Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Fridl über die Beschwerde des Herrn Walled A vom 6.11.1995 entschieden:
Die Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wird gemäß § 67a Abs 1 Z 2 in Verbindung mit § 67c Abs 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.
Gemäß § 79a AVG hat der Beschwerdeführer dem Bund die mit S 3.365,-- bestimmten Kosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung:
Mit Schriftsatz vom 6.11.1995 brachte der Beschwerdeführer (Bf) durch seinen Vertreter eine Beschwerde gemäß §§ 67a Abs 1 Z 2 ff AVG ein. Begründend führte er aus, am 17.8.1995 sei von der Bundespolizeidirektion Wien zur Zahl S 146997-Mh/95 die Anhaltung zur Sicherung mehrerer fremdenpolizeilicher Verfahren angeordnet worden. In der Folge hätte der Bf im Polizeigefangenenhaus Wien zu verbleiben gehabt und er sei am 20.10.1995 entlassen worden. Im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei die ggst Beschwerde rechtzeitig. Es sei gegen den Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum kein vollstreckbarer Schubhaftbescheid vorgelegen, da es sich bei dem Schriftstück, das ihm am 17.8.1995 um 22.20 Uhr ausgefolgt worden sei, nicht um einen solchen handle. Die Anhaltung sei daher rechtswidrigerweise erfolgt. Die als "Bescheid" titulierte Erledigung der BPDion Wien weise keine Unterschrift und keine Kanzleibeglaubigung im Sinne des § 18 Abs 4 AVG auf. Ein Stempelabdruck verweise auf einen "Mag ST, Kmsr" als Genehmigenden, dabei befinde sich ein eingefügtes Schriftzeichen, das keine Unterschrift sei, da daraus nicht im entferntesten der Name des Genehmigenden erkennbar sei. Es handle sich auch nicht um einen Schriftzug im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Es liege daher ein absolut nichtiger Verwaltungsakt vor und der Bf sei durch die Anhaltung in seinem Recht auf persönliche Freiheit und Sicherheit verletzt worden. Er beantragt daher die Feststellung, daß die Anhaltung im Zeitaum vom 17.8.1995 bis 20.10.1995 rechtswidrigerweise erfolgt sei sowie Kostenzuspruch in Höhe von S 8.483,33.
Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und führte in ihrer Gegenschrift im wesentlichen aus, daß sich der UVS Wien bereits in zwei Verfahren gemäß § 51 FrG mit der Rechtmäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft auseinandergesetzt habe. Dabei sei vom Vorliegen eines die Schubhaft begründenden Bescheides vom 17.8.1995 ausgegangen worden, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liege daher nicht vor. In eventu sei die Beschwerde als verspätet zurückzuweisen, da der Bf schon am 17.8.1995 Kenntnis von der Festnahme erlangt habe. Er sei an seinem Beschwerderecht auch nicht behindert worden, was sich daran zeige, daß er mehrere Anträge, darunter auch zwei Beschwerden gem § 51 FrG, und Rechtsmittel ergriffen habe. An Kosten wurden begehrt S 3.043,--.
Dazu wurde erwogen:
Gemäß § 67c Abs 1 AVG sind Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer Kenntnis erlangt hat, sofern er aber durch die Maßnahme behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall der Behinderung einzubringen. Gemäß § 67c Abs 4 erster Satz AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist.
Die Regelungen über die sogenannte Maßnahmenbeschwerde dienen - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont (vgl zB Erk d VwGH v 29.6.1992, Zl 91/15/0147, und die dort zitierte Vorjudikatur) - nur der Schließung einer Lücke im Rechtschutzsystem, nicht aber der Eröffnung einer Zweigleisigkeit der Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Was im Wege eines Verfahrens über eine Schubhaftbeschwerde ausgetragen werden kann, kann daher nicht Gegenstand einer Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sein.
Der Bf hatte bereits am 19.9.1995 und 13.10.1995 (beim UVS eingelangt am 16.10.1995) Beschwerden wegen rechtswidriger Verhängung und Anhaltung in Schubhaft durch seinen damaligen Vertreter eingebracht. Der UVS Wien hatte darüber mit Bescheiden vom 25.9.1995 zur Zahl UVS-01/14/156/95 und vom 18.10.1995 zur Zahl UVS-01/15/171/95 in dem Sinn entschieden, daß die (so wörtlich im Spruch:) "mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkskommissariat Mariahilf vom 17.8.1995 Zl S 146997-Mh/95 angeordnete Schubhaft und daran anschließende Anhaltung" in Schubhaft abgewiesen wurde und die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorlägen.
