TE UVS Steiermark 1996/07/03 30.12-30/96

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Veröffentlicht am 03.07.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Wigbert Hütter über die Berufung des Herrn F. H., vertreten durch Dr. K. W. und Dr. M. K., Rechtsanwälte, W., Sch.-gasse 5, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 26.2.1996, GZ.: 15.1 1995/7352, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird

1. die Berufung zu Punkt 1.) dem Grunde nach abgewiesen, während ihr bezüglich der Strafhöhe dahin Folge gegeben wird, daß nach § 19 Abs 1 und 2 VStG eine Geldstrafe von S 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Stunden) verhängt wird;

2. die Berufung zu Punkt 2.) und 3.) als unbegründet abgewiesen. Dadurch vermindert sich der Verfahrenskostenbeitrag für die erste Instanz zu Punkt 1.) auf S 80,--.

Dem Berufungswerber wird aufgetragen, die Geldstrafen, den Verfahrenskostenbeitrag für die erste Instanz und den hiemit nach § 64 Abs 1 und 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens festgesetzten Betrag von S 800,-- binnen vier Wochen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Der Spruch des Straferkenntnisses wird

1. in der Sachverhaltsumschreibung

a) des Punktes 1.) insofern korrigiert, als der Satzteil "und weiters keine Kopfbedeckung getragen" entfällt,

b) des Punktes 2.) insofern ergänzt, als nach dem Wort "tropfte" folgender Satzteil angefügt wird: ", obwohl die Kühlanlage mit einem jede Verunreinigung des Fleisches ausschließenden Kondenswasserablaufsystem ausgestattet sein muß",

c) des Punktes 3.) insofern ergänzt, als nach dem Wort "Armaturen" die Worte "der Waschgelegenheit" angefügt werden;

2. bei der verletzten Rechtsvorschrift

a) des Punktes 2.) insofern korrigiert, als § 3 Z 10 der Frischfleisch-Hygieneverordnung verletzt wurde,

b) des Punktes 3.) insofern korrigiert, als § 3 Z 16 der Frischfleisch-Hygieneverordnung verletzt wurde.

Der übrige Spruch bleibt unberührt.

Text

Aufgrund des angeführten Straferkenntnisses wurde der Berufungswerber (Bw) als verantwortlicher Beauftragter der J. A. AG mit Sitz in W. N. für die Filiale 6346 in H., W.-straße 26, jeweils aufgrund des § 50 Z 22 Fleischuntersuchungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 522, mit folgenden Geldstrafen (und Ersatzfreiheitsstrafen) belegt:

Zu Punkt 1.) S 1.000,-- (14 Stunden), zu Punkt 2.) S 2.000,-- (18 Stunden), zu Punkt 3.) S 2.000,-- (18 Stunden).

Er habe folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1.) "§ 7/1/1" Frischfleisch-Hygieneverordnung 1994, BGBl. Nr. 396 (i.V.m.) "§ 38/2" Fleischuntersuchungsgesetz 1982, BGBl. Nr. 522, 2.) "§ 16/1/8/2. Satz" der genannten Verordnung i.V.m. § 38 Abs 2

Fleischuntersuchungsgesetz, 3.) "§§ 16/1/12/letzter Satz" der genannten Verordnung i.V.m. § 38 Abs 2 Fleischuntersuchungsgesetz.

Durch das Veterinärreferat der Bezirkshauptmannschaft Hartberg sei festgestellt worden, daß 1.) im Zerlegeraum (der genannten Filiale) geraucht und weiters keine Kopfbedeckung getragen worden sei, 2.) am 6. und 13.7.1995 sich im Kühlraum eine große Menge Kondenswasser an der Decke befunden habe und zum Großteil auf das ungeschützte Frischfleisch getropft habe sowie 3.) am 13.7.1995 nach der WC-Benutzung keine Händereinigung im Sinne der Frischfleisch-Hygieneverordnung möglich gewesen sei, da die Armaturen nur von Hand zu bedienen gewesen seien.

