Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn H. S., H.-platz 23, K. gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg vom 26.1.1996, GZ.: 15.1- 1995/3037, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung mit der Maßgabe abgewiesen, als der Spruch des angefochtenen Bescheides insoferne abgeändert bzw. ergänzt wird, daß
a) der erste Satz bei ansonsten gleichbleibender Formulierung und nach Wegfall der Ordnungsziffer 1 nach dem Wort Straferkenntnis als Überschrift zu lauten hat:
"Sie haben als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich Verantwortlicher der Firma Backstube GesmbH. ......" und
b) die verletzte Verwaltungsvorschrift zu Punkt 1.) § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 iVm § 4 Z 1 LMKV 1993" lautet.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 500,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt,
1.) er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma B. GesmbH. mit Sitz in R., B.-weg 5, die am 8.5.1995 an die L.-Filiale in V., gelieferte Ware "10 Semmeln genetzt" in der o. a. Betriebsstätte nicht den Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechend etikettiert, da es sich bei der gezogenen Probe nach dem Gutachten der BALMU Graz um eine verpackte Ware im Sinne des § 1 Abs 2 LMKV 1993 handelt.
Es fehlten folgende Kennzeichnungselemente:
1.) die handelsübliche Sachbezeichnung (§ 4 Zif. Punkt 1 LMKV 1993), 2.) der Name (Firma oder Firmenschlagwort) und die Anschrift des Erzeugers oder verpackenden Unternehmung, 3.) das Los (Charge), wenn nicht das nach Tag und Monat bestimmte Mindesthaltbarkeits- bzw. Verbrauchsdatum angegeben ist, der Angabe geht der Buchstabe "L" voraus, es sei denn, sie unterscheidet sich deutlich von anderen Angaben, 4.) die Temperaturen oder sonstigen Lagerbedingungen, wenn deren Einhaltung für die Haltbarkeit wesentlich ist, 5.) die Zutaten (Bestandteile und Zusatzstoffe).
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1.) § 74/5 Zif. 2 LMG 75 i.V.m. § 4 Zif. 1, 2, 4, 6, 7a, 7b u. 7c
u. § 6 der LKMKVO,
2.)
§ 74 Abs 5 LMG 1975 i.V.m. § 4 Zif. 2 LMKV,
3.)
§ 74 Abs 5 Zif. 2 LMG 1975 i.V.m. § 4 Z 4 LMKV,
4.)
§ 74 Abs 5 Zif. 2 LMG 1975 i.V.m. § 4 Z 6 LKMV 1993,
5.)
§ 74 Abs 5 Zif. 2 LMG 1975 i.V.m. § 4 Z 7 a, b und c LMKV 1993. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Berufungswerber jeweils gemäß § 74 Abs 5 LMG leg. cit. zu Punkt 1.) bis 5.) eine Geldstrafe in der Höhe von je S 500,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit je 10 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gleichzeitig wurden gemäß § 64 VStG S 250,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der verhängten Strafe sowie gemäß § 45 Abs 2 LMG die Untersuchungskosten in der Höhe von
S 837,50 der BALMU Graz zum Ersatz vorgeschrieben.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht ausschließlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung die Strafhöhe betreffende Berufung mit der Begründung eingebracht, daß bereits zu Punkt 1.) eine Bestrafung hinsichtlich der übertretenen Bestimmungen erfolgt ist, während zu Punkt 2.) bis 5.) sämtliche übertretenen Gesetzesstellen nochmals mit je S 500,-- Strafe belegt worden wären. Es wäre daher das Strafausmaß auf S 500,-- zu korrigieren.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. Da in der Berufung ausschließlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet und auch keine Verhandlung beantragt wurde, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung im Sinne des § 51 e Abs 2 VStG entfallen.
Zum Vorbringen in der Berufung, wonach neuerlich unter Punkt 2.) bis 5.) sämtliche übertretene Gesetzesstellen nochmals mit je
S 500,-- Strafe belegt worden wären, obgleich bereits in Punkt
1.) eine Strafbemessung für alle verletzten Verwaltungsvorschriften erfolgt sei, ist auszuführen, daß mit diesem Vorbringen für die Rechtsposition des Berufungswerbers nichts gewonnen werden kann. Festgestellt wird, daß der Berufungswerber zwar im konkreten Fall gegen alle ihm unter Pkt. 1.) - 5.) angelasteten Bestimmungen der LMKVO 1973 verstoßen hat, jedoch grundsätzlich auch nur wegen eines unter Strafsanktion stehenden Sachverhaltes eine Begehungsmöglichkeit besteht.
Die belangte Behörde hat zu Pkt. 1.) der verletzten Verwaltungsvorschrift aus nicht erfindlichen Gründen größtenteils auch die zu den Pkt. 2.) - 4.) gesondert zu bestrafenden Übertretungsnormen (ohnedies) in Übereinstimmung mit der zuvor als erwiesen angenommenen Tat (§ 44 a Z 1 VStG) ausgewiesen. Die Berufungsbehörde hatte sich daher lediglich damit auseinanderzusetzen und erfolgte ausschließlich aus diesem Grund eine entsprechende Spruchkorrektur zu
Pkt. 1.).
