TE UVS Steiermark 1996/05/24 30.12-77

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Veröffentlicht am 24.05.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufungen des Herrn R. H., vertreten durch Herrn Dr. H. B., Rechtsanwalt, B. a. d. M., gegen die beiden Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Judenburg, je vom 21.9.1995, GZ.: 15.1 1994/2415 und GZ.: 15.1 1994/2884, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird

1. der Berufung gegen das Straferkenntnis GZ.: 15.1 1994/2415 Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt;

2. die Berufung gegen das Straferkenntnis GZ.: 15.1 1994/2884 als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG wird dem Berufungswerber aufgetragen, als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von S 200,-- binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Der Spruch des Straferkenntnisses wird in der Sachverhaltsumschreibung wie folgt neu gefaßt:

Herr R. H., O. 14, hat in seiner Bäckerei unter der genannten Adresse am 18.5.1994 gegen 05.30 Uhr Backwaren hergestellt (z. B. Teiglinge in den Backofen eingeschoben) und damit in Verkehr gebracht, jedoch dabei nicht die übliche Bäckerkleidung, bestehend aus in weiß gehaltener, leicht zu reinigender Hose und ebensolchem Oberteil und einem Kopfschutz, getragen, obwohl ihm dies zumutbar gewesen wäre, sondern keinen Haarschutz verwendet und eine dunkle Hose und einen dunklen Pullover getragen. Er hat damit nicht vorgesorgt, daß die von ihm hergestellten Backwaren nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden."

Die verletzte Rechtsvorschrift hat zu lauten: § 20 Lebensmittelgesetz - LMG - i.V.m. § 74 Abs 5 Z 3 leg. cit.

Text

Unter dem 21.9.1995 erließ die Bezirkshauptmannschaft Judenburg als erste Instanz (die belangte Behörde) gegen den Berufungswerber (Bw) folgende zwei Straferkenntnisse (STE), mit denen ihm jeweils die Verletzung des § 20 LMG vorgeworfen und über ihn aufgrund des § 74 Abs 5 Z 3 LMG jeweils Geldstrafen von S 1.000,-- (Ersatzarrest je 1 Tag, 12 Stunden) verhängt wurden:

1. zu GZ.: 15.1 1994/2415: Danach habe er es als Inhaber des Bäckergewerbes mit dem Standort O. 14 unterlassen, dafür zu sorgen, daß am 11.4.1994 gegen 05.30 Uhr Lebensmittel, welche in Verkehr gebracht wurden, nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar sei, da er im o.g. Betrieb Bäckerarbeiten in Straßenkleidung (Hose und Pullover) und ohne entsprechenden Haarschutz verrichtet habe.

2. zu GZ.. 15.1 1994/2884 wurde der deckungsgleiche Tatvorwurf mit der Tatzeit 18.5.1994 gegen den Bw erhoben.

Dieser erhob Berufung gegen beide STE, beantragte jeweils die Behebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens und begründete dies wie folgt:

1. (zur Tatzeit 11.4.1994): Es komme im wesentlichen darauf an, daß die Arbeitskleidung sauber sei, wogegen die Art der Kleidung nach dem Lebensmittelgesetz nicht bestimmbar sei. Die von ihm getragene Kleidung habe den hygienischen Vorschriften entsprochen. Unklar sei auch die Art seiner Tätigkeit geblieben. Im Zweifel müsse angenommen werden, daß er sich wohl im Bäckereibetrieb aufgehalten habe, aber mit Lebensmitteln nicht in Berührung gekommen sei.

