TE UVS Steiermark 1996/07/09 30.14-124/95

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Veröffentlicht am 09.07.1996
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung der Frau S. R., vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. K., Dr. P. & Partner, alle G., gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 11.10.1995, GZ.: III/St-21.008/94, nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung, wie folgt entschieden:

Die Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der bekämpfte Bescheid abgeändert und unter Verweis auf § 19 VStG die Geldstrafe mit S 1.500,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) neu festgesetzt. Dadurch vermindert sich der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens auf den Betrag von S 150,--. Sowohl die Geldstrafe als auch der Kostenbeitrag sind binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.

Text

I.) Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe am 20.10.1994, um ca. 16.00 Uhr in Graz 16, Kärntnerstraße-Straßganger Straße-Weiberfeldweg, auf der Straßganger Straße in nördliche Richtung fahrend, durch Einbiegen nach links den Vorrang einer entgegenkommenden, die Fahrtrichtung beibehaltenden Fahrzeuglenkerin (Motorfahrrad GU-6HLK) nicht beachtet und diese zu unvermitteltem Bremsen ihres Fahrzeuges veranlaßt. Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 19 Abs 7 iVm § 19 Abs 5 StVO wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von S 2.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von S 200,-- vorgeschrieben.

II.) In der rechtzeitig erhobenen Berufung führte die Berufungswerberin durch ihren Rechtsvertreter zum Tatvorwurf der Vorrangverletzung unter Verweis auf die im erstinstanzlichen Verfahren abgegebenen Stellungnahmen vom 6.4. und 3.8.1995 im wesentlichen aus, die Berufungswerberin habe keinesfalls durch Nichtbeachtung des Vorrangverkehrs die Zeugin E. zum unvermitteltem Abbremsen ihres Fahrzeuges veranlaßt. Vielmehr sei der Mopedlenkerin eine Sorgfaltsverletzung vorzuhalten, weil es ihr - hätte sie keine Reaktionsverspätung zu verantworten - durch eine leichte Betriebsbremsung und Auslenken des Mopeds möglich gewesen wäre, den Unfall zu verhindern.

Eine Vorrangverletzung im Sinne des Gesetzes liege nur dann vor, wenn entweder durch den Beginn oder durch die nachfolgende Ausführung des Fahrmanövers eine Beeinträchtigung des Vorrangberechtigten gegeben ist. Beides läge aber hier nicht vor. Die Beschuldigte habe mit ihrem PKW von der Kärntnerstraße in Richtung stadteinwärts fahrend in den Weiberfeldweg einbiegen wollen und habe zunächst verkehrsbedingt angehalten. Als die Verkehrssituation den Einbiegevorgang erlaubt habe, habe die Beschuldigte mit der Ausführung begonnen, wobei ihr allerdings beim PKW plötzlich der Motor abgestorben sei, bevor sie in den Weiberfeldweg einfahren habe können. Als die Beschuldigte mit der Ausführung des Linksabbiegemanövers begonnen habe, habe sich auf der Straßganger Straße in Richtung stadtauswärts fahrend E. mit dem Mofa genähert. Die Motorradfahrerin habe sich zu diesem Zeitpunkt in einer Entfernung befunden, die das Einbiegen der Beschuldigten jedenfalls ohne Verletzung des Vorranges ermöglicht hätte. Wäre das Einbiegemanöver normal verlaufen, hätte die Beschuldigte den Kreuzungsbereich rechtzeitig verlassen können. Das Absterben des Motors und der daraus bedingte Stillstand des PKW's stelle eine nicht von der Beschuldigten zu verantwortende vis-maior dar.

Es wurde beantragt, in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das gegen die Beschuldigte eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG zur Einstellung zu bringen; in eventu die verhängte Strafe in eine mildere umzuwandeln oder ganz nachzusehen. III.) Am 9.7.1996 hat vor dem Verwaltungssenat eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Mitwirkung der Berufungswerberin und ihres Rechtsvertreters stattgefunden, in der die Zeugin Frau E. zur Sache befragt wurde. Der Verhandlung wurde der gerichtlich beeidete Sachverständige für das KFZ-Wesen, DI Udo Geishofer, beigezogen. Aufgrund der aufgenommenen Beweise unter Einbezug von Befund und Gutachten des Sachverständigen werden folgende Feststellungen getroffen:

Am 20.10.1994, um ca. 16.00 Uhr, ereignete sich in Graz 16, an der Kreuzung Kärntnerstraße- Straßganger Straße-Weiberfeldweg, ein Verkehrsunfall mit Personenschaden, an dem die Berufungswerberin als Lenkerin des PKW's mit dem Kennzeichen G-77ZMC und Frau E. als Lenkerin des Motorfahrrades mit dem Kennzeichen GU-6HLK beteiligt waren. Die Berufungswerberin wollte mit ihrem Fahrzeug, einem Peugeot 205, Baujahr 1985, von der Kärntnerstraße kommend über die Straßganger Straße in den Weiberfeldweg einbiegen. Frau E. bewegte sich mit ihrem Fahrzeug von Straßgang kommend, unter Einhaltung einer normalen Fahrlinie, mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 35 km/h auf die Kreuzung Kärntnerstraße-Straßganger Straße-Weiberfeldweg zu.

