Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. W. H.über die Berufung des Herrn O.S., geb. am 26.4.1949, vertreten durch Herrn Dr. H. R., Angestellter der Wirtschaftskammer Steiermark, 8021 Graz, Körblergasse 111-113, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 23.3.1995, GZ.: A4-St 520/1-1993/205, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:
Nach § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung zu Punkt 1.) und 2.) abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 1.300,-- binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Der Spruch des Straferkenntnisses wird 1.wie folgt korrigiert:
In der Sachverhaltsumschreibung a) entfällt in der ersten Zeile der Satzteil: 26.2. und; b) des Punktes 1.) entfällt in der 1.
Zeile der Satzteil: in der Zeit vom 26.2.1993 bis zumindest; c) des Punktes 2.) werden die Worte keinen wirksamen Lüftungsquerschnitt durch die Worte keine Fenster und sonstigen Lüftungsöffnungen mit einem wirksamen Lüftungsquerschnitt ersetzt; 2. dahin präzisiert, daß bei Punkt 1.) pro Arbeitnehmer eine Ersatzfreiheitsstrafe von je 1 Tag verhängt wurde.
Der Bürgermeister der Stadt Graz warf dem Beschuldigten und nunmehrigen Berufungswerber
folgende Rechtsverletzungen vor: 1.) Eine Verletzung des § 14 Abs 4 Arbeitnehmerschutzgesetz - ANSchG - i.V.m.
§ 86 Abs 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung - AAV - , sowie 2.) des § 13 Abs 1 und 2 AAV und
verhängte zu Punkt 1.) nach § 31 Abs 3 lit. b ANSchG pro Arbeitnehmer eine Geldstrafe von S 2.000,-- und zu
Punkt 2.) nach § 31 Abs 2 lit. p ANSchG eine Geldstrafe von S 2.500,--, da er folgendes zu verantworten habe:
1.) habe er laut Feststellung des Arbeitsinspektorates Graz vom 26.2. und 15.6.1993 in seinem Textilwarenhandelsbetrieb in G., Sch., als Arbeitgeber den Arbeitnehmerinnen, Frau U. Sch.und Frau K. P.von 26.2.1993 bis zumindest 15.6.1993 zur Aufbewahrung
und zur Sicherung gegen Wegnahme der Straßen- und Arbeitskleidung keinen ausreichend großen, luftigen, versperrbaren Kasten zur Verfügung gestellt sowie 2.) habe der Verkaufsraum (Arbeitsraum) mit einer Fußbodenfläche von 42 m2 keinen wirksamen Lüftungsquerschnitt im Ausmaß von mindestens 2
Prozent der Fußbodenfläche dieses Raums, also ca. von 0,8 m2 aufgewiesen, obwohl Arbeitsräume lüftbar eingerichtet sein müßten und Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen von Arbeitsräumen einen wirksamen Lüftungsquerschnitt in einem Ausmaß von mindestens
einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufweisen müßten.
Der Beschuldigte berief und beantragte die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu die Herabsetzung der Strafe auf das vorgesehene Mindestausmaß, in eventu die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes, oder aber den Ausspruch einer Ermahnung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 11. März 1996 in Gegenwart des Berufungswerbers, seines Vertreters und eines Vertreters der mitbeteiligten Partei, vernahm den Berufungswerber als Partei und Herrn R. E. und Herrn Ing. M. G., sowie die Arbeitnehmerin des Berufungswerbers, Frau U. Sch., als Zeugen.
Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:
Der Berufungswerber ist Inhaber des als Boutique geführten Textilwarenhandelsgeschäftes L. D. in Graz, und war zur Tatzeit Arbeitgeber von Frau U. Sch. und Frau K. P., die in diesem Geschäft als Verkäuferinnen tätig waren.
Den Arbeitnehmerinnen wurde ein zweiteiliger (zweiflügeliger) Kasten zur Verfügung gestellt, dessen beide Flügel jeweils mit einem eigenen Schloß versehen waren. Die Unterteilung des Kastens war jedoch so ausgeführt, daß bei Öffnung eines Flügels die Zugriffsmöglichkeit in den zweiten Kastenteil gegeben war, da die Trennung im Inneren nicht durchgehend ausgeführt war. Es war daher nicht jeder Kastenteil für sich versperrbar. Außerdem besaß der Kasten keine Lüftungsöffnungen.
Der Verkaufsraum hatte weder Fenster, noch sonstige Lüftungsöffnungen und wies auch keine mechanische Lüftungsmöglichkeit auf.
Diese Feststellungen stützen sich auf die Aussage des Herrn R.E., und sind im übrigen vom Berufungswerber auch nicht bestritten.
Nach § 14 Abs 4 ANSchG ist jedem Arbeitnehmer zur Aufbewahrung und zur Sicherung vor Wegnahme seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung eine geeignete Aufbewahrungsmöglichkeit sowie für die von ihm für die Verrichtung der Arbeitsleistung mitgebrachten Gegenstände und jener Sachen, die von ihm nach Verkehrsauffassung und Berufsüblichkeit zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, eine ausreichend große,
versperrbare Einrichtung zur Verfügung zu stellen, wobei auch die Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen sind. Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer für jeden durch die schuldhafte Verletzung dieser Pflicht verursachten Schaden. Bei Beschäftigung männlicher und weiblicher Arbeitnehmer ist hinsichtlich des Umkleidens auf die Verschiedenheit der Geschlechter entsprechend
Rücksicht zu nehmen.
Nach § 86 Abs 1 AAV ist jedem Arbeitgeber zur Aufbewahrung und zur Sicherung gegen Wegnahme
seiner Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung ein ausreichend großer, luftiger und versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen, in dem die Kleidung gegen Einwirkungen wie Nässe, Staub, Rauch, Dämpfe oder Gerüche geschützt ist.
Nach Abs 2 müssen Kästen auch für jene Gegenstände, die für die Verrichtung der Arbeitsleistung vom Arbeitnehmer mitgebracht und für jene Sachen, die von ihm nach Verkehrsauffassung und Berufsüblichkeit zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, wie Taschen, Platz bieten. Diese Gegenstände und Sachen können auch getrennt von der Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung in anderen versperrbaren Einrichtungen aufbewahrt
werden, wenn sie dadurch Einwirkungen nach Abs 1
nicht ausgesetzt sind; jedem Arbeitnehmer muß eine
solche Einrichtung zur Verfügung gestellt werden.
Da die gesetzliche Vorschrift normiert, daß jedem Arbeitnehmer ein unter anderem versperrbarer Kasten zur Verfügung zu stellen ist, durch die Ausführung des doppelteiligen Kastens im vorliegenden Fall die separate Sperrmöglichkeit des jedem Arbeitnehmer zugedachten Kastenteiles jedoch nicht gegeben war, ist insofern betreffend die beiden Arbeitnehmerinnen jeweils ein Verstoß gegen § 86 Abs 1 AAV i.V.m. § 14 Abs 4
ANSchG gegeben.
Wenn der Berufungswerber in der Berufung geltend
macht, es seien Folgen eines Verstoßes überhaupt nicht erkennbar, die Aufbewahrungsmöglichkeiten seien inzwischen installiert worden, er sei ursprünglich der Auffassung gewesen, daß diese Aufbewahrungsmöglichkeit nicht notwendig sei, zumal sie von seinen Arbeitnehmern auch nicht benötigt würden und ihm der Sinn dieser Verwaltungsvorschrift nach wie vor nicht erkennbar erscheine, da die Arbeitnehmer diese Aufbewahrungsmöglichkeiten gar nicht benötigten und in Anspruch nähmen, ist ihm darauf folgendes zu erwidern:
Wie noch ausgeführt werden wird, kommt es nicht darauf an, daß der Verstoß erkennbare Folgen mit sich bringt, handelt es sich doch um Übertretungen, zu deren Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört (Ungehorsamsdelikte). Die nachträgliche Installierung zweier ordnungsgemäßer Kästen kann die Übertretung naturgemäß nicht ungeschehen machen. Auf den geltend gemachten Rechtsirrtum ist weiter unten bei Darlegung des Verschuldens einzugehen. Wenn der Berufungswerber meint, die Aufbewahrungsmöglichkeiten seien nicht notwendig und würden von den Arbeitnehmerinnen nicht benötigt und er sehe keinen Sinn in der Vorschrift, ist ihm darauf zu entgegnen, daß es sich bei diesen Vorschriften um zwingendes öffentliches Recht handelt, das einer Parteienvereinbarung nicht zugänglich ist und an dessen Durchsetzung auch ein allfälliger Verzicht der aus diesem Recht begünstigten Arbeitnehmer nichts ändern kann. Der Sinn der Vorschrift ergibt sich aus der Vorschrift selbst; im übrigen ist es nicht Aufgabe der Behörde, dem Arbeitgeber im Einzelfall den Sinn einer Vorschrift darzulegen.
