TE UVS Wien 1996/01/25 06/V/42/17/95

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Veröffentlicht am 25.01.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied MMag Tessar über die Berufung der Frau Sonja G, vertreten durch Frau Christine M, vom 29.8.1995 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Mag Bezirksamt fd 4./5. Bezirk, vom 16.8.1995, Zl MBA 4/5-S 5488/94, mit dem gemäß § 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz, BGBl Nr 413/1972, idF BGBl Nr 363/1990, iVm § 17 Abs 3 VStG der Verfall der am 9.9.1993 beschlagnahmten rezeptpflichtigen Arzneimittel erkannt wurde, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß vor dem Wort "Verfall" das Wort "selbständigen" einzufügen ist.

Text

Begründung:

1. ERSTINSTANZLICHER BESCHEID, PARTEIENVORBRINGEN UND

BEWEISMITTEL:

1.1. erstinstanzlicher Bescheid:

Der angefochtene Bescheid enthält folgenden Spruch:

"Das Magistratische Bezirksamt für den 4./5. Bezirk erkennt gemäß § 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz 1972, BGBl Nr 413/1972 id Fassung des BGBl Nr 363/1990, in Verbindung mit § 17 Abs3 VStG auf den Verfall folgender durch ein Organ der Bundespolizeidirektion Wien am 9.9.1993 beschlagnahmter rezeptpflichtiger Arzneimittel der Frau Sonja G, geboren am 2.11.1959, wohnhaft in Wien, G-gasse:

40 Tabl Adipex, 30 Tabl Regenon, 10 Tabl Rohypnol,

30 Tabl Lexotanil"

1.2. Berufungsvorbringen:

In der gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung brachte die durch ihre Sachwalterin, Dipl Soz Arb Christine M, vertretene Berufungswerberin vor, daß sie schwer medikamentensüchtig sei und ihr seitens ihrer Hausärztin immer wieder größere Mengen von Medikamenten verschrieben würden. Sie hätte folglich zum Anhaltungszeitpunkt eine größere Anzahl von Medikamenten bei sich gehabt, doch hätte sie keine verkauft.

1.3. Aus dem verfahrensgegenständlichen Akt ist folgender bisheriger Verfahrensablauf ersichtlich:

Mit Bescheid der Erstbehörde vom 31.5.1995, Zl MBA 4/5-S 5488/94, erfolgte die bescheidmäßige Beschlagnahme der verfahrensgegenständlichen Medikamente.

Gegen diesen Bescheid wurde eine Berufung eingebracht, in welcher die Sachwalterin der Berufungswerberin, Dipl Soz Arb Christine M, vorbrachte, daß die Berufungswerberin schwer medikamentenabhängig sei und immer wieder größere Mengen von Medikamenten von Hausärzten verschrieben bekomme. Diese Medikamente würde sie dann bei sich tragen. Am "Tattag" sei die Berufungswerberin zu ihren Eltern unterwegs gewesen und sei von Polizisten in der K-Passage angehalten worden. Dies würde der Berufungswerberin regelmäßig passieren, da sie polizeibekannt sei und man wisse, daß man bei ihr Medikamente findet. Weiters wurde vorgebracht, daß die Berufungswerberin an diesem Tag nicht beabsichtigt hatte, die vorgefundenen Medikamente zu verkaufen, sondern daß sie diese Medikamente deshalb bei sich getragen hätte, da sie diese brauchen würde.

Dieser oben angeführte Beschlagnahmungsbescheid ist infolge Nichterfüllung der Sprucherfordernisse des § 44a VStG seitens der erkennenden Behörde mit Bescheid vom 26.6.1996, Z 06/42/00316/95, behoben worden.

Mit Schreiben, eingelangt am 21.11.1995, gab die behandelnde Ärztin der Berufungswerberin bekannt, daß diese wöchentlich 30 Stück Cinetag, 40 Stück Lexotanil 6 mg, 100 Stück Adipex ret und 30 Stück Rohypnol 2mg verschrieben erhält.

Zudem teilte die Ärztin mit, daß die ärztliche Versorgung sichergestellt sei.

Mit Schreiben, eingelangt am 12.12.1995, gab die behandelnde Ärztin bekannt, daß es für die Berufungswerberin "natürlich abträglich wäre", wenn die Berufungswerberin zusätzlich zu ihren wöchentlich verschriebenen 30 Stück Cinetag, 40 Stück Lexotanil 6 mg, 100 Stück Adipex ret und 30 Stück Rohypnol 2mg weitere 40 Stück Adipex, 30 Stück Regenon, 10 Stück Rohypnol und 30 Stück Lexotanil verschrieben bzw ausgehändigt erhielte.

