TE UVS Steiermark 1996/04/22 30.11-132/94

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Veröffentlicht am 22.04.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung der Frau I. K., vertreten durch Dr. M. M., G., gegen die Strafhöhe im Punkt

1.)

sowie die vollinhaltliche Berufung gegen die Punkte 3.) bis

5.)

des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 11.11.1994, GZ.: 15.1 1993/6276, wegen insgesamt vier Übertretungen nach dem Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetz (KJBG), nach einer am 22.4.1996 durchgeführten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung, wie folgt entschieden:

I. Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) im Punkt

 1.) insofern Folge gegeben, als die über die Berufungswerberin in erster Instanz verhängte Geldstrafe auf einen Betrag von nunmehr

S 1.500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt wird. Dadurch vermindern sich die Verfahrenskosten erster Instanz auf einen Betrag von S 150,--. Die nunmehr herabgesetzte Geldstrafe und die Verfahrenskosten erster Instanz sind binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

II. Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG im Punkt 3.) vollinhaltlich abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat die Berufungswerberin als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens im Punkt 3.) einen Betrag von S 200,-- binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

III. Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG hinsichtlich der Punkte 4.) und 5.) dem Grunde nach abgewiesen, hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung aber insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafen in den Punkten 4.) und 5.) auf einen Betrag von jeweils S 1.500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall jeweils drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) herabgesetzt werden. Dadurch vermindern sich die Verfahrenskosten erster Instanz in den Punkten 4.) und 5.) auf einen Betrag von jeweils S 150,--. Die nunmehr herabgesetzten Geldstrafen und die Verfahrenskosten erster Instanz sind binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen. Der Tatvorwurf im Punkt 4.) wird insofern berichtigt, als statt der Zeitangabe "7.45 Uhr bis 17.30 Uhr" die Zeitangabe "7.45 Uhr bis 17.00 Uhr" zu lauten hat.

Der Tatvorwurf in Punkt 5.) wird wie folgt neu gefaßt:

"Der im gegenständlichen Unternehmen beschäftigte Lehrling K. L., wurde am 2.11.1993 und 3.11.1993 jeweils in der Zeit von 7.45 Uhr bis 17.00 Uhr zur Arbeit herangezogen, also täglich über 9 Stunden."

Die verletzte Rechtsvorschrift lautet in Punkt 5.):

"§ 11 Abs 2 erster Satz in Verbindung mit § 11 Abs 3 KJBG 1987 i. d.g.F."

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 11.11.1994, GZ.: 15.1 1993/6276, wurde der Berufungswerberin als Inhaberin des Friseur- und Perückenmachergewerbebetriebes am Standort in J., B.-gasse Nr. 1 vorgeworfen, sie sei dafür verantwortlich, daß

1.) zumindest am 4.11.1993 kein Verzeichnis betreffend des, im gegenständlichen Gewerbebetrieb beschäftigten Lehrling K. L., geführt worden sei, aus dem die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden und deren Entlohnung ersichtlich gewesen wäre,

3.) zumindest am 4.11.1993 kein Abdruck des Kinder- und Jugendlichenbeschäftigungsgesetzes an einer, für die Dienstnehmer, zugänglichen Stelle aufgelegt gewesen wäre,

4.) der im gegenständlichen Unternehmen beschäftigte Lehrling K. L., am 2.11.1993 und am 3.11.1993 jeweils von 7.45 Uhr bis 17.30 Uhr ohne eine mindestens halbstündige Ruhepause nach einer maximal 4 1/2-stündigen Arbeitszeit halten zu können, zur Arbeit herangezogen worden wäre und

5.) der im gegenständlichen Unternehmen beschäftigte Lehrling, K. L., am 2.11.1993 und am 3.11.1993 jeweils in der Zeit von 7.45 Uhr bis 17.30 Uhr, wie unter Punkt 4.) beschrieben, also über 8 Stunden täglich zur Arbeit herangezogen worden wäre.

