Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. H. T. über die Berufung des Herrn P. B, geb. am 28.04.1955, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W. und Dr. M. R., F.gasse 20, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 12.11.1993, GZ.: 15.1 1993/3432, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe sowie in deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzarreststrafe wegen einer Übertretungen der Bauarbeiterschutzverordnung
verhängt. Dies in der Eigenschaft als verantwortlicher Beauftragter der Fa. Ing. M.GesmbH. mit dem Sitz in B.
G.
In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung weist der Berufungswerber darauf hin, daß nicht er, sondern Ing. R. zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 VStG (als Verantwortlicher für den sachlichen Zuständigkeitsbereich Kanalbau) für die gegenständliche Kanalbaustelle bestellt worden sei. Dadurch, daß Ing. R. für die strafgegenständliche Baustelle verantwortlich sei und die über ihn verhängte Strafe bereits bezahlt hat, könne nicht auch der Berufungswerber zur Verantwortung gezogen werden.
Die gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständige Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgender Überlegung ausgegangen:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde,
sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den
angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung
abzuändern.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt anhand der erstinstanzlichen Akten und der durchgeführten öffentlichen, mündlichen Verhandlung, welche zum Fall UVS 30.7-59/94 abgehalten wurde und die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers im Jahre 1993 zum Inhalt hatte (die Verfahrensergebnisse durften kraft Zustimmung der Verfahrensparteien auch hier Verwendung finden), folgenden Sachverhalt fest:
Die im Spruch des Straferkenntnisses angeführte Übertretung wurde vom zuständigen Arbeitsinspektor anläßlich einer Baustellenkontrolle am 07.07.1993 festgestellt. Der Anzeige, in der die Übertretung festgehalten ist, waren die Bestellungsurkunden zum verantwortlichen Beauftragten vom 19.05.1993 sowohl des F. R. als auch des Berufungswerbers beigelegt. Die von den jeweiligen Bauleitern auch durch Unterschrift zur Kenntnis genommene Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten beinhaltet jeweils den sachlichen Zuständigkeitsbereich für alles, hingegen im örtlichen Zuständigkeitsbereich eine Unterscheidung. Während F. R. im örtlichen Bereich für den Wasserleitungs- und Kabelbau, Kanalbau Außenanlagen zuständig gemacht wurde, ist in der Bestellungsurkunde zum verantwortlichen Beauftragten des Berufungswerbers Kanal- und Kläranlagenbau angeführt. Aus der Strafanzeige ist des weiteren zu entnehmen, daß es sich bei der beanstandeten Baustelle um eine Kanalbaustelle in Schwanberg gehandelt hat. Nach Erlassung einer Strafverfügung, gegen welche der Berufungswerber Einspruch erhob, teilte der Berufungswerber bei einer persönlichen Vorsprache aufgrund des Ladungsbescheides vom 31.08.1993 der belangten
Behörde mit, daß nicht er, sondern F. R.für die gegenständliche Baustelle der verantwortliche Bauleiter sei. Er habe mit dieser Baustelle in Sch.nichts zu tun. Nach Abgabe einer Stellungnahme durch das Arbeitsinspektorat als mitbeteiligter Partei und neuerlicher Vorsprache des Berufungswerbers vor der belangten Behörde, bei der er seine Rechtfertigung wiederholte, erließ die belangte Behörde das angefochtene Straferkenntnis.
Die Baustelle Kanal Sch. wurde bereits Anfang April 1993 in Angriff genommen. Die Bauleitung übernahm F. R., der hiefür keine eigene Erklärung im Sinne einer Verantwortungsübertragung unterschrieb. Am 19. 5. 1993 wurden sowohl vom Berufungswerber als auch von F. R. Erklärungen betreffend die Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten unterschrieben, welche am 26. 5. 1993 beim Arbeitsinspektorat einlangten und keine örtliche Zuordnung von Baustellen beinhalteten. Die späteren Bestellungurkunden, welche auf bestimmte Baustellen bezug nehmen, stammen aus dem Jahre
1994 und sind für das gegenständliche Verfahren nicht von Belang.
Die Firmenhierarchie in der M. Gesellschaft mbH. war so aufgebaut, daß an oberster Stelle der Firmenchef, Ing. F., auftrat, dem die Abteilungsleiter für den Tief- und Hochbau sowie für kaufmännische Belange unterstellt waren. Diesen waren im Bereich Tiefbau (Kanalbau) die Bauleiter, so auch der Berufungswerber und F. R.
untergeordnet. Der Berufungswerber und F. R. standen zueinander nicht in Über- und Unterordnung, sondern galten als gleichberechtigte Bauleiter. Bei der Arbeitseinteilung wurden zum Anboterstellen die Bauleiter herangezogen, welche im Falle der Auftragserteilung durch den Bauherrn auch die weitere Abwicklung der Baustelle vorzunehmen hatten, und zwar von der Projektierung bis zur Endabrechnung. Zwischen den beiden Tiefbauleitern, dem Berufungswerber und F. R., war keine selbständige Vertretungsbefugnis eingeräumt oder verordnet, sondern erfolgte im Bedarfsfall eine ausdrückliche Vertretungsverfügung durch den Firmenchef. Auf der strafgegenständlichen Baustelle war als ausschließlicher Bauleiter F. R. der Verantwortliche. Der Berufungswerber hatte weder mit der Abwicklung der Bausache noch mit der Baustelle vorort irgendetwas zu tun.
Der somit ermittelte Sachverhalt ergibt sich aufgrund der
glaubwürdigen und schlüssigen Angabe des
einvernommenen Zeugen R., welche mit den Angaben
des Berufungswerbers vor der belangten Behörde im Einklang stehen.
Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:
Gemäß § 9 des Verwaltungsstrafgesetzes ist für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist, sofern nicht verantwortliche Beauftragte bestellt worden sind. Dabei sieht § 9 Abs 2 letzter Satz VStG vor, daß für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens aber auch andere Personen zum verantwortlichen Beauftragten bestellt werden können, die nicht zur Vertretung nach außen berufen sind. Dabei fordert Abs 4 leg. cit., daß zum verantwortlichen Beauftragten nur eine Person mit Wohnsitz im Inland bestellt werden kann, die auch strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 19.04.1995, GZ: 94/02/0470, festgestellt hat, bedarf es zur Rechtswirksamkeit einer Verantwortungsübertragung im Sinne des § 9 VStG, daß die Bestellungen (Namhaftmachungen von verantwortlichen Beauftragten) keine Zweifel über den Umfang der Übertragung der Verantwortlichkeit offenlassen. Eine solche eindeutige und zu keinen Zweifeln anlaßgebende Umschreibung des Verantwortungsbereiches liegt darüber hinaus nur dann vor, wenn für die, in räumlicher, sachlicher und allenfalls auch zeitlicher Hinsicht abgegrenzte, verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit immer nur eine von vornherein feststehende Person in Betracht kommt. Wird von der Möglichkeit der Verantwortungsübertragung Gebrauch gemacht, dann
kann für ein- und denselben Verantwortungsbereich nur ein verantwortlicher Beauftragter bestellt werden. Diese klare vom Gesetz her geforderte Definition des Verantwortungsbereiches ist jedoch dann nicht gegeben, wenn aufgrund überlappender Verantwortungsbereiche mehrere Personen nebeneinander und wiederum auch kumulativ für einen bestimmten Verstoß gegen eine Verwaltungsvorschrift bestraft werden können. Der Verwaltungsgerichtshof kommt daher diesfalls zum Ergebnis, daß die unterscheidungslose Übertragung der Verantwortlichkeit für die Einhaltung sämtlicher Dienstnehmerschutzbestimmungen auf verschiedene Arbeitnehmer für denselben Verantwortungsbereich nicht rechtswirksam ist.
Genau dies liegt im vorliegenden Fall vor: Sowohl der Berufungswerber als auch F. R. wurden für die Bereiche Kanalbau (ohne Bezug zu einer örtlichen Abgrenzung) zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 23 Abs 1 ArbIG iVm § 9 VStG bestellt. Aus der Mitteilung des Arbeitsinspektorates geht hervor, daß eine konkrete individuelle örtliche Baustellenzuordnung zu einem der beiden verantwortlichen Beauftragten nicht erfolgt ist. Es handelt sich hier um eine Kanalbaustelle, sodaß aufgrund der einander - für den gegenständlichen Verantwortungsbereich Kanalbau - wortgleichen Verantwortungsübertragungen nicht klar hervorkommt, wer von diesen beiden bestellten Personen zum verantwortlichen Beauftragten gemacht wurde. Es liegt somit in Anlehnung an das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes keine klare Verantwortungsübertragung vor, weshalb diese Bestellungsvorgänge keine Rechtswirksamkeit entfalten konnten. Dies bedeutet aber auch, daß der Berufungswerber für die gegenständliche Übertretung nicht verantwortlich im Sinne des § 9 VStG sein konnte. Aber auch eine eventuelle subsidiäre Verantwortlichkeit im Sinne eines Bevollmächtigtenverhältnisses nach § 31 Abs 2 Arbeitnehmerschutzgesetz ist nicht
hervorgekommen (s. VwGH vom 22.02.1996, Zl. 95/11/0302, wonach in einer rechtsunwirksamen Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten eine Bestellung zum Bevollmächtigten liegen kann). Dies deshalb, da der Berufungswerber - so auch seine Verantwortung vor der Erstbehörde - auf der Baustelle selbst nie tätig geworden ist und nicht ihm, sondern ausschließlich F. R. die Verantwortung für diese konkrete Baustelle übertragen worden war, der sich im übrigen auch im Verfahren, welches gegen ihn vor der belangten Behörde stattfand, verantwortlich zeigte.
Da somit dem Berufungswerber weder als
verantwortlicher Beauftragter noch als Bevollmächtigter die Verantwortlichkeit für die gegenständliche Übertretung trifft, war die von der belangten Behörde ausgesprochene Strafe zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung zu bringen.