1.4. Ergebnisse der mündlichen Verhandlung:

Am 25.1.1996 wurde vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Zu dieser Verhandlung erschien die Vertreterin der Berufungswerberin.

Die ordentlich und rechtzeitig geladene Berufungswerberin erschien unentschuldigt nicht.

In dieser Verhandlung gab die Vertreterin der Berufungswerberin (BW) zu Protokoll:

"Die BW hält sich öfters am K-platz auf, wobei sie dort beim "Kö" sich meistens etwas zum Essen kauft. Laut Aussagen der BW dürfte es einen Polizisten geben, welcher sie kennt und weiß, daß sie Medikamente bei sich führt. Diese Medikamente braucht sie aber für sich, da sie psychisch krank ist. So wurden am 25.8.1995, am 14.6.1995 und am 21.9.1995 ihr jeweils Medikamente und das Geld, das sie bei sich führte, abgenommen.

Zum verfahrensgegenständlichen Vorfall am 9.9.1993 kann ich keine Angaben machen, da ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht Sachwalterin der BW war.

Die BW ist weiterhin schwer medikamentenabhängig und erhält diese Medikamente von einer Ärztin verschrieben. Sie kann die Auswirkungen ihrer Handlungen nicht abschätzen.

Ich kann bestätigen, daß die BW bei Fr Dr Ö in Behandlung steht. Zu den Ausführungen von Fr Dr Ö (im Akt) kann ich keine Angaben machen."

2) DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT WIEN HAT ERWOGEN:

2.1. Feststellungen:

Unbestritten ist, daß die für verfallen erklärten Medikamente Eigentum der Berufungswerberin waren und daß ihre ärztliche und medikamentöse Versorgung sichergestellt ist.

Festgestellt wird, daß eine Gefährdung der Gesundheit der Berufungswerberin vorliegen würde, wenn dieser zusätzlich zu ihren wöchentlich verschriebenen 30 Stück Cinetag, 40 Stück Lexotanil 6 mg, 100 Stück Adipex ret und 30 Stück Rohypnol 2mg weitere 40 Stück Adipex, 30 Stück Regenon, 10 Stück Rohypnol und 30 Stück Lexotanil verschrieben bzw ausgehändigt erhielte.

2.2. Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der Feststellung, daß eine Gefährdung der Gesundheit der Berufungswerberin vorliegen würde, wenn dieser zusätzlich zu ihren wöchentlich verschriebenen 30 Stück Cinetag, 40 Stück Lexotanil 6 mg, 100 Stück Adipex ret und 30 Stück Rohypnol 2 mg weitere 40 Stück Adipex, 30 Stück Regenon, 10 Stück Rohypnol und 30 Stück Lexotanil verschrieben bzw ausgehändigt erhielte, wurde den fachkundigen Ausführungen ihrer Ärztin gefolgt. Hinsichtlich der Frage, daß die Berufungswerberin medikamentensüchtig ist, wurde den schlüssigen und bei Berücksichtigung der extrem hohen wöchentlichen Medikamentenverschreibungen absolut naheliegenden Angaben der Vertreterin der Berufungswerberin gefolgt.

2.3. rechtliche Würdigung:

§ 17 Abs 1 VStG lautet:

"Sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, dürfen nur Gegenstände für verfallen erklärt werden, die im Eigentum des Täters oder eines Mitschuldigen stehen oder ihnen vom Verfügungsberechtigten überlassen worden sind, obwohl dieser hätte erkennen müssen, daß die Überlassung des Gegenstandes der Begehung einer mit Verfall bedrohten Verwaltungsübertretung dienen werde."

Gemäß § 17 Abs 3 VStG kann auf den Verfall von Gegenständen selbständig erkannt werden, wenn keine bestimmte Person verfolgt oder bestraft werden kann und die Voraussetzungen dafür vorliegen. Nach § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz unterliegen Arzneimittel, die entgegen § 6 Abs 1 Z 2 zur Abgabe bereitgehalten, angeboten oder abgegeben werden, sowie ein aus der Abgabe erzielter Erlös dem Verfall.

Gemäß § 6 Abs 1 Z 2 leg cit begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen, wer ein Arzneimittel entgegen der Vorschrift des § 1 Abs 2 zur Abgabe bereithält, anbietet oder abgibt.

Nach § 1 Abs 2 leg cit dürfen Arzneimittel im Sinne des Abs 1, sofern es sich nicht um die Abgabe durch Hersteller, Depositeure oder Arzneimittelgroßhändler (§§ 57 und 58 des Arzneimittelgesetzes) handelt, nur in Apotheken zur Abgabe bereitgehalten, angeboten oder abgegeben werden.

