TE UVS Wien 1996/03/06 03/08/5069/94

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.1996
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Pipal über die Berufung des Herrn Josef K gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 5.12.1994, Zl Pst 3147/D/94, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) § 17 Abs 1 StVO und 2) § 4 Abs 5 StVO, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung zu Punkt 1) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Zu Punkt 2) wird der nur gegen die Strafhöhe gerichteten Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf S 700,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 42 Stunden herabgesetzt wird.

Die Strafbestimmung lautet: "§ 99 Abs 3 lit b StVO 1960". Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens verringert sich gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG auf S 70,--, das sind 10% der nunmehr verhängten Strafe.

Gemäß § 65 VStG wird daher kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Text

Begründung:

I. Der Berufung liegt folgendes Verfahren in der ersten Instanz zugrunde:

1. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben am 16.8.1994 um 18.25 Uhr in Wien, H-Siedlung als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W 42 1.) einen ungenügenden Seitenabstand beim Vorbeifahren an anderen Fahrzeugen eingehalten und dadurch ein parkendes Fahrzeug beschädigt. Weiters haben Sie es nach ursächlicher Beteiligung an einem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen, 2.) diesen Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub der nächsten Polizeidienststelle zu melden.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.)

§ 17 Abs 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960),

2.)

§ 4 Abs 5 StVO 1960

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafe     falls diese uneinbringlich         gemäß §

von Schilling  ist, Ersatzfreiheitsstrafe von

1.) 800,--     48 Stunden                  99 Abs 3 lit a StVO

1960

2.) 1.000,--   60 Stunden                  99 Abs 2 lit a StVO

1960

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 zu

zahlen:

180,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich S 200,-- angerechnet);

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 1.980,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."

 2. Dieser Vorwurf ergab sich aus einer Anzeige eines Sicherheitswachebeamten vom 17.8.1994.

Der Beschuldigte machte bei seiner Vernehmung am 4.10.1994 folgende Angaben:

"Ich wollte zum angegebenen Tatzeitpunkt am angegebenen Tatort mein Auto in Längsrichtung parallel zum Fahrbahnrand einparken, dabei streifte ich mit meinem PKW links vorne die rechte hintere Stoßstange eines bereits parkenden PKWs. Dadurch zersprang mein Blinkerglas und aufgrund des Geräusches stieg ich aus und besichtigte beide Fahrzeuge. Ich wurde auch von einer Zeugin darauf aufmerksam gemacht, daß ich den anderen PKW gestreift hatte. Nachdem ich festgestellt hatte, daß an dem anderen PKW kein Schaden entstanden ist, fuhr ich weiter um mir einen anderen Parkplatz zu suchen, da dieser zu klein war. Da bei dem anderen Fahrzeug kein Schaden entstanden war, fuhr ich, ohne den Besitzer zu verständigen oder die nächste Polizeidienststelle zu verständigen, weiter."

 3. In der rechtzeitigen Berufung wurden die Verwaltungsübertretungen bestritten, schließlich wurde zu Punkt 2) nur mehr die Höhe der Strafe bekämpft.

II. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

 1. Zuerst war zu Punkt 1) die Schuldfrage zu überprüfen:

1.1. Der objektive Tatbestand war folgendermaßen zu beurteilen:

1.1.1. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet:

Gemäß § 17 Abs 1 zweiter Satz StVO 1960 gelten für die Anzeige des Vorbeifahrens, die Einhaltung eines Sicherheitsabstandes und das Vorbeifahren an Schienenfahrzeugen die beim Überholen zu beachtenden Vorschriften (§ 15).

Nach § 15 Abs 4 dieses Gesetzes ist beim Überholen ein der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand vom Fahrzeug, das überholt wird, einzuhalten.

1.1.2. Der Sachverhalt wurde auf folgende Weise festgestellt:

Aufgrund sämtlicher Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens einschließlich der Aussage des Berufungswerbers in der Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien steht fest, daß der Verkehrsunfall nicht beim Vorbeifahren geschah, sondern beim Zurückfahren im Zuge eines Einparkmanövers.

1.1.3. Die Beurteilung der Rechtsfrage ergab, daß der als erwiesen angenommene Sachverhalt den objektiven Tatbestand der verletzten Verwaltungsvorschrift nicht erfüllt.

Gemäß § 2 Abs 1 Z 30 StVO 1960 gilt als Vorbeifahren im Sinne dieses Bundesgesetzes das Vorbeibewegen eines Fahrzeuges an einer sich auf der Fahrbahn befindenden, sich nicht fortbewegenden Person oder Sache, insbesondere an einem anhaltenden, haltenden oder parkenden Fahrzeug.

In den §§ 23 Abs 1, 89a Abs 2a lit b, c dieses Gesetzes wird weiters zwischen den Begriffen "Vorbeifahren" und "Wegfahren" unterschieden.

Bei Auslegung des Begriffs "Vorbeifahren" in den §§ 2 Abs 1 Z 30, 17 Abs 1 StVO 1960 nach ihrem Sinn und Zweck ist ein Zurückfahren im Zuge eines Einparkmanövers damit nicht gemeint.

Daher war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 VStG einzustellen.

2. Sodann war die zu Punkt 2) verhängte Strafe zu überprüfen:

2.1. Die Strafbestimmung lautet:

Gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO 1960 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 10.000,--, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer in anderer als der in Abs 2 lit a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet.

2.2. Über die Strafbemessung bestimmt § 19 VStG folgendes:

(1) Grundlage für die Bemessung der Strafe ist stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

(2) Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

2.3. Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Ausmaß das Interesse an der raschen und zweifelsfreien Aufklärung von Verkehrsunfällen. Sonst zog die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich. Milderungs- und Erschwerungsgründe lagen nicht vor. Das Verschulden war angesichts der näheren Umstände der Tat nicht bloß geringfügig, weil die Einhaltung der Vorschrift keine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte.

Weiters waren bei der Bemessung der Geldstrafe das durchschnittliche Einkommen, die Vermögenslosigkeit sowie die Sorgepflicht für ein Kind zu berücksichtigen.

2.4. Bei diesen Strafbemessungsgründen und dem gesetzlichen Strafrahmen war die Strafe im Hinblick auf das Strafverschärfungsverbot entsprechend herabzusetzen, weil die Erstbehörde eine falsche Strafbestimmung mit einem höheren Strafrahmen herangezogen hatte.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 64 bzw § 65 VStG.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten