TE UVS Steiermark 1996/05/30 303.12-16/95

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Erwin Ganglbauer, Dr. Wigbert Hütter und Dr. Renate Merl über die Berufung des Herrn DI Dr. D. A. R., vertreten durch Dr. R. T. und Dr. N. W., Rechtsanwälte in G., gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 19.6.1995, GZ.: 15.1 1994/16461, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Dem Berufungswerber (Bw) wurde von der erstinstanzlichen Behörde laut dem angeführten Straferkenntnis (STE) folgendes vorgeworfen: Er sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma K. L.

Zellstoff GesmbH. mit Sitz in G. dafür verantwortlich, daß am 12.11.1994 um ca. 19.25 Uhr die Vertiefung im Fußboden des Ästeauflösebehälters weder durch Umwehrung gesichert, noch tragsicher und nicht verschiebbar zugedeckt gewesen sei. Es seien auch keine Leisten oder Abweiser angebracht gewesen,

obwohl als Schutzmaßnahme gegen Absturz in Betriebsräumen Öffnungen und Vertiefungen im Fußboden wie Schächte, Gruben oder Kanäle gegen Absturz von Personen, Gegenständen und Material durch Umwehrungen gesichert oder tragsicher und nicht verschiebbar zugedeckt sein müßten. Der Arbeitnehmer J. B. sei (wegen Fehlens der Umwehrung) in den ca. 1,30 m tiefen Ästeauflösebehälter gefallen und habe sich schwere Verbrühungen an Füßen, Händen und am

Unterleib zugezogen.

Dies sei ein Verstoß gegen § 18 Abs 1 AAV.

Nach § 31 Abs 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz wurde ein Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzarreststrafe 3 Tage) verhängt.

Der Bw berief und machte vor allem geltend, daß ihn überhaupt kein Verschulden treffe.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 30.5.1996 in Gegenwart des Bw, seines Vertreters und eines Vertreters des Arbeitsinspektorates Graz als mitbeteiligter Partei, wobei der Bw als Partei vernommen wurde.

Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der K. L. Zellstoff GesmbH. mit Sitz in G., die unter anderem Arbeitgeberin von ca. 150 im Bereich der Zellstoffabrik tätigen Arbeitnehmern ist. Zu dieser Zellstoffabrik gehörte am 14.11.1994 ein ca. 10 m x 10 m großer Raum,

dessen gesamter Boden gegenüber dem Außenniveau

um 1,30 m abgesenkt war. Neben einer Eingangstür gab es noch ein sogenanntes zweiflügeliges Montagetor, an dessen Außenseite Warnschilder angebracht waren. Der Raum enthielt den Ästesilo (Behälter mit Rührwerk) und eine Pumpe, die von einer zentralen Schaltwarte ferngesteuert waren. Außer einem Notstopschalter gab es in diesem Raum keine händische

Bedienungsvorrichtungen. Der Raum wurde üblicherweise pro Woche ein- bis dreimal durch einen Arbeitnehmer aus der Wartmannschaft (Bedienmannschaft) kontrolliert. Darüber hinaus wurde er von der Instandhaltungsmannschaft vermutlich alle 14 Tage betreten. Das Montagetor wurde nur in Reparaturfällen, die Ausnahmen darstellen, ein- bis zweimal pro Jahr benützt. Am 14.11.1994 um ca. 19.25 Uhr war das erwähnte Montagetor nicht durch eine Abschrankung gesichert. Die vorher vorhanden gewesene

abschraubbare Abschrankung war zu einem nicht bekannten Zeitpunkt im Zuge der Umstellung des Werkes auf chlorfrei und der Sanierung (Befreiung vom Rost) des gegenständlichen Raumes entfernt worden. Während der Zeit, da die Abschrankung entfernt war, waren die Schnallen des geschlossenen Tores zu

Sicherungszwecken provisorisch mit einem Draht umwickelt.

Dieser Sachverhalt stützt sich auf die Aussage des Bw, die Handskizze und die vier Fotos zu Beilagen ./A sowie die Fotos auf den Beilagen ./C und ./D.

§ 18 AAV enthält Schutzmaßnahmen gegen Absturz in Betriebsräumen.

