Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung des Herrn Ingo K vom 29.1.1995 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, vom 10.1.1995, Zahl Cst 3678-Ml/93, wegen Übertretung des § 36 lit e KFG 1967, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Mit Strafverfügung vom 3.6.1993, Zahl Cst 3678/ML/93, erkannte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Meidling, den
Berufungswerber schuldig, er habe "am 18.05.1993 um 16.40 Uhr in Wien, H-gasse das (mit dem) Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen W 50 als Zulassungsbesitzer nicht dafür gesorgt, daß am Fahrzeug eine den Vorschriften entsprechende Begutachtungsplakette (§ 57a Abs 5 und 6 KFG 1967) angebracht war", wodurch er eine Verwaltungsübertretung nach "§ 134 in Verbindung mit § 103 Abs 1 in Verbindung mit § 36 lit e" KFG 1967 begangen habe.
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber folgendes zur Last gelegt:
"Sie haben am 18.5.93 um 16.40 Uhr in Wien, H-gasse das KFZ W 50 abgestellt gehabt und fehlte an diesem Fahrzeug eine gültige Begutachtungsplakette."
Wegen Übertretung des § 36 lit e KFG wurde gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt und gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von S 100,--
(= 10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.
Der unabhängige Verwaltungssenat hat auf Grund der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung erwogen:
Die Verpflichtung zur Einhaltung des Gebotes des § 36 lit e KFG 1967 trifft zufolge § 102 Abs 1 erster Satz und § 103 Abs 1 erster Satz KFG 1967 sowohl den "Lenker" als auch den "Zulassungsbesitzer" eines Kraftfahrzeuges. Nach der erstzitierten Gesetzesstelle darf nämlich der Kraftfahrzeuglenker ein Kraftfahrzeug erst in Betrieb nehmen, wenn er sich, soweit dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, daß das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug und ein mit diesem zu ziehender Anhänger sowie deren Beladung den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprechen, während gemäß der zuletzt zitierten Bestimmung der Zulassungsbesitzer eines Kraftfahrzeuges oder eines Anhängers dafür zu sorgen hat, daß das Fahrzeug und seine Beladung den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Jeweils wesentliches Tatbestandsmerkmal für die Subsumtion einer Verwaltungsübertretung unter § 102 Abs 1 erster Satz oder § 103 Abs 1
erster Satz KFG 1967 (jeweils in Verbindung mit § 36 lit e leg cit) ist daher, in welcher Eigenschaft jemand gegen kraftfahrrechtliche Vorschriften verstoßen hat. Sowohl beim Tatbestand des § 102 Abs 1 als auch bei jenem des § 103 Abs 1 KFG 1967 ist die spruchgemäße Feststellung, daß der Beschuldigte "als Lenker" bzw "als Zulassungsbesitzer" zur Verantwortung gezogen wird, im Sinne des § 44a Z 1 VStG unerläßlich (vgl ua VwGH 9.12.1983, 82/02/0003; 22.2.1985, 85/18/0080).
Eine derartige konkrete Feststellung läßt der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses allerdings vermissen, wobei die Wendung "Sie haben ... das KFZ ... abgestellt gehabt" eher darauf hindeutet, daß der Berufungswerber als Lenker bestraft werden sollte.
Die Anzeige erfolgte jedenfalls gegen den Zulassungsbesitzer, was auch aus der Strafverfügung vom 3.6.1993 hervorgeht. Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis eine andere als die von ihm tatsächlich
begangene Verwaltungsübertretung vorgeworfen wurde, war dem unabhängigen Verwaltungssenat wegen der Gefahr einer unzulässigen Tatauswechslung die entsprechende Spruchabänderung verwehrt. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.