2. (zur Tatzeit 18.5.1994): Er habe zum Zeitpunkt der Beanstandung eine Kleidung getragen, die nur im Betrieb verwendet werde. Es sei richtig, daß er die Arbeit nicht in traditioneller Bäckerkleidung (weiße Hose und weißes Leiberl) verrichtet habe, eine Übertretung des § 20 LMG liege aber dennoch nicht vor, da er diese Kleidung nicht auf der Straße getragen habe. Die Kleidung sei auch hygienisch einwandfrei gewesen. Es stehe nicht fest, welche Art der Hose er getragen habe, weil auch die Aufsichtsorgane die Hosenqualität nicht hätten bezeichnen können, ebenso nicht die Pulloverqualität. Die Aufsichtsorgane hätten nicht behauptet, daß die Kleidung schmutzig gewesen sei. Erst dann wäre der Vorhalt des § 20 LMG gerechtfertigt. Die beiden Berufungssachen wurden wegen des sachlichen Zusammenhanges gemeinsam am 20.5.1996 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark als örtlich zuständiger Berufungsbehörde in Gegenwart des Bw, jedoch in Abwesenheit seines Vertreters verhandelt. Dabei wurden der Bw als Partei und die beiden Lebensmittelaufsichtsorgane, Herr G. H. und Herr H.-P. B. als Zeugen vernommen. Weiters wurde der gerichtlich beeidete Sachverständige Herr Prof. Dip.-Ing. Günther FRIEDRICH beigezogen, da die Beiziehung eines Amtssachverständigen von der Fachabteilung für das Gesundheitswesen des Amtes der Stmk. Landesregierung, deren Kontrollorgane die Anzeige erstattet haben, mit den Grundsätzen eines fairen Verfahren im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vereinbar gewesen wäre. Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:

§ 20 LMG: Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt, hat vorzusorgen, daß sie nicht durch äußere Einwirkung hygienisch nachteilig beeinflußt werden, soweit das nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar ist.

§ 1 LMG Abs 1: Dieses Bundesgesetz ist auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zusatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen anzuwenden.

Abs 2 (auszugsweise): Unter Inverkehrbringen ist das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten, Ankündigen, Werben, Verkaufen, jedes sonstige Überlassen und das Verwenden für andere zu verstehen, sofern es zu Erwerbszwecken oder für Zwecke der Gemeinschaftsversorgung geschieht ...... .

Nach § 74 Abs 5 Z 3 LMG macht sich, wer den Bestimmungen unter anderem des § 20 LMG zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu bestrafen. Der Bw betreibt die Bäckerei seit 1.4.1977 und hat den Betrieb O. 14 - nunmehr geändert auf M.-gasse 4 - seit 1979. Im April und Mai 1994 hatte er keine Arbeitnehmer beschäftigt. Er beginnt üblicherweise in der Früh zwischen 04.30 Uhr und 05.00 Uhr zu arbeiten. Der Betrieb ist zu erreichen über eine vordere Eingangstür, die verglast ist und in den ehemaligen Verkaufsraum führt, sowie über eine seitliche bzw. hintere Eingangstür, die ebenfalls verglast ist und direkt in die Backstube führt.

1. (Zur Kontrolle am 11.4.1994):

An diesem Tag war um 05.30 Uhr sowohl durch die vordere als auch durch die hintere (seitliche) Türe Licht zu sehen. Der vordere Raum war indirekt beleuchtet von einem anderen Raum her. Der Bw war in der Backstube anwesend. Nähere Feststellungen dahingehend, was der Bw um diese Zeit in der Backstube getan hat, lassen sich nicht treffen. Er trug einen grauen Pullover, eine graue Hose, jedoch keinen Haarschutz. Dies ergibt sich aus den Aussagen der beiden Zeugen, Herrn G. H. und Herrn H.-P. B., die am 11.4.1994 um 05.30 Uhr als Lebensmittelaufsichtsorgane der Fachabteilung für das Gesundheitswesen des Amtes der Stmk. Landesregierung im Betrieb des Bw eine Kontrolle durchführen wollten. Die Anwesenheit des Bw in der Backstube zu diesem Zeitpunkt ist zweifelfrei erwiesen, auch wenn der Bw selbst bei seiner Vernehmung dies bestritt. Es stimmen aber diesbezüglich nicht nur die Aussagen der beiden Kontrollorgane überein, sondern der Bw selbst hat in der Berufung vorgebracht, "demnach muß im Zweifel davon ausgegangen werden, daß ich mich wohl im Bäckereibetrieb aufgehalten habe". Seine Aussage bei der Vernehmung, daß er um 05.10 Uhr von den Kontrollorganen geweckt worden sei und seine Arbeit erst um 07.00 Uhr hätte beginnen wollen und auch begonnen hat, ist daher unglaubwürdig. Was der Bw in der Backstube getan hat, ließ sich auch durch die Vernehmung der beiden Zeugen nicht feststellen. Während allerdings Herr H. noch aussagte, der Bw habe sicher gearbeitet, d. h. er habe mit Backwaren hantiert, ohne sagen zu können, welche Backwaren dies waren (und welche Tätigkeit der Bw ausführte), sagte Herr H.-P. B. aus, er habe den Bw beim Backofen stehen sehen, er könne sich aber nicht erinnern, ob in diesem Raum Bäckereierzeugnisse herumgestanden seien oder ob der Bw damit hantiert habe. Laut STE

