TE UVS Steiermark 1996/04/16 30.3-92/95

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Veröffentlicht am 16.04.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Berufung des Herrn K. K., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 15.11.1995, GZ.: 15.1 1995/2057, wie folgt entschieden: Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zur Einstellung gebracht.

Text

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er sei "am 6.5.1995 um 14.25 Uhr stark alkoholisiert auf dem Gehsteig in unmittelbarer Nähe des Einganges zur Raiffeisenbank in V., C.v.H.-str. 5, gelegen und habe dadurch den öffentlichen Anstand verletzt. Das angeführte Verhalten widerspricht der herrschenden Sitte und hat die allgemein anerkannten Grundsätze der Schicklichkeit in der Öffentlichkeit verletzt" und habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 erster Fall Stmk. LGBl. 158/1975 begangen. Hiefür wurde gemäß § 3 Abs 1 leg. cit. eine Geldstrafe verhängt und gemäß § 64 VStG die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Behörde erster Instanz vorgeschrieben. Aufgrund des Vorbringens in der Berufung, der Berufungswerber habe zum Tatzeitpunkt einen Kreislaufkollaps erlitten, wurde in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16. April 1996 der ärztliche Sachverständige, Herr Dr. Egon Skalka, 8010 Graz, Plüddemanngasse 96, beigezogen, der zur Frage, ob beim Berufungswerber zum Tatzeitpunkt ein Kreislaufkollaps bzw. eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand vorlag, nachfolgendes Gutachten abgab:

"Folgt man den Feststellungen der sistierenden Gendarmeriebeamten zum Erscheinungsbild des Berufungswerbers zur Tatzeit am 6.5.1995 gegen 14.25 Uhr, so boten sich den Beamten ein Verhalten wie bei einer typisch sehr stark alkoholisierten Person.

Der Berufungswerber sei am Gehsteig liegend offenbar schlafend (mit geschlossenen Augen) angetroffen worden, war leicht weckbar und kam den Aufforderungen der Gendarmeriebeamten nur zögernd nach, wobei er typische starke Trunkenheitssymptome wie eine lallende Aussprache und einen stark schwankenden Gang aufwies. Blutspuren und Schwellungen am Kopf, insbesondere im Nasen-Mund-Bereich seien nicht auffällig gewesen, sowie konnten bei oberflächlicher Betrachtung von dem Beamten beim Berufungswerber keine Anzeichen einer äußeren Gewalteinwirkung festgestellt werden. Seine Haut sei nicht auffallend blaß und auch nicht auffallend schweißbedeckt gewesen. Des weiteren habe der Berufungswerber kein Zeichen einer Atemstörung aufgewiesen und habe er auch nicht anfallsartig gehustet. Schaum im Mundbereich sei keiner vorhanden gewesen. Hinweise auf einen Krampfanfall konnten von den Beamten auch nicht beobachtet werden. Der Betretene hatte nicht über Übelkeit, Brechreiz, Lufthunger, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen oder ähnliches geklagt, weder im Liegen, noch beim Gehen und habe er dann in weiterer Folge freistehend gegen einen Holzzaun uriniert. In seinem Berufungsschreiben äußert der Berufungswerber, zur gegenständlichen Tatzeit bewußtlos gewesen zu sein und einen Kreislaufkollaps erlitten zu haben.

Diskussion und Stellungnahme zum vorgelegenen Erscheinungsbild des Berufungswerbers:

Diesbezüglich gibt es viele Ursachen einer passageren Bewußtlosigkeit. So können akute Störungen des Bewußtseins cerebral (durch Verletzungen, Durchblutungsstörungen etc.), metabolisch (z. B. durch Leberversagen, Nierenversagen, Lukosestoffwechselstörung) und exogen - topsisch (z. B. durch Vergiftungen) bedingt sein. Daneben führen unter anderem auch eine Herzkreislaufinsuffizienz oder eine respiratorische Insuffizienz - wenn sie stärker ausgeprägt sind - zu einer signifikanten Bewußtseinsstörung.

