TE UVS Niederösterreich 1996/03/18 Senat-MD-95-450

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Veröffentlicht am 18.03.1996
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Spruch

Der Berufung wird gemäß §66 Abs4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991, BGBl Nr 51/1991, keine Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vollinhaltlich bestätigt.

 

Der Berufungswerber hat dem Land NÖ gemäß §64 Abs1 und Abs2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 1991, BGBl Nr 52/1991, einen Betrag von S 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Entscheidung zu bezahlen.

 

Innerhalb gleicher Frist sind die Geldstrafe und die Kosten des Verfahrens der Behörde erster Instanz zu bezahlen

(§59 Abs2 AVG).

Text

Mit Straferkenntnis vom 24.01.1995, Zl 3-*****-94, erkannte die Bezirkshauptmannschaft xx den nunmehrigen Berufungswerber schuldig, am 11.02.1994, 17,08 Uhr, im Gemeindegebiet A****, Bundesstraße **, bei km **,0, Richtung M**********, als Lenker des Fahrzeuges PKW **-**AA, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" (§52 Z4a StVO) gekennzeichnet ist, links überholt zu haben.

 

Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung nach §§99 Abs3 lita, 16 Abs2 lita, 52 lita Z4 a, jeweils StVO verhängte die Erstbehörde gemäß §99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) und schrieb gemäß §64 Abs2 VStG einen Kostenbeitrag von S 100,-- vor.

 

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschuldigte fristgerecht am 13.02.1995 Berufung, in welcher er den verfahrensgegenständlichen Geschehensablauf wie folgt schildert:

Zur Tatzeit habe er als Lenker des Tatfahrzeuges auf der B **, in Richtung M********** fahrend, nach der Ortschaft A**** zum Überholen einer vor ihm fahrenden, aus ca 5-6 Kraftfahrzeugen bestehenden Kolonne angesetzt.

Das Verbotszeichen "Überholen verboten" habe er erst ab dem eingeleiteten Überholvorgang als solches eindeutig erkannt, da die sich beidseitig am Straßenrand befindlichen Laubbäume die eindeutige Erkennbarkeit erschweren und die, dem genannten Verkehrszeichen vorgelagerte Höhenbeschränkungstafel wie ein Blickfang wirke. Ab dem eindeutigen Erkennen der Verbotstafel "Überholen verboten" habe er versucht den Überholvorgang abzubrechen und sich zwischen dem ersten und zweiten Fahrzeug der Kolonne, die übrigen Kraftfahrzeuge seien zu diesem Zeitpunkt bereits überholt gewesen, mittels Blinkzeichen wieder nach rechts einzureihen. Er sei ca 100 - 150 Meter zwischen den beiden Fahrzeugen parallel hergefahren, ohne daß dies vom zweiten KFZ (wiener Kennzeichen) berücksichtigt und ein Einreihen zugelassen worden wäre. Der zu geringe Tiefenabstand des zweiten Fahrzeuges zum ersten KFZ habe ein gefahrloses Einreihen verhindert.

Während des Überholvorganges habe der Beschuldigte auch ein KFZ wahrgenommen, aus dessen Abstellort es ihm naheliegend erschienen sei, daß es sich hiebei um ein Gendarmeriefahrzeug handle, was ihn zusätzlich motiviert habe, den Überholvorgang abzubrechen und nicht den Versuch zu starten, die gesamte Kolonne noch vor der Verbotstafel zu überholen.

Vor die Alternativen gestellt, eine Notbremsung mit dem Ziel, das Tatfahrzeug noch vor der Überholverbotstafel zum Stillstand zu bringen, einzuleiten oder sich mit Gewalt wieder in die Kolonne einzureihen oder den Überholvorgang trotz Überschreitens der Überholverbotstafel zu beenden, habe sich der Beschuldigte im Interesse der Verkehrssicherheit für die letztgenannte Variante entschieden und auch das erste KFZ der Kolonne (ungarisches Kennzeichen, mit Einachsanhänger unterwegs) überholt. Dieser Überholvorgang, bei welchem kein Gegenverkehr geherrscht habe, sei ca 80 - 100 Meter (vielleicht auch noch weniger) nach der Verbotstafel abgeschlossen gewesen.

