Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied
Mag Obrist über die Berufung des Herrn , geboren am ,
wohnhaft in , vertreten durch Rechtsanwalt
, vom , gegen das Straferkenntnis der
Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 19 10 1995, Zl 300-4508-1994, wegen Bestrafung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ist ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens von 20 % der Strafhöhe, das sind insgesamt S 300,--, zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber für schuldig erkannt, er habe als Lenker des Fahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen (D) am 24 04 1994 um 15 00 Uhr auf
der B 10 bei Strkm 67,0 in Fahrtrichtung Zurndorf
I) ein mehrspuriges Kraftfahrzeug auf einer Straßenstrecke, die
durch
das Vorschriftszeichen "Überholen verboten" gekennzeichnet ist, überholt;
II) die mit Verkehrszeichen kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung
von 70 km/h erheblich überschritten.
Es wurde unter Zitierung der entsprechenden Bestimmungen der StVO zu Pkt I) eine Geldstrafe von S 1 000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Stunden) und zu Pkt II) eine Geldstrafe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 30 Stunden) verhängt.
In der Berufung gibt der Beschuldigte zu, daß mit dem gegenständlichen Fahrzeug die B 10 zur Tatzeit befahren worden sei. Allerdings sei nicht festgestellt worden, daß er selbst der Lenker gewesen sei. Im Kraftfahrzeug hätten sich insgesamt sechs Personen befunden - nämlich er selbst, seine Gattin die beiden Töchter sowie zwei Landsleute, die er namentlich und unter Anführung des Wohnortes (Namen der Stadt) nannte. Er selbst, seine Tochter sowie die beiden Landsleute hätten sich damals beim Lenken abgewechselt. Es könne nunmehr - nach ca eineinhalb Jahren - wohl niemand mehr sagen, wer nun das Fahrzeug zur Tatzeit gelenkt hat. Da vier Personen in Frage kämen, sei ein Tatnachweis gegen den Beschuldigten nicht möglich, weshalb die Einstellung des Verfahrens beantragt wurde.
Hierüber hat der Verwaltungssenat erwogen:
Aus der Anzeige geht hervor, daß der Dienstkraftwagen, in dem sich der Meldungsleger und ein weiterer Gendarmeriebeamter befanden, zur Tatzeit am Tatort von einem anderen Kraftfahrzeug überholt wurde. Laut Auskunft des Kraftfahrt-Bundesamtes Flensburg war das Tatfahrzeug mit dem polizeilichen Kennzeichen zur fraglichen
Zeit auf den Berufungswerber zugelassen. Aus diesem Grund wurde gegen
diesen eine Strafverfügung erlassen, gegen welche Einspruch erhoben wurde. Gründe für den Einspruch wurden keine vorgebracht. Im weiteren
Verfahren wurde dem Rechtsvertreter eine Kopie des Aktes mit dem Ersuchen um Stellungnahme überlassen. Eine Reaktion darauf ist - trotz Urgenz - nicht erfolgt. In weiterer Folge erging das angefochtene Straferkenntnis.
Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde der Rechtsvertreter des Berufungswerbers aufgefordert, die genauen Namen und Adressen jener angeblich in Deutschland lebenden Personen bekanntzugeben, die als Lenker in Frage kommen, damit mit diesen in Kontakt getreten werden kann. Es wurde ihm außerdem freigestellt, eine von diesen abgegebene schriftliche Erklärung vorzulegen, aus der hervorgeht, ob sie im fraglichen Zeitpunkt in Österreich waren und ob der Berufungswerber einem von ihnen (bejahendenfalls wem) zur Tatzeit sein Fahrzeug überlassen hat. Innerhalb der gesetzten dreiwöchigen Frist ist eine Beantwortung nicht erfolgt. Erst danach langte ein Ersuchen um Erstreckung der Frist bis 15 04 1996 ein. Auch dieser Termin wurde abgewartet, jedoch ist bis dato keine Beantwortung erfolgt.