wurde dem Bw vorgeworfen, er habe nicht dafür gesorgt, "daß ......

Lebensmittel, welche in Verkehr gebracht werden .......".

Mit dem Vorwurf, Lebensmittel in Verkehr gebracht zu haben, wurde nicht mit der nach § 44 a Z 1 VStG erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, welche Tat (Handlung oder Unterlassung) dem Bw als Verwaltungsübertretung zur Last gelegt worden ist, läßt sich doch aus dem Spruch nicht erkennen, durch welches Verhalten das "Inverkehrbringen" verwirklicht worden sein soll (VwGH 9.5.1983, 82/10/0024 = ZfVB 1984/2/574). Auch der Spruchteil "Bäckerarbeiten verrichteten" bringt nicht zum Ausdruck, daß und auf welche Weise Lebensmittel in Verkehr gebracht wurden, denn es liegt auf der Hand, daß ein Bäcker auch Arbeiten verrichtet, durch die er nicht mit Lebensmitteln in Berührung kommt. Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß nicht jede Art des Inverkehrbringens von Lebensmitteln durch den Bw in der Backstube relevant ist, sondern nur eine solche, bei der er insbesondere mit Teiglingen in Berührung kam, da der Tatvorwurf ja darin erblickt wurde, daß die Möglichkeit der hygienisch nachteiligen Beeinflussung von seiner ungeeigneten Arbeitskleidung ausging. So wäre z. B. ein Inverkehrbringen von Backwaren durch ihre bloße Lagerung in der Backstube in diesem Zusammenhang nicht relevant, da eine hygienisch nachteilige Beeinflussung der gelagerten Backwaren durch ungeeignete Arbeitskleidung des Bäckers ja nicht möglich ist, solange er mit den gelagerten Waren nicht in Berührung kommt. Es wird somit in erster Linie ein Inverkehrbringen durch Herstellen oder Behandeln und dergleichen in Frage kommen.

Der Beweis wurde zwar erbracht, daß der Bw um 05.30 Uhr in der Backstube anwesend war und nicht die Arbeitskleidung eines Bäckers trug, nicht aber konnte erwiesen werden, daß der Bw dabei mit Teiglingen hantierte. Überdies wurde ihm eine entsprechend konkretisierte Tathandlung innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist nicht zur Last gelegt. Da der Tatvorwurf der hygienisch nachteiligen Beeinflussung beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln am 11.4.1994  somit nicht erweisbar war, war das STE aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

2. (Zur Kontrolle am 18.5.1994):

An diesem Tag begann der Bw seine Arbeit um ca. 04.30 Uhr. Um 05.30 Uhr war er damit beschäftigt, Teiglinge aus dem Gärunterbrecher zu nehmen, Kipferl anzustreichen und die Teiglinge in den Backofen einzuschieben und die gebackenen aus dem Ofen herauszunehmen. Er tat dies wiederum ohne Kopfbedeckung und trug wiederum einen dunklen Pullover und eine dunkle Hose. Die Art der Tätigkeit ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Bw und der beiden Zeugen Herr H. und Herrn B. Bezüglich der Arbeitskleidung ergeben sich die Feststellungen aus den im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der beiden Zeugen, denen zu folgen ist. Wenn der Bw aussagte, er habe ein weißes Bäckerkapperl, eine weiße Bäckerschürze, ein weißes bzw. gemustertes T-Shirt und eine gelb/weiße Bäckerhose, die ein Werbegeschenk gewesen sei, getragen, so steht diese Aussage mit seinem Vorbringen in der Berufung, wo es unter anderem heißt: "Wenn es auch richtig ist, daß ich nicht in traditioneller Bäckerkleidung (weiße Hose und weißes Leiberl) die Arbeit verrichtet habe .............", in Widerspruch. Demgegenüber sind die beiden Zeugenaussagen schlüssig und widerspruchsfrei und daher glaubwürdig.

