Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Berufung des Herrn J. A., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 20.11.1995, GZ.: 15.1 1994/2998, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 200,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe "am 3.12.1994 gegen 16.45 Uhr den Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen LZ - 1 JLZ auf der B 65 in G., Bezirk Fürstenfeld in Fahrtrichtung Fürstenfeld gelenkt und haben auf Höhe der Raika in G. ca. auf Höhe Strkm. 49,000, auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen 'Überholen verboten' gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug (Pkw) überholt" und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs 2 lit. a Straßenverkehrsordnung 1960 (im folgenden StVO) begangen. Hiefür wurde gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und gemäß § 64 VStG die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz mit S 100,-- vorgeschrieben. Von einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 51 e Abs 2 VStG abgesehen, da nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird und im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde. Gemäß § 16 Abs 2 lit. a StVO darf außer in den im Abs 1 angeführten Fällen der Lenker eines Fahrzeuges mehrspurige Kraftfahrzeuge auf Straßenstrecken, die durch das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet sind, nicht überholen; es darf jedoch überholt werden, wenn rechts zu überholen ist. Die dem Berufungswerber zur Last gelegte Verwaltungsübertretung ist aufgrund der Zeugenaussage des Herrn M. B. vor der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 30.3.1995 erwiesen. Aus der Aussage geht eindeutig hervor, daß der Berufungswerber den Pkw, Kennzeichen X, auf der B 65 auf Höhe der Raika in G. überholte. Laut Auskunft der Straßenmeisterei Fürstenfeld befindet sich die Raika in G. auf Höhe Strkm. 49,000. Die Behauptung des Berufungswerbers, er könne sich an keinen Überholvorgang mehr erinnern, stellt sich somit im Hinblick auf die konkrete Darstellung des Zeugen als reine Schutzbehauptung dar. Der Berufungswerber sieht jedoch eine unrichtige, rechtliche Beurteilung darin, daß ihm erst im Straferkenntnis der belangten Behörde vorgeworfen wurde, einen "Pkw" überholt zu haben. Dies sei ihm während der Verfolgungsverjährungsfrist nicht vorgeworfen worden. Da aus der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 20.1.1994 eine Ausnahme in der Richtung vorgesehen sei, daß Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen überholt werden dürften, sei der innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist erhobene Vorwurf, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt zu haben, zu wenig konkretisiert. Dem ist entgegenzuhalten, daß einer ein Verbot einschränkenden Zusatztafel bei Beurteilung der Frage, ob gegen dieses Verbot verstoßen wurde, lediglich dann Bedeutung zukommen kann, wenn sich ein Beschuldigter mit der für ihn geltenden Ausnahmeregelung verantwortet oder diese nach der Aktenlage offenkundig ist, sodaß die Anbringung dieser Zusatztafel und ihre von der Behörde angenommene Nichtgeltung für den Beschuldigten auch nur unter einer dieser Voraussetzungen ein wesentliches Sachverhaltselement, auf das daher auch im Rahmen der gegenüber dem Beschuldigten gesetzten Verfolgungshandlung Bedacht zu nehmen ist, darstellt (VwGH 14.9.1984, 83/02/0549; 30.9.1993, 93/18/0239). Der Berufungswerber hat sich während des gesamten Verwaltungsstrafverfahrens nur darauf berufen, sich nicht mehr an den Überholvorgang erinnern zu können, ohne konkret einzuwenden, ein Fahrzeug, das unter die Ausnahmebestimmung fällt, überholt zu haben. Die durch die Zusatztafel zum Ausdruck kommende Ausnahmeregelung konnte daher unter Zugrundelegung der konkreten Situation keinerlei Rechtswirkungen für den Berufungswerber nach sich ziehen und lag somit eine taugliche Verfolgungshandlung vor. Zudem wird noch innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist durchgeführten Zeugeneinvernahme des Herrn M. B. verwiesen, aus der aufgrund der Angabe des Kennzeichens des Fahrzeuges einwandfrei feststand, daß es sich aufgrund der Bezeichnung seines Kraftfahrzeuges durch Angabe der Kennzeichentafel um einen Pkw gehandelt hat (siehe auch Anzeige des GPK Fürstenfeld vom 3.12.1994). Den weiteren Vorbringen des Berufungswerbers kann nur insoweit zugestimmt werden, daß die Verbotstafel und die Zusatztafel laut Judikatur des Verfassungsgerichtshofes eine Einheit bilden. Wenn der Berufungswerber jedoch vermeint, daß die Zusatztafel gemäß § 54 Abs 4 lit. b StVO ausdrücklich in der Verordnung zu bezeichnen gewesen wäre, so kann dem nicht gefolgt werden. Aus der im Akt aufliegenden Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld vom 20.1.1994, GZ.: 11.0 G 2-93, wird im Punkt 2 nachfolgendes angeführt:
"Für beide Fahrtrichtungen wird das Überholen gemäß § 52 a lit 4 a und 4 b StVO 1960 von Strkm. 47,905 an und weiter durch das gesamte Ortsgebiet von G.-dorf bis Strkm. 49,355 verboten, ausgenommen Zugmaschinen, Motorkarren und selbstfahrende Arbeitsmaschinen gemäß § 54 Abs 5 Z 1 StVO 1960". Gemäß § 51 Abs 1 der 19. StVO-Novelle vom 1. Oktober 1994, BGBl. 1994/518, wird für die Gültigkeit eines Überholverbotes oder einer Geschwindigkeitsbeschränkung für eine Straßenstrecke von mehr als 1 km normiert, daß bei den betreffenden Vorschriftszeichen die Länge der Strecke mit einer Zusatztafel nach § 54 Abs 5 lit. b leg. cit. anzugeben ist, wenn es die Verkehrssicherheit erfordert; dies gilt für allfällige Wiederholungszeichen sinngemäß. Die erkennende Behörde geht daher aufgrund des Verordnungstextes, aus dem die Länge des Überholverbotes in eindeutiger Weise hervorgeht, davon aus, daß eine expressis verbis Anführung einer Zusatztafel im Sinne des § 54 Abs 4 lit. b StVO im Verordnungstext selbst nicht mehr notwendig ist, da bereits die Straßenverkehrsordnung (§ 51 Abs 1 StVO) die Anbringung einer derartigen Zusatztafel bei Straßenstrecken von mehr als 1 km vorschreibt und aufgrund der angegebenen Länge des Überholverbotes (durch Kilometrierung) in der Verordnung dem Erfordernis Rechnung getragen wurde. Die Straßenmeisterei Fürstenfeld teilte am 30. August 1995 der belangten Behörde mit, daß das Überholverbot mit der Zusatztafel "1500 m" im Sinne des § 54 Abs 4 lit. b StVO am Beginn des Überholverbotes (km 47,912) am 25. April 1994 aufgestellt wurde. Ein Wiederholungszeichen im Sinne des § 51 Abs 1 leg. cit. wurde bei km 48,660 rechts ebenfalls am 25.4.1994 aufgestellt. Da das Überholmanöver des Berufungswerbers ca. 350 m nach dem Wiederholungszeichen durchgeführt wurde, wäre es ihm durchaus zumutbar gewesen, sich noch an das Überholverbot zu erinnern. Da zwischen dem Wiederholungszeichen (km 48,660) und dem Ende des Überholverbotes (km 49,355) eine Straßenstrecke von weniger als 1 km besteht, konnte von einer Zusatztafel nach § 54 Abs 5 lit. b StVO beim Wiederholungszeichen abgesehen werden. Die erkennende Behörde kann daher die rechtlichen Erwägungen des Berufungswerbers und die daraus gezogene Schlußfolgerung, daß das Überholverbot für ihn keine rechtliche Existenz entfalten könne und daher nicht zu beachten gewesen wäre, nicht teilen.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Bestimmungen des § 16 StVO 1960 über die Überholverbote dienen im hohen Maße der Verkehrssicherheit, da sie eine Gefährdung oder Behinderung der übrigen Straßenverkehrsteilnehmer aufgrund eines vorschriftswidrigen Überholmanövers vermeiden sollen. Der Berufungswerber hat dadurch, daß er in einem gesetzlich gekennzeichneten Überholverbot einen mehrspurigen Pkw überholte, gegen den Schutzzweck der Norm verstoßen.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG war noch zu prüfen, ob Erschwerungs- und Milderungsgründe vorliegen, bei deren gegenseitiger Abwägung eine Strafmilderung möglich wäre.
Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit bei der Strafbemessung gewertet, wobei der Milderungsgrund jedoch zu keiner Strafreduzierung führte, da die verhängte Strafe ohnedies sich im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens bewegt (bis S 10.000,--). Da der Berufungswerber keine Angaben über sein Einkommen machte, wurde bei der Strafbemessung von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 15.000,-- ausgegangen, der Vermögenslosigkeit und von einer Sorgepflicht für vier Kinder. Die verhängte Strafe ist auch in Anbetracht dieser Umstände als angemessen anzusehen.
Aus oben angeführten Gründen konnte daher dem Antrag des Berufungswerbers "der Unabhängige Verwaltungssenat für das Bundesland Steiermark wolle der Berufung Folge geben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Einstellung bringen" nicht stattgegeben werden.