Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, hinsichtlich der Bescheidpunkt 2 und 5 Folge gegeben und das erstinstanzliche Straferkenntnis in diesen beiden Bescheidpunkten aufgehoben.
Gemäß §45 Abs1 Z3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG wird die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens in diesen Bescheidpunkten 2 und 5 verfügt.
Gemäß §66 Abs4 AVG wird der Berufung hinsichtlich der Punkte 1, 3, 4 und 6 noch dahingehend Folge gegeben, als die verhängten Strafbeträge und Ersatzfreiheitsstrafen wie folgt herabgesetzt werden:
1.
statt S 400,--/24 Stunden nunmehr S 300,--/18 Stunden
3.
statt S 1.800,--/72 Stunden nunmehr S 500,--/30 Stunden
4.
statt S 1.000,--/60 Stunden nunmehr S 300,--/18 Stunden
6.
statt S 800,--/48 Stunden nunmehr S 500,--/30 Stunden
Der Berufungswerber hat gemäß §64 Abs1 und 2 des VStG als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens der Bezirkshauptmannschaft statt des vorgeschriebenen Betrages von S 540,-- nunmehr S 160,-- (1. S 30,--, 3. S 50,--, 4. S 30,-- 6. S 50,--), das sind 10 % der nunmehr ausgesprochenen Strafbeträge binnen 2 Wochen zu zahlen.
Innerhalb gleicher Frist sind hinsichtlich der Bescheidpunkte 1., 3., 4. und 6. die verringerten Strafbeträge zu bezahlen (§59 Abs2 AVG).
Die Bezirkshauptmannschaft xx hat gegen Herrn J**** H******** folgendes Straferkenntnis vom 7. November 1994 - 3-****-94, erlassen:
Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Tatzeit: 25.6.1994 - 20.50 Uhr
Tatort: V*********, Gde. H***********, auf der B **, Richtung S****
Fahrzeug: PKW - **-***A
Tatbeschreibung
1.
Im Ortsgebiet schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren.
63 km/h gemessene Geschwindigkeit - Lasermessung
Tatort: Bei Strkm. 10.0
2.
Der durch deutliche sichtbare Zeichen (Armzeichen eines Ged.B.) erfolgten Aufforderung eines Organes der Straßenaufsicht zum Anhalten keine Folge geleistet.
Tatort:, Bei Strkm 10,27 auf der B **
(Sie bremsten bei Erkennen des Armzeichens stark ab, wendeten und beschleunigten in der Folge und fuhren entgegen der ursprünglichen Fahrtrichtung weiter).
3.
Im Ortsgebiet schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gefahren.
90 km/h - gefahrene Geschwindigkeit.
Tatort: Im Ortsgebiet von V*********, km 10.0, Richtung H***.
4.
Die auf Grund des angebrachten Vorschriftszeichens "Geschwindigkeitsbeschränkung" erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h überschritten.
Gefahren Geschwindigkeit: 100 km/h
Tatort: B **, km 9.6, Richt. H***
5.
Auf der Freilandstraße schneller als die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h gefahren.
120 km/h - gefahrene Geschwindigkeit
Tatort: im Gemeindegebiet von H***, vor dem km 8.8
6.
In der unübersichtlichen Doppelkurve nicht am rechten Fahrbahnrand gefahren.
Tatort: Strkm 8.8 - 8.6
(In der unübersichtlichen Doppelkurve fuhren Sie mit dem linken Räderpaar etwa 1,5 m links über die Leitlinie.)
Die Bezirkshauptmannschaft hat unter Anwendung des §99 Abs3 lita StVO 1960 folgende Geldstrafen/Ersatzfreiheitsstrafen ausgesprochen:
1.
gemäß §20 Abs2 StVO S 400,--/24 Stunden
2.
gemäß §97 Abs5 StVO S 1.000,--/60 Stunden
3.
gemäß §20 Abs2 StVO S 1.800,--/72 Stunden
4.
gemäß §52 lita Z10a StVO S 1.000,--/60 Stunden
5.
gemäß §20 Abs2 StVO S 400,--/24 Stunden
6.
gemäß §7 Abs2 StVO S 800,--/48 Stunden
Gemäß §64 Abs2 VStG hat die Bezirkshauptmannschaft noch als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens dieser Behörde 10 % der verhängten Geldstrafen, insgesamt somit S 540,-- vorgeschrieben
Gegen diese Entscheidung hat der Beschuldigte, vertreten durch Herrn Dr J******* R****, Rechtsanwalt in **** H*** rechtzeitig berufen. Während sich das Rechtsmittel hinsichtlich Bescheidpunkt 1 ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Strafe richtete, wurde das Tatgeschehen im übrigen in Frage gestellt.
Wegen der Beschreitung des Tatgeschehens hat der Unabhängige Verwaltungssenat für das Land NÖ am 22. Jänner 1996 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt. Im Zuge dieser Verhandlung hat der Beschuldigte sein Rechtsmittel unter geständiger Verantwortung hinsichtlich der Bescheidpunkte 3., 4. und 6. ausdrücklich auf die Strafhöhe eingeschränkt, dies mit der Feststellung, daß die im Strafbescheid aufgelisteten Geschwindigkeitswerte zufolge Vorlauf des Fahrzeugtachometers unter Umständen zu hoch gegriffen seien.
