Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Schopf über die Berufung der Frau Gabriele W, wohnhaft in Wien, A-gasse, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 1/8 Bezirk, vom 4.1.1996, Zl MBA 1/8-S 18762/95, wegen Verwaltungsübertretung gemäß § 288 Abs 3 GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 in der derzeit geltenden Fassung entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird das angefochtene Straferkenntnis im Straf- und Verfahrenskostenausspruch wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde ersatzlos behoben.
Die Berufungswerberin hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis hat folgenden Spruch:
"Sie haben am 2.7.1995 beim Kirtag in L, S einen Verkaufsstand betrieben, ohne hiefür einen Originalgewerbeschein mitzuführen, obwohl Gewerbetreibende, die auf einem Markt oder Gelegenheitsmarkt Waren feilbieten oder verkaufen, hiebei den Origialgewerbeschein stets mitzuführen und auf Verlangen der behördlichen Organe vorzuweisen haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: "§ 288 Abs 3 GewO 1994, BGBl Nr 194/1994 in der derzeit geltenden Fassung. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von Schilling 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden gemäß § 367 Einleitungssatz leg cit Ferner haben Sie gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, in der geltenden Fassung, zu zahlen: S 300,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 3.300,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Dieses Straferkenntnis fußt im wesentlichen auf einer Anzeige der Wirtschaftskammer S vom 13.7.1995, in welcher ausgeführt wurde, daß die Firma der Gabriele W beim Kirtag in S, L, am Sonntag, den 2.7.1995 einen Verkaufsstand betrieben habe, ohne hierfür einen Originalgewerbeschein mitzuführen. Anläßlich einer am 2.7.1995 von 9.20 Uhr bis 12.00 Uhr beim Kirtag in S, L vom Kontrollorgan der Wirtschaftskammer S, Erich P und dem Gendarmierinspektor R durchgeführten Marktkontrolle sei festgestellt worden, daß der Standverkäufer Harald W auf einem Marktstand Modeschmuck zum Preis von S 10,-- bis S 200,-- und Sonnenbrillen zum Preis von S 50,-- bis S 199,-- zum Verkauf angeboten und verkauft habe, daß aber ein Originalgewerbeschein nicht vorgelegt werden konnte. Diese Anzeige, gerichtet an die Bezirkshauptmannschaft H wurde von dieser dem Magistrat der Stadt Wien gemäß § 29a VStG 1991 am 12.9.1995 abgetreten.
Die Behörde erster Instanz erließ nach Durchführung eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, gegen welches sich die Berufung der Beschuldigten richtet. Die Berufungswerberin führt aus, daß aus ihr jetzt nicht mehr näher bekannten Gründen sie am 2.7.1995 beim Kirtag vergessen habe, den Originalgewerbeschein mitzunehmen. Es sei auch vom Ort her nicht mehr möglich gewesen, nach Wien zu fahren und den Gewerbeschein zu holen, da die Entfernung zu groß gewesen sei. Ihr sei zwar bewußt, daß sie eine Rechtsvorschrift verletzt habe, sie bitte aber um Nachsicht, was die Höhe der Strafe betreffe und ersuche um eine deutliche Reduzierung derselben. Eine Kopie des Gewerbescheines legte die Berufungswerber ihrem Rechtsmittel bei. Ohne auf die Berufung inhaltlich einzugehen, ergibt sich rechtlich folgendes:
Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist jene Behörde örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Gemäß § 29a 2. Satz VStG idF BGBl Nr 620/1995 darf das Strafverfahren nur an eine Behörde im selben Bundesland, der Strafvollzug nur an eine Bezirksverwaltungsbehörde oder Bundespolizeibehörde übertragen werden. Diese Bestimmung trat am 1.7.1995 in Kraft.
Insoweit die Abtretung eines Verwaltungsstrafverfahrens gemäß § 29a VStG an eine Anzeige anknüpft, wird das Verwaltungsstrafverfahren nur hinsichtlich der den entsprechenden Sachverhaltselementen nach in der Anzeige ausdrücklich angeführten Verwaltungsübertretungen übertragen (vgl VwGH 3.10.1984, VwSlg 11536/A).
Dem gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren liegt die Anzeige der Wirtschaftskammer S zugrunde, aus welcher sich ergibt, daß der Tatort des zur Anzeige gebrachten Sachverhaltes das Ortsgebiet von L, S, ist, weshalb gemäß § 27 Abs 1 VStG die Bezirkshauptmannschaft H örtlich zuständie Behörde war. Die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 29a VStG durch die örtlich zuständige Behörde an die Behörde erster Instanz erfolgte am 12.9.1995, somit nach Inkrafttreten des § 29a 2. Satz VStG igF BGBl Nr 620/1995.
Diese Übertragung erweist sich daher als unzulässig und war somit die Behörde erster Instanz zur Fällung des gegenständlichen Erkenntnisses nicht zuständig.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hatte im Rahme der ihm gemäß § 66 Abs 4 AVG obliegenden Prüfungsverpflichtung auch die Zuständigkeit der Unterbehörde zu prüfen und die vorliegende Unzuständigkeit wahrzunehmen. Diese Unzuständigkeit konnte - da der Schuldspruch auf Grund der auf die Strafhöhe eingeschränkten Berufung rechtskräftigt geworden ist - nur noch hinsichtlich des Straf- und Verfahrenskostenausspruches wahrgenommen werden. Da die Berufungsbehörde die Unzuständigkeit der Unterbehörde von amtswegen in diesem Rahmen wahrzunehmen hatte, war der bei ihr bekämpfte Bescheid spruchgemäß aufzuheben.