Dadurch habe die Berufungswerberin Verwaltungsübertretungen

1.)

gemäß § 26 Abs 1 Z 5 KJBG, 3.) gemäß § 27 Abs 1 leg. cit.,

4.)

gemäß § 15 Abs 1 leg. cit. und 5.) gemäß § 11 Abs 1 leg. cit. begangen und wurden über sie im Punkt 1.) eine Geldstrafe von

S 3.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 4 Tage und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe), im Punkt 3.) eine Geldstrafe von S 1.000,-- (1 Tag und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe), im Punkt 4.) eine Geldstrafe von S 2.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) sowie im Punkt 5.) eine Geldstrafe von S 2.500,-- (4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Berufungswerberin fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung am 22.4.1996 zog die Berufungswerberin die Berufung im Punkt 2.) zurück und schränkte die Berufung im Punkt 1.) auf die Strafhöhe ein. Dies bedeutet, daß der Schuldspruch im Punkt 1.) in Rechtskraft erwachsen ist. Hinsichtlich der Strafhöhe wurde darauf hingewiesen, daß die Berufungswerberin unbescholten sei und keine Erschwerungsgründe vorliegen. Hinsichtlich Punkt 3.) wurde vorgebracht, daß ein Abdruck des KJBG an zugänglicher Stelle aufgelegt gewesen sei, hinsichtlich Punkt 4.), daß dem Lehrling nach einer 4 1/2-stündigen Arbeitszeit jedenfalls eine 30-minütige ununterbrochene Ruhepause gewährt worden wäre und im Punkt 5.) wurde eingewandt, daß der Lehrling schon auf Grund des Gesetzes länger als 8 Stunden - nämlich 9 Stunden - arbeiten hätte dürfen und die Arbeitszeitgrenze von 9 Stunden täglich nicht überschritten worden wäre. Am 22.4.1996 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung statt, an der die Berufungswerberin, ihr Rechtsvertreter sowie ein Vertreter der mitbeteiligten Partei (Arbeitsinspektorat Graz) teilnahmen und in deren Verlauf neben dem anzeigenden Arbeitsinspektor Ing. H. C. auch die zum Tatzeitpunkt als Lehrling beschäftigte K. L. zeugenschaftlich einvernommen wurden. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens können folgende Feststellungen getroffen werden:

Die Berufungswerberin betreibt am Standort B.-gasse Nr. 1 in J. einen Friseur- und Perückenmachergewerbebetrieb. Im November 1993 hatte die Berufungswerberin in ihrem Betrieb drei Mitarbeiterinnen sowie einen Lehrling - nämlich die damals 16-jährige K. L. - beschäftigt. Die Öffnungszeiten des Geschäftes waren am Montag von 12.00 Uhr bis 17.00 Uhr, von Dienstag bis Donnerstag von 8.00 Uhr bis 17.00 Uhr und am Freitag von 8.00 Uhr bis 17.30 Uhr. Am Samstag war das Geschäft geschlossen.K. L. fuhr in der Früh mit dem Bus von K. nach J. und war meistens um 7.45 Uhr als erste im Geschäftslokal. Von der Berufungswerberin hatte sie einen Schlüssel und so konnte sie das Geschäftslokal aufsperren. Bis zum offiziellen Geschäftsbeginn um 8.00 Uhr zog sich K. L. um und führte Vorbereitungsarbeiten durch. Diese bestanden darin vom Vortag Arbeitsutensilien wegzuräumen, da um 17.00 Uhr bzw. 17.30 Uhr meist pünktlich das Friseurgeschäft geschlossen wurde. Zwischen

7.45 Uhr und 8.00 Uhr wurde das Geschäftslokal nicht zugesperrt. In dieser Zeit kamen auch die übrigen Angestellten der Berufungswerberin. Der Lehrling K. L. hatte ca. 1/2 Stunde Mittagspause, diese war zeitlich nicht fix vorgegeben, wurde aber von K. L. bis spätestens um 12.30 Uhr begonnen. Meistens verbrachte sie die Mittagspause im Geschäftslokal, da sie sich etwas von zu Haus zum Essen mitnahm. Das Essen machte sie auf einer Kochplatte warm und aß dann im Geschäftslokal. Bei starkem Geschäftsbetrieb kam es vor, daß sie die Mittagspause unterbrechen mußte bzw. keine 1/2 Stunde zur Verfügung hatte. Wenn dies der Fall war, konnte sie die restliche Zeit der Mittagspause am Nachmittag nachholen. Am 4.11.1993 führte der Arbeitsinspektor Ing. H. C. um 7.45 Uhr eine Kontrolle im Geschäftslokal der Berufungswerberin durch. Auf sein Begehren hin konnte ihm kein Abdruck des KJBG vorgelegt werden. Bei der Kontrolle war eine Angestellte und der Lehrling K. L. im Geschäftslokal anwesend. Zum Zeitpunkt der Kontrolle führte die Berufungswerberin keine Arbeitszeitaufzeichnungen für den Lehrling K. L. Diese Aufzeichnungen führte die Berufungswerberin erst ab 8.11.1993.

