Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Herbert Thaller über die Berufung Arbeitsinspektorates Graz vom 2.3.1994, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 14.2.1994, GZ.: A4-St 1014/1-1993, mit welchem die Verwaltungsstrafverfahren wegen der Übertretungen nach § 9 in Verbindung mit §§ 7 und 11 Arbeitszeitgesetz, begangen am 1.7.1993, 2.7.1993, 13.7.1993,
14.7. und 15.7.1993 durch Überschreitung der höchstzulässigen Tagesarbeitszeit von 10 Stunden, der Überschreitung der zulässigen Wochenarbeitszeit von je 50 Stunden in der 28. und 29. Kalenderwoche 1993 und wegen der am 2.7.1993, 13. und 14.7.1993 begangenen Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Ruhepausen gegen die Beschuldigte und mitbeteiligte Partei, A.B., eingestellt wurden, gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), wie folgt entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben und ausgesprochen:
Die Beschuldigte A.B. hat es als Bevollmächtigte für Angelegenheiten der Einhaltung der Arbeitszeiten nach dem Arbeitszeitgesetz für die Filiale W. 8, 8045 Graz, der L.- WarenhandelgesmbH zu verantworten, daß
1.) die Tagesarbeitszeit der Bediensteten A.B.
am 1.7.1993 11 Stunden 45 Minuten,
am 2.7.1993 12 Stunden 15 Minuten,
am 13.7. und 14.7.1993 je 12 Stunden 15 Minuten und
am 15.7.1993 12 Stunden 30 Minuten betrug.
Dies stellt eine Übertretung des § 9 erster Satz, erster Tatbestand iVm § 7 Abs 1 letzter Satz des Arbeitszeitgesetzes (AZG) dar, wonach die Tagesarbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten darf. Hierüber wird über die Beschuldigte gemäß § 28 Abs 1 AZG eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzarreststrafe von 3 Tagen verhängt;
2.)
die wöchentliche Arbeitszeit der Dienstnehmerin A.B. in der
28.
Kalenderwoche, das ist vom 12. bis zum 17.7.1993 67 Stunden 45 Minuten und in der 29. Kalenderwoche, das ist vom 19.7. bis zum 24.7.1993, 66 Stunden und 15 Minuten betrug. Dies stellt eine Übertretung des § 9 erster Satz, zweiter Tatbestand iVm § 7 Abs 1 vorletzter Satz AZG dar, wonach die höchstzulässige Wochenarbeitszeit von 50 Stunden nicht überschritten werden darf. Hierüber wird über die Beschuldigte gemäß § 28 Abs 1 AZG eine Geldstrafe von S 2.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG 3 Tage Ersatzarrest verhängt;
3.) die Ruhepause der Dienstnehmerin A.B. am 2.7.1993, am 13.7.1993 und am 14.7.1993 bei einer Arbeitszeit von 6.30 Uhr bis 10.00 Uhr und von 10.15 Uhr bis 19.00 Uhr jeweils nur 15 Minuten betrug. Dies stellt eine Übertretung des § 11 Abs 1 AZG dar, wonach bei einer Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit von mehr als 6 Stunden die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen ist. Hierüber wird über die Beschuldigte gemäß § 28 Abs 1 AZG eine Geldstrafe von S 1.500,--, im Uneinbringlichkeitsfall gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzarreststrafe von 2 Tagen verhängt. Die Strafen sind binnen einem Monat ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen
Aufgrund einer am 11.8.1993 um ca. 11.00 Uhr durch den Arbeitsinspektor Ing. M.G. durchgeführten Kontrolle der Filiale der Sparte Supermarkt in 8045 Graz, W. 8, der L.- WarenhandelgesmbH mit dem Sitz in Wien, O. 300 - 306, wurden die nunmehr im Spruch aufscheinenden Übertretungen nach dem AZG festgestellt. Der Anzeige beigelegt waren die Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG betreffend F.J. sowie die Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG betreffend A.B. für die Filiale L. Graz, W. 8.