Der Spruch des STE beschränkt sich zwar auch in diesem Fall bezüglich des Tatbestandelementes des Inverkehrbringens auf die Umschreibung "Bäckerarbeiten verrichteten", es liegt aber insofern eine taugliche Verfolgungshandlung vor, als dies in der Anzeige mit den Worten "diverse Mehlspeisen und andere Backwaren in die Backöfen einschob" umschrieben ist und der Vertreter des Bw am 17.8.1994 und am 10.2.1995 somit innerhalb der einjährigen Verfolgungsverjährungsfrist durch Akteneinsicht hievon Kenntnis nahm. Die Berufungsbehörde ist daher berechtigt, den Spruch des STE diesbezüglich zu präzisieren. Es steht somit einerseits fest, daß der Bw am 18.5.1994 um 05.30 Uhr Lebensmittel in Verkehr brachte, indem er Backwaren herstellte und andererseits daß er dabei die übliche Bäckerbekleidung nicht trug. Insbesondere fällt der Verzicht auf das Tragen eines Haarschutzes ins Gewicht. Der Bw ist mit seinem Berufungsvorbringen (zu GZ.:15.1 1994/2415) insofern im Recht, daß zwingende Vorschriften über die Art der Kleidung aus dem Lebensmittelgesetz nicht abgeleitet werden können. Nach § 21 Abs 1 lit. b LMG hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie zur Sicherung der Grundsätze der Hygiene im Verkehr mit Lebensmittel, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen nach Anhören des ständigen Hygieneausschusses der Codex-Kommission durch Verordnung nähere Vorschriften über das Verhalten und die Bekleidung von Personen zu erlassen. Eine derartige Verordnung wurde vom Bundesminister bisher nicht erlassen. Das Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz teilte mit Schreiben vom 25.3.1996 der Berufungsbehörde auf Anfrage unter anderem folgendes mit: "Durch das Tragen von schmutziger Arbeitskleidung oder Straßenkleidung in Bäckereibetrieben werden mikrobielle Verderbniskeime  und Krankheitserreger in den Betrieb eingebracht, die dann direkt oder indirekt in die Lebensmittel gelangen  können. Ebenfalls werden durch das Fehlen einer geeigneten Kopfbedeckung bei Arbeiten mit Lebensmitteln (z. B. Teigherstellung) mikrobielle Verderbniskeime oder Krankheitserreger über Kopfschuppen, Haare oder Schweiß in diese Produkte eingebracht. Eine hygienisch nachteilige Beeinflussung von Lebensmitteln ist dadurch gegeben. Das Tragen einer sauberen Arbeitskleidung und eines geeigneten (das Haar vollständig bedeckenden) Haarschutzes stellt daher Kernelemente für eine 'Gute Herstellungspraxis' bei Bäckereiarbeiten dar." Ebenfalls zitiert ist in diesem Schreiben die Richtlinie 93/43/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Lebensmittelhygiene, Kapitel VIII "Personalhygiene" Punkt 1:

"Beschäftigte in einem Bereich, in dem mit Lebensmitteln umgegangen wird, halten ein hohes Maß an persönlicher Sauberkeit und müssen angemessene saubere Kleidung und gegebenenfalls Schutzkleidung tragen." Bei den Ausführungen des Bundesministeriums in dem zitierten Schreiben handelt es sich allerdings um keine von den Verwaltungsbehörden anzuwendende rechtsverbindliche allgemeine Norm. Aus diesem Grund war dem Beweisverfahren ein gerichtlich beeideter Sachverständiger für Bäckereibetriebe beizuziehen. Nach dem vom Sachverständigen bei der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 20.5.1996 erstatteten Gutachten wäre vom Bw am 18.5.1994 beim Umgang mit Teiglingen entsprechende Kleidung zu tragen gewesen. Darunter zu verstehen ist eine üblicherweise in weiß gehaltene, leicht zu reinigende Arbeitskleidung, bestehend aus Hose und Oberteil (Hemd oder Jacke) und einem Kopfschutz. Durch nichtentsprechende Kleidung, insbesondere durch Fehlen eines Haarschutzes können Haare in Berührung mit Teiglingen oder Backwaren kommen. Dies ist auch bei wolliger Oberkleidung durch Ausfall von Wollfäden oder ähnlichem möglich. Durch dunkle Kleidung ist in geringerem Ausmaß gewährleistet, daß bei Kontakt mit Teiglingen keine Bakterien auf diese Teiglinge übertragen werden, weil die dunkle Farbe hygienisch gesehen einen größeren Spielraum für die Ansammlung solcher Bakterien bietet, als dies bei weißer, leicht zu reinigender Kleidung im entsprechend gereinigten Zustand der Fall ist. Überdies führt das Tragen dunkler Arbeitskleidung eher zu sorgloserem Umgang mit der Hygiene als dies bei heller bzw. weißer Kleidung der Fall ist.

Aufgrund der insoweit schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen in diesem Gutachten steht somit fest, daß der Bw am 18.5.1994 beim Hantieren mit Teiglingen elementare Grundsätze der Hygiene nicht eingehalten hat, wodurch die Gefahr einer hygienisch nachteiligen Beeinflussung der von ihm bearbeiteten Lebensmittel bestand. Das Tragen von üblicher Bäckerkleidung wäre dem Bw jedenfalls nicht unzumutbar gewesen. Es liegt damit ein Verstoß gegen § 20 LMG vor. Da es sich bei der Verletzung des § 20 LMG um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs 1 VStG handelt - somit um ein Delikt, zu dessen Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört - und der Täter in einem solchem Fall glaubhaft zu machen hat, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, da andernfalls Fahrlässigkeit angenommen wird und der Bw nicht dargelegt hat, daß er für die ihm möglichen Maßnahmen im Zusammenhang mit seiner Arbeitskleidung gesorgt hat, ist ihm insoweit Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Die Überprüfung der Strafbemessung ergab folgendes:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die Bestimmung des § 20 LMG schützt den Anspruch von Kunden auf den Erwerb solcher Lebensmittel, die in hygienisch einwandfreier Weise hergestellt wurden. Es liegt auf der Hand, daß eine Verletzung des Schutzzweckes wie im vorliegenden Fall dort gegeben ist, wo die Verunreinigung von Backwaren, insbesondere durch Haare und Schuppen möglich ist.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen. Anders als die belangte Behörde in der Begründung des STE meint, wenn sie als strafmildernd nichts wertete, ist die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des Bw zur Tatzeit als Milderungsgrund zu berücksichtigen. Dem stehen keine Erschwerungsgründe gegenüber. Wenn nun die belangte Behörde eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarrest 1 1/2 Tage) festsetzte, so ist dieses Strafausmaß jedenfalls gerechtfertigt, auch die bloß fahrlässige Unterlassung und die Einkommens-,  Vermögens- und Familienverhältnisse (monatliche Entnahmen S 5.000,-- bis S 6.000,--, Vermögen: Bäckereibetrieb einschließlich eines Hauses mit einem Einheitswert von S 600.000,-- bis S 700.000,--, Sorgepflichten für Ehegattin und ein minderjähriges Kind) stehen dem nicht entgegen. Ob diese Strafe auch spezialpräventiv in der Richtung wirksam werden kann, daß der Bw in Zukunft von gleich gelagerten Verwaltungsübertretungen abgehalten werden kann, ist wegen des niederen Strafmaßes zumindest fraglich.

Der Spruch des STE war in der Sachverhaltsumschreibung insbesondere in bezug auf das Inverkehrbringen zu präzisieren. Da sich die verletzte Rechtsvorschrift aus der Übertretungsnorm und der Strafnorm zusammensetzt, war auch diesbezüglich eine Präzisierung vorzunehmen.

Der Berufung war somit bezüglich des Sachverhaltes am 11.4.1994 Folge zu geben, zum anderen Sachverhalt war sie abzuweisen.

Schlagworte
Hygiene Bäckerei inverkehrbringen Arbeitskleidung Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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