TE UVS Steiermark 1996/04/01 30.4-18/96

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Veröffentlicht am 01.04.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung des Herrn R. H., St., vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. W. M., K., 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 29.11.1995, GZ.: A4-St 402/1-1994/301, wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG)Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Auf Grund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grundlage der in Anwesenheit des Berufungswerbers und unter Beiziehung der erforderlichen Zeugen am 1. April 1996 vorgenommenen, öffentlichen, mündlichen Verhandlung ergeben sich folgende Feststellungen:

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher

bezeichneten Straferkenntnis vom 29.11.1995 war über Herrn R. H. auf Rechtsgrundlage der §§ 4 und 30 der Marktordnung der Landeshauptstadt Graz i.V.m. § 368 Z 13 GewO 1994 eine Geldstrafe von S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 12 Stunden, verhängt worden, da er am 21.1.1994 das Kraftfahrzeug Mercedes mit dem Kennzeichen St 243.385 zumindest in der Zeit von 8.30 Uhr bis 9.00 Uhr auf dem Produzentenmarkt Graz/Lendplatz behindernd abgestellt gehabt hätte, obwohl auf allen Märkten und Gelegenheitsmärkten während der Marktzeiten das Fahren mit Fahrzeugen aller Art sowie das Halten und Parken verboten ist.

Dieser Strafvorwurf war ihm im Zuge des der im Straferkenntnis vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren der Erstinstanz in gleicher Weise vorgehalten worden.

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, in der der Sachverhalt grundsätzlich bestritten, die Einvernahme mehrerer Zeugen sowie die Durchführung eines Ortsaugenscheines beantragt und die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Straferkenntnisses in Zweifel gezogen wird.

Von seiten der Berufungsbehörde wurde sodann die durchzuführende Berufungsverhandlung mit Ladungsbescheiden vom 16.2.1996 für 1.4.1996 angeordnet, vor Durchführung der Berufungsverhandlung wurde vom zuständigen Senatsmitglied am 28.3.1996 ein Ortsaugenschein durchgeführt und dabei festgestellt, daß die einzelnen Marktflächen des Lendplatzes von

mehreren Seiten her befahren werden können und sowohl hinsichtlich der Zufahrts- als auch Abstellmöglichkeiten für Kraftfahrzeuge jeweils unterschiedliche Regelungen bestehen.

Anläßlich der Berufungsverhandlung erklärte der Berufungswerber nach Erörterung des bisherigen Verfahrensablaufes, insbesondere der anläßlich des Ortsaugenscheines des Verhandlungsleiters vom 28.3.1996 ermöglichten Feststellungen, er bzw. seine Familie würden den Produzentenmarkt am Lendplatz bereits seit Jahren aufsuchen, wobei jeweils die Zufahrt über die Marschallgasse in den Bereich des Lendplatzes so erfolge, daß jeweils im Bereich der Mündung der Mariahilferstraße gegenüber dem Haus Lendplatz 7 das Fahrzeug mit dem Anhänger abgestellt und nach dem Abladevorgang der Pkw an einen anderen Parkplatz gebracht würde. Dies sei auch am 21.1.1994 der Fall gewesen, das Fahrzeug sei vor dem Haus Lendplatz 7 abgestellt gewesen.

Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von

folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,

sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.

Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind.

Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde bzw. durchzuführen ist, ist gemäß § 51i VStG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet (Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens); weiters ist Zweck dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung als Teil des gemäß § 37 AVG durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung).

Gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat die Behörde

unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in Zusammenhalt mit den bereits erwähnten Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung der Verwaltungsstrafbehörde, den Sachverhalt von sich aus festzustellen, begründet als Folgewirkung die Tatsache, daß ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist.

Voraussetzung dafür wiederum ist eine entsprechende Beweissicherung bzw. die Möglichkeit, eine solche durchzuführen.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne

des § 32 leg cit vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung wie der verfahrensgegenständlichen beträgt sechs Monate, diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung.

