TE Vfgh Erkenntnis 1998/11/30 B2839/97, B2840/97

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Veröffentlicht am 30.11.1998
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
Tir GVG 1996 §6 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs mangels Selbstbewirtschaftung

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 8. Jänner 1996 erwarb der Beschwerdeführer zu B2839/97 eine 3.379 m2 große land- und forstwirtschaftlich genutzte Teilfläche von der Beschwerdeführerin zu B2840/97. Die Bezirks-Grundverkehrskommission der Stadtgemeinde Innsbruck versagte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 16. Juli 1996 gemäß §§6 Abs1 und 7 Abs1 lita i.V.m. §4 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz, LGBl. für Tirol 82/1993, ihre Zustimmung.

2. Die gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufungen der Beschwerdeführer wurden von der Landes-Grundverkehrskommission (s. §28 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 61/1996 idF der Novelle LGBl. für Tirol 59/1997 - im folgenden: GVG 1996) beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 8. September 1997 als unbegründet abgewiesen, da die Voraussetzungen des §6 Abs1 GVG 1996 nicht erfüllt seien. Der Käufer verfüge lediglich über Grundflächen im Ausmaß von 2.800 m2, sodaß die geforderte Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis auch unter Einbeziehung der nun zu genehmigenden Fläche nicht sichergestellt sei.

3. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof, mit denen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässigen - in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO i.V.m. §35 Abs1 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:

1.1. Es ist unbestritten, daß das den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Grundstück als landwirtschaftlich im Sinne des §2 Abs1 GVG 1996 zu qualifizieren ist und demnach den Bestimmungen dieses Gesetzes unterliegt. Der durch den Kaufvertrag beabsichtigte Eigentumserwerb bedarf deshalb zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß §4 Abs1 lita leg.cit. Eine solche Zustimmung darf gemäß §6 Abs1 lita GVG 1996 nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Nach §6 Abs1 litb bis d leg.cit. ist bei Nichtvorliegen der dort näher umschriebenen Voraussetzungen die Zustimmung zum Rechtserwerb zu versagen.

1.2. Der angefochtene Bescheid stützt sich vor allem auf §6 Abs1 GVG 1996, wonach bei einem Rechtserwerb im Sinne des §4 leg.cit. die Genehmigung nur erteilt werden darf, wenn gewährleistet ist, daß die land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücke grundsätzlich vom Erwerber selbst im Rahmen eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes bewirtschaftet werden.

Die Beschwerden bringen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides, insbesondere auch nicht gegen die zuletzt genannten Bestimmungen vor. Auch beim Verfassungsgerichtshof sind solche nicht entstanden (zur vergleichbaren Rechtslage des GVG 1983 VfSlg. 11413/1987, 11790/1988, 12985/1992, 13863/1994).

1.3. Im Hinblick darauf ist es ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

2.1. Zu den behaupteten Verletzungen in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten bringen die Beschwerdeführer im wesentlichen vor, der Vollzug der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesbestimmungen sei willkürlich und die Rechtsanwendung sei im höchsten Maße fehlerhaft erfolgt. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sei deswegen gegeben, weil die Verweigerung der Genehmigung grob unrichtig bzw. die Bescheidbegründung mit faktischer Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen sei. Weiters habe die belangte Behörde eine Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis durch den Erwerber nicht für gewährleistet erachtet. Sie gehe unzutreffend davon aus, daß bei einem Flächenausmaß von 2.800 m2 unter Einbeziehung des zugekauften Grundstückes von zusätzlich 3.379 m2 eine Betriebsbasis im Sinne des GVG 1996 nicht möglich sei.

2.2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 8428/1978, 9127/1981) nur vorliegen, wenn die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere i.V.m. einem Ignorieren des Parteivorbringens oder einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980, 10338/1985, 11213/1987, 12985/1992).

2.3. Dies ist aber der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, ist doch der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstandendes Ermittlungsverfahren vorausgegangen.

Der Bescheid kann sich daher verfassungsrechtlich unbedenklich auf den Akteninhalt und den ermittelten Sachverhalt stützen. Über Sachverhalt und Akteninhalt bestehen im wesentlichen zwischen belangter Behörde und Beschwerdeführer auch keine Divergenzen; vielmehr betreffen die Meinungsunterschiede die rechtliche Würdigung des gesamten Sachverhaltes. Daß dieses Ergebnis aus der Sicht der Beschwerdeführer unbefriedigend sein mag, indiziert nicht willkürliches Verhalten der belangten Behörde (VfSlg. 13165/1992, 13385/1993, 13937/1994). Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist das Ausmaß des Eigengrundes im Hinblick auf §6 GVG 1996 wesentlich, ist doch Gesetzeszweck die Schaffung und Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Besitzes, wobei der Gerichtshof den Erwerb von rund 2,3 ha als nicht ausreichend erachtete (s. zu vergleichbaren Regelungen des GVG 1983 VfSlg. 12463/1990, 12985/1992, 13761/1994). Der Beschwerdeführer bewirtschaftet lediglich einen Garten im Ausmaß von 2.800 m2 und verfügt neben dem vorangeführten Grundstück über keine land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Unter diesen Umständen kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie nicht als gesichert annahm, daß Grundflächen im dargestellten Ausmaß nicht die Kriterien einer Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis zu erfüllen vermögen.

2.4. Die Beschwerdeführer wurden somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.5. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnten die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. VfSlg. 10370/1985, 11635/1988, 12984/1992).

2.6. Wie oben ausgeführt, hat die belangte Behörde, indem sie die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung damit begründete, daß eine Selbstbewirtschaftung auf Betriebsbasis durch den Beschwerdeführer nicht gewährleistet sei, das Gesetz nicht so fehlerhaft ausgelegt, daß die Fehlerhaftigkeit mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

2.7. Die Beschwerdeführer sind daher durch den angefochtenen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären.

4. Ob aber der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. dazu insbesondere §28 GVG 1996 sowie Art20 Abs2 B-VG) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9.454/1982, 10565/1985, 10659/1985, 12823/1991, 12987/1992, 13459/1993).

III. 1. Die Beschwerden waren

deshalb als unbegründet abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Selbstbewirtschaftung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2839.1997

Dokumentnummer

JFT_10018870_97B02839_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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