Der Bw berief und führte folgendes aus:

Zu Punkt 1.) des Straferkenntnisses werde Verfolgungsverjährung geltend gemacht, da keiner der Verfolgungshandlungen zu entnehmen sei, wer am 6.7.1995 im Zerlegeraum geraucht und wer keine Kopfbedeckung getragen habe. Gerade die Person,

durch die diese Übertretung verwirklicht worden sein soll,

sei jedoch anzugeben gewesen, um dem Tatvorwurf

wirksam entgegentreten zu können.

Zu Punkt 2.) werde darauf verwiesen, daß die Kondenswasserbildung durch einen zu hoch montierten Verdampfer der Kühlanlage eingetreten sei. Der Verdampfer sei von einem Fachunternehmen, der Firma L. Kälteanlagen montiert worden und habe bis zum Beanstandungszeitpunkt keine Probleme verursacht.

Nach der Beanstandung sei das Problem dadurch

beseitigt worden, daß der Verdampfer tiefer montiert worden sei. An der offensichtlich nicht fachgerechten Montage treffe ihn kein Verschulden.

Zu Punkt 3.) werde darauf verwiesen, daß die in der Frischfleisch-Hygieneverordnung vorgesehene Übergangsfrist bis Ende 1995 durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz im Zuge des EU-Beitrittes

Österreichs um 2 Jahre, somit bis Ende 1997, verlängert worden sei, wodurch es am Vorliegen des objektiven Tatbestandes mangle.

Er stelle daher den Antrag, eine mündliche Berufungsverhandlung anzuberaumen und das Straferkenntnis allenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens zu beheben und das Verfahren einzustellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 30. Mai 1996 in Gegenwart des Bw's und seines Vertreters.

Einvernommen wurden der Bw als Partei und der Amtstierarzt der Bezirkshauptmannschaft Hartberg Herr Dr. H. H. sowie der Montageinspektor der Firma L.

Kältetechnik Herr G. M. als Zeugen.

Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen:

Die J. A. AG mit Sitz in W. N. betreibt in H., W.-straße 26, die Filiale Nr. 6346. Der Bw war seit 7.3.1995 verantwortlicher Beauftragter für alle im Bereich dieser Filiale zur Anwendung gelangenden Verwaltungsvorschriften.

In der Filiale wird ausschließlich Fleisch zerlegt, das dann ausschließlich in dieser Filiale in Verkehr gebracht wird, wobei es grundsätzlich nur an Letztverbraucher abgegeben wird. Es werden Rinder- und Schweinehälften zerlegt, auf Tassen gelegt, eingepackt und etikettiert. Es war nur ein Fleischer (Stockleiter) beschäftigt. Am 6.7.1995 war dies Herr W. S.

Dem Bw unterstanden insgesamt 21 Filialen. Er besuchte jede Filiale in der Regel einmal wöchentlich zu verschiedenen Zeiten, und zwar jeweils unangemeldet.

Zu Punkt 1.):

Am 6.7.1995 wurde im Zerlegungsraum geraucht. Dies ergibt sich indirekt daraus, daß starker Nikotingeruch feststellbar war und (im Zeitpunkt der Kontrolle durch den Amtstierarzt Herrn Dr. H.) eine brennende Zigarette auf der Zerlegetafel lag.

Zu Punkt 2.):

Am 6.7.1995 und am 13.7.1995 trat auf der Decke des Kühlraumes eine starke Kondenswassertropfenbildung

auf, die dazu führte, daß das Kondenswasser auf das Frischfleisch herabtropfte. Die gesamte Kühlanlage wurde bei Neueröffnung der Filiale vor ca. 3 Jahren durch die Firma L. Kältetechnik montiert. Das Kühlaggregat befindet sich außerhalb des Kühlraumes. Der Verdampfer, der die eigentliche Kühlung macht, ist ein größeres Gerät (ca. 2 m lang und gegen 1 m breit) und unterhalb der Decke montiert. Unterhalb des Verdampfers befindet sich eine Auffangtasse, von der das Kondenswasser zum Abflußsystem geleitet wird. Die Kühlanlage wird von der L. Kältetechnik GesmbH. aufgrund eines Wartungsvertrages jährlich kontrolliert. Zur Tropfenbildung kommt es bei Unterschreitung des Taupunktes der Kühlzellendecke, wobei die Kühldecke so kalt wird, daß sich die Luftfeuchtigkeit absetzt oder dann, wenn im Kühlraum mit Heißwasser Reinigungsarbeiten durchgeführt werden. Im Sommer passiert es, daß der Verdampfer vereist.