Dabei hat die Bestellungsurkunde der F.J. folgenden Wortlaut:
Die Geschäftsführer der L. Warenhandel Gesellschaft m. b.H., bestellen Sie gemäß § 9 VStG zum verantwortlichen Beauftragten des Ihnen jeweils zugeteilten Bezirkes der Sparte Supermarkt.
Sie sind für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch entsprechende Anweisung an die Ihnen
unterstellten Filialleiter bzw. Kontrolle der Einhaltung der von Ihnen erteilten Anweisungen verantwortlich. Die Verantwortung erstreckt sich auf alle zur Anwendung gelangenden Vorschriften, insbesondere auf die Einhaltung
1.
von Dienstnehmerschutzbestimmungen
2.
der Auflagen der Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und des Arbeitszeitgesetzes
3.
der Vorschriften der firmeninternen Dienstanweisungen
4.
der Allgemeinen Verordnung über die Aufbewahrung von Druckgaspackungen
5.
des Preisgesetzes
6.
des Qualitätsklassengesetzes
7.
des Maß- und Eichgesetzes
8.
der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes
9.
der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung
10.
des Bazillenausscheidergesetzes
Sie sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener
Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für Ihren Verantwortungsbereich zu erlassen. Davon ist Ihr vorgesetzer Spartenverkaufsleiter zu unterrichten.
Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, daß Sie Ihre
Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis genommen haben.
Die Bestellungsurkunde betreffend die Beschuldigte A.B.
lautet wie folgt:
Die Geschäftsführer der L. Warenhandel Gesellschaft m. b.H., bestellen Sie gemäß § 9 VStG zum verantwortlichen Beauftragten der von Ihnen geleiteten Filiale L. Graz, W. 8.
Die Verantwortung erstreckt sich auf alle zur Anwendung
gelangenden Vorschriften, insbesondere auf die Einhaltung
1.
von Dienstnehmerschutzbestimmungen
2.
der Auflagen der Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und des Arbeitszeitgesetzes
3.
der Vorschriften der firmeninternen Dienstanweisungen
4.
der Allgemeinen Verordnung über die Aufbewahrung von Druckgaspackungen
5.
des Preisgesetzes
6.
des Qualitätsklassengesetzes
7.
des Maß- und Eichgesetzes
8.
der Bestimmungen des Lebensmittelgesetzes
9.
der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung
10.
des Bazillenausscheidergesetzes
Sie sind berechtigt, zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener
Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für Ihren Verantwortungsbereich zu erlassen. Davon ist Ihr vorgesetzer Bezirksverkaufsleiter zu unterrichten.
Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, daß Sie Ihre
Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten zur Kenntnis genommen und zugestimmt haben.
Mit Ladung vom 20.12.1993 wurden der Beschuldigten
die ihr vorgeworfenen Taten in der Ladung zur
mündlichen Verhandlung im Verwaltungsstrafverfahren vorgehalten, auf welche die Beschuldigte durch ihre ausgewiesenen Vertreter eine Stellungnahme abgab. In dieser wird im wesentlichen vorgebracht, daß die Beschuldigte als Filialleiterin und gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte als leitende Angestellte zu gelten habe und daher gemäß § 1 Abs 2 Z 8 AZG die von ihr begangenen ihre Person betreffenden Arbeitszeitübertretungen nicht unter die Bestimmungen des AZG fallen und somit nicht strafbar wären.
Sachverhaltsmäßig wurde vorgebracht, daß sie als Filialleiterin selbständig ihre Arbeitszeit einteilen könne und diesbezüglich keinerlei Kontrollen unterliege. Ihre Arbeitszeit sei ausschließlich an den jeweiligen Arbeitsanfall gebunden. Aufgrund ihrer Befugnisse und aufgrund ihres Einflusses in einer Filiale auf den Geschäftserfolg des ca. 300 Filialen umfassenden Gesamtkonzerns sei sie gemäß § 23 Abs 2 des Arbeitsinspektionsgesetzes rechtswirksam zur verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellt worden und somit leitende Angestellte im Sinne des AZG. Zum Vorwurf der Nichtgewährung einer
mindestens halbstündigen Ruhepause führt die Beschuldigte in ihrer Stellungnahme aus, daß sie sich als verantwortliche Beauftragte eine solche Ruhepause gewährt, sie aber diese als Arbeitnehmerin nicht in Anspruch genommen hat. Somit könne ihr als verantwortliche Beauftragte nicht der Vorwurf gemacht werden, sich selbst keine Ruhepause gewährt zu haben. Unter Hinweis darauf, daß sie die Bestimmungen des AZG kenne, führt die Beschuldigte weiter aus, daß sie im Bereich der Bestimmungen des AZG die Arbeitgeberfunktion ausübe, und sie daher dafür gesorgt habe, daß ihre Mitarbeiter die Arbeitszeitbestimmungen auch einhalten.