Zu Punkt 2.):
Nach § 13 Abs 1 AAV ist in Arbeitsräumen dafür zu sorgen, daß frische, von Verunreinigungen möglichst freie Luft zugeführt, sowie Luft mit zu geringem Sauerstoffgehalt und zu hohem Kohlendioxidgehalt abgeführt wird; die Lüftung hat so zu erfolgen, daß die Räume möglichst gleichmäßig be- und entlüftet sind. Die im § 12 Abs 2 jeweils angeführten Luftgeschwindigkeiten dürfen an den Arbeitsplätzen nicht überschritten sein. Nach Abs 2 hat die natürliche Lüftung von Arbeitsräumen nach Möglichkeit durch Fenster zu erfolgen; bei einer Raumtiefe von mehr als 10 m muß eine Querlüftung durch Fenster, Ventilatoren oder sonstige Lüftungsöffnungen, wie Lüftungsschächte oder Lüftungsklappen, möglich
sein. Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen müssen einen wirksamen Lüftungsquerschnitt von mindestens
einem Fünfzigstel der Fußbodenfläche des Raumes aufweisen und sich von einem festen Standplatz aus öffnen oder verstellen lassen; sie müssen so angeordnet sein, daß Arbeitnehmer an Arbeitsplätzen vor schädlicher Zugluft geschützt sind. In eingeschoßigen Gebäuden müssen Arbeitsräume mit mehr als 500 m2 Bodenfläche zusätzlich durch Lüftungsaufsätze auf dem Dach lüftbar sein.
Abs 3 des mit Übergangsbestimmungen überschriebenen § 102 AAV lautet: Die in den Abs 1 und 2 nicht angeführten Bestimmungen des II. Hauptstückes dieser Verordnung finden auf bestehende Betriebe, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung den für sie in Betracht kommenden Vorschriften über den Dienstnehmerschutz entsprochen haben, nur insofern Anwendung, als die dadurch bedingten Änderungen ohne wesentliche Beeinträchtigung des Betriebes durchführbar sind, es sei denn, daß es sich um Beseitigung von das Leben, die Gesundheit oder die Sittlichkeit der Arbeitnehmer offenbar gefährdenden Mißständen handelt oder daß die gestellten Anforderungen ohne unverhältnismäßigen Kostenaufwand und ohne größere Betriebsstörung durchführbar sind. Dies gilt auch bei einem Wechsel in der Person des Arbeitgebers.
Dazu ist ergänzend anzuführen, daß das II. Hauptstück die §§ 3 bis 93 umfaßt und die AAV am 1.1.1984 in Kraft getreten ist.
Der Berufungswerber wendete ein, daß die von mir installierte Lüftung den allgemeinen Dienstnehmerschutzvorschriften entsprochen habe, die Installation einer Lüftungsanlage einen Aufwand von ca. S 50.000,-- erfordern würde und dieser Kostenaufwand unverhältnismäßig sei und weder das Leben noch die Gesundheit, aber auch nicht die Sittlichkeit der Arbeitnehmer gefährdet sei. Bei unverhältnismäßigem Kostenaufwand oder bei einer größeren Betriebsstörung könne es beim alten Zustand bleiben. Im Ergebnis läuft dieses Vorbringen darauf hinaus, daß § 13 Abs 1 und 2 AAV im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei.
Dieser Einwand ist nicht berechtigt: Der Berufungswerber eröffnete sein Geschäft am 1. September 1988. Bereits vorher war eine Textilboutique mit der Geschäftsbezeichnung L. D. in diesem Geschäftslokal etabliert. Anläßlich des Abschlusses des Mietvertrags übernahm er vom Vorgänger an Inventar und Waren eine Auslage, das Geschäftsschild, Elemente zum Aufhängen der Kleider, ein Pult sowie Textilien und bezahlte dafür eine Ablöse von ca. S 80.000,--. Das Lokal wurde anläßlich der Übernahme umgebaut und renoviert.
Insbesondere wurde das alte Metallportal durch ein Holzportal ersetzt. Der vorhergehende Boutiquenbesitzer betrieb diese Boutique allein oder mit seiner Gattin. Der Berufungswerber übernahm keine Angestellten. Der Vorbesitzer sagte ihm, er habe ca. einen Betrag von S 150.000,-- investiert und möchte diesen Betrag zurückhaben.
