Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung der Frau Shahpar O vom 18.3.1996 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 7.3.1996, Zahl S 152274-D/95,
wegen Übertretung des § 20 Abs 2 StVO 1960, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Die Berufungswerberin hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last
gelegt, sie habe am 26.8.1995 um 9.47 Uhr in Wien, B-straße in Höhe Lichtmast D bei der Fahrt stadteinwärts als Lenkerin des Kombinationskraftwagens mit dem Kennzeichen W-34 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit sehr erheblich (laut Messung um 65 km/h) überschritten.
Wegen Übertretung des § 20 Abs 2 StVO 1960 wurde gemäß § 99 Abs 3 lit
a StVO 1960 eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) von S 5.000,-- (7
Tagen) verhängt und gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von S 500,-- (= 10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben. Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Grund der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung erwogen:
Im gegenständlichen Fall wurde der Berufungswerberin bereits in einem
vorangegangenen Straferkenntnis der Erstbehörde vom 19.12.1995, Zahl S 152274-D/95, mit derselben Tatzeit und demselben Tatort eine Übertretung des § 52 Z 10a iVm § 99 Abs 3 lit a StVO zur Last gelegt.
Mit Berufungsbescheid vom 4.3.1996, Zahl UVS-03/P/15/00465/96, hob der Unabhängige Verwaltungssenat Wien dieses binnen offener Frist angefochtene Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren ein, weil der Magistrat der Stadt Wien (MA 46) mitgeteilt hatte, daß der Verordnungsakt in Verstoß geraten sei, und ein nicht auffindbarer Verordnungsakt bewirke, daß nicht von der Existenz einer solchen Verordnung ausgegangen werden könne (siehe ua VwGH 16.9.1983, 83/02/0026, ZVR 1984/114). Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei somit die Bestrafung wegen Nichtbeachtung einer zu verordnenden Verkehrsmaßnahme (hier: einer Geschwindigkeitsbeschränkung) dann rechtswidrig, wenn - wie im gegenständlichen Fall - die diese Verkehrsmaßnahme tragende Verordnung nicht aufgefunden werden könne (siehe VwGH 24.4.1981, Zahl
02/3254/80).
Die Einstellung des genannten Verfahrens erfolgte somit aus rein formellen Gründen.
Auf Grund der Tatsache, daß der Verordnungsakt (nunmehr) in Verstoß geraten und somit (derzeit) nicht auffindbar ist, kann aber keinesfalls ohne jeden Zweifel als gesichert angesehen werden, daß am
Tatort zur Tatzeit nur die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h gegolten hätte. Außerdem darf nicht
unberücksichtigt bleiben, daß ja immerhin ein Verkehrszeichen gemäß §
52 Z 10a StVO 1960, das eine Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h erlaubte, vorhanden war, weshalb von einem dieses Verkehrszeichen passierenden Kraftfahrzeuglenker zu diesem Zeitpunkt nicht das Wissen
verlangt werden konnte, daß - sei es mangels (gesetzmäßiger) Verordnung, sei es mangels ordnungsgemäßer Kundmachung der Geschwindigkeitsbeschränkung, was beides erst in einem späteren Verfahren geprüft wird - nur die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h erlaubt sei, weil sich der Tatort zwar auf einer Autostraße, jedoch im Ortsgebiet von Wien befindet. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.