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich im wesentlichen auf die Aussagen der Berufungswerberin sowie der einvernommenen Zeugen K. L. und Ing. H. C. Die Berufungswerberin gab an, daß freitags bis 17.30 Uhr gearbeitet worden sei, während K. L. angab, daß montags bis 17.30 Uhr gearbeitet worden sei. Auf Grund der ab 8.11.1993 - also nach der Kontrolle - geführten Arbeitszeitaufzeichnungen ist ersichtlich, daß K. L. immer am Freitag bis 17.30 Uhr gearbeitet hat, sodaß in diesem Punkt den Angaben der Berufungswerberin gefolgt wird. Daß K. L. meist bereits um 7.45 Uhr im Geschäftslokal war, ergibt sich auf Grund der Angaben der Berufungswerberin und der Zeugin L. Letztere gab auch an, daß sie bis 8.00 Uhr Vorbereitungsarbeiten durchgeführt hat. Diesbezüglich hatte die Berufungswerberin keine unmittelbaren persönlichen Wahrnehmungen, da sie in der Früh erst später ins Geschäftslokal kam, und zwar dann, wenn sie den ersten Termin mit einer Kundschaft hatte. Übereinstimmend gaben die Berufungswerberin und K. L. an, daß letztere zwar eine ca. 1/2-stündige Mittagspause gehabt habe, diese aber zeitlich nicht von vornherein fixiert gewesen wäre. Dies wird auch durch die von der Berufungswerberin vorgelegten Arbeitsaufzeichnungen ab dem 8.11.1993 für die Monate November und Dezember 1993 untermauert, aus denen sich ergibt, daß die Mittagspause in der Regel zwischen 11.00 Uhr und 12.10 Uhr begonnen wurde. Die Feststellung, daß bei der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor kein Abdruck des KJBG vorgelegt werden konnte, basieren auf den Angaben des anzeigenden Arbeitsinspektors Ing. C. Die Zeugin L. konnte sich bei ihrer Einvernahme vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat nicht mehr daran erinnern, ob zum Zeitpunkt der Kontrolle des Arbeitsinspektors für sie ein Abdruck des KJBG zugänglich war oder nicht. Bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.8.1994 - also etwas mehr als neun Monate nach der Kontrolle - gab sie an, daß sie zum Zeitpunkt der Kontrolle am 4.11.1993 nicht gewußt habe, ob, gegebenenfalls wo, ein Abdruck des KJBG im Gewerbebetrieb der Berufungswerberin angebracht gewesen sei.

Bei der rechtlichen Beurteilung ging der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von folgenden Überlegungen aus:

Zu Punkt 3.):

Gemäß § 27 Abs 1 haben Dienstgeber, die Jugendliche beschäftigen, einen Abdruck dieses Bundesgesetzes an geeigneter, für die Dienstnehmer zugänglicher Stelle aufzulegen.

Inhalt des Straftatbestandes nach § 27 Abs 1 in Verbindung mit § 30 KJBG ist das Nichtauflegen eines Abdruckes dieses Gesetzes (des KJBG) an geeigneter, für die Dienstnehmer zugänglicher Stelle. Maßgebend ist nach diesem Tatbestand lediglich das Auflegen (dem wird auch durch ein Aushängen Rechnung getragen) an einer geeigneten Stelle; ein bloßes Vorhandensein der Rechtsvorschrift im Betrieb, etwa im Schreibtisch des Arbeitgebers genügt nicht (vgl. VwGH 26.5.1986, 86/08/0026; 15.12.1992, 88/08/0192). Der anzeigende Arbeitsinspektor gab bei seiner Einvernahme glaubwürdig an, daß er nach den aushangpflichtigen Gesetzen gefragt habe, die Anwesenden aber nicht gewußt hätten, was das sei. Er habe dann sein Exemplar der aushangpflichtigen Gesetze hergezeigt, worauf ihm die anwesenden Arbeitnehmerinnen gesagt hätten, daß sie diese nicht kennen würden. Anläßlich seiner Kontrolle habe er auch keinen Aushang des KJBG sehen können. Dies deckt sich auch mit der erstinstanzlichen Zeugenaussage des Lehrlings L., die damals angab, daß sie nicht gewußt habe, ob, gegebenenfalls wo, sich ein Abdruck des KJBG im Geschäftslokal befunden habe. Es mag sein, daß die Berufungswerberin in der Mittellade neben der Kasse einen Abdruck des KJBG zum Tatzeitpunkt hatte, doch kann diesbezüglich nicht von einem Auflegen an geeigneter, für die Arbeitnehmer leicht zugänglicher Stelle gesprochen werden. Nach übereinstimmender Aussage der Berufungswerberin und der Zeugin L. wurde aber nach der Kontrolle der Abdruck des KJBG im Geschäftslokal ausgehängt. Genau dies war aber zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht der Fall, sodaß die Verwaltungsübertretung in diesem Punkt als erwiesen anzusehen ist.

