Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn K. M., vertreten durch Dr. St. P., Rechtsanwalt in P., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Weiz vom 27.4.1995, GZ.: 15.1-1994/6850, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung zu Punkt 1.) abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 600,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. Hingegen wird der Berufung zu Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Dadurch vermindert sich auch der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf S 300,--; dieser ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 9.9.1994 um 09.47 Uhr in N. auf der A 2 in Fahrtrichtung Villach als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen X (PKW)
1.) die durch Straßenverkehrszeichen im dortigen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 63 km/h überschritten (auf Höhe des km 153.600),
2.) die durch Straßenverkehrszeichen im dortigen Bereich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 78 km/h überschritten (auf Höhe des km 153.900) und dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 1 iVm. § 52 a Z 10 a StVO begangen.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschuldigten zu Punkt 1.) Geldstrafen in der Höhe von S 3.000,-- (3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und zu Punkt 2.) von S 4.000,-- (4 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) jeweils auf der Rechtsgrundlage des § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt. Ferner wurden ihm S 700,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der verhängten Geldstrafen, vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde in offener Frist über den ausgewiesenen Vertreter des Berufungswerbers Berufung eingebracht und in dieser u. a. ausgeführt, daß keine zwei gesondert zu ahndende Straftaten vorliegen und daher die Verhängung der beiden Strafen und somit auch die Bestimmung der Höhe der Kosten des Strafverfahrens nicht zurecht erfolgte. Darüberhinaus wurde auch bei der Festsetzung der Strafhöhe nicht ausreichend berücksichtigt, daß verwaltungsbehördliche Unbescholtenheit vorliegt und der Beschuldigte drei unterhaltsberechtigte Angehörige zu versorgen hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Da sich die Berufung lediglich gegen die von der belangten Behörde vorgenommene rechtliche Beurteilung richtet, war gemäß § 51 e VStG von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen. Im Sinne des gestellten Berufungsantrags wurde zunächst in die Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr vom 26.3.1982, Zl. 73002/17-IV/5-82 Einsicht genommen. Mit dieser Verordnung wurde für den verfahrensgegenständlichen Abschnitt der A 2 einerseits eine durch Aufstellung entsprechender Vorschriftszeichen kundzumachende Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h sowie in der Folge eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h verordnet. Die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen erfolgte, wie dem entsprechenden Aktenvermerk zu entnehmen ist, am 27.4.1982. Gemäß § 20 Abs 1 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges die Fahrgeschwindigkeit den gegebenen oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen, insbesondere den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen sowie den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Er darf auch nicht so schnell fahren, daß er andere Straßenbenützer oder an der Straße gelegene Sachen beschmutzt oder Vieh verletzt, wenn dies vermeidbar ist. Er darf auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, daß er den übrigen Verkehr behindert. § 20 Abs 1 StVO 1960 normiert die Anpassung der Fahrgeschwindigkeit an die gegebenen Umstände (Straßen-, Verkehrs-Sichtverhältnisse; Eigenschaft des Fahrzeuges, Ladung) oder durch Straßenverkehrszeichen angekündigte Umstände. Diese Norm ist in Verbindung mit § 52a Z 10 StVO zu sehen; die durch Verkehrszeichen ausgeschilderten Höchstgeschwindigkeiten sind ab dem Standort des Zeichens einzuhalten.
Der Berufungswerber hat die durch den Meldungsleger im Nachfahren im gleichbleibenden Abstand mittels einer geeichten PRO-VIDA-Anlage gemessenen Geschwindigkeitsüberschreitungen, was deren Höhe anbelangt, nicht in Abrede gestellt, weshalb die der Anzeige zugrundegelegten Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeiten als erwiesen anzunehmen sind. § 22 Abs 1 VStG normiert das Kumulationsprinzip im Verwaltungsstrafverfahren (im Gegensatz zum Absorptionsprinzip). Hat jemand durch verschiedene selbstständige Taten mehrere Verwaltungsübertretungen begangen oder fällt eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen, so sind die Strafen nebeneinander zu verhängen.