Zu Punkt 3.):

Die Waschgelegenheit in der Nähe des WC's war am 13.7.1995 mit einer Armatur ausgestattet, die nur von Hand zu bedienen war.

Der Sachverhalt zu Punkt 1.) stützt sich auf die Aussage des Amtstierarztes Herrn Dr. H., zu Punkt 2.) auf die Aussagen des genannten Zeugen und - bezüglich der Lage und Funktion der Kühlanlage - des Bw und des Zeugen Herrn M. Auch der Sachverhalt zu Punkt 3.) stützt sich auf die Aussage des Herrn Dr. H.

Folgende Rechtsvorschriften sind im gegenständlichen Fall betroffen:

Nach § 38 Abs 2 Fleischuntersuchungsgesetz - FlUG - hat der Bundesminister für Gesundheit und Umweltschutz zur Sicherung einer angemessenen Hygiene durch

Verordnung für die im § 17 Abs 1 genannten Betriebe Bestimmungen über 1. die Bekleidung, das Verhalten

und den Gesundheitszustand des Personals, 2. die Ausstattung und Beschaffenheit der Betriebsanlage, der Betriebsräume und der Betriebsmittel sowie deren Reinigung, 3. die Vorkehrungen, die beim Schlachten und Zerlegen des Fleisches sowie bei dessen weiterer Behandlung, Lagerung, Verarbeitung und Transport anzuwenden sind, 4. die zur Gewährleistung eines hygienischen Zustandes erforderlichen sonstigen Maßnahmen zu erlassen.

Zu Punkt 1.):

§ 7 Abs 1 Z 1 Frischfleisch-Hygieneverordnung: Das Betriebspersonal, das unverpacktes oder bloß umhülltes Frischfleisch bearbeitet oder das in Räumen und Bereichen arbeitet, in denen frisches Fleisch erschlachtet, bearbeitet (z. B. zerlegt), verpackt, umverpackt, gelagert oder transportiert wird, muß helle, saubere und leicht zu reinigende Kopfbedeckungen, die das Haar vollständig bedecken und Schuhe sowie helle Arbeitskleidung und erforderlichenfalls einen Nackenschutz oder eine sonstige Schutzkleidung tragen ........... In den Arbeits- und Lagerräumen sowie in den Bereichen für das Einladen, die Annahme, das Bereitstellen und das Ausladen der Waren sowie in sonstigen Bereichen und Gängen, durch die frisches Fleisch transportiert wird, darf nicht geraucht werden. Da sich aus der Sachverhaltsfeststellung ergibt, daß im Zerlegeraum der Filiale am 6.7.1995 geraucht wurde, liegt ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 Z 1 Frischfleisch-Hygieneverordnung vor.

Wie behandelt, machte der Bw Verfolgungsverjährung geltend, da der Verfolgungshandlung (das ist die Strafverfügung vom 27.11.1995) nicht entnommen werden könne, wer am 6.7.1995 im Zerlegeraum geraucht und

wer keine Kopfbedeckung getragen habe.

Da es nach dem Wortlaut des § 7 Abs 1 Z 1 nicht darauf ankommt, wer in den dort genannten Räumen raucht und das Verbot dort zu rauchen als ein allgemeines, sich gegen jedermann richtendes Rauchverbot anzusehen ist, ist es unerheblich, ob der Fleischer, ein Kunde oder sonst jemand im Zerlegeraum geraucht hat. Die behauptete Verfolgungsverjährung liegt jedoch diesbezüglich nicht vor.