Was die Verwirklichung der beiden dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen betrifft, hat dieser hierüber im gesamten Verfahren keine Angaben gemacht. Die Begehung wurde nicht bestritten und hat der Beschuldigte auch in keiner Weise eine Gegendarstellung zum Anzeigeninhalt abgegeben. Mangelt es an einer konkreten Gegendarstellung des Beschuldigten, ist die Behörde nicht verpflichtet, den Meldungsleger als Zeugen einzuvernehmen (VwGH vom 25 09 1991, Zl 91/02/0034). Es ist daher von der Verwirklichung der im angefochtenen Straferkenntnis unter Spruchpunkt I und II genannnten Tatbestände auszugehen.
Die Verantwortung des Beschuldigten, welche im übrigen auch erst im Berufungsverfahren vorgebracht wurde, beschränkt sich ausschließlich auf die Frage der Lenkereigenschaft. Hiezu ist in rechtlicher Hinsicht festzuhalten, daß einem Beschuldigten in Österreich eine gewisse Mitwirkungspflicht obliegt. So hat beispielsweise der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 22 01 1988, Zl 87/18/0116, ausgesprochen, daß dann, wenn der Beschwerdeführer jegliche Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes unterläßt und sich auf bloßes durch keinerlei konkrete Behauptungen untermauertes Bestreiten der ihm zur Last gelegten Tat beschränkt, die Behörde den Schluß ziehen kann, daß der Beschwerdeführer als Zulassungsbesitzer des in Rede stehenden Kraftfahrzeuges selbst der Täter gewesen ist.
Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber zwar die Namen von den als Lenker in Frage kommenden Personen im Berufungsschriftsatz bekanntgegeben, allerdings ohne deren genaue Adresse zu nennen. Als Wohnort wurden lediglich zwei Städte in Deutschland angegeben bzw hinsichtlich der - aufgrund ihres anderen Familiennamens offensichtlich verheirateten - Tochter überhaupt keine Adresse genannt. Der Aufforderung zur Konkretisierung wurde keine Folge geleistet. Es konnte daher mit den Entlastungszeugen im Ausland nicht
in Verbindung getreten werden.
Außerdem wurde dem Berufungswerber Gelegenheit gegeben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, daß er selbst eine schriftliche Erklärung der Entlastungszeugen vorlegt oder, da es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitpunkt geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Personen in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt - zu erbringen. Auch die Glaubhaftmachung in diesem Sinn hat der Beschuldigte ohne Angabe von Gründen nicht versucht.
Der Grundsatz der Amtswegigkeit befreit die Partei also nicht von der
Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Infolge des Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel steht es der Behörde frei, bei Lösung der Frage, ob der Zulassungsbesitzer im konkreten Fall auch als Lenker anzusehen ist, das Verhalten des Zulassungsbesitzers zu Grunde zu legen. Aufgrund der obgeschilderten mangelnden Mitwirkung des Berufungswerbers ist die Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung befugt, davon auszugehen, daß der Beschuldigte als Zulassungsbesitzer im Tatzeitpunkt das Fahrzeug gelenkt hat (VwGH vom 19 10 1994, Zl 93/03/0178).
Zusammenfassend ist daher als erwiesen anzunehmen, daß der Berufungswerber zu Recht bestraft wurde.
Zur Strafbemessung:
Die der Bestrafung zugrundeliegende Handlung schädigte in nicht unerheblichem Maße das an der Verkehrssicherheit bestehende Interesse, dem die Strafdrohung dient.
Der objektive Unrechtsgehalt der Tat kann selbst bei Fehlen sonstiger
nachteiliger Folgen nicht als gering angesehen werden.
Daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände anzunehmen
und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung wurde von verwaltungsstrafrechtlicher Unbescholtenheit (Milderungsgrund) ausgegegaengen. Erschwerende Umstände lagen nicht vor.
Gleichzeitig war auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers Bedacht zu nehmen. Da der Berufungswerber trotz Anfrage hierüber keine Angaben gemacht hat, wird von einem Durchschnittseinkommen von DM 2 000,-- monatlichen, von Vermögenslosigkeit und mangelnden Sorgepflichten ausgegangen.
Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz, den Unrechtsgehalt
der Tat und das Verschulden des Berufungswerbers ist die verhängte Strafe als angemessen anzusehen.
Eine Strafe muß geeignet sein, den Berufungswerber von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.