Zu Punkt 4.):

Gemäß § 15 Abs 1 KJBG muß den Jugendlichen nach einer Dauer der Arbeitszeit von mehr als 4 1/2 Stunden eine Ruhepause von mindestens einer halben Stunde gewährt werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Einordnung einer Arbeitsunterbrechung unter den Begriff der "Ruhepause" im Sinne des § 15 Abs 1 KJBG dann nicht in Betracht, wenn diese Zeit nicht von vorneherein festgelegt ist (vgl. VwGH 24.9.1990, 90/19/0245; 3.12.1992, 92/18/0084; 3.12.1992, 92/18/0369; 28.10.1993, 91/19/0134). Auf Grund der übereinstimmenden Angaben der Zeugin L. und der Berufungswerberin sowie der vorgelegten Arbeitsaufzeichnungen für K. L. ab dem 8.11. 1993 ist eindeutig ersichtlich, daß die Mittagspause für K. L. nicht von vornherein feststand, sondern diese - wie es die Berufungswerberin ausdrückte - "wie es sich eben ausgegangen ist" konsumiert wurde. Weiters konnte im Ermittlungsverfahren auch festgestellt werden, daß Frau L. bei ihrer Mittagspause, die sie meistens im Geschäftslokal zubrachte, nicht grundsätzlich von Arbeitsbereitschaft befreit war. Sie selbst gab an, daß es bei starkem Geschäftsgang durchaus vorkommen konnte, daß sie die Mittagspause abbrechen mußte. Da die Frau L. gewährte "Mittagspause" rechtlich nicht als Ruhepause im Sinne des § 15 Abs 1 KJBG qualifiziert werden kann, ist auch der, der Berufungswerberin vorgeworfene Tatbestand im Punkt 4.) erwiesen.

Zu Punkt 5.):

§ 11 Abs 1 lautet:

"Die tägliche Arbeitszeit der Jugendlichen darf 8 Stunden, ihre Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt wird.

Absatz 2: "Die nach Abs 1 zulässige Wochenarbeitszeit kann zur Erreichung einer längeren Freizeit, die mit der Wochenfreizeit zusammenhängen muß, abweichend von der nach Abs 1 zulässigen täglichen Arbeitszeit verteilt werden. ......"