Anders ist der Tatvorwurf zu beurteilen, daß keine Kopfbedeckung getragen wurde: Das Gebot, eine entsprechende Kopfbedeckung zu tragen, gilt für das Betriebspersonal, das unverpacktes oder bloß umhülltes Frischfleisch bearbeitet udgl. Eine nach § 32 Abs 2 VStG innerhalb der - in diesem Fall sechsmonatigen - Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommene Verfolgungshandlung hätte sich auf alle, der Bestrafung zugrundegelegten Sachverhaltselemente zu beziehen gehabt (siehe beispielsweise VwGH 29.4.1975, Slg. 8819A). In der Strafverfügung vom 27.11.1995, der einzigen innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist vorgenommenen Verfolgungshandlung, ist jedoch keine Rede davon, daß es ein Angehöriger des Betriebspersonals war, der unverpacktes oder bloß umhülltes frisches Fleisch bearbeitete udgl. und dabei keine Kopfbedeckung getragen hat. Der Tatvorwurf in Punkt 1.) der Sachverhaltsumschreibung "und weiters keine Kopfbedeckung getragen" unterliegt daher der Verfolgungsverjährung und war bei der Spruchkorrektur in diesem Bescheid zu streichen.

Zu Punkt 2.):

Dem Bw wurde die Verletzung des § 16 Abs 1 Z 8 zweiter Satz der Frischfleisch-Hygieneverordnung zur Last gelegt. Das 8. Hauptstück der Verordnung, zu der § 16 gehört, betrifft "Sonderbestimmungen für Betriebe mit geringer Produktion". Nach § 15 Abs 1 müssen unter anderem Zerlegungsbetriebe, die weniger als 250 Tonnen Fleisch jährlich zerlegen und die das Fleisch ausschließlich im Inland in Verkehr bringen, unter den Vorraussetzungen der Abs 2 bis 6 den Anforderungen der §§ 3 bis 6 nicht entsprechen, wenn sie die Bedingungen des § 16 erfüllen.

Die im Abs 3 des § 15 genannte Bedingung ("Fleisch, das in Betrieben gewonnen wurde, die Erleichterung gemäß Abs 1 in Anspruch nehmen, darf nur ohne eine gemäß den lebensmittelrechtlichen Vorschriften zu kennzeichnende Verpackung feilgehalten werden") ist insofern nicht erfüllt, als in der Filiale verpacktes und gekennzeichnetes Fleisch feilgehalten wurde. Daraus folgt, daß für den gegenständlichen Betrieb nicht die Sonderbestimmungen des 8. Hauptstückes gelten,

sondern die allgemeinen Hygienebestimmungen für Betriebe des 2. Hauptstückes, dessen § 3 Z 10 folgendes bestimmt: Es müssen Kühlanlagen vorhanden sein, durch die gewährleistet ist, daß die vorgeschriebene Temperatur des Fleisches eingehalten wird. Diese Kühlanlagen müssen mit einem jede Verunreinigung des Fleisches ausschließenden Kondenswasserablaufsystem ausgestattet sein.

Da im vorliegenden Fall eine derartig starke Kondenswassertropfenbildung an der Kühlzellendecke auftrat, daß das Kondenswasser auf das

darunterliegende Frischfleisch herabtropfte, wodurch das Fleisch verunreinigt wurde, liegt ein Verstoß gegen diese Bestimmung vor.

Zu Punkt 3.):

Hier wurde dem Bw die Verletzung des § 16 Abs 1 Z 12

letzter Satz Frischfleisch-Hygieneverordnung

vorgeworfen. Aus dem zu Punkt 2.) angeführten Grund ist

auch hier nicht § 16 Abs 1 Z 12 letzter Satz anzuwenden,

sondern § 3 Z 16: Es muß eine ausreichende Anzahl von

......... Waschgelegenheiten ............ vorhanden sein

............ die Hähne der Waschgelegenheiten dürfen nicht

von Hand aus oder mit dem Arm zu betätigen sein.

Solche Waschgelegenheiten müssen sich auch in ausreichender Anzahl in der Nähe der Toilettanlagen befinden.