Im vorliegenden Fall wird vom Berufungswerber ein Kreislaufkollaps postuliert, wobei die Leitsymptomatik eines sogenannten vasovagalen bzw. eines orthostatischen Kollaps, eine kurzfristige Bewußtlosigkeit ist. Ursache ist eine beträchtliche Volumenverschiebung des Blutes, welches vor allem in die unteren Extremitäten versackt. Der Blutdruck fällt ab, der Puls steigt an und die Gehirndurchblutung sinkt. Diese Mangeldurchblutung des Gehirns kann zu einer Bewußtseinseintrübung führen, wobei im Liegen die Zirkulation noch zumeist kompensiert werden kann, infolge ungenügender Gegenregulation durch den Sympathikus aber der Abfall des arteriellen Druckes im Stehen oder Sitzen dramatisch zunehmen würde.

In Anbetracht der Gefährdung des Patienten durch einen sich entwickelnden Schock ist daher die liegende Position mit Hochlagerung der Beine für die Durchblutung vor allem des Gehirns hämodynamisch am günstigsten. Es ist einer schockgefährdeten Person somit nicht möglich sich selbständig - auch nach mehren Versuchen - sogleich in eine aufrechte Position zu begeben, da wie schon oben erwähnt die Kollapssymptomatik in aller Regel wieder zunehmen würde. Daneben finden sich noch in den allermeisten Fällen bei kollabierenden oder kollapsgefährdeten Personen eine deutlich Begleitsymptomatik wie Übelkeit, Schwindel und Brechreiz sowie Schweißausbrüche und - infolge der einsetzenden Gegenregulation mit Vasokonstriktion der Hautgefäße - eine auffallende Blässe. Zusammenfassend kann nach Analyse des Sachverhalts und unter Zugrundelegung der Zeugenaussagen zum Erscheinungsbild des Berufungswerbers und dessen zeitlichen Verlauf, attestiert werden, daß zur Tatzeit beim Berufungswerber keine Zeichen oder Hinweise einer akuten oder drohenden Störung der Vitalfunktionen vorlagen, weder die Atemfunktion, noch die Herz-Kreislaufsituation oder die Bewußtseinslage betreffend. Insbesondere ist ein sogenannter Kreislaufkollaps mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen, da es dem Berufungswerber aus den oben angeführten Gründen nicht möglich gewesen wäre, auch nach mehreren Versuchen und unter fremder Mithilfe aus der liegenden Position aufzustehen und sich in weiterer Folge ohne fremde Hilfe fortzubewegen. Auch hätte eine kollabierte Person selbstverständlich über die oben beschriebenen Sensationen wie z. B. Übelkeit und Schwindel Klage geführt. Das beschriebene Erscheinungsbild erfüllt alle typischen psychopathologischen Kriterien eines hochgradigen Alkoholrausches. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lag zur Tatzeit eine Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand vor, insbesondere, wenn man berücksichtigt, daß zu dieser Zeit der Berufungswerber teilverwirrt war und sich nicht einmal verständlich artikulieren konnte. Es war auch ein sinnvoller Kontakt mit ihm aus diesen Gründen nicht möglich."

Aufgrund dieses ärztlichen Gutachtens steht für die erkennende Behörde fest, daß ein Kreislaufkollaps des Berufungswerbers zum Tatzeitpunkt auszuschließen ist. Sehr wohl lag jedoch ein die Zurechnungsfähigkeit ausschließender Rauschzustand des Berufungswerbers vor und würde dies eine Übertretung nach § 83 Abs 1 Sicherheitspolizeigesetz nach sich ziehen. Versetzt sich nämlich jemand in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand und verwirklicht in diesem Zustand den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung - in concreto die des § 1 erster Fall Stmk. LGBl. 158/1975 -, so kann er nicht wegen dieser spezifischen Verwaltungsübertretung bestraft werden, da gemäß § 3 Abs 1 VStG "nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinstörung ....... unfähig war, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln". Ersatzweise pönalisiert § 83 SPG die "Begehung einer Verwaltungsübertretung in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand". Dem Täter wäre demnach vorzuwerfen gewesen, einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand - zumindest fahrlässig - herbeigeführt und in diesem Zustand eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben. Da somit zum Tatzeitpunkt beim Berufungswerber weder die Dispositionsfähigkeit, noch die Diskretionsfähigkeit vorlag, war dem Berufungsantrag Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.

Schlagworte
Anstandsverletzung Rauschzustand Zurechnungsfähigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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