 

Weiters brachte der Rechtsmittelwerber vor, daß für ihn nicht ersichtlich sei, wie er sich normkonform verhalten hätte sollen. Da er den Überholvorgang vor dem Vorschriftszeichen begonnen habe und der rechtzeitige Abbruch desselben durch einen anderen Verkehrsteilnehmer verhindert worden sei, sei ihm nicht einsichtig, wofür er nunmehr bestraft werden solle.

 

Die Erstbehörde legte den Verwaltungsstrafakt vor, gab keine Stellungnahme ab und machte vom Recht einer Berufungsvorentscheidung keinen Gebrauch.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

1. SCHULDBERUFUNG:

 

Gemäß §16 Abs2 lita StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" (§52 lita Z4a StVO) gekennzeichnet sind, nicht links überholen.

 

Eine konkret eingetretene Gefährdung des Gegenverkehrs ist nicht Voraussetzung zur Verwirklichung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung.

 

Unter Zugrundelegung des Berufungsvorbringens, welches im wesentlichen mit der erstinstanzlichen Beschuldigtenverantwortung übereinstimmt, steht fest, daß der Beschuldigte das Tatfahrzeug zur Tatzeit am Tatort gelenkt hat und dabei ein mehrspuriges Kraftfahrzeug (mit ungarischem Kennzeichen und Einachsanhänger unterwegs) auf einer durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichneten Straßenstrecke links überholt hat, wobei es sich bei diesem überholten KFZ dem unbestrittenen Anzeigeinhalt nach um einen PKW gehandelt hat.

 

Den Beschuldigtenangaben zufolge wurde dieses Überholen (=Vorbeibewegen des schneller fahrenden Tatfahrzeuges am, sich in gleicher Richtung bewegenden PKW mit ungarischem Kennzeichen) erst nach dem Verkehrszeichen "Überholen verboten" abgeschlossen.

 

Der Überholvorgang umfaßt nur die Wegstrecke, die zwischen dem Beginn des Überholens iSd §2 Abs1 Z29 StVO bis zur Beendigung desselben liegt, auf der sich also das Fahrzeug des Überholenden an dem Fahrzeug des Überholten vorbeibewegt.

 

Hingegen sind die Phasen vor und nach diesem Vorgang (Ansetzen zum Überholen, Einreihen vor überholtem Fahrzeug) nicht dem Begriff "Überholen" zuzurechnen.

 

Da der Beschuldigte in der Textierung seines Vorbringens sehr genau zwischen Überholen und Einreihen unterscheidet und diese Begriffe entsprechend ihrer rechtlichen Bedeutung verwendet, besteht kein Zweifel, daß der Rechtsmittelwerber mit dem Abschluß des Überholvorganges das Beendigen des Überholens (vom Überholen ist so lange die Rede, als sich die beiden Fahrzeuge ganz oder teilweise auf gleicher Höhe befinden) und nicht das Einordnen vor dem überholten PKW gemeint hat.

 

Dazu kommt noch, daß den im gesamten gegenständlichen Verfahren gleichlautenden Angaben des Meldungslegers Insp Z (schriftliche Anzeige des Gendarmeriepostens L******** vom 12.02.1994, GZ P-***/94, Stellungnahmen vom 27.05. und 28.08.1994 samt Skizze) zufolge, das mehrspurige Kraftfahrzeug eindeutig im Überholverbotsbereich überholt wurde.

 

In der Skizze ist anschaulich wiedergegeben, daß das Linksvorbeibewegen des Tatfahrzeuges am langsamer fahrenden PKW (im übrigen ebenso wie das Ansetzen zum Überholen und das Einreihen vor dem überholten Fahrzeug) innerhalb der Überholverbotsstrecke stattfand.