Indem die Hähne (Armaturen) der in der Nähe des WC's befindlichen Waschgelegenheit nur von Hand zu

bedienen waren, liegt ein Verstoß gegen die genannte Bestimmung vor.

Der Bw machte, wie angeführt, zu Punkt 3. geltend, daß die in der Frischfleisch-Hygieneverordnung vorgesehene Übergangsfrist bis Ende 1995 durch Verordnung des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz im Zuge des EU-Beitrittes

Österreichs um zwei Jahre, somit bis Ende 1997 verlängert worden sei.

Dazu ist zunächst auf § 20 Abs 1 Frischfleisch-Hygieneverordnung hinzuweisen, wonach der Landeshauptmann in jenen Betrieben, die nicht dem 8. oder 9. Hauptstück unterliegen und die Fleisch ausschließlich im Inland in Verkehr bringen, auf deren Antrag befristet bis spätestens 31. Dezember 1995 Ausnahmen von den Bestimmungen der §§ 3 bis 6 dieser Verordnung gewähren kann, soweit dagegen keine veterinär- oder sanitätspolizeilichen Bedenken bestehen. Es wurde vom Bw nicht geltend gemacht, daß ein derartiger Antrag an den Landeshauptmann gestellt und ihm eine Ausnahme gewährt worden sei. Es gilt somit, daß die Verordnung und insbesondere die hier vorliegenden Bestimmungen am 1. Juli 1994 in Kraft getreten sind. Auch die behauptete Verlängerung der Übergangsfrist im Zuge des EU-Beitrittes Österreichs bis Ende 1997 liegt nicht vor.

Zum Verschulden ist folgendes auszuführen:

§ 5 ("Schuld") Abs 1 VStG lautet:

"(1)Wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei

Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiters anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft."

Verwaltungsübertretungen, zu deren Tatbestand der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört, werden als Ungehorsamsdelikte bezeichnet. (VwGH 5.9.1978, 2787/77)

Bei diesen Delikten hat jedoch der Täter die von ihm behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und es obliegt ihm, alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. (s. VwSlg 7087 A/1967 und VwGH 20.5.1968, 187/67). Der Gesetzgeber belastet sohin den Täter in einem solchen Fall schon durch den objektiven Tatbestand und präsumiert die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils durch den Beschuldigten. (VwGH 21.10.1977, 1793/76, ebenso VwGH 13.2.1979, 2969/77)

Das Verschulden ist bei den drei Übertretungen gesondert zu prüfen. Der Bw kontrollierte die Filialen, wie festgestellt, einmal pro Woche, indem er sie zu verschiedenen Zeiten jeweils unangemeldet besuchte. Zu Punkt 1.) ist festzustellen, daß nach Aussage des Bw im Arbeitsraum eine Tafel "Rauchen verboten" hing und die Fleischer "voll informiert" waren, daß sie nicht rauchen dürfen. Sie erfuhren dies bereits bei ihrem Dienstantritt und später durch schriftliche Dienstanweisungen sowie durch die Besuche des Bw in der Filiale. Der Bw wußte nicht, ob der Fleischer Herr S. Raucher war. Dies ist umso erstaunlicher, als der Zeuge Dr. H. bei seiner Kontrolle am 6.7.1995 intensiven Nikotingeruch im Zerlegeraum wahrnahm, und zwar Herrn S. selbst nicht rauchend antraf, jedoch eine brennende Zigarette auf der Zerlegetafel vorfand, was darauf zurückzuführen war, daß Herr S. den Raum kurzfristig verlassen hatte und was nur so gedeutet werden kann, daß Herr S. diese Zigarette rauchte. Wenn auch Herr S. erst kurz vor dem 6.7.1995 in der Filiale als Fleischer zu arbeiten begonnen haben mag, kann es dem Bw auch in dieser kurzen Zeit nicht verborgen geblieben sein, daß Herr S. Raucher war und in den Arbeitsräumen geraucht hat, was durch den intensiven Nikotingeruch jederzeit erkennbar gewesen sein muß. Dem Bw ist daher diesbezüglich jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen.