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten

alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck

bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu

prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten stafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 12.5.1989, 87/17/0152). Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert unter anderem, daß sie sich auf alle, die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.

Eine Verfolgungshandlung unterbricht somit nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (VwGH 19.9.1984, Slg 11525A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt in Beziehung zur

vorgeworfenen Straftat stehende, wörtliche Ausführungen

erforderlich.

Gemäß der Bestimmung des § 368 Z 13 GewO 1994, die

dem Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses zugrundegelegt worden ist - im Sinne des § 1 Abs 2 VStG hätte dies die inhaltsgleiche Bestimmung des § 368 Z 16 GewO 1973 sein müssen - begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen ist, wer die gemäß § 293 erlassenen Marktordnungen nicht einhält. Gemäß § 30 Abs 1 und Abs 2 lit. a der Marktordnung der Landeshauptstadt Graz vom 16.9.1988 ist auf allen Märkten und Gelegenheitsmärkten während der Marktzeiten das Fahren mit Fahrzeugen aller Art sowie das Halten und Parken verboten, wobei die diesbezügliche Ausnahmebestimmung für den Bereich

des den landwirtschaftlichen Produzenten gewidmeten Marktteiles am Lendplatz auf die Zeit bis 8.00 Uhr früh und ab 12.00 Uhr mittags zum Zwecke der Beförderung, Be- und Entladung von Marktgegenständen gilt.

Im Zuge des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens der Erstinstanz wurde, wie im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis, der Ort der dem nunmehrigen Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung mit der Formulierung -auf dem Produzentenmarkt Graz/Lendplatz- umschrieben.

Aufgrund des durchgeführten Ortsaugenscheines, den in

der Berufungsverhandlung vorgebrachten Argumenten

sowie der laut Marktordnung 1988 bestehenden,

teilweise unterschiedlichen Rechtslage für das einen großen Bereich des Lendplatzes umfassende Marktgebiet ist festzustellen, daß das dem Berufungswerber vorgeworfene unbefugte Abstellen des von ihm verwendeten Kraftfahrzeug hinsichtlich des Tatortes nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44 a Z 1 VStG entspricht. Entsprechend der diesbezüglichen Judikatur ist an die Exaktheit der Tatortumschreibung ein verhältnismäßig strenger Maßstab anzulegen, die Umschreibung des Tatortes allein durch die genannte Formulierung ist nicht so eindeutig, wie es den diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen entsprechen müßte, da das vom Berufungswerber verwendete Kraftfahrzeug entsprechend dieser Tatortbeschreibung an vielen verschiedenen Stellen im Bereich des Lendplatzes abgestellt hätte werden können (vgl. VwGH 20.1.1986, 85/02/0231).

Dem Berufungswerber wurde im Zuge des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens der Erstinstanz somit nicht in entsprechend konkretisierter Weise vorgehalten, auf welchem Teil des Lendplatzes - nämlich vor dem Haus Lendplatz Nr. 7 - das von ihm verwendete Kraftfahrzeug, der Marktordnung widersprechend, abgestellt worden

sein soll; es ist daher festzustellen, daß von keiner, die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung, die zur Grundlage eines Verwaltungsstrafverfahrens hätte führen können, ausgegangen werden kann, sodaß (vgl. VwGH 25.2.1992, 91/04/0277) auch für die Berufungsbehörde keine Möglichkeit besteht, diese Verfahrensmängel des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz eventuell in Vollziehung der Bestimmungen des § 66 Abs 4 AVG nachzuholen. Eine Präzisierung des Tatortes durch die Berufungsbehörde könnte nur auf Grundlage der unbedenklichen Sachverhaltsannahmen der Behörde

erster Instanz erfolgen (vgl. VwGH 26.11.1985, 84/07/0399); da von der Erstinstanz die dem Konkretisierungsgebot entsprechende Tatortbeschreibung -vor dem Haus Lendplatz Nr. 7- nicht erfolgt ist, war somit im Sinne der angeführten, gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Marktordnung abstellen Tatort
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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