Sohin wurde die Rechtskonformität - damit zwingend auch die rechtliche Existenz - des Schubhaftbescheides vom 17.8.1995 der Bundespolizeidirektion Wien Bezirkskommissariat Mariahilf Zl S 146997-Mh/95 rechtskräftig festgestellt. Der UVS Wien erachtet sich auch im ggst Verfahren an die rechtskräftigen Bescheide UVS-01/14/156/95 vom 25.9.1995 und UVS-01/15/171/95 vom 18.10.1995 gebunden. Eine neuerliche Überprüfung des Schubhaftbescheides käme, da die beiden oa UVS- Bescheide zweifellos dem Rechtsbestand angehören, einem Druchbrechen der Rechtskraft (Bindungswirkung) gleich. Es erübrigte sich daher, auf die Beschwerdegründe näher einzugehen. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Abgesehen davon hat der UVS gemäß § 52 Abs 4 FrG bei andauernder Anhaltung jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, im übrigen aber im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden. Damit hat der Gesetzgeber nach Auffassung der erkennenden Behörde den Grundsatz der Offizialmaxime im Schubhaftverfahren, soweit der Zeitraum vor der Entscheidung durch den UVS betroffen ist, insofern aufgelockert, als er es dem Beschwerdeführer überläßt, den Rahmen der Beschwerdegründe und damit auch den Prüfungsrahmen des UVS abzustecken.
Nun hat der Bf in keiner der beiden ausdrücklich gegen die Schubhaft gerichteten Beschwerden des Fehlen eines dieser zugrundeliegenden Bescheides behauptet, vielmehr ausdrücklich auch die Verhängung bekämpft. Tatsächlich befindet sich im Verwaltungsakt (Blatt 4) ein Schriftstück, das augenscheinlich alle Elemente eines Schubhaftbescheides enthält. Dieses Schriftstück beinhaltet in dem Raum des Formulars, der für die Approbation vorgesehen ist, über der vorgedruckten Wortfolge "(Leiter der Amtshandlung)" ein mit Kugelschreiber - offensichtlich freihändig - gesetztes Zeichen, das mit "Mag ST, Kmsr" überstempelt ist. Da der Bf in seinen Beschwerden gegen die Schubhaft diesem freihändig gesetzten Zeichen die Unterschriftsqualität nicht absprach, durfte und mußte (§ 52 Abs 4 FrG: "Im übrigen ...") damals der UVS davon ausgehen, daß auch der Bf die bescheidmäßige Verhängung der Schubhaft nicht in Frage stellte. Damit hatte er diese Frage der inhaltlichen Prüfung durch den UVS entzogen. Die Feststellung der Rechtmäßigkeit der bescheidmäßigen Anordnung der Schubhaft durch den Bescheid UVS-01/14/156/95 vom 25.9.1995 hätte daher zur Folge, daß selbst dann, wenn das oben beschriebene freihändige Zeichen nicht einer Unterschrift im Sinne des § 18 Abs 2 AVG entsprechen sollte, dieser Mangel saniert wäre.
Nach der ständigen Rechtsprechung hat der Unabhängige Verwaltungssenat hinsichtlich der Anträge der Parteien auf Ersatz von Kosten die Bestimmungen der §§ 47 ff Verwaltungsgerichtshofgesetz anzuwenden. Danach hat die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
Gemäß § 51 leg cit ist für den Fall, in dem die Beschwerde nach Einleitung des Vorverfahrens zurückgewiesen oder zurückgezogen wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn die Beschwerde abgewiesen worden wäre. Im gegenständlichen Verfahren war das Vorverfahren dadurch eingeleitet worden, daß die belangte Behörde aufgefordert worden war, die Verwaltungsakten vorzulegen und dieser auch die Möglichkeit eingeräumt worden war, eine Gegenschrift zu erstatten. Im übrigen ergab sich für den UVS der maßgebliche Sachverhalt erst aus dem vorgelegten Verwaltungsakt im Zusammenhalt mit der Gegenschrift.
Gemäß § 48 Abs 2 leg cit hat die belangte Behörde als obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der für sie mit der Vorlage ihrer Akten verbunden war, sowie des Aufwandes, der für sie mit der Einbringung der Gegenschrift verbunden war. Der Kostenzuspruch an die belangte Behörde gründet sich auf § 79a AVG und die hiezu erlassene Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 855/95.
Demnach war der belangten Behörde als obsiegender Partei Schriftsatzaufwand in Höhe von S 2.800,-- und Vorlageaufwand in der Höhe von S 565,--, zusammen S 3.365,-- zuzusprechen.