Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Rotter über die Berufung des Herrn Mag Siegfried S gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 4 - Referat 5, vom 30.10.1995, Zl MA 4/5-PA-137423/5/0, wegen Übertretung des Wiener Parkometergesetzes entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird die Berufung als verspätet zurückgewiesen.
Begründung:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber (Bw) zur Last gelegt, er habe das mehrspurige Kraftfahrzeug Mitsubishi mit dem behördlichen Kennzeichen W-83 am 21.3.1995 um
11.17 Uhr in Wien, J-Straße in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, da der Parkschein Nr 303606NR insoferne unrichtig entwertet gewesen sei, als er die Entwertungen 14.3.1995, 10.15 Uhr aufgewiesen habe. Demnach habe der Bw die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt und es wurde deswegen eine Geldstrafe von S 1.600,-- sowie für den Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 38 Stunden verhängt. Neben einer Begründung enthielt der bekämpfte Bescheid auch eine vollständige und richtige Rechtsmittelbelehrung.
Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw am 16.11.1995 durch Hinterlegung beim Postamt nach einem Zustellversuch vom 16.11.1995 zugestellt.
Gemäß § 17 Abs 3 ZustG begann die Berufungsfrist somit ab diesem Datum zu verstreichen und endete am 30.11.1995.
Am 3.12.1995 langte bei der Erstbehörde ein Telefax des Bw mit dem Text "Sehr geehrte(r) Empfänger(in), Ich erhebe Einspruch! Ich besitze ein Parkpickerl. Mit freundlichen Grüßen Mag Siegfried S" ein, das laut dem in der Folge von der Erstbehörde vorgelegten Übertragungsprotokoll von der Gegenstelle 43 1 402 96 80 (digitaler Anschluß) am 3.12.1995 um 23.28 Uhr übertragen wurde. Als Übertragungsdauer ist 1,23 Minuten für die zwei Seiten der Berufung (Deckblatt und Berufung) angegeben und als Ergebnis ein "OK" eingesetzt.
Da gemäß § 63 Abs 5 AVG die Berufungsfrist zwei Wochen beträgt und die per Telefax am 3.12.1995 bei der Erstbehörde eingelangte Berufung sich als verspätet darstellte, wurde dies dem Bw zur Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme gegeben. Weiters wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien das oben angeführte Übertragungsprotokoll des erstinstanzlichen Telefaxgerätes angefordert.
In einer persönlichen Vorsprache vom 14.3.1996 brachte der Bw nichts vor, was zu der Annahme eines Zustellmangels führen könnte, sondern führte aus, er habe das mit 29.11.1995 datierte Berufungsfax sicher auch an diesem Tag abgeschickt. Er halte es weiters für ausgeschlossen, daß er das Fax am 3.12.1995 um 23.28 Uhr abgesendet habe. Möglicherweise sei er zwischen dem späten Nachmittag des 1.12. und dem Abend des 3.12.1995 auswärts gewesen und erst Sonntag spät abends tatsächlich heimgekehrt, sodaß er nicht glaube, daß er an diesem Tag um 23.28 Uhr noch von dem in seinem Geschäft und nicht an der Wohnadresse befindlichen Telefaxgerät aus eine Berufung abgeschickt haben könnte. Er habe jedoch kein Sendeprotokoll, welches belegen könne, wann die Berufung tatsächlich abgesendet worden sei und es gebe hiefür auch keine Zeugen.
Am 18.3.1996 gab der Bw ergänzend bekannt, daß er sich die Zeitdivergenz zwischen dem von ihm geltend gemachten Absendezeitpunkt und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Übertragung an die Magistratsabteilung 4 - Referat 5 nur folgendermaßen erklären könne: Das verfahrensgegenständliche Faxgerät sei an einem Computer angeschlossen; er habe die Berufung am 29.11.1995 auf dem PC geschrieben und über den PC den Auftrag zur Absendung der Berufung über Fax an die Erstinstanz gegeben. Bei diesem Gerät werde kein Faxprotokoll ausgedruckt, sondern erscheine lediglich ein "OK" auf dem Bildschirm, das aber bald wieder verschwinde. Weiters habe das Fax eine "Wiederholungstaste": Wenn eine Sendung beim ersten Mal nicht übertragen werden könne, weil beispielsweise die Empfängernummer besetzt sei, werde die Übermittlung innerhalb eines kurzen Zeitraumes 10 mal neuerlich versucht; wenn auch dann die Übermittlung nicht funktioniere, versuche es das Faxgerät etwa alle 24 Stunden wieder. Wann im gegenständlichen Fall die Übermittlung tatsächlich zustandegekommen sei, habe der Bw nicht kontrolliert und könne er dazu auch keine Angaben mehr machen. Eine Rückfrage des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien bei der Post- und Telegrafendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland vom 15.3.1996 ergab, daß ein einmal abgesendetes Fax von der Post nirgends mehr zwischengespeichert wird, sondern vom Sender ohne zeitliche Verzögerung direkt an den Empfänger übermittelt wird; dieser Ablauf entspricht nach dieser Auskunft einem Telefonat. Der Sender kann bei Bedarf sein Fax unter anderem auch darauf programmieren, daß ein Fax erst zu einem späteren Zeitpunkt abgeschickt wird, darauf hat die Post aber keinen Einfluß. Es ist davon auszugehen, daß ein einmal vom Sender abgesendetes Telefax ohne zeitliche Verzögerung auch beim Empfänger einlangt und dort registriert wird.
