Gemäß §66 Abs4 AVG iVm §24 VStG wird der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk keine Folge gegeben.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck wurde das Strafverfahren gegen S G , , wegen Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung gemäß §45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.
Begründet wurde diese Einstellung damit, daß dem Beschuldigten in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Ing. S G GmbH auf Grund der Anzeige des Arbeitsinspektorates Innsbruck vom 2.12.1994, Zahl , die Außerachtlassung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auf der Baustelle in ,x, angelastet worden sei. Im Verfahren habe der Beschuldigte eingewendet, daß in der gegenständlichen Angelegenheit Herr T N für die Einhaltung der arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften verantwortlich gewesen sei und habe der Beschuldigte auch eine ordnungsgemäße schriftliche Bestellung dieses seines Angestellten als Verantwortlicher vorgelegt. Das Verfahren sei daher einzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht seitens des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk berufen.
In dieser Berufung wurde ausgeführt, dem Arbeitsinspektorat würde keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten für diese Baustelle gemäß §9 VStG und §23 Arbeitsinspektionsgesetz vorliegen. Da die Bestellung zeitlich vor der Begehung der Verwaltungsübertretung beim Arbeitsinspektorat schriftlich eingelangt sein müsse, wäre die Einstellung nicht zu Recht ergangen. Es wurde der Antrag gestellt, den Bescheid zu beheben und den handelsrechtlichen Geschäftsführer, also den Beschuldigten, mit einer Strafe zu belegen.
Bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.4.1996 wurde der Beschuldigte sowie der Zeuge T N einvernommen. Darüberhinaus wurde der erstinstanzliche Akt verlesen.
Der Berufung des Arbeitsinspektorates für den 14. Aufsichtsbezirk kommt aus folgenden Gründen keine Berechtigung zu:
Es ist dem Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk zwar zuzustimmen, daß §23 Abs1 des Arbeitsinspektionsgesetzes, BGBl Nr 1993/27, in Kraft getreten am 1. April 1993, normiert, daß die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß §9 Abs2 und 3 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes erst wirksam wird, nach dem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist. Im gegenständlichen Fall datiert die im erstinstanzlichen Verfahren gelegte Bestellungsurkunde im Sinne des §9 VStG mit 8.6.1994. Diese datiert somit zwar aus einer Zeit vor Begehung der Verwaltungsübertretung, wurde jedoch zu keiner Zeit dem Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk übermittelt. Somit kann diese Bestellungsurkunde keine wirksame Bestellung des T N zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des §9 Abs2 VStG für die Firma S G GmbH sein.
Allerdings gehört davon abgesehen die Frage beantwortet, ob T N zur Tatzeit nicht "Bevollmächtigter" im Sinne des §31 Abs2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl Nr 1972/234, in der zur Tatzeit anzuwendenden Fassung war.
Das "neue" Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl Nr 450/1994, sieht diese Bestimmung zwar nicht mehr vor, war aber zur Tatzeit gemäß §131 Abs1 dieses Gesetzes (Inkrafttreten mit 1. Jänner 1995) noch nicht anwendbar.
Für die Bestellung eines "Bevollmächtigten" nach den zur Tatzeit anzuwendenden Bestimmungen, müssen die strengen Voraussetzungen des §9 Abs4 VStG nicht eingehalten werden. Allerdings befreit ein Bevollmächtigter den Auftraggeber - im Gegensatz zu einem verantwortlichen Beauftragten - jedoch nicht von seiner grundsätzlichen Verantwortlichkeit. Die Bestellung eines Bevollmächtigten im Sinne des §31 Abs2 des alten Arbeitnehmerschutzgesetzes setzt voraus, daß dieser nicht nur mit seinem Einverständnis vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einhaltung der jeweiligen arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen betraut ist, sondern vom Arbeitgeber auch mit den entsprechenden Anordnungs- und Entscheidungsbefugnissen zu ihrer Durchsetzung ausgestattet wurde.
Die Bestellungsurkunde des T N , welche vom Beschuldigten im erstinstanzlichen Verfahren gelegt worden ist, lautet wie folgt:
"Bestellungsurkunde
Die Baumeister S G GesmbH, , , bestellt hiemit den unten gefertigten T N als verantwortlichen Bauleiter für die Baustelle /Ausbau des Dachgeschoßes.
Der Bauleiter ist verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung aller verwaltungs- und zivilrechtlichen Bestimmungen, insbesondere hinsichtlich des Schutzes von Leib und Leben der beschäftigten Arbeiter und sonst auf der Baustelle anwesenden Personen. Dem Bauleiter steht in diesem Umfang auf der betreffenden Baustelle auch die Anordnungsbefugnis gegenüber den dort tätigen Mitarbeitern und sonstigen Personen zu.