Eine Ausnahme von diesem Kumulationsprinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt. Unter einem fortgesetzten Delikt ist laut Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgendes zu verstehen:
Eine Mehrheit von an sich selbstständigen, nacheinander gesetzten Handlungen, deren jede für sich den Tatbestand desselben Deliktes erfüllt, ist durch ein gemeinsames Band zu einer rechtlichen Einheit verbunden und wird rechtlich als ein einziges Delikt behandelt. Alle Teilakte der Handlungsreihe stellen somit rechtlich nur eine einzige Handlung dar. Die Einzelhandlungen müssen in einem zeitlichen Zusammenhang stehen, wobei die einzelnen Handlungen nicht durch einen großen Zeitraum unterbrochen werden dürfen. Der Zusammenhang muß sich damnach äußerlich durch zeitliche Verbundenheit objektivieren lassen. Handlungen, die zeitlich so weit auseinander liegen, daß sie nicht mehr als zusammengehörig angesehen werden können, werden demnach in der Regel gegen die Annahme eines Fortsetzungszusammenhanges sprechen (VwGH 5.7.1982, 3593/80). Aus dem vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde ergibt sich im konkreten Fall, daß der Berufungswerber - worauf auch die einheitliche Tatzeit von 9.47 Uhr hinweist - die beiden ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen unmittelbar hintereinander begangen hat, wobei von ihm lediglich eine Strecke von insgesamt 300 m zurückgelegt wurde. Übertritt der Lenker eines Fahrzeuges § 52 Z 10 a StVO dadurch, daß er eine Strecke, auf der in unmittelbarer Aufeinanderfolge Geschwindigkeitsbeschränkungen mit erlaubten Höchstgeschwindigkeiten verschiedener Höhe zu beachten sind, mit einer gegenüber diesen verschiedenen erlaubten Höchstgeschwindigkeiten überhöhten Geschwindigkeit in einem Zug befährt, so handelt es sich nicht um verschiedene selbständige Taten im Sinne des § 22 VStG, sondern ist im Hinblick auf den zeitlichen Zusammenhang, die gleiche Begehungsform und die Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände Deliktseinheit anzunehmen (VwGH 3.7.1979, 754/79 Slg 9904 A; VwGH 12.5.1982, 81/03/0242).
Die erkennende Behörde nimmt bezogen auf die obigen Ausführungen daher Deliktseinheit an, weshalb der Berufungswerber im rechtlichen Sinne nur die ihm zu Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses angelastete Verwaltungsübertretung begangen hat, wogegen die ihm zu Punkt 2.) angelastete Verwaltungsübertretung nicht gesondert verfolgt werden darf. Das Straferkenntnis war daher im Punkt 2.) aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich einzustellen.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Bei erheblichen Überschreitungen der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf Autobahnen (hier 63 km/h) wird die Verkehrssicherheit erheblich reduziert, weil solche erhöhte Geschwindigkeiten immer wieder eine Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle darstellen. Die Behörde erster Instanz handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie aus spezialpräventiven Überlegungen heraus über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- verhängte. Bei diesem Sachverhalt vermag auch der Umstand - sieht man von der erhöhten Umweltbelastung ab - daß keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, eine Herabsetzung der Strafe nicht zu rechtfertigen (VwGH 27.9.1989, 89/03/0236). Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Als mildernd wurde die offensichtliche bisherige absolute Unbescholtenheit des Berufungswerbers gewertet, erschwerende Umstände lagen insoferne vor, als die im verfahrensgegenständlichen Straßenbereich festgesetzte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten wurde.
Der Berufungswerber wurde mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 28. März 1996 aufgefordert, seine aktuellen Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse bekanntzugeben, wobei unter einem darauf hingewiesen wurde, daß bei Nichterledigung dieses Ersuchens das Einkommen des Berufungswerbers mit ca. S 20.000,-- monatlich netto eingeschätzt werden würde. Da der Berufungswerber dem erwähnten Ersuchen nicht entsprach, wurde seitens der erkennenden Behörde eine Einschätzung im Sinne der obigen Ausführungen vorgenommen und erscheint auch unter diesem Aspekt die seitens der belangten Behörde verhängte Geldstrafe von S 3.000,-- (bei einem Strafrahmen von bis zu S 10.000,--) durchaus gerechtfertigt, wobei auf den gravierenden Unrechtsgehalt bei einer erheblichen Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit besonders hingewiesen wird. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.