaltungsstrafverfahren im Sinne der Bestimmungen des § 368 Z 1 1.7 leg. cit. einzuleiten gewesen, wonach eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen ist, begeht, wer die Anzeigen gemäß § 39 Abs 4 über das Ausscheiden eines Geschäftsführers nicht erstattet hat.

Im konkreten Fall bedeutet dies, daß mit 8.9.1993 die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nunmehrigen Berufungswerbers aus seiner Funktion als gewerberechtlicher Geschäftsführer heraus beendet worden ist.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 leg cit vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung wie der verfahrensgegenständlichen beträgt sechs Monate, diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung.

Eine Verfolgungshandlung unterbricht somit nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (VwGH 19.9.1984, Slg 11525A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).

Wie bereits erwähnt, bestand die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des nunmehrigen Berufungswerbers bis 8.9.1993, Verwaltungsstrafen wie solche, die mit dem angefochtenen Straferkenntnis verhängt worden sind, wären ihm gegenüber für einen Tatzeitraum bis 8.9.1993 auszusprechen gewesen. Dies hätte jedoch zur Voraussetzung gehabt, daß binnen der bereits genannten Verfolgungsverjährungsfrist von 6 Monaten, somit bis spätestens zum 8.3.1994, diesbezügliche Verfolgungshandlungen gegen ihn gesetzt worden wären. Da das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren jedoch dem nunmehrigen Berufungswerber gegenüber nach der Überprüfung der Betriebsanlage am 3.11.1994 erst mit Strafverfügung vom 14.3.1995 eingeleitet worden ist, kann von keiner, die Verfolgungsverjährung ausschließenden Verfolgungshandlung, die zur Grundlage eines Verwaltungsstrafverfahrens hätte führen können, ausgegangen werden (vgl. VwGH 25.2.1992, 91/04/0277), weshalb im Sinne der angeführten, gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu

entscheiden war.

Schlagworte
gewerberechtlicher Geschäftsführer Verantwortlichkeit ausscheiden Gewerbetreibender Anzeige
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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