Zu Punkt 2.) ist auf folgendes zu verweisen: Hier bestritt der Bw in der Berufung sein Verschulden mit dem Argument, daß der Verdampfer von einem Fachunternehmen der Firma L. Kältetechnik montiert worden sei und es bis zum Beanstandungszeitpunkt keine Probleme gegeben habe. Nach der Beanstandung sei das Problem dadurch beseitigt worden, daß der Verdampfer tiefer montiert worden sei. An der offensichtlich nicht fachgerechten Montage treffe ihn kein Verschulden.

Dieses Vorbringen ist mehrfach unzutreffend. Bereits mit Schreiben vom 12.10.1994 wurde die J. A. Fleischwaren AG vom Amtstierarzt Dr. H. diesbezüglich wie folgt informiert: "Wasser tropft von Decke im Kühlraum - hohes Hygienerisiko !!"Der Bw gab an, daß ihm dieses Schreiben nicht bekannt sei. Die Wahrnehmung des Amtstierarztes geht laut dem besagten Schreiben auf Kontrolluntersuchungen im Zeitraum Juli bis September 1994 zurück. Laut Montageschein Nr. 035722 vom 1.4.1994 hatte es an diesem Tag bereits einen von der L. Kältetechnik GesmbH. in der Filiale behobenen Reparaturfall gegeben, wobei es im Montageschein unter anderem heißt "Feststellen, daß der Verdampfer vereist ist". Es ist zwar einzuräumen, daß die beiden genannten Urkunden aus der Zeit stammen, bevor der Bw verantwortlicher Beauftragter wurde. Dies schließt aber nicht aus, daß der Bw von der J. A. AG oder vom Personal in der Filiale informiert wurde und daß er die Pflicht gehabt hätte, sich seinerseits über relevante Vorgänge und den Zustand der Betriebsanlage bei Antritt seiner Tätigkeit zu informieren. Andernfalls wäre bei kurzfristigem Wechsel der Person des verantwortlichen Beauftragten - der Bw war nur ca. ein Jahr verantwortlicher Beauftragter - eine Kontinuität der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften nicht erzielbar. Dem Bw selbst sind nach eigener Aussage aber "nie Schwierigkeiten aufgefallen", während der Filialinspektor der L. Kältetechnik Herr M. bei seinem Besuch in der Filiale am 7.7.1995 feststellte, daß dies der extremste Fall von Tropfenbildung war, den er je gesehen hatte. Andererseits war es dem Bw jedoch bekannt, daß es im Sommer passiert, daß der Verdampfer vereist. Laut Schreiben, Beilage ./B, der L. Kältetechnik vom 27.7.1995 führte - anders als der Bw vorbrachte - die Tiefersetzung des Verdampfers am 17.7.1995 nicht zu dem gewünschten Erfolg, da der Fleischer der Filiale der Firma L. bereits am 26.7.1995 mitteilte, daß wieder starke Kondenswassertropfenbildung an der Deckenunterkante auftrat und daß Kondenswasser auf die Ware herabtropfte. Es kann daher von einer Behebung des Mangels keine Rede sein. Es wurde dann der Haustechniker der Firma B. eingeschaltet, von dem der Bw dann gesagt bekam, die Sache sei in Ordnung. Auch daraus ist der Schluß zu ziehen, daß der Bw der Sache nicht selbst weiter nachging und sich nicht selbst von der Behebung des Schadens überzeugte. Zusammenfassend

ist daher festzustellen, daß der Bw bereits aufgrund des im Jahre 1994 aufgetretenen Mangels informiert hätte sein müssen und andererseits auch selbst vor dem 6.7.1995 Gelegenheit gehabt hätte, bereits vor dem Sommer vorbeugend oder beim ersten Auftreten der Kondenswassertropfenbildung vor dem 6.7.1995 unverzüglich von sich aus die Behebung des Mangels in die Wege zu leiten, ohne daß es hiezu eines Anstoßes durch den Amtstierarzt bedurft hätte. Der Hinweis des Bw auf seine Schuldlosigkeit wegen der offensichtlich nicht fachgerechten Montage durch ein Fachunternehmen kann daher den Bw in Wahrheit nicht entlasten.