Die Berufungsbehörde erachtet diese Angaben als äußerst glaubwürdig, weil einem Gendarmeriebeamten aufgrund seiner besonderen Schulung die fehlerfreie Wahrnehmung und Wiedergabe von Vorgängen des Straßenverkehrs durchaus zuzutrauen ist und außerdem kein Grund verfahrensevident wurde, aus welchem der Anzeiger den Beschuldigten wahrheitswidrig belasten hätte sollen.

 

Der Vollständigkeit halber ist anzumerken, daß der Beschuldigte in der von ihm im erstinstanzlichen Verfahren angefertigten handschriftlichen Skizze klar zum Ausdruck brachte, sich mit dem Tatfahrzeug links an der Fahrzeugkolonne vorbeibewegt zu haben.

 

Der Beschuldigte hat somit den ihm angelasteten Tatbestand in objektiver Hinsicht verwirklicht.

 

Ein Fahrzeuglenker ist verpflichtet, sein Fahrverhalten und seine Aufmerksamkeit so einzurichten, daß ihm jederzeit das rechtzeitige Erkennen eines Verkehrszeichens möglich ist.

 

Dem Berufungsvorbringen zufolge konnte der Beschuldigte das gegenständliche Verkehrszeichen "erst ab eingeleitetem Überholvorgang als solches "eindeutig" erkennen", woraufhin er versuchte, das in einem Zuge beabsichtigte Überholen der aus ca 5 - 6 KFZ bestehenden Kolonne abzubrechen und sich zwischen dem an der Spitze befindlichen PKW und dem zweiten Fahrzeug einzuordnen.

 

 

Aus dem Umstand, daß der Beschuldigte ab dem eingeleiteten Überholvorgang das Verbotszeichen "Überholen verboten" als solches eindeutig erkannt hat, ergibt sich zwangsläufig, daß er bereits zuvor zumindest in Betracht zog und die Möglichkeit erkannte, daß es sich hiebei um ein Verkehrszeichen genannten Inhaltes handelt.

 

Angesichts dieser Sachlage hätte der Beschuldigte von einem Überholmanöver Abstand nehmen und mit dem Überholen so lange zuwarten müssen, bis er sich Gewißheit verschafft hatte, welche Norm mit dem Verkehrszeichen kundgemacht wird.

 

Entschließt sich ein Fahrzeuglenker, ohne die Gewißheit zu haben, daß die gesamte für das beabsichtigte Überholen, einer (noch dazu) aus 5 - 6 mehrspurigen Kraftfahrzeugen bestehenden Kolonne, erforderliche Wegstrecke nicht auf einer, durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichneten Straßenstrecke liegt, dennoch zum Überholen, so nimmt er damit die Möglichkeit des Überholens trotz bestehenden Überholverbotes, sohin die Tatbestandsverwirklichung nach §16 Abs2 lita StVO in Kauf, muß folglich die Begehung einer Verwaltungsübertretung nach §16 Abs2 lita StVO ernsthaft für möglich halten und findet sich damit ab, handelt demzufolge bedingt vorsätzlich.

 

Die vom Beschuldigten behauptete, vor Einleitung des Überholmanövers infolge sich beidseitig am Straßenrand befindlicher Laubbäume und einer als Blickfang wirkenden Höhenbeschränkungstafel gegebene, erschwerte Erkennbarkeit des Verbotszeichens vermag den Berufungswerber nicht zu entlasten, weil damit keine (unverschuldete) Unmöglichkeit des rechtzeitigen Erkennens des Verkehrszeichens dargetan wird.

