TE UVS Niederösterreich 1996/06/03 Senat-KS-95-052

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Veröffentlicht am 03.06.1996
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Spruch

Dem Antrag wird gemäß § 73 AVG iVm § 56 Abs 3 VStG Folge gegeben und die

Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ zu

einer

Entscheidung bejaht.

 

Es wird jedoch gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verfügt.

Text

Aufgrund des Devolutionsantrages des Privatanklägers vom 10.11.1995 hat die Berufungsbehörde mit Schreiben vom 21.11.1995 die Behörde erster Instanz zur Vorlage des gegenständlichen Verwaltungsstrafaktes und zur Stellungnahme im Sinne des § 73 Abs 2 AVG aufgefordert.

 

Die Behörde erster Instanz übermittelte mit Antwortschreiben vom 18.4.1996,

eingelangt am 30.4.1996, den dortigen Akt (welcher lediglich die Privatanklage

zum Inhalt hat).

 

Zugleich teilte die Behörde erster Instanz mit, daß sie die gegenständliche

Privatanklage des Herrn Dr M versehentlich einem anderen Strafakt angeschlossen

hatte und dem Vorlageantrag der Berufungsbehörde erst nach zeitraubenden

Nachforschungen entsprochen werden konnte. Aus diesem Grunde sei auch keine

Verfolgungshandlung erfolgt. Da der Akt längere Zeit unauffindbar gewesen ist,

sei davon auszugehen, daß die Verzögerung ausschließlich auf das Verschulden der Behörde erster Instanz zurückzuführen sei.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat mit Schreiben vom 9.5.1996 dem Privatankläger diese Stellungnahme der Behörde erster Instanz zur Kenntnis

gebracht und ihm Gelegenheit zu einer Äußerung eingeräumt.

 

Der Privatankläger hat hiezu in seiner Stellungnahme vom 13.5.1996 im

wesentlichen vorgebracht, daß über die Privatanklage dennoch meritorisch zu

entscheiden wäre, da § 56 Abs 1 VStG eine lex specialis zu § 31 Abs 1 legcit

wäre und die subjektive Frist des § 56 Abs 1 VStG nur durch die objektive Frist

des § 31 Abs 1 legcit begrenzt sei. Nur wenn der Privatankläger vor der Fällung

des Straferkenntnisses erster Instanz zurücktrete, sei das Verfahren mit

Bescheid einzustellen (§ 56 Abs 2 letzter Satz VStG). Der Privatankläger habe

gegen die Einstellung des Verfahrens das Recht der Berufung (§ 51 Abs 2 VStG).

Die Ansicht, es wäre Verfolgungsverjährung eingetreten, sei im Hinblick auf § 73

AVG und Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG unrichtig.

 

Der Unabhängige  Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:

 

Gemäß § 73 Abs 1 AVG sind Behörden verpflichtet, wenn in Verwaltungsvorschriften

nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub,

spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

 

Aus § 56 Abs 3 VStG ergibt sich, daß § 73 AVG in Privatanklagesachen anzuwenden

ist.

 

Unbestritten steht fest, daß die Behörde erster Instanz ab Einlangen der

Privatanklage (am 2.5.1995) nicht binnen der für die Entscheidungspflicht

relevanten Frist von sechs Monaten (bis 2.11.1995) eine Entscheidung getroffen

hat, weshalb sie im Sinne der obzitierten Bestimmungen säumig geworden ist.

 

Gemäß § 73 Abs 2 AVG geht auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit

zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (bzw den UVS)

über, wenn der Bescheid der Partei nicht innerhalb der Frist (hier:

sechs

Monate) zugestellt wurde. Ein solcher Antrag ist abzuweisen, wenn die

Verzögerung nicht ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde

zurückzuführen

ist.

 

Aus der Stellungnahme der Behörde erster Instanz vom 18.4.1996 ergibt sich, daß

kein Grund für eine solche Abweisung gegeben ist und der mit der Einbringung des Devolutionsantrages erfolgte Kompetenzübergang von der Behörde erster Instanz an

den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ sohin gegeben ist.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verjährung in

allen Stadien des Verfahrens von amtswegen wahrzunehmen; dh, daß die Behörde

gebunden ist, eine eventuelle Verjährung von sich aus zu prüfen und wahrzunehmen, auch wenn die Parteien eine solche von sich aus nicht geltend

machen.