Diese dem Arbeitsinspektorat als mitbeteiligte Partei des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens zur Kenntnis gebrachte Stellungnahme wurde durch die Replik vom 7.2.1994 beantwortet, in der nach Wiedergabe der einschlägigen Judikatur der Strafantrag weiterhin aufrechterhalten wurde. Daraufhin verfügte die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens mit der Begründung, die Beschuldigte A.B. könne nicht zugleich Arbeitgeber und Arbeitnehmer, somit zugleich Täter und Träger des Rechtsgutes in einer Person sein, weshalb diese Identität des Deliktssubjektes mit dem Deliktsobjekt die Bestrafung ausschließe. In der gegen diesen Bescheid rechtzeitig vom Arbeitsinspektorat Graz eingebrachten Berufung wird erneut auf die einschlägige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen und der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat möge den angefochtenen Bescheid dahingehend
abändern, daß über die Beschuldigte wegen der
angezeigten Übertretungen die in der Strafanzeige vom 28.10.1993 beantragten Strafen verhängt werden.
Die im UVS-Verfahren mitbeteiligte Partei, A.B., gab nach Kenntnisnahme der Berufung durch das Arbeitsinspektorat eine der Stellungnahme des erstinstanzlichen Verfahrens ähnliche Äußerung ab.
Zusätzlich wurde ausgeführt, daß sie als Filialleiterin die Arbeitszeit für sämtliche Mitarbeiter der ihr anvertrauten Filiale einteile, wobei unter Arbeitszeiteinteilung natürlich auch Überstundenanordnungen und die Urlaubseinteilung fielen. Sie sorge als Filialleiterin für die Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb und sei befugt, allen Mitarbeitern, die ihr unterstellt sind, Weisungen betreffend Inhalt und Organisation ihrer Tätigkeit sowohl in genereller als auch in individueller Hinsicht zu geben. Bei den in Österreich ca. 200 Filialen umfassenden Gesamtunternehmen übe jeder einzelne Filialleiter einen wesentlichen Einfluß auf das Gesamtunternehmen aus, wobei es von sekundärer Bedeutung sei, in welcher Führungsebene (2. oder 3. oder 4.) der Filialleiter seine Tätigkeit ausübe. Da die Filialleiterin die Filiale ordnungsgemäß führen müsse und dafür zu sorgen habe, daß sie optisch gut gestaltet sei und einen hohen Umsatz erziele, sei sie als Filialleiterin gern bereit Überstunden zu leisten, umso mehr, als diese auch bezahlt würden. Hinsichtlich ihrer eigenen Arbeitszeitübertretungen liege somit ein Rechtsirrtum vor, da sie der Meinung gewesen sei, die Bestimmungen des AZG hätten ausschließlich für die ihr untergebenen Arbeitnehmer Geltung, weshalb sie an der sie selbst treffenden Arbeitszeitübertretung kein Verschulden habe. Sie stelle daher den Antrag, die Berufung des Arbeitsinspektorates abzuweisen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat beraumte eine öffentliche, mündliche Verhandlung an, in welcher
sowohl die Berufungswerberin als auch der Zeuge H.K. einvernommen wurden. Aufgrund des Akteninhaltes und der durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung ergibt sich daher folgender als erwiesen angenommener Sachverhalt:
Die Beschuldigte ist Filialleiterin der Filiale W. 8, in Graz, der L. Warenhandel GmbH mit dem Sitz in Wien, O. 300 - 306. Sie selbst hat als Dienstnehmerin die in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 28.10.1993 festgehaltenen Übertretungen der Tages- und der Wochenarbeitszeit sowie die Übertretung der Nichteinhaltung der zu gewährenden Ruhepause gesetzt. Am 1.11.1992 hat die Beschuldigte eine Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG - ausgestellt auf den örtlichen Wirkungsbereich der Filiale L. Graz, W. 8 - unterschrieben, in der unter anderem als Verantwortungsbereich die Einhaltung der Auflagen der Betriebsanlagengenehmigungsbescheide und des AZG
genannt sind. Die verantwortliche Beauftragte ist