Absatz 3: "Bei einer Verteilung der Arbeitszeit nach Abs 2 darf die Tagesarbeitszeit 9 Stunden nicht überschreiten." Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, daß K. L. meistens um 7.45 Uhr bereits im Geschäftslokal war und Vorbereitungsarbeiten bis zum offiziellen Geschäftsbeginn um 8.00 Uhr durchführte. Dies war auch am Tag der Kontrolle des Arbeitsinspektors am 4.11.1993 der Fall. Im gesamten Ermittlungsverfahren kamen keine Hinweise hervor, daß K. L. am 2. und 3.11.1993 nicht um 7.45 Uhr, sondern später im Geschäftslokal gewesen wäre. Die von Frau L. von 7.45 Uhr bis 8.00 Uhr durchgeführten Arbeiten (Umziehen, Wegräumen von Arbeitsutensilien vom Vortag etc.) sind als Arbeitszeit zu qualifizieren, zumal ab 7.45 Uhr das Geschäftslokal nicht versperrt war und ab diesem Zeitpunkt Kunden - aber auch dem Arbeitsinspektor - der Zutritt möglich war. Offizielles Arbeitsende war von Montag bis Donnerstag um 17.00 Uhr und am Freitag um 17.30 Uhr. Der Aussage der Berufungswerberin und von K. L. weitestgehend eingehalten, sodaß am 2. und 3.11.1993 von einem Arbeitsende um 17.00 Uhr auszugehen ist. Der Arbeitsinspektor zeigte zwar ein Arbeitsende am 2. und 3.11.1993 um 17.30 Uhr an, doch ergaben sich dafür im ganzen Ermittlungsverfahren keine Hinweise, zumal es sich am 2.11.1993 um einen Dienstag und am 3.11.1993 um einen Mittwoch gehandelt hat. Eine entsprechende Berichtigung des Tatvorwurfes in den Punkten 4.) und 5.) war aber möglich, da der Zeitraum nicht ausgeweitet, sondern zu Gunsten der Berufungswerberin eingeschränkt wurde. Wie bereits in Punkt 4.) ausgeführt, können die Frau L. gewährten Mittagspausen nicht als Ruhepausen im Sinne des § 15 Abs 1 KJBG angesehen werden, wobei sie somit keine zu berücksichtigenden Arbeitsunterbrechungen bei der Beurteilung der täglichen Arbeitszeit darstellen. Somit hat die Arbeitszeit von Frau L. am 2. und 3.11.1993 jeweils 9 Stunden und 15 Minuten betragen. Der Berufungswerberin ist insofern Recht zu geben, daß es ihr erlaubt war, den damaligen Lehrling länger als 8 Stunden, nämlich unter Berücksichtigung des § 11 Abs 2 erster Satz in Verbindung mit Abs 3 KJBG bis zu 9 Stunden täglich zur Verlängerung der Wochenendruhe zu beschäftigen. Wesentliches Tatbestandsmerkmal bei einer Übertretung des § 11 KJBG ist aber lediglich das Ausmaß der täglichen Arbeitszeit, nicht aber die rechtliche Qualifikation in dem Sinn, wie lange ein Lehrling täglich beschäftigt werden durfte. Somit war im gegenständlichen Verfahren eine rechtliche Subsumption des Tatbestandes unter die Bestimmung des § 11 Abs 2 erster Satz in Verbindung mit Absatz 3 möglich. Daher wurde auch der Spruch und insbesondere die übertretene Rechtsvorschrift in diesem Punkt in der nunmehrigen Entscheidung berichtigt. Durch die Beschäftigung des damaligen Lehrlings K. L. am 2. und 3.11.1993 im Ausmaß von 9 Stunden 15 Minuten wurde die gesetzlich zulässige Höchsttagesarbeitszeit des § 11 Abs 3 KJBG von 9 Stunden überschritten. Bei der Beurteilung, ob die über die Berufungswerberin verhängten Geldstrafen als angemessen anzusehen sind,  wurde von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Durch die Regelung des § 27 KJBG soll den Jugendlichen die Möglichkeit geboten werden, sich jederzeit über den Inhalt der sie betreffenden Schutzbestimmungen zu informieren. Die vom Arbeitgeber zur Auflegung des Gesetzes gewählte Stelle muß dabei so beschaffen sein, daß einerseits während der Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb diesem jederzeit die Einsichtmöglichkeit gegeben ist, andererseits hat die Auflegung an einem Ort zu erfolgen, an dem sich der jugendliche Arbeitnehmer ohne psychischen Druck, also ohne von seinem Vorgesetzten beobachtet werden zu können, informieren kann. Der gesonderte Anschlag über die betriebliche Arbeitszeitregelung soll Auskunft über den Beginn und das Ende der Arbeitszeit und der Ruhepausen sowie über die Dauer der Wochenruhe geben. Dadurch, daß im Betrieb der Berufungswerberin weder ein Abdruck des KJBG ausgehängt war noch ein Anschlag über die betriebliche Arbeitszeitregelung wurde der Schutzzweck, den Jugendlichen die Möglichkeit zur Information zu geben, eindeutig verletzt. Die verhältnismäßig starre Regelung des KJBG hinsichtlich der Ruhepausen und Ruhezeiten liegt darin begründet, daß die Arbeitsleistung Jugendlicher bereits nach kürzerer Zeit, als dies bei Erwachsenen der Fall ist, stark abfällt und daher bei zu langer pausenloser Arbeit oder bei zu kurzen Pausen nicht nur keine produktive Arbeit geleistet wird, sondern auch die Gefahr einer körperlichen Schädigung des Jugendlichen in bedrohlichem Ausmaß gegeben ist. Auf der anderen Seite ist im konkreten Fall aber zu berücksichtigen, daß K. L. von der Berufungswerberin eine - wenn auch nicht rechtskonforme - Mittagspause im Ausmaß von ca. 1/2 Stunde gewährt wurde, sodaß der Schutzzweck nur insofern verletzt wurde, als nicht sichergestellt war, daß die Mittagspause ohne Arbeitsbereitschaft konsumiert werden konnte.

