TE UVS Steiermark 1996/06/27 30.10-185/95

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Veröffentlicht am 27.06.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung der Frau M. H., Sch.-gasse 7, L., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Leoben vom 23.10.1995, GZ.: St 2419/95, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 9.3.1995, 10.45 Uhr in Waidring auf der B 312, auf Höhe des Straßenkilometers 47.00, in Richtung St. Johann in Tirol fahrend, den PKW LE-4 DSC gelenkt und somit in Betrieb genommen obwohl 1.) es den hiefür in Betracht kommenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften nicht entsprochen habe, da am Fahrzeug an verschiedenen Stellen an der Karosserie komplette Durchrostungen festgestellt worden seien, weiters die Stoßstange vorne nur mit einem Kabel am Fahrzeug befestigt gewesen wäre, sowie auch Rahmenkorrosionen feststellbar waren, und 2.) Blinkleuchten und Bremsleuchten zum Teil nicht funktionstüchtig bzw. die Gläser beschädigt gewesen wären.

Sie habe dadurch die Rechtsvorschriften zu 1.) § 102 Abs 1 KFG iVm. § 4 Abs 1 KFG 1967 und zu 2.) § 19 Abs 1 KFG iVm. § 18 Abs 1 KFG 1967 verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über sie zu 1.) S 500,-- (25 Stunden Ersatzarrest), zu 2.) S 500,-- (25 Stunden Ersatzarrest), gemäß § 134 KFG 1967 verhängt.

Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher die Berufungswerberin ausführt, daß das Fahrzeug zwar am rechten vorderen Kotflügel zwei oder drei kleinere Durchrostungen aufgewiesen habe. Diese hätten jedoch nicht die Fahrsicherheit beeinträchtigt. Es sei nicht richtig, daß die vordere Stoßstange mit einem Kabel befestigt gewesen wäre und auch die Rahmenkorrosion könne sie sich nicht vorstellen. Die Lichtanlage des Wagens sei in Ordnung gewesen.

Da bereits auf Grund der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid zu beheben ist, konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51 e Abs 1 VStG unterbleiben.

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich.

Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Entscheidend dafür, welche Tathandlung die Behörde der Verwaltungsvorschrift unterstellt hat, ist daher die Bezeichnung im Spruch des Erkenntnisses. Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfaßte, äußere menschliche Verhalten.

Dieses Verhalten kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Umstände so genau zu umschreiben, daß

1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2.) die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13.6.1984, Slg. NF 11.466/A).

Der Berufungswerberin wurde gemäß § 102 Abs 1 KFG

zur Last gelegt, das Fahrzeug in Betrieb genommen zu haben, obwohl es nicht den hiefür in Betracht kommenden Vorschriften entsprochen hätte. Gemäß § 102 Abs 1 KFG darf das Fahrzeug jedoch nur dann in Betrieb genommen werden, wenn sich der Kraftfahrzeuglenker, so weit ihm dies zumutbar ist, davon überzeugt hat, ob das von ihm zu lenkende Kraftfahrzeug den Vorschriften entspreche. Nur wenn ihm nachgewiesen werden kann, daß er die Fahrt angetreten hat, ohne sich vorher zu überzeugen, daß sich das Fahrzeug in einem betriebs- und verkehrssicheren Zustand befunden hat, kann eine Bestrafung erfolgen (vgl. VwGH 20.3.1963, 1203/62). Unter der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a lit a VStG ist bei Anwendung des Absatz 1 erster Satz leg. cit. auch zu verstehen, inwiefern der KFZ-Lenker gegen die dort genannte Pflicht, sich zu überzeugen, verstoßen hat (VwGH 20.5.1981, 2907 und 16.3.1994, 93030249).

Daß sich die Erstbehörde nicht damit auseinandergesetzt hat, ob sich die Berufungswerberin vor Antritt der Fahrt vom Zustand des Kraftfahrzeuges überzeugt hat und hätte erkennen können, daß sich das Fahrzeug entgegen der Verantwortung der Berufungswerberin in einem nicht verkehrs- und betriebssicheren Zustand befunden hatte und dies auch in den Spruch ihres Straferkenntnisses nicht aufgenommen hat, ein solcher Tatvorwurf auch in der Anzeige nicht enthalten ist und daher auch eine Verbesserung des Spruches des Straferkenntnisses durch die erkennende Behörde nicht vorgenommen werden konnte, war spruchgemäß zu entscheiden.

Überdies wurde nicht präzisiert, an welchen Stellen die Karosserie komplett durchrostet war und stellen die Durchrostungen der Karosserie und die mit einem Kabel am Fahrzeug befestigte Stoßstange verschiedene Tatbestände dar. Eine Teilung der Tatbestände durch die erkennende Behörde ist nicht möglich, da nicht erkennbar ist, wie hoch die Strafe für die einzelnen Durchrostungen bzw. für die mit dem Kabel befestigte Stoßstange von der Erstbehörde festgesetzt worden wäre und somit dem Grundsatz der reformatio in peius, gemäß § 51 Abs 6 VStG von der Berufungsbehörde ausdrücklich zu beachten, nicht entsprochen werden könnte (vgl. VwGH 30.6.1994, 94090049).

Zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses:

Gemäß § 18 Abs 1 KFG müssen mehrspurige Fahrzeuge unbeschadet der Bestimmungen des Abs 2 hinten mit zwei Bremsleuchten ausgestattet sein. Gemäß § 19 Abs 1 KFG müssen Kraftfahrzeuge mit Fahrtrichtungsanzeigen ausgerüstet sein, deren Blinkleuchten symmetrisch zur Längsmittelebene des Fahrzeuges und so angebracht sind, daß von vorne und von hinten jeweils zwei symmetrisch zur Längsmittelebene des Fahrzeuges liegende sichtbar sind.

Der Berufungswerberin wird nunmehr vorgeworfen, daß Blinkleuchten und Bremsleuchten zum Teil nicht funktionstüchtig bzw. die Gläser beschädigt waren und sie das Fahrzeug dennoch gelenkt oder in Betrieb genommen habe. Auch diese Übertretung wäre unter die Vorschrift des § 102 Abs 1 KFG zu subsumieren gewesen, insbesondere auch nach dem im § 22 VStG normierten Kumulationsprinzip jede einzelne gesetzliche Vorschrift, welcher der PKW nicht entsprochen hätte, gesondert zu bestrafen gewesen wäre. Diesem Spruchteil ist insbesondere aber auch nicht zu entnehmen, welche Blink- und Bremsleuchten nunmehr nicht funktioniert haben und bei welchen Leuchten lediglich die Gläser beschädigt waren und welche allen einstimmigen Bestimmungen entsprochen haben (vgl. VwGH 12.12.1986, 86/18/0176). Es wurde auch bei diesem Spruchteil der Berufungwerberin nicht vorgeworfen, daß sie sich davon überzeugt hat, obwohl ihr dies zumutbar war vor Antritt der Fahrt, daß die entsprechenden Leuchten am Fahrzeug funktionierten. Der Spruch des Straferkenntnisses erster Instanz ist ebenfalls mit Rechtswidrigkeit im Hinblick auf § 44 a VStG belastet, sodaß insgesamt spruchgemäß zu entscheiden war.

Schlagworte
Ausrüstungsmängel Blinkleuchten Bremsleuchten Funktionsuntüchtigkeit Tatbestandsmerkmal Kumulation
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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