demnach auch berechtigt, zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten und in Ergänzung allgemein ergangener Dienstanweisungen spezielle Anweisungen für ihren Verantwortungsbereich zu erlassen. Auf die wörtliche Wiedergabe dieser Erklärung wird hingewiesen (siehe oben). Diese Bestellungsurkunde wurde dem Arbeitsinspektorat Graz übersandt und langte dort am 19.4.1993 ein. Bereits am 1.4.1993 langte die Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG betreffend F.J. ein, die die Verantwortung für die zugeteilten Bezirke (darunter auch die gegenständliche Filiale) in der Sparte Supermarkt enthält (Bezirksverkaufsleiter).
Aus diesen Bestellungsurkunden und aus der Zeugenaussage H.K. ergibt sich, daß die L.
WarenhandelgesmbH mit dem Sitz in Wien, O. 300 - 306
folgende Unternehmenshierarchie aufgebaut hat:
Nach den Geschäftsführern rangieren die Verkaufsdirektoren, für die jeweiligen Bereiche L.-, Magnet- sowie Zielpunktmärkte; ihnen untergeordnet sind die Bezirksverkaufsleiter und schließlich die jeweiligen Filialleiter. Zum Tatzeitpunkt Juli 1993 waren in der Filiale W. 13 Bedienstete beschäftigt, unter ihnen auch die Filialleiterin und die stellvertretende Filialleiterin Frau G. Im Monat Juli wurden dann von der Filialleiterin die bereits in der Anzeige aufscheinenden Arbeitszeitübertretungen begangen. H.K., der seit 23 1/2 Jahren bei L. beschäftigt ist, im Juli 1993 Bezirksleiter der L. WarenhandelgesmbH mit dem örtlichen Gebiet Steiermark und Oberösterreich war, hat ebenfalls eine wortgleiche § 9 Erklärung wie Frau F.J. unterschrieben. Sämtliche Filialleiter hatten zum Zeitpunkt Juli 1993 unabhängig von der von ihnen zu betreuenden Filiale denselben Verantwortungsbereich inne. Die wesentlichen Aufgaben des Filialleiters sind die der Geldabwicklung, der Warenversorgung, zu der die Qualtitätskontrolle gehört, die Kundenbetreuung, die Personalführung und der sogenannte Schlüsseldienst. Der Schlüsseldienst beinhaltet das Auf- und Zusperren der Filiale, welche Tätigkeit der Filialleiter persönlich vorzunehmen hat, es sei denn, es liegt ein Verhinderungs- oder Abwesenheitsfall vor. Der Filialleiter besitzt als einziger Filialangehöriger den Schlüssel. Die Geldabwicklung umfaßt nicht nur das Abführen der eingenommenen Geldbeträge, sondern auch das Ausüben von Kassiertätigkeiten und die Entnahme von Kleingeld bis zu einem Wert von ein paar Hundert Schilling zum
dringenden Besorgen von Kleinmaterialien, welche notwendig sind, um den Geschäftsgang aufrecht zu erhalten. Eine Berechtigung der Filialleiter Gelder dahingehend zu verwenden, um größere Investitionen zu tätigen (wie etwa Fußböden austauschen), besteht nicht. Ebensowenig besteht die Berechtigung der Filialleiter, die Lieferanten mit den eingenommenen Geldbeträgen
direkt zu bezahlen. Ein wesentliches Element der Tätigkeit eines Filialleiters besteht in der Warenbehandlung, der Warenbestellung, der Warenübernahme und der Qualitätskontrolle der Waren im Regal bzw. vor dem Einschlichten in die Regale. Bei der Warenbestellung hat der Filialleiter entweder in der Zentrale der Gesellschaft oder bei den ihm vorgegebenen Lieferanten die Bestellungen vorzunehmen. Eine eigenmächtige Auswahl von Direktlieferanten ist dem Filialleiter untersagt. Nach Übernahme der Waren haben diese kontrolliert zu werden und entsprechend den von der Zentrale vorgegebenen Schlichtplänen in die Regale verbracht und dort präsentiert zu werden. Ein Abweichen von diesen Schlichtplänen ist dem Filialleiter nicht gestattet. Liegt ein erheblicher Arbeitsanfall vor, der von den Mitarbeitern der Filiale nicht bewältigt werden kann, so hat der Filialleiter nicht die Möglichkeit von anderen Filialen Personal abzuziehen, in diesem Falle hat er sich an den Bezirksverkaufsleiter zu wenden, der
diesbezüglich anordnungsbefugt ist.
