Die Berufung wird gemäß §66 Abs4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes
1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, idgF, abgewiesen.
Die Rechtsmittelwerberin hat gemäß §64 VStG, BGBl Nr 52/1991, idgF, S 400,-- an
Kosten des Verfahrens der Berufungsbehörde binnen 2 Wochen zu entrichten.
Innerhalb gleicher Frist werden der Strafbetrag und die Kosten des Verfahrens
der Behörde erster Instanz fällig.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über die Rechtsmittelwerberin wegen
Übertretung des §4 Abs2 iVm §99 Abs2 lita StVO 1960 eine Geldstrafe von S
2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 48 Stunden) verhängt.
Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses lautet wie folgt:
Sie haben als Fahrzeuglenker folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit....: 20.5.1994 um 17,00 Uhr
Ort.....: P******** auf der H********** beim Haus Nr ** in Fahrtrichtung E*********
Fahrzeug: Pkw N ***-***
Tatbeschreibung:
Bei einem Verkehrsunfall mit einer verletzten Person die nächste Gendarmeriedienststelle nicht sofort verständigt, obwohl das Verhalten
am Unfallsort mit dem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang stand.
Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin fristgerecht Berufung erhoben und im
wesentlichen ausgeführt, es hänge von der Art der jeweils eingetretenen
Verletzung einer Person ab, ob diese verletzte Person überhaupt einer Hilfe
bedarf bzw. welche Hilfsmaßnahmen notwendig seien. Sämtliche
Feststellungen über
die Art der Verletzung seien unterblieben.
Nach dem Wortlaut des §4 Abs2 Satz 1 werde von einer verletzten
Person
ausgegangen und müsse nach der Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes die
bescheiderlassende Behörde feststellen, welcher Art die Verletzung
der im Verkehrsunfall beteiligten Person sei.
Im Verfahren konnte nicht festgestellt werden, welcher Art bzw ob
überhaupt eine Verletzung des Fahrradlenkers vorgelegen sei. Nach Untersuchung des Amtsarztes
von P******** am Unfalltag und einer telefonischen Mitteilung durch den
Gendarmerieposten P******** vom 21.5.1994, daß bei einer Untersuchung des Fahrradlenkers im Spital keine Verletzung festgestellt werden konnte, treffe die
rechtliche Qualifikation des §4 Abs2 StVO nicht zu. Nach dem durchgeführten
Ermittlungsverfahren stehe lediglich eindeutig fest, daß bei dem Verkehrsunfall
Sachschaden am Fahrrad entstanden sei.
Das gegenständliche Verfahren gründet sich auf die Anzeige des Gendarmeriepostens P******** vom 24.5.1994.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesonders aufgrund der
zeugenschaftlichen Einvernahme des Insp A D vom 12. Oktober 1994, des Mag W F
vom 13. Oktober 1994, der Beschuldigteneinvernahmen sowie der Berufungsausführungen steht als erwiesen fest, daß die Beschuldigte am 20.5.1994
um 17,00 Uhr in P******** auf der H********** beim Haus Nr ** in Fahrtrichtung
E********* mit dem PKW N ***.*** unterwegs war. In der Folge stieß sie mit ihrem
PKW gegen einen links abbiegenden minderjährigen Radfahrer, der zu Sturz kam.
Nachdem die Beschuldigte kurz angehalten hatte und das zum Fahrbahnrand
humpelnde Kind nach seinen Verletzungen befragt hatte, welches zur Antwort gab,
daß es nicht wisse, ob es verletzt sei, fuhr die Lenkerin in Richtung R*********
weiter.
Inspektor D, der den Vorfall vom Gendarmerieposten aus beobachtete, und ein Passant kümmerten sich um das Kind, das über leichte Schmerzen im linken Knie
klagte. Die Lenkerin wurde vom Gendarmeriebeamten in der
nahegelegenden Putzerei
angetroffen und zur Unfallsstelle zurückgeholt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ hat erwogen:
Gemäß §4 Abs1 StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit
einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, sofort anzuhalten, wenn
als Folge des Verkehrsunfalls Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten
sind, sie zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen und an
der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken. Gemäß Abs2 legcit haben die im Abs1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall Personen verletzt worden
sind, Hilfe zu leisten. Ferner haben sie die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle sofort zu verständigen.
Der Rechtsansicht der Berufungswerberin kann nicht gefolgt werden. Der §4 Abs2 StVO enthält zwei verschiedene Verpflichtungen, nämlich einerseits
die Hilfeleistungspflicht und andererseits die Meldepflicht, deren Verletzungen
verschiedene Verwaltungsübertretungen darstellen. Dabei kann dem Gesetz nicht
entnommen werden, daß es bei Beurteilung der Verständigungspflicht darauf
ankommt, ob die entstandenen Verletzungen einer ärztlichen Versorgung bedürfen
oder nicht. Richtig ist lediglich, daß nicht jede Verletzung einer Person
schlechthin die Hilfeleistungspflicht auslöst, sondern nur solche
Verletzungen,
die objektive eine Hilfeleistung erfordern.
Die Verständigungspflicht hingegen, welche im vorliegenden Fall verletzt wurde,
wird auch durch nicht nennenswerte Verletzungen ausgelöst.
Abgesehen davon, daß die Berufungswerberin nach der Ansicht des Unabhängigen
Verwaltungssenates auch ihrer Hilfeleistungspflicht gegenüber einem zweifellos
schockierten humpelnden minderjährigen Kind nicht nachgekommen ist, hat sie
jedenfalls durch das Fortsetzen ihrer Fahrt und Aufsuchen einer Putzerei
unterlassen, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle
sofort zu
verständigen.
Zweifelsfrei steht damit als erwiesen fest, daß sie die ihr
angelastete
Verwaltungsübertretung begangen hat.
Zur Strafbemessung war festzustellen, daß der Strafrahmen für derartige
Verwaltungsübertretungen mit einer Geldstrafe von S 500,-- bis zu S 30.000,--,
im Falle ihrer Uneinbringlichkeit Arrest von 24 Stunden bis 6 Wochen, vorsieht.
Die von der Behörde erster Instanz ohnehin an der untere Grenze festgesetzte
Geldstrafe von S 2.000,-- erscheint daher selbst im Hinblick auf vorliegende
Unbescholtenheit und selbst unter der Annahme ungünstigster Einkommens-,
Vermögens- und Familienverhältnisse im Hinblick auf die zumindest grob
fahrlässige Begehung als äußerst gering bemessen. Eine Herabsetzung der
verhängten Geldstrafe oder gar ein Wegfall, wie die Rechtsmittelwerberin dies
beantragt, konnte daher nicht stattfinden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.