Gemäß § 63 Abs 5 AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten. Diese Bestimmung ist gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden.
Gemäß § 13 Abs 1 AVG können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen soferne in den Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmt ist, bei der Behörde schriftlich oder soweit es der Natur der Sache nach tunlich erscheint mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Schriftliche Anbringen können nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden technischen Mittel auch telegraphisch, fernschriftlich, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingebracht werden.
§ 13 Abs 1 AVG ermöglicht somit die Einbringung der Berufung per Telefax. Die zugelassene Möglichkeit der Einbringung von Anträgen und Eingaben mittels Telefax kann jedoch nur nach Maßgabe der von den Behörden zur Verfügung gestellten technischen Möglichkeiten genutzt werden. Ein Recht auf Einbringung mit einer bestimmten Art der automationsunterstützten Datenverarbeitung ist aus § 13 Abs 1 AVG nicht abzuleiten.
Gemäß § 33 Abs 3 AVG werden die Tage des Postenlaufes in die Frist nicht eingerechnet. Für den Beginn des Postenlaufes ist maßgeblich, wann das Schriftstück von der Post in Behandlung genommen wurde (VwGH vom 12.9.1963, Slg neue Fassung Nr 6686/A). Es ist dabei somit allein entscheidend, wann das in Frage stehende Poststück (Brief, Telegramm etc) von der Post "in Behandlung" genommen wurde; es ist aber nicht wesentlich, wann die Zumittlung des Postgutes an die Behörde erfolgte, mit anderen Worten, wann das in Frage stehende Poststück bei der Behörde einlangte (VwGH vom 25.3.1994, Zl 92/17/0298).
Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Judikatur war also im gegenständlichen Fall zu überprüfen, wann das vom Bw mit 29.11.1995 datierte Telefax von der Post in Behandlung genommen wurde. Selbst wenn man den Angaben des Bw folgt, daß er den Faxbefehl bereits am 29.11.1995 und somit fristgerecht gegeben habe, so steht doch auf Grund des erstbehördlichen Faxprotokolles und der Auskunft der Post- und Telegrafendirektion für Wien fest, daß das Telefax mit der Berufung von der Post tatsächlich erst am 3.12.1995 um 23.28 Uhr durch die tatsächliche Übertragung in Behandlung genommen wurde. Daß vergebliche Anrufversuche (beispielsweise wegen eines besetzten oder nicht vorhandenen Anschlußes) als nicht "von der Post in Behandlung genommen" zu bewerten sind, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß im digitalen Telefonsystem OES der Post die Tarifierung erst mit dem Melden des gerufenen Teilnehmers einsetzt (siehe allgemeines Telefonbuch, Wien A-H, Ausgabe 1995/96 Seite I/38). Die Beauftragung eines mit einem Computersystem gekoppelten Faxgerätes mit der Absendung ist weiters dem Einwerfen eines Schriftstückes in einen Postkasten oder der Übergabe an einen Boten vergleichbar. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu ausgesprochen, daß in einem solchen Fall das Schriftstück, damit die Frist gewährt ist, am letzten Tag der Frist vor dem letzten am Briefkasten vermerkten Aushebezeit eingeworden werden muß (VwGH vom 7.5.1982, 91/04/0136) bzw daß die fristgerechte Übergabe des Schriftstückes durch einen Boten vom Absender zu überwachen ist (VwGH vom 27.6.1991, 90/06/0191).
Der Verwaltungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, daß auch für juristische Laien ohne weiters erkennbar ist, daß im Umgang mit Behörden und zur Wahrung der vom Gesetz normierten Fristen besondere Sorgfalt geboten ist (siehe VwGH vom 7.10.1993, Zl 93/01/0673). Weiters hat sich ein Berufungswerber zu vergewissern, ob bei der Einbringung einer Berufung per Telefax die Übertragung erfolgreich durchgeführt worden ist (s VwGH vom 24.8.1995, Zl 94/04/0013). Diesen Anforderungen höchstgerichtlichen Judikatur hat der Bw nicht entsprochen, indem er zugegebenermaßen niemals überprüfte, ob und wann das seine Berufung beinhaltende Telefax tatsächlich erfolgreich abgeschickt wurde; andernfalls wäre es ihm ja auch möglich gewesen, die Berufung fristgerecht auf anderem Wege einzubringen.
Die am 3.12.1995 tatsächlich übertragene Berufung wurde daher erst nach Ablauf der gesetzlichen und nicht erstreckbaren Berufungsfrist gemäß § 63 Abs 5 AVG eingebracht und somit verspätet, sodaß spruchgemäß zu entscheiden war und war dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien deshalb ein Eingehen auf die Berufungsausführungen verwehrt.
Gemäß § 51e Abs 2 VStG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.