Ein weiteres zentrales Element der Aufgaben des Filialleiters besteht in der Festlegung der Arbeitszeit, indem in der Vorwoche genau fixiert wird, zu welchem Zeitpunkt welcher Mitarbeiter Dienst versehen wird. Bei der Erstellung des Einsatzplanes hat der Filialleiter die Vorgaben des AZG einzuhalten, welche gesetzlichen Bestimmungen der mitbeteiligten Partei vertraut sind. Berichtspflichtig ist der Filialleiter permanent nur in bezug auf die monatlichen Ist-Arbeitszeitlisten, ansonsten nur in besonderen Vorfällen, wie beispielsweise Einbruch, Ladendiebstahl, Stromausfall usw. Die Arbeitszeit des Filialleiters wird - allerdings nur im nachhinein - vom Bezirksleiter kontrolliert. Der Arbeitszeitaufwand des Filialleiters für die Personalplanung beträgt im Monat ca. 5 Stunden, der größte Anteil an Arbeitszeit, nämlich 40 Prozent, wird vom Filialleiter für Tätigkeiten der Warenmanipulation, Qualitätskontrolle und Warenübernahme benötigt. Der Filialleiter ist berechtigt auch Überstunden anzuordnen, dies unter Einhaltung der Arbeitszeitbestimmungen.
Aufgrund der örtlichen Kenntnisse der Filiale und des Kundenstromes hat zu bestimmten Zeitpunkten mehr Personal, beispielsweise in der Feinkostabteilung, eingeteilt zu werden. Dem Filialleiter ist es nicht möglich eigenständig Personal aufzunehmen, er hat aber die Berechtigung Vorgespräche mit den Bewerbern zu
führen, um diese dann dem Bezirksleiter vorzustellen. Die Kündigung von Mitarbeitern erfolgt durch einen Vorschlag des Filialleiters an den Bezirksleiter, der seinerseits auch nicht die Befugnis hat, eine Kündigung auszusprechen. Diese Kompetenz liegt im Personalbüro, damit auch die Betriebsratsanhörung ordnungsgemäß abgewickelt wird.
Dieser ermittelte Sachverhalt ergibt sich im wesentlichen aus der Aussage des Zeugen H.K. Die Angaben der Berufungswerberin in den verschiedenen Stellungnahmen waren in sich widersprüchlich, da zu Beginn immer die Verantwortlichkeit als leitende Angestellte ins Treffen geführt wurde und erst in weiterer Folge, nämlich im Schlußwort zur mündlichen Verhandlung, die Rechtsansicht vertreten wurde, daß die Beschuldigte nicht einmal als Bevollmächtigte anzusehen sei. Ebenso waren Angaben bezüglich der Berechtigungen des Filialleiters widersprüchlich. Demgegenüber war die Aussage des Zeugen H.K. in sich schlüssig und konnte daher zur Beurteilung der Frage der Eigenschaft der Filialleiterin als leitende Angestellte im Sinne der Bestimmungen des AZG zugrunde gelegt werden.