Bei dieser war zunächst zu berücksichtigen, daß sich einerseits mit Ausnahme des § 4 Z 1 LMKV im wesentlichen alle übrigen zufolge der Anzeige der BALMU festgestellten verletzten Verwaltungsvorschriften in den Pkt. 2.) - 5.) wiederfinden. Zu § 6 LMKVO 1973 (lt. Anzeige oder § 4 Z 3 a LMKVO) ist andererseits festzustellen, daß diesbezüglich dem Berufungswerber ein Verstoß weder im Spruch des angefochtenen Bescheides, noch im Rahmen einer tauglichen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG vorgehalten wurde.
Dies wurde bei der eingangs ersichtlichen Spruchkorrektur besonders berücksichtigt. Der Umstand, daß nämlich seitens der BALMU Graz auch das Fehlen des zuletzt erwähnten Kennzeichnungselementes im speziellen angezeigt wurde, seitens der belangten Behörde aber ein diesbezüglicher Vorhalt innerhalb der Frist des § 31 Abs 2 VStG aus unerklärlichen Gründen nicht geschehen ist, hat den Berufungswerber schlußendlich auch davor bewahrt, zu einer allenfalls noch höheren Verwaltungsstrafe verurteilt worden zu sein. Die weitere Spruchkorrektur bzw. -ergänzung erwies sich deshalb als erforderlich, als zumindest unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden soll, daß den Berufungswerber seine strafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 9 Abs 1 VStG als handelsrechtlicher Geschäftsführer der näher bezeichneten juristischen Person traf. Da die Frage der Verantwortlichkeit aber kein Sachverhaltselement darstellt, liegt auch keine Verjährung vor, wenn dem Berufungswerber erst jetzt nach Ablauf der Frist des § 31 Abs 2 VStG vorgeworfen wird, die Übertretung in seiner Eigenschaft als Verantwortlicher nach § 9 VStG begangen zu haben (vgl. VwGH 19.1.1988, 87/04/0022 u. a.).
Zu der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung ist grundsätzlich auf die Anzeige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 26.6.1995 hinzuweisen, die auf dem Gutachten der BALMU Graz vom 12.6.1995, UZ 2296/95 basiert. Die erwähnte Verwaltungsübertretung ist demnach als erwiesen anzunehmen und wurde auch seitens des Berufungswerbers in keiner Phase des Verfahrens dem Grunde nach bestritten. Bei genetzten Semmeln handelte es sich um eine verpackte Ware im Sinne des § 1 Abs 2 der LMKV 1993 (BGBl. Nr. 72/1993 i.d.g.F.), woraus sich ergibt, daß die bereits mehrfach angeführten Kennzeichnungselemente unter Berücksichtigung des Umstandes, daß es sich bei der gezogenen Warenprobe um Semmeln (Gebäck) handelt beim Inverkehrbringen der Ware an der Verpackung anzubringen gewesen wären, was im Zuge der am 8.5.1995 durchgeführten Probenziehung im Filialmarkt der Firma L. in V., nicht der Fall gewesen ist.
Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Gegen den Schutzzweck der übertretenen Norm, der vor allem daraufhin ausgerichtet ist, den Konsumenten in entsprechender Weise durch Angabe der vom Gesetzgeber gebotenen Kennzeichnungselemente zu informieren und allenfalls vor dem Kauf alter Lebensmittel zu schützen, hat der Berufungswerber zumindest grobfahrlässig verstoßen. Mildernde bzw. erschwerende Umstände waren nicht bekannt. Der Berufungswerber hat über Ersuchen der erkennenden Behörde sein monatliches Nettoeinkommen mit ca. S 29.000,-- angegeben, sowie Sorgepflichten für ein Kind geltend gemacht. An Vermögen wurde der Besitz eines Wohnhauses, sowie Schulden in der Höhe von rund 5,4 Millionen Schilling verzeichnet.
Auch diese Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse sind nicht geeignet, eine Änderung der Entscheidung herbeizuführen, da die von der Behörde erster Instanz verhängten Strafen auch diesbezüglich angepaßt erscheinen. Im übrigen treten diese persönlichen Verhältnisse im Interesse des Schutzzweckes der übertretenen Norm in den Hintergrund.
Bei diesen persönlichen Verhältnissen und den bisher angeführten Strafbemessungsgründen ist die Strafhöhe als durchaus angemessen anzusehen, da Strafen immerhin einen spürbaren Vermögensnachteil darstellen müssen, um den Strafzweck zu erfüllen.
Es war somit das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der Höhe der verhängten Geldstrafen zu bestätigen und auch auf Grund spezialpräventiver Überlegungen, der Berufungswerber möge vor weiteren Übertretungen der gleichen Art abgehalten werden, spruchgemäß zu entscheiden.