Laut Beilage ./A (Schreiben der J. Glas GmbH.) vom 28.4.1993 an die Firma L. D. bestätigt der Absender des Schreibens den Auftrag zum Einbau einer Lüftung im Auslagenbereich und kündigt die Ausführung der Arbeiten in der 18. Woche an. Laut Rechnung vom 14.7.1993 der genannten Gesellschaft an die Firma S. O. L. D. stellt erstere der letzteren für den Einbau von zwei Klappventilatoren den Betrag von S 7.800,-- in Rechnung. Nach Aussage des Berufungswerbers erfolgte der Einbau der Lüftung ca. Anfang Juli 1993.
Wenn im Berufungsvorbringen von einem Kostenaufwand
von ca. S 50.000,-- die Rede ist und der Berufungswerber aussagte, er habe zunächst von der Firma J. die Auskunft erhalten, die Lüftungsanlage würde mindestens S 40.000,-- kosten, zeigt die Beilage ./C dem gegenüber, daß nur ein Rechnungsbetrag von S 7.800,-- angefallen ist. Dieser Betrag stellt keinen unverhältnismäßig hohen Kostenaufwand dar. Weiters
liegt es auf der Hand, daß der Einbau von zwei Klappventilatoren ohne größere Betriebsstörung durchführbar war. Damit fehlten jedoch die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmung des § 102 Abs 3 AAV. § 13 Abs 1 und 2 VStG war daher im
vorliegenden Fall anzuwenden, weshalb ein Verstoß
gegen diese Bestimmung am 15.6.1993 vorlag.
Wenn der Spruch des Straferkenntnisses zum Ausdruck bringt, daß der rechtswidrige Zustand bereits seit 26.2.1993 bestanden habe, ist dies nicht zutreffend: Der Beschuldigte wurde wegen derselben Delikte bereits mit Strafverfügung vom 23.2.1993, zugestellt am 2.3.1993, bestraft. Da es sich bei Punkt 1.) und 2.) jeweils um Dauerdelikte handelt, erstreckt sich die Wirkung der Bestrafung bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung und damit über den im Straferkenntnis bezeichneten Tatzeitbeginn 26.2.1993 hinaus.
In der Sachverhaltsumschreibung des Spruchs des Straferkenntnisses hat daher der Tatzeithinweis auf den 26.2.1993 zu entfallen.
Es liegt daher zu Punkt 2.) ein Verstoß gegen § 13 Abs 1
und 2 AAV vor.
§ 5 (Schuld) Abs 1 VStG lautet:
(1)Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei
Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiters anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
§ 5 (Schuld) Abs 2 VStG lautet:
(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Verwaltungsübertretungen, zu deren Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, werden als Ungehorsamsdelikte bezeichnet. (VwGH 5.9.1978, 2787/77)
Bei diesen Delikten hat jedoch der Täter die von ihm behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und es obliegt ihm, alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. (s. VwSlg 7087 A/1967 und VwGH 20.5.1968, 187/67). Der Gesetzgeber belastet sohin den Täter in einem solchen Fall schon durch den objektiven
Tatbestand und präsumiert die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils durch den Beschuldigten. (VwGH 21.10.1977, 1793/76, ebenso VwGH 13.2.1979, 2969/77)
Wenn sich der Beschuldigte auf einen entschuldbaren Rechtsirrtum beruft, da er ursprünglich der Auffassung gewesen sei, daß diese Aufbewahrungsmöglichkeiten
nicht notwendig seien, ist ihm entgegenzuhalten, daß er bereits bei der Kontrolle am 9.11.1992 vom Arbeitsinspektor über die Notwendigkeit, entsprechende Kästen zur Verfügung zu stellen und den Arbeitsraum lüftbar einzurichten, informiert und überdies mit der Strafverfügung vom 23.2.1993 wegen derselben Delikte rechtskräftig bestraft wurde. Ein Rechtsirrtum zum Zeitpunkt der Kontrolle am 15.6.1993 konnte daher nicht mehr gegeben sein. Im Gegenteil ist aufgrund dieser einschlägigen Vorstrafen sogar auf ein höhergradiges Verschulden zu schließen, da zwischen der ersten Kontrolle am 9.11.1992 und der zweiten Kontrolle am 15.6.1993 ein Zeitraum von ca. sieben Monaten liegt und dieser Zeitraum dem Berufungswerber die Möglichkeit gegeben hätte, für die Einhaltung der Bestimmungen zu sorgen. Die Übertretungen sind daher dem Berufungswerber auch subjektiv vorwerfbar.