Die Rechtsbeurteilung ergibt:
Da im vorliegenden Fall ausschließlich Arbeitszeitübertretungen vorliegen, welche im übrigen inhaltlich nicht bestritten wurden, interessiert bezüglich dieser Übertretungen nur der Verantwortungsbereich der Beschuldigten als Filialleiterin . Aufgrund der beiden vorliegenden § 9 Abs 2 VStG- Erklärungen zum verantwortlichen Beauftragten, welche inhaltlich bezüglich der Übertretungen nach dem AZG identisch
sind, liegt die beabsichtigte Verantwortungsübertragung nicht mehr vor. Allein dadurch, daß für ein- und denselben örtlichen und sachlichen Wirkungsbereich zwei Verantwortliche (nämlich Filialleiter und Bezirksverkaufsleiter) gemäß § 9 Abs 2 VStG bestellt wurden, liegt keine wirksame Bestellung der mitbeteiligten Partei als verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 VStG iVm § 23 Arbeitsinspektionsgesetz vor (siehe auch VwGH vom 7.4.1995, Zl. 94/02/0470). Das bedeutet aber nicht automatisch, daß die mitbeteiligte Partei deshalb nicht als Bevollmächtigte für die Einhaltung des AZG in der ihr zugeordneten Filiale verantwortlich sein soll. Im Gegenteil: Aufgrund der beabsichtigten Verantwortungsübertragung gemäß § 9 Abs 2 VStG (durch die schriftliche Erklärung vom 1.11.1992, welche am 19.4.1993 dem Arbeitsinspektorat zuging) ergibt sich der Wille der Filialleiterin und der Geschäftsleitung, die mitbeteiligte Partei zumindest als Bevollmächtigte für das AZG heranzuziehen. Die mitbeteiligte Partei ist aufgrund des Ermittlungsverfahrens in der Hierarchie als diejenige zu bezeichnen, die letztlich die Arbeitszeiten der Filialangehörigen - somit auch die eigenen Arbeitszeiten - nach dem Arbeitsanfall
bestimmen kann und auch im Juli 1993 bestimmt hat.
Hiefür wird sie auch die Verantwortlichkeit zu tragen haben und als Adressat einer Verwaltungsstrafe wegen der die eigene Person betreffende Übertretung des AZG herangezogen werden können. Sie ist somit als Bevollmächtigte des Arbeitgebers für die Arbeitszeitübertretungen der ihr zuzuordnenden Filialangehörigen strafbar. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12.6.1992, Zl. 92/18/0210, ausgesprochen hat, gilt diese Verantwortlichkeit auch für diejenigen Arbeitszeitübertretungen, die sie als Filialleiterin in der eigenen Person begangen hat. Ausgenommen davon ist
der Fall des § 1 Abs 2 Z 8 AZG, wenn die Filialleiterin als leitende Angestellte vom Arbeitszeitgesetzschutz ausgenommen wird. Zur Beurteilung dieser Frage hat der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, daß es nicht darauf ankommt, ob der Betreffende als Manager der zweiten Ebene zu gelten hat, sondern
darauf, ob der Filialleiter durch die Übertragung von Führungsaufgaben maßgeblichen Einfluß auf das Gesamtunternehmen hat (siehe auch VwGH vom 28.10.1993, Zl. 91/90/0134). Die bloße Anzahl und Vielfalt der dem Filialleiter übertragenen Entscheidungskompetenzen allein wird ebenso wenig die Qualifizierung als leitender Angestellter bewirken, wie die eingeräumte Möglichkeit, die eigene Arbeitszeit selbst zu bestimmen. Es wird vielmehr die Gesamtschau aller Befugnisse und deren Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen die Frage der Leitungsfunktion im Sinne des § 1 Abs 2 Z 8 AZG beantworten. Ergibt sich daraus, daß der Filialleiter gleichsam einem Unternehmensführer tätig ist, wird die rechtliche Qualifikation als leitender Angestellter im Sinne der Ausnahmebestimmung des § 1 AZG anzunehmen sein. In Anwendung des Grundsatzes - wonach Ausnahmen