Der Bauleiter verpflichtet sich, die Fa. Baumeister S G GesmbH für den Fall der Inanspruchnahme durch Straf- oder Zivilgerichte sowie Verwaltungsbehörden im Falle einer Verletzung seiner Sorgfalts- oder Aufsichtspflichten schad- und klaglos zu halten.
Innsbruck, am 8.6.1994
Zustimmungserklärung
Der unterfertigte Bauleiter erklärt, seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des §9 VStG ausdrücklich zuzustimmen sowie die Baufirma S G GesmbH für den Fall der Inanspruchnahme schad- und klaglos zu halten. Er bestätigt weiters, über die in diesem Zusammenhang erforderliche Anordnungsbefugnis zu verfügen.
Innsbruck, am 8.6.1994"
Der Zeuge T N gab bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung an, daß die Firma damals etwa 100 bis 115 Arbeitnehmer gehabt hätte. Bauleiter wären drei bestellt gewesen. Er sei seit etwa 5 Jahren in der Firma. Mit der im erstinstanzlichen Akt erliegenden Bestellungsurkunde sei beabsichtigt gewesen, daß er die strafrechtliche Verantwortung für die Baustelle übernehmen würde. Als Bauleiter habe er die gesamte Organisation vor Ort über. Er sei dabei mit einer Weisungsbefugnis betreffend den Arbeitnehmerschutzbestimmungen ausgestattet. Er habe auch die Abrechnung vorgenommen. Er habe tagtäglich den ihm zugeteilten Arbeitnehmern Weisungen erteilt, wie die Arbeit zu verrichten wäre. Zutreffend sei, daß der Beschuldigte etwa einmal in der Woche die verfahrensgegenständliche Baustelle besucht hat.
Der Beschuldigte gab diesbezüglich an, daß damals etwa 100 Beschäftigte in der Firma gewesen wären, wobei die Firma damals etwa 20 Baustellen gehabt hätte. Sein Tagesablauf würde in etwa so aussehen, daß er sich mit den Bauleitern um 06.30 Uhr in der Früh treffen würde. Dabei werde ein kurze Besprechung abgehalten, wobei sämtliche Baustellen in Schlagworten durchgegangen werden würden. Der Bauleiter habe die Aufgabe, die Baustelle organisatorisch zu betreuen. Er habe auch den Kontakt mit dem Bauherrn herzustellen. Überdies pflege er den Kontakt mit den zuständigen Architekten. Zudem habe er zu überwachen, daß die Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden. Der Beschuldigte würde in etwa täglich sechs Baustellen aufsuchen, wobei er sich diese nach eigenem Ermessen tagtäglich heraussuchen würde. Am 12. Oktober 1994 sei die Baustelle " " in der in, die verfahrensgegenständliche Baustelle, praktisch schon abgeschlossen gewesen. Er habe die Baustelle etwa einmal in der Woche aufgesucht. Bei diesen Besuchen bzw. Kontrollen habe er auch darauf geachtet, ob die Arbeitnehmerschutzbestimmungen eingehalten werden. Für die verfahrensgegenständliche Baustelle sei Herr N als Bauleiter bestellt worden. Der Bauleiter sei gegenüber den anderen Mitarbeitern weisungsbefugt, wobei er Anordnungen verbindlich treffen könne, ohne diesbezüglich beim Beschuldigten rückfragen zu müssen. Dies würde insbesondere hinsichtlich der Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften zutreffen. Der Bauleiter würde überdies die plangemäße Ausführung des Bauvorhabens überwachen und würde die Baustelle auch abrechnen. Vor Ort wären an der Baustelle Sicherheitsgurte vorhanden gewesen. Überdies wäre auch ein Schutzgerüst straßenseitig gegeben gewesen. Hofseitig ein Fanggitter. Überdies wären Seile samt Karabiner und Sicherheitsgürtel an Ort und Stelle vorhanden gewesen. Warum die beiden auf den Lichtbildern im erstinstanzlichen Akt abgebildeten Arbeitnehmer zur Tatzeit keine Absturzsicherung verwendet haben, könne er nicht beantworten.
Auf Grund dieser Zeugenaussage sowie den Angaben des Beschuldigten ist davon auszugehen, daß T N als Bevollmächtiger im Sinne des §31 Abs2 des alten Arbeitnehmerschutzgesetzes anzusehen ist. Er hatte diesbezüglich auch die entsprechende Weisungsbefugnis.
Dem Beschuldigten ist bei der gegebenen Sach- und Rechtslage kein Verschulden anzulasten, zumal er seiner Überwachungspflicht nach Auffassung der Berufungsbehörde in einem Maße nachgekommen ist, das jedenfalls noch nicht als sorgfaltswidrig anzusehen ist. Es darf nicht übersehen werden, daß die Firma damals etwa 100 Arbeitnehmer hatte und 20 Baustellen zu betreuen waren. Somit war dem Beschuldigten zuzugestehen, daß mit einem wöchentlichen Besuch auf dieser Baustelle die ihn treffenden Sorgfaltspflichten nicht verletzt worden sind.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.