Die gesetzliche Begrenzung der täglichen Arbeitszeit soll ebenfalls die Jugendlichen vor einer Überbeanspruchung schützen. Die Bestimmung des § 11 Abs 3 KJBG stellt bereits eine Ausnahmeregelung dar und kann daher die (geringfügige) Überschreitung der täglichen Arbeitszeit von 9 Stunden nicht als Übertretung mit geringem Unrechtsgehalt angesehen werden. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als mildernd war die bisherige Unbescholtenheit der Berufungswerberin zu berücksichtigen, Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Auf Grund des Umstandes, daß die Berufungswerberin für K. L. zum Tatzeitpunkt keine Arbeitszeitaufzeichnungen führte, keinen Anschlag über die betriebliche Arbeitszeitregelung und keinen Abdruck des KJBG im Geschäftslokal ausgehängt hatte, ist davon auszugehen, daß sie ihrer Verpflichtung, sich als Betreiberin eines Gewerbebetriebes über die sie betreffenden Rechtsvorschriften entsprechend zu informieren, nicht nachgekommen ist. Es ist ihr daher im gegenständlichen Verfahren fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen.

Der Strafrahmen für die der Berufungswerberin vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen beträgt gemäß § 30 KJBG S 1.000,-- bis S 15.000,--. Bei der mündlichen Berufungsverhandlung am 22.4.1996 gab die Berufungswerberin an, daß sie über eine monatliche Privatentnahme aus ihrem Betrieb von S 12.000,-- verfüge, an Vermögen einen Hälfteanteil an einem Wohnhaus besitze, außergewöhnliche Belastungen im Ausmaß von S 260.000,-- aufweise und keine Sorgepflichten habe.

Auf Grund der erwähnten Strafzumessungskriterien ist eine Herabsetzung der über die Berufungswerberin verhängten Geldstrafen in den Punkten 1.), 4.) und 5.) insbesondere untere Berücksichtigung der bisherigen Unbescholtenheit der Berufungswerberin als gerechtfertigt anzusehen. Hinzu kommt, daß die Berufungswerberin nach der Kontrolle hinsichtlich der Punkte

1.) und 3.) ihren Verpflichtungen nachgekommen ist und daher keine spezial-präventiven Erwägungen eine höhere Geldstrafe rechtfertigen würden. Eine weitere Herabsetzung der Geldstrafen in den Punkten 1.), 4.) und 5.) kam aber auf Grund des Verschuldens und des nicht nur geringfügigen Unrechtsgehaltes der Verwaltungsübertretungen nicht in Betracht. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 20 VStG (außerordentliches Milderungsrecht) liegen nicht vor, da nicht von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gegenüber den Erschwerungsgründen gesprochen werden kann. Auch eine Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) kommt nicht in Betracht, da bereits das Verschulden als nicht nur geringfügig angesehen werden kann. Daher war die Berufung auch im Punkt 3.) vollinhaltlich abzuweisen, da in diesem Punkt lediglich die Mindeststrafe von

S 1.000,-- verhängt wurde.

Gemäß § 64 Abs 1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines Unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Gemäß § 64 Abs 2 VStG sind die Kosten für das Strafverfahren erster Instanz mit 10 % der verhängten Strafe, für das Berufungsverfahren mit weiteren 20 % der verhängten Strafe, mindestens jedoch mit S 20,-- zu bemessen. Darauf stützt sich die im Spruch vorgenommene Kostenentscheidung. § 65 VStG ist darauf abgestellt, daß in einem Berufungsbescheid jeweils nur über eine einzige Verwaltungsübertretung und damit über "die Strafe" abgesprochen wird. Der Umstand, daß in einem Bescheid über mehrere Verwaltungsübertretungen entschieden wird, bedeutet daher nicht, daß ein teilweiser Erfolg eines Rechtsmittels im Fall einer von mehreren Übertretungen zu einer Anwendung des § 65 VStG auch in jenen Fällen führen muß, in welchen der Berufung hinsichtlich einer weiteren Verwaltungsübertretung keine Folge gegeben wird (VwGH 22.1.1982, 81/02/0315). Da die Berufung in Punkt 3.) vollinhaltlich abgewiesen wurde, waren der Berufungswerberin in diesem Punkt Kosten für das Berufungsverfahren aufzuerlegen, während in den Punkten 1.), 4.) und 5.) eine teilweise Stattgebung der Berufung stattfand und daher der Berufungswerberin keine Kosten für das Berufungsverfahren vorzuschreiben waren.

Schlagworte
Aushänge
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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