restriktiv zu interpretieren sind - hat der in den diversen Stellungnahmen der mitbeteiligten Partei immer wieder vorgebrachte Hinweis sowohl auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofes als auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu anderen Gesetzen als dem AZG keine Bedeutung. Es können somit nur jene VwGH-Erkenntnisse zielführend herangezogen werden, die sich mit der Frage der Ausnahmetatbestände des § 1 AZG
befaßt haben. So hat der Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung 90/19/0318 ausgesprochen, daß ein
leitender Angesteller dann anzunehmen ist, wenn wesentliche Teilbereiche eines Betriebes in der Weise eigenverantwortlich geleitet werden, daß hiedurch auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens
Einfluß genommen wird. Demnach hat Eigenverantwortlichkeit einen relativen Maßstab; dem leitenden Angestellten muß ein erheblich größerer Entscheidungsspielraum als anderen Arbeitnehmern eingeräumt sein. Wenn ein Arbeitnehmer neben Leitungstätigkeiten auch mit anderen Tätigkeiten betraut ist, so hängt es davon ab, welche der Tätigkeiten das Schwergewicht bildet.
Aus dem ermittelten Sachverhalt ergibt sich sohin, daß das Unternehmen in ca. 150 Filialen gegliedert ist, der Einfluß des Filialleiters der Filiale W. in Graz somit auf Bestand und Entwicklung des gesamten Unternehmens
von marginaler Bedeutung ist. Dazu kommt, daß der Filialleiter eine auf einen äußerst eingeschränkten Bereich bezogene Dispositionsbefugnis hat (keine selbständige freie Auswahl der Lieferanten, Verpflichtung zum Aufschließen und Sperren der Filiale,
Geldverfügungen in der Höhe von ein paar Hundert Schilling, keine Inventarbefugnisse, wie Bestellung oder Austausch von Fußböden, keine Direktzahlung der Lieferanten, Warenpräsentation anhand des zentral vorgegebenen Schlichtplanes, Personaldispositionen nur über die Arbeitszeit für das zugeteilte Personal, keine Kündigungs- oder Entlassungsbefugnisse, Vornahme der Kundenbetreuung, Führen von Einstellungsgesprächen
ohne Einstellungsbefugnis, Gewährung von
Zeitausgleich, Anordnung von Überstunden mit Berichtspflicht an den Bezirksleiter) und alle wesentlichen Entscheidungen betreffend die Führung der Filiale nicht vom Filialleiter, sondern vom Bezirksleiter getroffen werden. Daß auch die Arbeitszeit des Filialleiters vom übergeordneten Bezirksleiter - allerdings nur nachträglich - überprüft wird, ändert nichts an der Bevollmächtigteneigenschaft des Filialleiters, da es ihm vorbehalten bleibt, anhand des Arbeitsanfalles die eigene Arbeitszeit im Rahmen der Arbeitszeitgesetzvorgaben selbst zu wählen. Es ergibt sich somit, daß die beschuldigte Filialleiterin als Bevollmächtigte für die Arbeitszeitübertretungen auch ihrer eigenen Person verantwortlich ist.
Wenn die mitbeteiligten Partei vorbringt, sie sei einem Rechtsirrtum unterlegen, so ist diese Behauptung durch die durchaus glaubhaft zugegebene Kenntnis der Bestimmungen des AZG widerlegt. So spricht doch die Strafbestimmung des § 28 Abs 1 AZG davon, daß
Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte... zu bestrafen sind. Daß die mitbeteiligte Partei daher als Bevollmächtigte bestraft werden kann, ergibt sich - wie bereits dargestellt - aus der Nichtanwendung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 2 Z 8 AZG,
insbesondere, wenn die mitbeteiligte Partei die Bestimmungen des AZG kannte. Sollte die mitbeteiligte Partei die soeben zitierten Vorschriften lediglich falsch gedeutet haben, so ist ihr dann aber der Vorwurf zu machen, sich trotz der ab 1.11.1992 geltenden Verantwortungsübertragung nicht hinreichende Informationen besorgt zu haben. Diesbezüglich wäre die mitbeteiligte Partei verhalten gewesen, ein derartiges entschuldigendes Vorbringen zu erstatten.