Nach § 31 Abs 3 lit. b ANSchG begehen Arbeitnehmer
und deren Bevollmächtigte, die unter anderem keine geeigneten Einrichtungen zur Aufbewahrung und zur Sicherung vor Wegnahme der Straßen-, Arbeits- und Schutzkleidung sowie der vom Arbeitnehmer für die Verrichtung der Arbeitsleistung mitgebrachten Gegenstände und jener Sachen, die vom Arbeitnehmer
nach Verkehrsauffassung und Berufsüblichkeit zur Arbeitsstätte mitgenommen werden, zur Verfügung
stellen (§ 14), eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 20.000,-- zu bestrafen.
Nach § 31 Abs 2 lit. p ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die unter anderem den aufgrund des § 24 erlassenen Verordnungen zuwiderhandeln eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Auch wenn nach dem Berufungsvorbringen die Arbeitnehmerinnen auf die Kästen keinen Wert gelegt haben mögen, was, wie angeführt, jedoch nicht zu einer Außerkraftsetzung dieser Bestimmung führt, wurde doch der Zweck der geschützten öffentlichen Interessen insofern verletzt, als eine nichtgebotene Gelegenheit zum sicheren Aufbewahren der Straßenkleidung usw. dazu führt, daß Arbeitnehmer sich mit einem Provisorium abfinden und die damit verbundenen Risken in kauf
nehmen müssen.
Demgegenüber bilden Arbeitsräume ohne entsprechende Lüftungsmöglichkeit durch Fenster und sonstige Lüftungsöffnungen eine unmittelbare Gefährdungsmöglichkeit für das gesundheitliche Befinden von Arbeitnehmern.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Zu Punkt 1.) liegen zwei einschlägige Vorstrafen und zu Punkt 2.) eine einschlägige Vorstrafe jeweils aufgrund der Strafverfügung vom 23.2.1993 vor. Diese Vorstrafen bilden Erschwerungsgründe. Die belangte Behörde
wertete zu Punkt 1.) als mildernd, daß die Aufbewahrungsmöglichkeiten unmittelbar nach der Kontrolle angeschafft worden seien. Weder läßt sich dies dem Verwaltungsakt entnehmen, noch würde eine unmittelbar nach der Tat erfolgte Herstellung des ordnungsgemäßen Zustandes einen Milderungsgrund darstellen. Es ist daher zu beiden Punkten kein Milderungsgrund gegeben. Wie bereits erwähnt, liegt ein nicht unbedeutendes Verschulden vor. Eine Einkommensschätzung konnte der Beschuldigte laut
eigener Aussage nicht machen. Er besetzt drei
Geschäfte, deren wirtschaftliche Lage seiner Aussage nach eher schlecht ist. Ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens S 20.000,-- ist trotzdem anzunehmen. Er ist für drei minderjährige Kinder sorgepflichtig, seine Ehegattin ist nur geringfügig beschäftigt.
Wenn der Beschuldigte die Herabsetzung der Strafen auf das vorgesehende Mindestausmaß beantragte, ist er
darauf hinzuweisen, daß die in den vorliegenden Fällen zur Anwendung gelangenden Sanktionsnormen keine Mindeststrafen vorsehen. Aber auch die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes oder ein Absehen von der Strafe sind nicht möglich:
Nach § 20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
Nach dem ersten Absatz des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Für die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung fehlt es an Milderungsgründen, ein Absehen von der Strafe ist wegen des nicht geringfügigen Verschuldens nicht möglich.
Die von der belangten Behörde verhängten Strafen von jeweils S 2.000,-- zu Punkt 1.) und S 2.500,-- zu Punkt
2.) und die Ersatzarreststrafen von je einem Tag sind daher als zutreffend ausgemessen zu betrachten.
Punkt 2.) der Sachverhaltsumschreibung war im Sinne der gesetzlichen Bestimmung zu korrigieren. Die Ersatzfreiheitsstrafen wurden von der belangten Behörde im Ausmaß von je einem Tag festgesetzt, was dahin zu präzisieren war, daß bei Punkt 1.) pro Arbeitnehmerin diese Ersatzfreiheitsstrafe gilt.
Die Berufung war jedoch abzuweisen.