 

Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten nach ständiger

Judikatur alle Handlungen einer Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht

der Behörde zum Ausdruck bringen, dem gegen eine bestimmte Person wegen einer

bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz

vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen. Eine solche ist

jedoch, wie sich aus der Aktenlage und der oben angeführten

Stellungnahme der Behörde erster Instanz ergibt, nicht erfolgt.

 

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie

binnen der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2 VStG)

vorgenommen worden ist.

 

Aufgrund des Akteninhaltes ergibt sich, daß innerhalb der 6monatigen Verfolgungsverjährungsfrist (vom 21.3.1995 bis zum 21.9.1995) gemäß § 31 Abs 2

VStG  von der Behörde erster Instanz versehentlich keine taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG gesetzt wurde.

 

Infolge des Vorliegens der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 VStG (Verfolgungsverjährung) ist es daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat im Land

NÖ verwehrt, ein Strafverfahren gegen den Beschuldigten noch

einzuleiten oder

durchzuführen.

 

Zur Gegenäußerung des Privatanklägers vom 13.5.1996, die sich auf die

Stellungnahme der Behörde erster Instanz bezieht, ist folgendes auszuführen:

 

Tatsächlich ist Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 1 VStG eingetreten, da die Verjährungsbestimmungen uneingeschränkt auch in Privatanklagesachen anzuwenden

sind. Nach Ansicht der Berufungsbehörde werden durch die besondere Verjährung,

die in § 56 Abs 1 VStG als 6wöchig subjektive Verfolgungsverjährungsfrist

vorgesehen ist, die Verjährungsbestimmungen des § 31 VStG nicht eingeschränkt,

sondern erweitert. Dies ergibt sich auch aus dem - vom Privatankläger selbst ins

Treffen geführten - Zitat aus Walter-Mayers Grundriß des österreichischen

Verwaltungsverfahrensrechtes die subjektive Frist des § 56 Abs 1 VStG ist nur

durch die objektive Verjährungsfrist nach § 31 Abs 1 VStG begrenzt.

 

Die dort zitierte Quelle, Hellbling, Band 2, Seite 414, lautet wie folgt:

Außer der subjektiven Verjährungsfrist in der Dauer von sechs Wochen sind auch

die Vorschriften des § 31 VStG über die Verfolgungsverjährung, die Straf- und

die Vollstreckungsverjährung zu beachten. Wenn ein Strafantrag von der Behörde

meritorisch behandelt werden soll, darf demnach weder die subjektive Verjährungsfrist noch eine der Verjährungsfristen des § 31 VStG abgelaufen sein.

 

An dieser Beurteilung der Anwendung der hier relevanten Verjährungsfristen hat

sich nach Auffassung der Berufungsbehörde auch im Lichte der seither erfolgten

Novellierungen der Verwaltungsverfahrensgesetze nichts geändert.

 

Die Berufungsbehörde kann der Auffassung des Privatanklägers, Verfolgungsverjährung könne im konkreten Falle nicht angenommen werden, da

ansonsten die Einräumung des Devolutionsantrages (§ 73 AVG, § 56 Abs 3 VStG, Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG) sinnlos wäre, nicht folgen.

 

Dies deshalb, da in den meisten Devolutionsfällen doch rechtzeitige Verfolgungshandlungen gesetzt werden und damit diese Bestimmungen an sich nicht

obsolet sind.

 

Lediglich im gegenständlichen Falle ist infolge der unglücklicherweise nicht

erfolgten rechtzeitigen Anlastung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG - da die

Privatanklage bei der Behörde erster Instanz versehentlich einem anderen

Strafakt angeschlossen und sohin in Verstoß geraten war - die Verfolgungsverjährung eingetreten.

 

Die Berufungsbehörde war daher gehalten, das Strafverfahren gegen Dr H P gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG wegen des Eintrittes der Verfolgungsverjährung einzustellen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 67b Abs 1 AVG entfallen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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