Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung des Herrn Dr Walter S gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Hietzing, vom 28.2.1995, Zahl Pst 3111-Hg/94, wegen Übertretung des § 99 Abs 1 lit b 2. Fall iVm § 5 Abs 4 StVO 1960, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß in der Tatumschreibung zwischen der Angabe des Kennzeichens "W-50" und dem Wort "geweigert" die Wortfolge "sich gegenüber einem Organ der Straßenaufsicht" einzufügen ist. Die verletzte Verwaltungsvorschrift lautet "§ 99 Abs 1 lit b in Verbindung mit § 5 Abs 4 StVO 1960", die Strafsanktionsnorm lautet "§ 99 Abs 1 lit b StVO 1960".
Der Berufungswerber hat gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von S 2.000,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.
Begründung:
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt:
"Sie haben am 14.10.1994 um 19.45 Uhr in Wien, G-gasse als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen W-50 geweigert sich zur Feststellung des Atemalkoholgehaltes zum nächstgelegenen Wachzimmer bringen zu lassen, bei dem sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, obwohl vermutet werden konnte, daß Sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigen Zustand befunden haben."
Wegen Übertretung des § 99 Abs 1 lit b 2. Fall in Verbindung mit § 5 Abs 4 StVO wurde gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO eine Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Tage) verhängt und gemäß § 64 VStG ein Verfahrenskostenbeitrag von S 1.000,-- (= 10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.
In seiner fristgerecht erhobenen Berufung wandte der Berufungswerber im wesentlichen ein, daß die angebliche Verweigerung oder Verzögerung des Alkotests nicht stattgefunden habe. Die amtliche Auslegung seines Ersuchens, seine Geschäftspartner zum naheliegenden Haus zu geleiten und dann - nach 1-2 Minuten! - zum Kommissariat mitzufahren, als Akt einer Verweigerung zu bewerten, sei ungerechtfertigt. Auch die aktenkundige Tatsache, daß er unmittelbar nach Aufforderung zum Alkotest das Teströhrchen verlangt habe, - da er bis zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt habe, daß diese Testform eingestellt worden wäre - beweise seine ausdrücklich geäußerte Bereitschaft zur Durchführung des Tests. Es sei somit durch sein Verhalten die "sofortige Durchführung des Tests nicht verhindert" worden, wie dies fälschlich im angefochtenen Bescheid behauptet werde. Ein ca 2-minütiges Zuwarten bis zur gemeinsamen zugesagten Fahrt zum Kommissariat habe keinerlei Einfluß auf die Aktualität des Alkotests - wäre aber ein selbstverständlicher Akt der Höflichkeit gegenüber den beiden auf der Straße vor dem Haus wartenden Geschäftspartnern gewesen.
Schon in seiner der Erstbehörde übermittelten Sachverhaltsdarstellung vom 15.10.1994 hatte der Berufungswerber vorgebracht, er hätte die Frage, ob er zu einem Alkotest bereit wäre, bejaht und nach dem "Röhrchen" gefragt. Der Beamte hätte erwidert, dieses dürfe seit längerer Zeit nicht mehr verwendet werden, was für den Berufungswerber neu gewesen sei. Der Berufungswerber möge zum Wachzimmer mitkommen. Der Berufungswerber habe dazu mitgeteilt, daß er zuerst höflicherweise seine Geschäftspartner zum nahegelegenen Haus geleite, was ca 2 Minuten benötige. Der Beamte hätte darauf prompt erklärt: "Das ist eine Verweigerung des Alkotestes." Der Berufungswerber habe in Anwesenheit der beiden Geschäftspartner seine Bereitschaft zum Alkotest unmittelbar nach der Verabschiedung der Geschäftspartner erklärt. Darauf sei ihm erklärt worden, dies sei zu spät, der Führerschein sei hiemit eingezogen und die Amtshandlung mit Ausstellung der gegenständlichen Bescheinigung beendet. Schlußendlich hielt der Berufungswerber nochmals seine vor zwei Zeugen abgegebene Erklärung zur Bereitschaft, den Alkotest nach Verabschiedung seiner Gäste durchzuführen, aufrecht und bedauerte, daß vor zwei Geschäftspartnern eine derartige Situation eingetreten sei. Er halte weiters fest, daß die beiden Beamten es kategorisch abgelehnt hätten, 2 Minuten für die Verabschiedung seiner Gäste abzuwarten.
Diese Sachverhaltsdarstellung wurde von Direktor DiplIng Gerfried W und Erika G mit ihrer Unterschrift am 17.10.1994 als richtig bestätigt.
Der unabhängige Verwaltungssenat hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Gemäß § 99 Abs 1 lit b StVO 1960 (in der am 1.10.1994 in Kraft getretenen Fassung des BGBl Nr 518/1994) begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 8.000 S bis 50.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt messen zu lassen oder sich vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.
