Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Renate Merl über die Berufung des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 10.8.1995, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz, Gewerbeamt, vom 31.7.1995, GZ.: A4 - St 1046/1-1993/109, worin das Verwaltungsstrafverfahren gegen H.M. wegen des Verdachtes der Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes eingestellt wurde, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben.
Der Beschuldigte H.M. hat folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Anläßlich einer am 6.12.1993 um 16.30 Uhr durch das Organ des Landesarbeitsamtes Steiermark, Herrn Ing. K.B., auf der Baustelle im Keller des Hauses H. Nr. 3 durchgeführten Kontrolle wurde festgestellt, daß Herr H.M. den bosnischen Staatsbürger I.M., mit Stemmarbeiten beschäftigte, obwohl er nicht im Besitze einer Beschäftigungsbewilligung gewesen ist und auch der Ausländer keine Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein hatte.
Herr H.M. ist als Arbeitgeber für die unerlaubte Beschäftigung des spruchgegenständlichen Ausländers verantwortlich. Er hat dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß § 3 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG, BGBl. 218/1975 i.d.g.F. begangen und wird über ihn gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a leg cit iVm § 20 VStG eine Geldstrafe von S 2.500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzarreststrafe von 1 Tag) verhängt. Die Geldstrafe ist binnen 14 Tagen nach Erhalt dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Mit Strafanzeige vom 14.12.1993 wurde unter
Bezugnahme auf die Kontrolle vom 6.12.1993, die Bestrafung von Herrn H.M. wegen der unerlaubten Beschäftigung des spruchgegenständlichen Ausländers beantragt. Am 14.2.1994 wurde der Beschuldigte vor der belangten Behörde einvernommen und rechtfertigte er sich dahingehend, er habe den genannten Ausländer
nicht in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer des am Standort Graz, H. 5 situierten Lokals P., betrieben von der P. Restaurant BetriebsgesmbH beschäftigt, sondern den Bosnier vielmehr mit der Durchführung von Stemmarbeiten in seinem privaten Kellerabteil am Standort H. 3 eingesetzt. Der Ausländer habe hiefür S 200,-- und eine Pizza erhalten.
Weiters brachte der Beschuldigte vor, M. habe ihm eine Bestätigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 9, vom 12.8.1993 vorgewiesen, aus welcher hervorging, daß er seit 16.9.1992 als De facto Flüchtling aus der Republik Bosnien-Herzegowina in Landesbetreuung stünde.
Überdies sei ihm von einem Herrn T. (Caritas Herz-Jesu-Kirche) versichert worden, daß der Ausländer fallweise 4 Stunden arbeiten dürfe und habe er den Bosnier im Vertrauen auf diese Auskünfte und schriftlichen Unterlagen beschäftigt.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtfertigungsangaben, insbesondere der im Akt erliegenden Bestätigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, stellte die belangte Behörde das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 1 Abs 2 lit a AuslBG mit der Begründung ein, daß der verfahrensgegenständliche Ausländer vom
Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen sei.
In ihrer Berufung vom 11.8.1995 rügte das Arbeitsmarktservice Steiermark diese Rechtsauffassung und brachte vor, daß nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung des § 1 Abs 2 lit a AuslBG lediglich Konventionsflüchtlinge, nicht jedoch De facto Flüchtlinge vom Geltungsbereich des AuslBG ausgenommen seien
und der spruchgegenständliche Bosnier daher einer Beschäftigungsbewilligung bedurft hätte.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark
hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,
sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Hinsichtlich der hier in Rede stehenden Rechtsfrage des Status des verfahrensgegenständlichen Ausländers ist von nachstehender Sach- und Rechtslage auszugehen:
Gemäß § 1 Abs 2 lit a AuslBG sind unter anderem Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, welche zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind, von den Bestimmungen des AuslBG ausgenommen. Aus den erläuternden Bemerkungen zu
dieser Bestimmung folgt, daß der Nachweis dieser
beiden Voraussetzungen durch den rechtskräftigen unbefristeten Asylbescheid oder durch den Konventionsreisepaß nach § 62 Abs 1 FrG oder durch ein ausländisches Konventionsreisedokument mit unbefristetem österreichischen Sichtvermerk geführt werden kann.
Mit Anfragebeantwortung des Bundesasylamtes Wien
vom 31.8.1995 wurde mitgeteilt, daß Herr I.M. keine der obgenannten Voraussetzungen erfüllt, da er beim Bundesasylamt keinen Asylantrag stellte und nicht im Besitz eines Konventionspasses nach § 62 Abs 1 FrG ist. Weiters wurde in diesem Schreiben betont, daß De facto Flüchtlinge im Gegensatz zu Konventionsflüchtlingen nicht vom Anwendungsbereich des Ausländerbeschäftigungsgesetzes ausgenommen sind.