Die Berufungsbehörde hat erwogen:
Zu den Bescheidpunkten 2. und 5.:
§44a VStG stellt das Erfordernis der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat auf. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß
1.
die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
2.
die Identität der Tat vor allem auch nach Ort und Zeit unverwechselbar feststeht.
Bezüglich Bescheidpunkt 2. ist in dieser Hinsicht anzumerken, daß es bei der Spruchfassung nicht genügt, die im Gesetz enthaltenen Worte "durch deutlich sichtbare Zeichen ... zum Anhalten aufzufordern" zu verwenden, viel mehr ist in den Spruch aufzunehmen, welches bestimmte Zeichen des Straßenaufsichtsorganes vom Lenker nicht befolgt wurde. - Wenn hier die Bezirkshauptmannschaft noch als "Konkretisierungsmerkmal" die Worte "Armzeichen eines Gendarmeriebeamten" hinzufügt, so ist das deshalb nicht ausreichend, weil Armzeichen unterschiedliche Bedeutung haben können, weshalb es wiederum zu Unterscheidungen einer näheren Beschreibung bedurft hätte (vgl VwGH 6.7.1988, 88/8/0075).
Ebenso entspricht die Tatanlastung gemäß Punkt 5. des Bescheides nicht dem Konkretisierungsgebot des §44a VStG, da die Ortsangabe "vor dem km 8.8" gänzlich unbestimmt läßt, wie weit bzw wo genau vor dem km 8.8 die Verwaltungsübertretung stattgefunden haben soll. (vgl VwGH 9.7.1982, 81/02/0337)
Da eine entsprechende Tatanlastung im Verfahren I. Instanz nicht stattgefunden hat, muß die Berufungsbehörde gemäß §45 Abs1 Z3 VStG hinsichtlich der genannten Bescheidpunkte 2. und 5. von der Fortführung des Strafverfahrens absehen und die Einstellung desselben spruchgemäß verfügen.
Hinsichtlich der Bescheidpunkte 1., 3., 4. und 6. liegen dagegen reine Strafhöhenberufungen vor, sodaß die Berufungsbehörde ausschließlich hinsichtlich der Höhe der verhängten Strafe zu prüfen hat:
Nach eigenen Angaben verdient der Beschuldigte ca S 16.000,-- monatlich. Er ist unter Berücksichtigung der Rückzahlung von Krediten vermögenslos und für seine Ehegattin und 2 Söhne sorgepflichtig.
Strafmildernd können die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit sowie die geständige Verantwortung gewertet werden.
Die Schutzzwecke sämtlicher verletzter Gesetzesbestimmungen liegen in der Verkehrssicherheit begründet. - Wenn dem Beschuldigten dabei Geschwindigkeitsüberschreitungen hinsichtlich der Punkte 1., 3. und 4. angelastet werden, so ist festzuhalten, daß erfahrungsgemäß durch derartiges Verhalten unter Umständen schwerwiegende Verkehrsunfälle entstehen können. Zu Gunsten des Beschuldigten ist entsprechend dessen Vorbringen in Übereinstimmung mit der Aktenlage noch festzuhalten, das für die Messung der angelasteten Fahrgeschwindigkeiten seitens des nachfahrenden Gendarmeriefahrzeuges nur ein ungeeichter Fahrzeugtachometer zur Verfügung stand. Von den im Straferkenntnis angeführten km/h-Werten wird dabei, um sämtliche möglicherweise zu Ungunsten des Betroffenen aufgetretenen Meßfehler und Ungenauigkeiten auszugleichen, noch ein Sicherheitsabzug von 15 % vorgenommen (vgl OLG Düsseldorf, 18.12.1987 - 5Ss (OWi) 187/86-43/86IV). Hinsichtlich Bescheidpunkt 6. liegt die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit schließlich vor allem darin begründet, daß durch das Fehlverhalten des Beschuldigten ein relatives Kollissionspotential entstanden ist. - Durch Kurvenschneiden kommt es erfahrungsgemäß nicht selten zu Zusammenstößen mit dem Gegenverkehr.
Bei der Strafzumessung ist auch davon auszugehen, daß nicht nur der Beschuldigte selbst, sondern daneben nach Möglichkeit noch andere Verkehrsteilnehmer von der Begehung gleichgelagerter Verwaltungsstraftaten abgehalten werden sollen, sodaß eine generalpräventive Wirkung zusätzlich entsteht.
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände gelangt die Berufungsbehörde zu dem Ergebnis, daß hinsichtlich der Bescheidpunkte 1., 3., 4. und 6. die nunmehr verhängten Verwaltungsstrafen noch schuld- und tatangemessen sind.
Da dem Rechtsmittel des Beschuldigten somit in allen Punkten wenigstens teilweise Folge gegeben werden konnte, sind für das Verfahren der Berufungsbehörde gemäß §64 Abs1 und 2 VStG keine Kosten vorzuschreiben. Der Kostenbeitrag I. Instanz war entsprechend auf 10% der nunmehr ausgesprochenen (reduzierten) Strafen herabzusetzen.