Dem Antrag wird gemäß § 73 AVG iVm § 56 Abs 3 VStG Folge gegeben und die
Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ zu
einer
Entscheidung bejaht.
Es wird jedoch gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.
Aufgrund des Devolutionsantrages des Privatanklägers vom 10.11.1995 hat die Berufungsbehörde mit Schreiben vom 21.11.1995 die Behörde erster Instanz zur Vorlage des gegenständlichen Verwaltungsstrafaktes und zur Stellungnahme im Sinne des § 73 Abs 2 AVG aufgefordert.
Die Behörde erster Instanz übermittelte mit Antwortschreiben vom 18.4.1996,
eingelangt am 30.4.1996, den dortigen Akt (welcher lediglich die Privatanklage
zum Inhalt hat).
Zugleich teilte die Behörde erster Instanz mit, daß sie die gegenständliche
Privatanklage des Herrn Dr M versehentlich einem anderen Strafakt angeschlossen
hatte und dem Vorlageantrag der Berufungsbehörde erst nach zeitraubenden
Nachforschungen entsprochen werden konnte. Aus diesem Grunde sei auch keine
Verfolgungshandlung erfolgt. Da der Akt längere Zeit unauffindbar gewesen ist,
sei davon auszugehen, daß die Verzögerung ausschließlich auf das Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat mit Schreiben vom 9.5.1996 dem Privatankläger diese Stellungnahme der Behörde erster Instanz zur Kenntnis
gebracht und ihm Gelegenheit zu einer Äußerung eingeräumt.
Der Privatankläger hat hiezu in seiner Stellungnahme vom 13.5.1996 im
wesentlichen vorgebracht, daß über die Privatanklage dennoch meritorisch zu
entscheiden wäre, da § 56 Abs 1 VStG eine lex specialis zu § 31 Abs 1 legcit
wäre und die subjektive Frist des § 56 Abs 1 VStG nur durch die objektive Frist
des § 31 Abs 1 legcit begrenzt sei. Nur wenn der Privatankläger vor der Fällung
des Straferkenntnisses erster Instanz zurücktrete, sei das Verfahren mit
Bescheid einzustellen (§ 56 Abs 2 letzter Satz VStG). Der Privatankläger habe
gegen die Einstellung des Verfahrens das Recht der Berufung (§ 51 Abs 2 VStG).
Die Ansicht, es wäre Verfolgungsverjährung eingetreten, sei im Hinblick auf § 73
AVG und Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG unrichtig.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in Verwaltungsvorschriften
nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub,
spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Aus § 56 Abs 3 VStG ergibt sich, daß § 73 AVG in Privatanklagesachen anzuwenden
ist.
Unbestritten steht fest, daß die Behörde erster Instanz ab Einlangen der
Privatanklage (am 2.5.1995) nicht binnen der für die Entscheidungspflicht
relevanten Frist von sechs Monaten (bis 2.11.1995) eine Entscheidung getroffen
hat, weshalb sie im Sinne der obzitierten Bestimmungen säumig geworden ist.
Gemäß § 73 Abs 2 AVG geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit
zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (bzw den UVS)
über, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb der Frist (hier:
sechs
Monate) zugestellt wurde. Ein solcher Antrag ist abzuweisen, wenn die
Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde
zurückzuführen
ist.
Aus der Stellungnahme der Behörde erster Instanz vom 18.4.1996 ergibt sich, daß
kein Grund für eine solche Abweisung gegeben ist und der mit der Einbringung des Devolutionsantrages erfolgte Kompetenzübergang von der Behörde erster Instanz an
den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ sohin gegeben ist.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verjährung in
allen Stadien des Verfahrens von amtswegen wahrzunehmen; dh, daß die Behörde
gebunden ist, eine eventuelle Verjährung von sich aus zu prüfen und wahrzunehmen, auch wenn die Parteien eine solche von sich aus nicht geltend
machen.
Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten nach ständiger
Judikatur alle Handlungen einer Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht
der Behörde zum Ausdruck bringen, dem gegen eine bestimmte Person wegen einer
bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz
vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen. Eine solche ist
jedoch, wie sich aus der Aktenlage und der oben angeführten
Stellungnahme der Behörde erster Instanz ergibt, nicht erfolgt.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie
binnen der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 VStG)
vorgenommen worden ist.
Aufgrund des Akteninhaltes ergibt sich, daß innerhalb der 6monatigen Verfolgungsverjährungsfrist (vom 21.3.1995 bis zum 21.9.1995) gemäß § 31 Abs 2
VStG von der Behörde erster Instanz versehentlich keine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG gesetzt wurde.
Infolge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 VStG (Verfolgungsverjährung) ist es daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land
NÖ verwehrt, ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten noch
einzuleiten oder
durchzuführen.
Zur Gegenäußerung des Privatanklägers vom 13.5.1996, die sich auf die
Stellungnahme der Behörde erster Instanz bezieht, ist folgendes auszuführen:
Tatsächlich ist Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 1 VStG eingetreten, da die Verjährungsbestimmungen uneingeschränkt auch in Privatanklagesachen anzuwenden
sind. Nach Ansicht der Berufungsbehörde werden durch die besondere Verjährung,
die in § 56 Abs 1 VStG als 6wöchig subjektive Verfolgungsverjährungsfrist
vorgesehen ist, die Verjährungsbestimmungen des § 31 VStG nicht eingeschränkt,
sondern erweitert. Dies ergibt sich auch aus dem - vom Privatankläger selbst ins
Treffen geführten - Zitat aus Walter-Mayers Grundriß des österreichischen
Verwaltungsverfahrensrechtes die subjektive Frist des § 56 Abs 1 VStG ist nur
durch die objektive Verjährungsfrist nach § 31 Abs 1 VStG begrenzt.
Die dort zitierte Quelle, Hellbling, Band 2, Seite 414, lautet wie folgt:
Außer der subjektiven Verjährungsfrist in der Dauer von sechs Wochen sind auch
die Vorschriften des § 31 VStG über die Verfolgungsverjährung, die Straf- und
die Vollstreckungsverjährung zu beachten. Wenn ein Strafantrag von der Behörde
meritorisch behandelt werden soll, darf demnach weder die subjektive Verjährungsfrist noch eine der Verjährungsfristen des § 31 VStG abgelaufen sein.
An dieser Beurteilung der Anwendung der hier relevanten Verjährungsfristen hat
sich nach Auffassung der Berufungsbehörde auch im Lichte der seither erfolgten
Novellierungen der Verwaltungsverfahrensgesetze nichts geändert.
Die Berufungsbehörde kann der Auffassung des Privatanklägers, Verfolgungsverjährung könne im konkreten Falle nicht angenommen werden, da
ansonsten die Einräumung des Devolutionsantrages (§ 73 AVG, § 56 Abs 3 VStG, Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG) sinnlos wäre, nicht folgen.
Dies deshalb, da in den meisten Devolutionsfällen doch rechtzeitige Verfolgungshandlungen gesetzt werden und damit diese Bestimmungen an sich nicht
obsolet sind.
Lediglich im gegenständlichen Falle ist infolge der unglücklicherweise nicht
erfolgten rechtzeitigen Anlastung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG - da die
Privatanklage bei der Behörde erster Instanz versehentlich einem anderen
Strafakt angeschlossen und sohin in Verstoß geraten war - die Verfolgungsverjährung eingetreten.
Die Berufungsbehörde war daher gehalten, das Strafverfahren gegen Dr H P gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG wegen des Eintrittes der Verfolgungsverjährung einzustellen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 67b Abs 1 AVG entfallen.