§ 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz lautet:

"Wer ein rezeptpflichtiges Arzneimittel außerhalb einer Apotheke erwirbt, ist nicht wegen Anstiftung oder Beihilfe zu einer Übertretung nach Abs 1 Z 2 strafbar; es kann jedoch auf den Verfall des Arzneimittels selbständig erkannt werden."

Der Eigentümer einer Sache verliert mit Rechtskraft des den Verfall aussprechenden Straferkenntnisses sein Eigentum (VwGH 16.12.1987, 86/01/0264; 28.4.1993, 93/02/0028) und er hat im Strafverfahren wegen einer mit dem Verfall bedrohten Übertretung auch dann Parteistellung, wenn er nicht Beschuldigter ist (VwGH 27.9.1949 Slg 989 A). Daraus ergibt sich, daß der Eigentümer der verfallenen oder vom Verfall bedrohten Sache Anspruch darauf hat, daß über seine Sache im Verwaltungsstrafverfahren abgesprochen wird (der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.4.1994, Zl 93/02/0028 dargelegt, daß im zweitinstanzlichen Verfahren der unabhängige Verwaltungssenat zuständig ist). Nach Ansicht der erkennenden Behörde hat analoges (bei Vorliegen einer Annexsache) auch für den Fall einer selbständigen Verfallserklärung, insbesonders hinsichtlich der Zuständigkeit, zu gelten.

Bei hypothetischer Außerachtlassung der eingetretenen Verfolgungsverjährung lagen der Verdacht einer Verwaltungsübertretung, für die als Strafe der Verfall von Gegenständen vorgesehen ist, sowie die grundsätzliche Zulässigkeit der Verhängung der Strafe des Verfalls gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz iVm § 17 Abs 1 VStG hinsichtlich der beschlagnahmten Arzneimittel im Abnahmezeitpunkt vor. Im konkreten Fall war aber zum Bescheiderlassungszeitpunkt die Verhängung der Nebenstrafe des Verfalls gemäß § 6 Abs 2 Rezeptpflichtgesetz iVm § 17 Abs 1 VStG hinsichtlich der beschlagnahmten Gegenstände infolge eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr zulässig und wurde die eingetretene Verfolgungsverjährung auch von der Erstbehörde festgestellt.

Aus dem Wortlaut des § 6 Abs 3 Rezeptpflichtgesetz ergibt sich, daß der Zweck der Verfallserklärung eines Arzneimittels nach dem Rezeptpflichtgesetz nicht nur in einem Strafzweck, sondern auch in einem Sicherungszweck liegt. Andernfalls wäre nämlich nicht ausdrücklich die Zulässigkeit eines selbständigen Verfalls (§ 17 Abs 3 VStG) hinsichtlich einer im Eigentum einer strafrechtlich nicht belangbaren Person normiert worden.

Nach der herrschenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann auch nach Ablauf der Verjährungsfristen nach § 31 VStG ein Verfall von Gegenständen erklärt werden, wenn der Verfallszweck nicht nur in einer Strafe, sondern auch in einer Sicherungsmaßnahme liegt (vgl zB VwGH 4.4.1990, 89/01/0086; 22.6.1994, 93/01/0517; 24.10.1990,90/03/0152).

Da wie zuvor ausgeführt eine Verfallserklärung nach dem Rezeptpflichtgesetz auch einem Sicherungszweck, nämlich dem der Verhinderung des Gebrauches von rezeptpflichtigen Arzneimitteln durch eine Person, der diese Arzneimittel nicht verschrieben worden sind bzw bei der die Gefahr besteht, daß sie diese Arzneimittel widmungswidrig (wie zB zusätzlich zur ärztlich verschriebenen Dosis) verwendet, dient, war sohin zum Bescheiderlassungszeitpunkt hinsichtlich der beschlagnahmten rezeptpflichtigen Arzneimittel deren Verfallserklärung gemäß § 17 Abs 3 VStG infolge der offenkundigen Notwendigkeit dieser Maßnahme zur Sicherung des gesundheitspolitischen Zweckes des Rezeptpflichtgesetzes geboten.

Unter Zugrundelegung der getätigten Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere, daß die Aushändigung der verfahrensgegenständlichen Medikamente eine Gefährdung der Gesundheit der Berufungswerberin darstellen würde und infolge der Medikamentsüchtigkeit der Berufungswerberin eine widmungsgemäße Verwendung der beschlagnahmten Medikamente nicht als gesichert erscheinen kann, war sohin eine (selbständige) Verfallserklärung als unbedingt geboten anzusehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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