Gemäß § 5 Abs 2 StVO 1960 (in der am 1.10.1994 in Kraft getretenen Fassung des BGBl Nr 518/1994) sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen. ... Wer zur Untersuchung der Atemluft aufgefordert wird, hat sich dieser zu unterziehen. Gemäß § 5 Abs 4 StVO 1960 (in der am 1.10.1994 in Kraft getretenen Fassung des BGBl Nr 518/1994) sind die Organe der Straßenaufsicht berechtigt, Personen, deren Atemluft auf Alkoholgehalt untersucht werden soll (Abs 2) zum Zweck der Feststellung des Atemalkoholgehaltes zur nächstgelegenen Dienststelle, bei der sich ein Atemalkoholmeßgerät befindet, zu bringen, sofern vermutet werden kann, daß sie sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden oder zur Zeit des Lenkens befunden haben. Im konkreten Fall ist dem eigenen Vorbringen des Berufungswerbers zu entnehmen, daß er das Mitkommen zum Kommissariat zwecks Feststellung seines Atemluftalkoholgehaltes davon abhängig machte, daß er vorher seine Geschäftspartner zum naheliegenden Haus begleite, was ca 2 Minuten benötige, und darauf die Amtshandlung für beendet erklärt wurde.
Schon auf Grund dieses unbestrittenen Sachverhaltes durfte zu Recht als erwiesen angesehen werden, daß das Mitkommen zum Kommissariat zwecks Feststellung des Atemluftalkoholgehaltes verweigert wurde, weil dem Berufungswerber kein Recht zustand, sein Mitkommen von Bedingungen abhängig zu machen (vgl dazu sinngemäß VwGH 20.11.1991, 90/03/0251).
Das Gesetz räumt dem Betroffenen keineswegs die Möglichkeit ein, die Bedingungen festzusetzen, unter denen er bereit wäre, der Aufforderung von Straßenaufsichtsorganen (hier: zum Mitkommen zum Kommissariat zwecks Feststellung des Atemluftalkoholgehaltes) nachzukommen, weshalb die Anordnungen der Straßenaufsichtsorgane, soweit dies nicht unzumutbar ist, zu befolgen sind. Im konkreten Fall wäre es dem Berufungswerber durchaus zumutbar gewesen, seine Geschäftspartner im Hinblick auf die besondere Situation nicht zum Haus zu begleiten und zu verabschieden, da für jeden einsichtigen Menschen klar ist, daß die rasche Durchführung einer Amtshandlung von Straßenaufsichtsorganen eindeutig vorgeht. Wenn den Anordnungen der Straßenaufsichtsorgane nicht unverzüglich Folge geleistet wird, bedeutet dies eine Verweigerung der im Gesetz normierten Pflicht (hier: zum Mitkommen zum Kommissariat zwecks Feststellung des Atemluftalkoholgehaltes) (vgl dazu ua VwGH 12.2.1980, 3487/78, 15.11.1989, 89/02/0130, 25.9.1991, 91/02/0028, 20.11.1991, 91/02/0113, 30.4.1992, 91/02/0157).
Der Berufung war demnach in der Schuldfrage keine Folge zu geben. Die Spruchabänderung diente der genaueren Tatumschreibung und der richtigen Zitierung der heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmungen. Sie war möglich, weil dem Berufungswerber der gesamte Akteninhalt am 21.12.1994 und somit innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungfrist zu Kenntnis gebracht und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wurde.
Zur Strafbemessung wird ausgeführt:
Das der Bestrafung zugrundeliegende Verhalten schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse an der raschen Aufklärung von Alkoholdelikten, weshalb der objektive Unrechtsgehalt der Tat nicht gerade gering war.
Auch das Verschulden des Berufungswerbers konnte nicht als geringfügig angesehen werden, da weder hervorgekommen ist, noch auf Grund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert habe oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Dazu ist auszuführen, daß es sich beim Berufungswerber um einen geprüften Kraftfahrzeuglenker handelt, dessen Sache es ist, sich über die im Zusammenhang mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges bestehenden Rechtsvorschriften laufend zu informieren (siehe VwGH 25.3.1992, Zl 91/02/0134). Zu berücksichtigen war auch, daß dem Berufungswerber der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit nicht mehr zugutekommt.
Da der Berufungswerber keine Angaben über sein Einkommen machte, war dieses zu schätzen. Auf Grund des Alters (Jahrgang 1947) und der beruflichen Stellung als Geschäftsführer war von zumindest durchschnittlichem Einkommen auszugehen.
Weiters durfte bei der Strafbemessung die Tatsache des Vorhandenseins von Vermögen in Form eines Grundstückes und eines Hauses nicht unberücksichtigt bleiben, auch wenn es der Berufungswerber nicht näher beziffert hat.
Im Hinblick auf diese Strafzumessungsgründe und den von S 8.000,-- bis S 50.000,-- reichenden Strafrahmen erscheint die verhängte Strafe auch in Anbetracht der gesetzlichen Sorgepflichten für zwei Kinder und die Gattin als durchaus angemessen und keineswegs zu hoch, zumal besondere Milderungsgründe nicht hervorgekommen sind. Die Vorschreibung des Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich auf die zwingende Vorschrift des § 64 Abs 1 und 2 VStG.