Diese Stellungnahme wurde dem Beschuldigten zur Kenntnis gebracht und ersuchte dieser unter Hinweis auf die komplizierte Rechtslage sowie den Umstand, daß er den verfahrensgegenständlichen Ausländer im Vertrauen auf die Bestätigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Rechtsabteilung 9 beschäftigt habe, um Abweisung des Berufungsantrages.
Nach den von der Berufungsbehörde ergänzend durchgeführten Ermittlungen wird als erwiesen angenommen, daß der verfahrensgegenständliche
Bosnier, dessen Beschäftigung der Beschuldigte hinsichtlich der objektiven Tatseite nie bestritten hat, als sogenannter De facto Flüchtling nicht von den Bestimmungen des AuslBG ausgenommen ist. Daran
vermag auch die Bestätigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 12.8.1993, es
wird amtlich bestätigt, daß I.M., geb. 3.1.1964 seit 16.9.1992 als Defactoflüchtling aus der Republik Bosnien-Herzegowina in Landesbetreuung steht, nichts zu
ändern, da aus dieser Bestätigung lediglich hervorgeht, daß der Genannte von der öffentlichen Hand unterstützt wird, was jedoch nichts über dessen Rechtsstatus aussagt. Der Beschuldigte muß sich daher die ihm angelastete Verwaltungsübertretung hinsichtlich der objektiven und subjektiven Tatseite zurechnen lassen. Der Schutzzweck der Bestimmungen des AuslBG liegt
zum einen darin, inländische Arbeitssuchende vor einem ungehemmten, wettbewerbsverzerrenden Einströmen ausländischer Arbeitskräfte zu schützen. Zum anderen soll den Interessen der heimischen Wirtschaft dadurch Rechnung getragen werden, daß unter Vorgabe von Kontingentierungen und staatlichen Kontrollen eine Deckung des Arbeitskräftebedarfs insbesondere in jenen Branchen, in welchen erfahrungsgemäß inländische Arbeitskräfte schwer zu vermitteln sind, sichergestellt wird. Weiters soll jenen ausländischen Staatsbürgern, welche durch Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bzw. Ausstellung einer Arbeitserlaubnis oder eines Befreiungsscheines auf dem inländischen Arbeitsmarkt zugelassen werden, der gleiche sozialrechtliche Standard wie Inländern zuteil werden.
Gemäß § 28 Abs 1 AuslBG, BGBl. Nr. 218/75 i.d.g.F begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, wer nach Z 1 lit a entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde. Bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern ist für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 60.000,--; im Falle der erstmaligen und der weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis S 120.000,-- , bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer eine Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 120.000,--; im Falle der erstmaligen und der weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis S 240.000,-- zu verhängen.
Der Beschuldigte hat durch die unerlaubte Beschäftigung eines unter die Bestimmungen des AuslBG fallenden bosnischen Staatsangehörigen gegen den oben
angeführten Schutzzweck verstoßen. Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß der Beschuldigte den Ausländer nicht im Rahmen seines Gastgewerbebetriebes, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer er ist, sondern privat mit Stemmarbeiten in seinem Kellerabteil beschäftigt hat, da von einem im Wirtschaftsleben stehenden Gastgewerbetreibenden jedenfalls erwartet werden kann, daß er mit den einschlägigen Bestimmungen des AuslBG vertraut ist
bzw. sich in Zweifelsfällen bei hiezu berufenen Stellen (Arbeitsamt, Arbeitsmarktservice Steiermark) rückversichert, anstatt auf unklare Bestätigungen bzw. Auskünfte von nicht rechtskundigen Personen zu vertrauen.
Hiebei ist jedoch im Bereich des Verschuldens zugunsten des Beschuldigten zu berücksichtigen, daß die mehrfach erwähnte Bestätigung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung tatsächlich insoferne mißverständlich ist, als sie den Anschein einer wie immer gearteten Legalität des spruchgegenständlichen Ausländers
erweckt und der Beschuldigte sich möglicherweise dadurch verleiten ließ, den Ausländer ohne Rückfrage bei dazu berufenen Stellen zu beschäftigen, welche Vorgangsweise ihm in der Schuldform der leichten Fahrlässigkeit anzurechnen ist. Da der Bestrafte darüberhinaus verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist und auch der objektive Unrechtsgehalt der Tat im Hinblick auf den äußerst kurzen Beschäftigungszeitraum von lediglich einigen Stunden gering ist, konnte, da die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe insgesamt beträchtlich überwiegen, unter Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes des § 20 VStG die Mindeststrafe von S 5.000,-- nochmals um die Hälfte unterschritten werden.
Da der Bestrafte im Berufungsverfahren keine Angaben zu seinen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse mehr machte, wurden seine diesbezüglichen Angaben anläßlich der Einvernahme vom 14.2.1994 - S 15.000,-- netto monatlich bei Sorgepflichten für 3 Kinder - bei der Strafbemessung zugrunde gelegt.
Da es sich hiebei um eine Rechtsfrage handelte und auch in der Berufung die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt wurde, konnte gemäß § 51 e Abs 2 VStG hievon
abgesehen werden.