 

Das Vorbringen, daß mangels hiezu erforderlichen Tiefenabstandes des noch vor Beginn des Überholverbotes überholten Fahrzeuges zum vor diesem fahrenden PKW mit ungarischem Kennzeichen ein Einreihen in die Fahrzeugkolonne unmöglich gewesen sei, und die Lenker dieser beiden Fahrzeuge die vom Beschuldigten mittels Fahrtrichtungsanzeigers angezeigte Absicht, sich in die Kolonne einordnen zu wollen, ignoriert haben, sodaß der Beschuldigte gezwungen gewesen sei, diesen an der Spitze der Kolonne fahrenden PKW im Überholverbotsbereich zu überholen, um sich einordnen zu können, ist nicht geeignet, einen Schuldausschließungsgrund (entschuldigender Notstand, notstandsähnliche Situation) darzulegen, weil diese Zwangslage vom Beschuldigten selbst herbeigeführt wurde, indem er trotz der mangelnden Gewißheit, daß für die gesamte, für das beabsichtigte Überholen der Kolonne in einem Zug erforderliche Wegstrecke kein Überholverbot besteht, mit dem Überholen begonnen hatte.

 

Der Beschuldigte hat somit den ihm zur Last gelegten Tatbestand auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht, der erstinstanzliche Schuldspruch erfolgte demnach zu Recht und war der Schuldberufung keine Folge zu geben.

 

2. STRAFBERUFUNG:

 

Die Schutzfunktion des §16 Abs2 lita StVO besteht nicht nur darin, einen gefahrlosen Gegenverkehr zu ermöglichen, sondern auch, alle Schäden zu verhindern, die beim Überholen und Wiedereinordnen entstehen können.

 

Bei der für den Wohnort des Beschuldigten zuständigen

Bezirkshauptmannschaft xy (Stand per 17.06.1994) und der Bezirkshauptmannschaft xx (Stand per 08.09.1994) bestehen keine den Beschuldigten betreffenden verwaltungsbehördlichen Vorstrafen.

 

Im bloßem Zugeben des Tatsächlichen kann kein, einem Geständnis gleichkommender Milderungsgrund gesehen werden.

 

Die Berufungsbehörde wertet mildernd die Unbescholtenheit, erschwerend die bedingt vorsätzliche Tatbegehungsweise.

 

Unter Bedachtnahme auf die in §19 VStG normierten Strafbemessungskriterien, somit im Hinblick darauf, daß der Beschuldigte durch sein rechtswidriges Verhalten den Schutzzweck der übertretenen Norm verletzt hat, der Unrechtsgehalt der Tat nicht unwesentlich ist, die Höchststrafe für das zur Last gelegte Delikt S 10.000,-- beträgt, sowie unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes, des Erschwerungsgrundes, des Verschuldensausmaßes, der allseitigen Verhältnisse des Beschuldigten (eigenen niederschriftlichen Angaben vom 14.07.1994 zufolge:

Bundesheeroffizier, monatliches Einkommen: ca S 16.000,--, keine

Sorgepflichten, Vermögen: 1 Wohnhaus) und general- und spezialpräventiver Erwägungen, ist die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe (ebenso wie die Ersatzfreiheitsstrafe) als tat- und schuldangemessen zu erachten.

 

Die Anwendung des §20 VStG (außerordentliche Milderung der Strafe) kam bei der, keine Mindestgrenze enthaltenden Strafdrohung nicht in Betracht.

 

Die Voraussetzungen des §21 VStG (Absehen von der Strafe) lagen aufgrund des sich aus der bedingt vorsätzlichen Tatbegehungsweise ergebenden, nicht geringfügigen Verschuldens nicht vor.

 

Der Strafberufung war daher der Erfolg zu versagen und waren der erstinstanzliche Straf-, folglich auch der Kostenausspruch vollinhaltlich zu bestätigen.

 

3. SONSTIGES:

 

Von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß §51e Abs2 VStG abgesehen werden.

 

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogenen Gesetzesstellen.

 

Sämtliche in dieser Entscheidung zitierten gesetzlichen Bestimmungen des AVG gelten gemäß §24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren und waren deshalb anzuwenden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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