§ 18 (1): Öffnungen und Vertiefungen im Fußboden von

Betriebsräumen wie Schächte, Gruben oder Kanäle

müssen gegen Absturz von Personen, Gegenständen

und Material durch Umwehrungen gesichert oder tragsicher und nicht verschiebbar zugedeckt sein. An den Seiten, an denen infolge der Arbeitsweise eine solche Sicherung nicht möglich ist, müssen entsprechend hohe, genügend widerstandsfähige Leisten oder Abweiser angebracht sein .....

(3): Wandöffnungen von welchen ein Absturz von 1 m oder mehr möglich ist, müssen so gesichert sein, daß Personen nicht abstürzen können; dies ist auch dann erforderlich, wenn die Wandöffnungen nicht fest verschlossen sind. Wenn Wandöffnungen durch

abnehmbare oder schwenkbare Einrichtungen wie Brustwehren, Schranken, Seile oder Ketten gesichert sind, müssen an beiden Seiten der Öffnungen auch genügend lange Anhaltevorrichtungen wie Bügel vorhanden sein.

§ 1 AAV enthält in Z 3 folgende Begriffsbestimmung für "sonstige Betriebsräume": Räume von Betrieben, die keine Arbeitsräume sind, in denen jedoch vorübergehend Arbeiten ausgeführt werden; Führer- und Bedienungsstände von Betriebseinrichtungen und Betriebsmitteln sowie vorwiegend als Schutz gegen Witterungseinflüsse errichtete Räume wie Verkaufsstände oder Kassenschalter gelten nicht als Betriebsräume. Im gegebenen Fall enthielt der Raum den Ästesilo (Behälter mit Rührwerk) und eine Pumpe, die von einer zentralen Schaltwarte ferngesteuert waren. In diesem Raum wurden üblicherweise pro Woche ein- bis dreimal durch einen Arbeitnehmer aus der Wartmannschaft (Bedienmannschaft) Kontrollen durchgeführt. Darüber hinaus erfolgten Instandhaltungsarbeiten etwa alle 14 Tage und allfällige Reparaturarbeiten durch die Instandhaltungsmannschaft.

Somit ist festzustellen, daß im besagten Raum zwar kein ständiger Arbeitsplatz eingerichtet war, daß aber die dort vorgenommenen Kontrollen, Instandhaltungsarbeiten und Reparaturarbeiten, die in den zuvor angeführten Zeitabständen vorgenommen wurden, vorübergehende Arbeiten darstellen und dieser Raum daher als "sonstiger Betriebsraum" und damit als Betriebsraum anzusehen ist. Da der gesamte Boden dieses Raums gegenüber dem Außenniveau um 1,30 m abgesenkt war, handelt es sich nicht um eine Vertiefung im Fußboden eines Betriebsraumes. Es wäre im übrigen auch gar nicht möglich gewesen, dort (im Bereich der Wände) Umwehrungen zur Sicherung gegen Absturz

anzubringen, denn der gesamte Raum war, abgesehen

von der Eingangstür und vom Montagetor, von Wänden

begrenzt.

§ 18 Abs 1 AAV setzt einen Niveauunterschied in einem Betriebsraum zwischen dessen Fußboden und darin eingelassenen Öffnungen oder Vertiefungen voraus. Da im vorliegenden Fall jedoch der gesamte Fußboden des Betriebsraums gegenüber dem Außenniveau um 1,30 m abgesenkt war, lag kein Fall vor, der unter § 18 Abs 1 AAV zu subsumieren ist. Es liegt somit kein Verstoß gegen § 18 Abs 1 AAV vor.

Es ist nicht mehr zu prüfen, ob das Montagetor eine Wandöffnung im Sinne des § 18 Abs 3 AAV darstellte, die auf die dort genannte Weise zu sichern gewesen wäre, da eine allfällige Verletzung dieser Bestimmung wegen mittlerweile eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr geahndet werden könnte.

Da der Bw die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, die Verfolgung der allenfalls von ihm begangenen (anderen) Verwaltungsübertretung jedoch wegen Verfolgungsverjährung ausgeschlossen ist, war das STE aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Schlagworte
Fußboden Absenkung Außenniveau
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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