Zu Punkt 3.): Die Verantwortung mit der Verlängerung der Übergangsfrist bis Ende 1997 führt nicht zum Erfolg, da, wie angeführt, die Frischfleisch-Hygieneverordnung am 1.7.1994 in Kraft trat. Der Bw sagte diesbezüglich aus, er habe von der Tierärztin der J. A. AG Frau Dr. V. die Information erhalten, daß es (für die Bestimmung des § 16 Abs 1 Z 12 letzter Satz bzw. § 3 Z 16 Frischfleisch-Hygieneverordnung) "eine aufschiebende Wirkung bis 1997" gebe. Er habe sich auf diese Auskunft verlassen und keine sonstigen Erkundungen gemacht. Wenn der Bw hier einen Rechtsirrtum geltend machen wollte, wäre ihm folgendes zu entgegnen:

§ 5 ("Schuld") Abs 2 VStG lautet:

"(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte."

Im Ausschußbericht 1925 zu dieser Bestimmung heißt es

unter anderem: "............, so soll nach dem 2. Absatz des

§ 5 auch einem zurechnungsfähigen Menschen sein

Verhalten nicht zur Schuld gerechnet werden, wenn er es

nicht als schädlich oder gefährlich, als unverträglich mit

der guten Ordnung des Gemeinwesens erkennen konnte

und ihm trotz der Aufwendung der Aufmerksamkeit, die

er nach seinem Stande, Amte, Berufe, Gewerbe, seiner

Beschäftigung oder überhaupt nach seinen besonderen

Verhältnissen aufzuwenden verpflichtet war, auch die

Verwaltungsvorschrift unbekannt geblieben ist, die das

Verhalten untersagt oder gebietet ........ Nach dem

Entwurf soll die Behörde auch in dieser Frage von der

Annahme ausgehen dürfen, daß jeder seine Pflicht kennt

oder an ihrer Unkenntnis selbst Schuld trägt. Die

Verteidigung des Beschuldigten, er habe nicht gewußt,

daß er zu einer bestimmten Handlung verpflichtet

gewesen sei oder daß er eine Handlung nicht hätte

vornehmen dürfen, soll ihn nach dem 2. Absatz des § 5

nicht vor Strafe schützen, wenn nicht erwiesen wird, daß

ihn auch bei Aufwendung pflichtgemäßer Sorgfalt der

Gedanke an das Unerlaubte seines Verhaltens gar nicht

kommen konnte ........" Nach dem Erkenntnis des

Verwaltungsgerichtshofes vom 30.11.1981, 81/17/0126,

kommt es darauf an, daß sich der Beschwerdeführer

entsprechend der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht

ausreichend und nachweislich über die Richtigkeit einer

Rechtsansicht unterrichtet hat, wobei Erkundigungen

nicht nur bei der Behörde selbst in Betracht kommen,

sondern auch die Befassung einer zur berufsmäßigen

Parteienvertretung berechtigten Person oder einer für

derartige Auskünfte eingerichteten Stelle etwa im

Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung. Der Bw verließ

sich nach eigener Aussage auf die Auskunft der Tierärztin

Frau Dr. V. ohne sonstige Erkundigungen vorzunehmen.

Es wurde von ihm nicht einmal der Beweis angeboten, Frau Dr. V. als Zeugin zu vernehmen. Er kann sich daher mit seiner Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift bzw. dem irrigen Glauben, daß die Vorschrift erst Ende 1997 in Kraft treten würde, nicht erfolgreich entschuldigen, weshalb ihm auch in diesem Fall Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Nach § 50 Z 22 FlUG macht sich, wer gegen Gebote

oder Verbote einer aufgrund des § 38 Abs 2, 3 oder 5 erlassenen Verordnung verstößt, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu S 60.000,-- zu bestrafen.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Es liegt auf der Hand, daß bei einem Verstoß gegen das Rauchverbot in einem Arbeitsraum eines Zerlegebetriebes, bei Herabtropfen von Kondenswasser auf das ungeschützte Frischfleisch und bei Betätigung der Armaturen einer Waschgelegenheit von Hand in einem solchen Betrieb ein hohes Hygienerisiko entsteht, das zu Lasten jener Kunden geht, die Fleischprodukte aus

einem solchen Zerlegungsbetrieb kaufen.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.

Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde wertete "als erschwerend die gravierenden hygienischen Mängel, welche leicht zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung von Menschen führen können". Die gravierenden hygienischen Mängel sind Tatbestandsmerkmale, die nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen (Doppelverwertungsverbot). Es liegen somit keine Erschwerungsgründe vor. Desgleichen gibt es keine Milderungsgründe. Bei allen drei Delikten ist Fahrlässigkeit zu berücksichtigen. Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse: monatliches Einkommen S 20.000,-- bis S 25.000,-- netto, Hälfteanteil an einem Einfamilienhaus, Sorgepflicht für zwei Kinder und die Ehegattin.

Bei Punkt 1.) war die Geldstrafe wegen des Entfalls eines Teils des Tatvorwurfs herabzusetzen, wobei allerdings eine Verpflichtung zur verhältnismäßigen Herabsetzung des Strafsatzes übereinstimmend mit dem Ausmaß der Einschränkung des Tatbestandes dem Gesetz nicht entnommen werden kann (VwSlg. 9674A). Die Höhe der Geldstrafe war daher zu Punkt 1.) mit S 800,-- (Ersatzarrest 10 Stunden) festzusetzen, da diese Strafhöhe durch das auch bei diesem Punkt geltende

hohe Hygienerisiko erforderlich ist und die anderen Strafzumessungsgründe dieser Strafhöhe nicht entgegenstehen.

Bei den Punkten 2.) und 3.) war die Geldstrafe von jeweils S 2.000,-- (Ersatzarrest jeweils 18 Stunden) zu bestätigen, wofür auch in diesen Fällen das hohe Hygienerisiko ausschlaggebend ist. Der Entfall des von der belangten Behörde angenommenen Erschwerungsgrundes wirkt deswegen nicht zugunsten

des Bw, weil erkennbar ist, daß die belangte Behörde den Erschwerungsgrund bloß genannt, ihn aber nicht wirklich berücksichtigt hat. Schließlich sind bei allen drei Geldstrafen auch spezialpräventive Überlegungen anzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 64 Abs 1 und 2 VStG, wonach als Beitrag für das Verfahren erster Instanz 10 % der verhängten Strafe und für das Berufungsverfahren weitere 20 % der verhängten Strafe zu bemessen sind.

Bei Punkt 1.) entfällt ein Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren deswegen, weil der von der ersten Instanz angenommene Tatbestand einzuschränken war

(BGH 7.7.1936, A 1139/34; VwSlg. 9674A).

Der Spruch des Straferkenntnisses war wie folgt zu korrigieren bzw. zu ergänzen: In der Sachverhaltsumschreibung des Punktes 1.) war der Tatvorwurf, daß keine Kopfbedeckung getragen wurde, aus dem Grund der Verfolgungsverjährung

auszuscheiden. In der Sachverhaltsumschreibung des Punktes 2.) war jenes Verhalten einzufügen, das vom Bw zu erwarten gewesen wäre. In der Sachverhaltsumschreibung des Punktes 3.) war der Bezug zur Waschgelegenheit bei dem Wort Armaturen herzustellen. Die verletzten Rechtsvorschriften zu Punkt

2.) und 3.) waren insofern zu korrigieren, als statt § 16 die entsprechende Bestimmung des § 3 der Frischfleisch-Hygieneverordnung aus den angeführten Gründen heranzuziehen war.

Die Berufung war somit zu den Punkten 2.) und 3.) abzuweisen, zu Punkt 1.) war ihr bei Abweisung dem Grunde nach hinsichtlich der Strafhöhe im angeführten Ausmaß stattzugeben.

Schlagworte
Rauchverbot Kopfbedeckung Hygiene Arbeitskleidung Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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