Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Zotter über die Berufung des Herrn Helmut P, vertreten durch RA, vom 14.3.1995 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 24.2.1995, Zl MBA 10-S 2813/94, wegen Übertretung des § 39 Abs 1 lit b Z 2 Abfallwirtschaftsgesetz, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Zif 3 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben zwischen 21.1.1994 und 10.2.1994 in Wien, T-Straße - L-platz auf dem Gelände der Österreichischen Bundesbahnen - einige Säcke mit der Aufschrift "Fa S", die mit Schutt und Mist angefüllt waren, außerhalb einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage abgelagert.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 39 Abs 1 lit b Z 2 Abfallwirtschaftsgesetz
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von S 5.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen gemäß § 39 Abs 1 lit b AWG Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
S 500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher S 5.500,--.
Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."
In der dagegen erhobenen Berufung wird Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend gemacht sowie bestritten, daß der Berufungswerber die ihm angelastete Verwaltungsübertretung begangen hätte. Weiters wird darauf verwiesen, daß gemäß § 39 Abs 1 lit b Zif 2 Abfallwirtschaftsgesetz zu bestrafen sei, wer eine genehmigungspflichtige Anlage ohne die gemäß § 9 Abs 1 erforderliche Genehmigung errichte, betreibe oder ändere. Dem angefochtenen Straferkenntnis sei nicht zu entnehmen, daß der Berufungswerber gefährliche Abfälle entgegen § 17 Abs 1 gelagert oder abgelagert hätte, wobei gemäß § 17 Abs 1 Abfallwirtschaftsgesetz das Ablagern von gefährlichen Abfällen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen unzulässig sei. Dem angefochtenen Straferkenntnis sei weiters nicht zu entnehmen, daß sich in den in Wien, T-Straße, aufgefundenen Säcken gefährliche Abfälle befunden hätten. Der Beschreibung der Tathandlung sei lediglich zu entnehmen, daß einige mit Schutt und Mist angefüllte Säcke außerhalb einer genehmigten Abfallbehandlungsanlage abgelagert worden seien.
Die Berufung ist berechtigt.
Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird festgestellt, daß der Berufungswerber durch das dort näher umschriebene Verhalten § 39 Abs 1 lit b Zif 2 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) verletzt hätte.
Gemäß § 39 Abs 1 lit b Zif 2 AWG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 100.000,-- zu bestrafen, wer eine genehmigungspflichtige Anlage ohne die gemäß § 9 Abs 1 erforderliche Genehmigung errichtet, betreibt oder ändert.
Dieser Tatbestand steht mit dem umschriebenen strafbaren Verhalten des Berufungswerbers in keinem Zusammenhang.
Aus der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ergibt sich jedoch, daß der Berufungswerber mit dem umschriebenen Verhalten gegen § 39 Abs 1 lit b Zif 10 AWG verstoßen haben soll. Konkret heißt es in der Begründung, daß gemäß § 39 Abs 1 lit b Zif 2 AWG eine Verwaltungsübertretung begehe, wer gefährliche Abfälle entgegen § 17 Abs 1 lagere oder ablagere. Gemäß § 17 Abs 1 AWG sei das Ablagern von gefährlichen Abfällen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen unzulässig.
§ 39 Abs 1 lit b Zif 10 AWG lautet:
Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 100.000,--, wer gefährliche Abfälle und Altöle entgegen § 17 Abs 1 lagert, behandelt oder ablagert.
Gemäß § 17 Abs 1 leg cit sind gefährliche Abfälle und Altöle unbeschadet weitergehender Verpflichtungen jedenfalls so zu lagern und zu behandeln (verwerten, ablagern oder sonst zu behandeln), daß Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs 3 vermieden werden. Das Ablagern von gefährlichen Abfällen oder Altölen außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen ist unzulässig. Gemäß § 2 Abs 5 leg cit sind gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs 3) erfordert, und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs 3 erforderlich ist. Durch Verordnung können ÖNORMen verbindlich erklärt werden.
Gemäß § 2 Abs 7 leg cit hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie mit Verordnung festzusetzen, welche Abfälle ihrer Art nach als gefährliche Abfälle (Abs 5) im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten.
Mit Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl 49/1991, hat der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Stoffe festgelegt, die als gefährliche Abfälle gelten. Gemäß § 44a Zif 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, daß es nach dieser Bestimmung rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß
1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,
2.) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Was den vorstehenden Punkt 1.) anlangt, sind entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können.
Was den vorstehenden Punkt 2.) anlangt, muß
a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und
b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH, verstärkter Senat, 13.6.1984, Slg 11466A).
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist. Nach Abs 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Nach § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung und dergleichen), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (vgl ua das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19.10.1978, SlgN F Nr 9664/A und das Erkenntnis vom 19.6.1990, Zl 89/04/0266). Innerhalb der im gegenständlichen Fall relevanten Verfolgungsverjährungsfrist von sechs Monaten hat die Behörde nachstehende Verfolgungshandlungen gesetzt:
1.) Ladungsbescheid vom 22.3.1994, in dem dem Berufungswerber die unbefugte Ablagerung vom Müll auf dem Gelände der Österreichischen Bundesbahnen in Wien, Bahnhof M, angelastet wurde;
2.) Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19.4.1994, worin dem Berufungswerber wie im angefochtenen Straferkenntnis angelastet wurde
3.) Straferkenntnis vom 9.6.1994 (dieses wurde mangels rechtswirksamer Zustellung nicht erlassen), worin dem Berufungswerber wie im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis vom 24.2.1995 angelastet wurde.
Mit diesen Tatumschreibungen wird dem Gebot, die Tat hinsichtlich der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, nicht entsprochen. In Bezug auf eine Verletzung des § 39 Abs 1 lit b Z 10 AWG wäre es nämlich erforderlich gewesen, die Tat so zu umschreiben, daß sie diesem Tatbild in Ansehung aller Tatbestandselemente zweifelsfrei unterstellt werden kann. Dazu gehören Angaben, inwiefern es sich bei den Ablagerungen um gefährliche Abfälle handelt, wobei sich die Tatanlastung in diesem Punkt an der erwähnten Begriffsbestimmung des § 2 Abs 5 AWG in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl Nr 49/1991, zu orientieren hat. Diese Angaben sind insofern unerläßlich, als sich das Ablagerungsverbot außerhalb genehmigter Abfallbehandlungsanlagen im Sinne des § 17 Abs 1 AWG ausschließlich auf gefährliche Abfälle (und Altöle) bezieht. Zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist, ist von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Zif 1 VStG auszugehen (vgl hiezu ua das Erkenntnis vom 19.6.1990 Zl 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Zif 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Zif 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl VwGH 22.12.1992, Zl 91/04/0199).
Im vorliegenden Fall enthalten die relevanten Verfolgungshandlungen keinen Hinweis darauf, daß es sich bei den Ablagerungen um gefährliche Abfälle handelt. Die Verfolgungshandlungen beziehen sich daher nicht wie erforderlich und oben ausgeführt auf alle Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift und stellen keine taugliche Verfolgungshandlung nach § 32 Abs 2 VStG dar. Da sohin innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist keine entsprechende Verfolgungshandlung gesetzt wurde, ist Verfolgungsverjährung eingetreten und war es der Berufungsbehörde verwehrt, die Tatumschreibung rechtskonform zu ergänzen.