Ob die der Filialleiterin übergeordnete Bezirksleiterin wegen der von der Filialleiterin begangenen Arbeitszeitübertretungen ebenfalls als Bevollmächtigte bestraft wurde oder bestraft werden könnte, ist für die Beurteilung der Schuld der mitbeteiligten Partei als Bevollmächtigte nach dem AZG nicht von Bedeutung. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte sich nämlich nur mit der Frage der Beschuldigteneigenschaft der mitbeteiligten Partei und nicht auch mit der Beschuldigteneigenschaft der ihr übergeordneten Bezirksleiterin zu beschäftigen.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß
anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Gemäß § 9 AZG darf die tägliche Arbeitszeit 10 Stunden nicht überschreiten und die Wochenarbeitszeit gemäß § 3 leg cit um nicht mehr als 10 Stunden überschritten werden. Gemäß § 11 Abs 1 AZG ist die Arbeitszeit durch eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde zu unterbrechen, wenn die Gesamtdauer der Tagesarbeitszeit mehr als 6 Stunden beträgt.
Nach § 28 Abs 1 AZG sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zuwiderhandeln, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Bergbau von der Berghauptmannschaft, mit einer Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,-- oder mit Arrest
von 3 Tagen bis zu 6 Wochen zu bestrafen.
Die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes wollen sicherstellen, daß unselbständige Erwerbstätige während ihrer gesamten Lebensarbeitszeit ihren Dienstverpflichtungen bei größtmöglicher Schonung ihrer Gesundheit nachkommen können. Niemand soll zum Raubbau an seiner Gesundheit gezwungen werden
dürfen. Dazu kommt, daß durch Beschäftigung von Dienstnehmern über das gesetzliche Ausmaß hinaus, die Unfallgefahren durch Übermüdung ansteigen. Schließlich tragen gesetzliche Arbeitszeitgrenzen auch zur Vereinheitlichung der Arbeitskosten bei und haben den Zweck, Wettbewerbsverzerrungen durch Arbeitgeber,
die Arbeitnehmer länger als erlaubt beschäftigen, zu verhindern.
Diesen Schutzzweck hat die mitbeteiligte Partei erheblich verletzt. So betrugen die Überschreitungen der täglichen Arbeitszeit von höchstens 10 Stunden 1 3/4 bis 2 1/2 Stunden. Ebenso gravierend ist die Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit, welche maximal 50 Stunden betragen dürfte, indem diese 17 3/4 und 16 1/4 Stunden betrug, somit um nahezu ein Drittel überschritten wurde. Demgegenüber wiegt das Nichteinhalten der
halbstündigen Ruhepausen nicht so gravierend, weil die Filialleiterin zumindest 15 Minuten Pause eingelegt hat. Ob diese Zeit zum Einnehmen eines warmen Essens
reicht, vermag der Unabhängige Verwaltungssenat zu bezweifeln. Die Beschuldigte ist unbescholten, dies ist als Milderungsgrund zu werten, als erschwerend sind die zeit- und anzahlmäßig hohen Überschreitungen der Tagesarbeitszeit und das hohe Überschreiten der Wochenarbeitszeit in zwei aufeinanderfolgenden Wochen zu werten.
Der Unabhängige Verwaltungssenat kommt daher zum Ergebnis, daß diesbezüglich wegen der Überschreitung der täglichen Arbeitszeit eine Geldstrafe von S 2.000,--, bei einem Ersatzarrest von 3 Tagen (gemäß § 16 VStG) und eine ebensolche Strafe wegen der Überschreitung der Wochenarbeitszeit, dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat entspricht. Bei der Nichtgewährung der täglichen Ruhepause von mindestens einer halben Stunde
erscheint das Verhängen einer Geldstrafe von S 1.500,--,
bei einem Ersatzarrest von 2 Tagen (gemäß § 16 VStG), durchaus ausreichend.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.