Vor Beginn des Einbiegemanövers mußte die Berufungswerberin verkehrsbedingt ihr Fahrzeug anhalten, weil gerade im Begegnungsverkehr ein PKW vorbeifuhr. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie die Mopedlenkerin bereits in einer Entfernung von 30 m wahrgenommen. Nachdem der PKW gequert hatte, wollte sie noch vor der Motorradfahrerin ihr Linksabbiegemanöver durchführen. Sie legte den 1. Gang ein und gab Gas; dabei bewegte sich ihr Fahrzeug von der ursprünglichen Haltelinie ruckweise in die Fahrbahn der Straßganger Straße und blieb auf der von der Mopedlenkerin benützten Fahrbahnseite stehen. Die Berufungswerberin machte noch einen Startversuch. Darauf folgte gleich der Anprall. Die Motorradlenkerin fuhr in Verlängerung ihrer Fahrlinie im rechten Winkel auf das zum Zeitpunkt des Anstoßes schon stehende Fahrzeug auf, nachdem sie zuvor eine Vollbremsung und Auslenkung versuchte. Die Mopedlenkerin kam zu Sturz und wurde dabei leicht verletzt; an den Fahrzeugen entstand Sachschaden.

Das Fahrzeug der Berufungswerberin, ein Peugeot mit dem Baujahr 1985, hat sich bereits vor diesem Vorfall im Verkehr als nicht sehr zuverlässig erwiesen. Laut den Angaben der Berufungswerberin starb ihr das Fahrzeug oft ab. Sie hatte überhaupt häufig Probleme mit diesem alten PKW. Deshalb strebte sich auch eine Begutachtung seitens des ÖAMTC an, um den Verkäufer des Fahrzeuges aufzufordern, die notwendigen Reparaturen zu übernehmen. Die Begutachtung des Fahrzeuges erfolgte am Tag des Verkehrsunfalles. Dem vorgelegten Prüfbericht des ÖAMTC, datiert mit 20.10.1994, sind einige Fahrzeugmängel zu entnehmen.

Zur rechtlichen Beurteilung ist folgendes auszuführen:

Die Vorrangregel des § 19 Abs 5 StVO bestimmt, das Fahrzeuge, die ihre Fahrtrichtung beibehalten oder nach rechts einbiegen, sofern sich aus Abs 4 nichts anderes ergibt, den Vorrang gegenüber entgegenkommenden, nach links einbiegenden Fahrzeugen haben.

Im vorliegenden Fall traf die Berufungswerberin als Linksabbiegerin die Wartepflicht gegenüber der ihre Fahrtrichtung beibehaltenden Motorfahrradlenkerin E. Dem Berufungsvorbringen, die Berufungswerberin habe keine Vorrangverletzung zu verantworten, weil ihr auf der Fahrbahn der PKW abgestorben ist und ohne dieses Gebrechen der von ihr eingeleitete Einbiegevorgang ohne Behelligung der Fahrzeuglenkerin beendet hätte werden können - ist folgendes entgegenzuhalten:

Der KFZ-Sachverständige führte in seinem Gutachten zwar aus, daß die Berufungswerberin unter der Voraussetzung, daß die Mopedlenkerin rund 30 m entfernt war, als sie ihr Fahrzeug in Bewegung setzte, bei einer normalen Beschleunigung von 2 m/s2 rund 3 Sekunden benötigt hätte, um die Kreuzung zu verlassen. Bei einer Fahrgeschwindigkeit des Motorrades von etwa 30 bis 35 km/h hätte die Zeugin E. die Strecke von 30 m in rund 3,4 Sekunden durchfahren können. Dies hätte bedeutet, daß sich die Fahrzeuge, ohne daß eine Reaktion der Zeugin E. notwendig gewesen wäre, einander vorbeifahren hätten können, wäre der PKW der Berufungswerberin nicht "abgestorben".

Letzteres aber als Schuldausschließungsgrund anzunehmen, kam im konkreten Fall nicht in Betracht, da die Berufungswerberin selbst in der Verhandlung darlegte, daß ihr Fahrzeug zum Zeitpunkt des Vorfalles nicht mehr voll verkehrszuverlässig war. Das rechtswidrige und schuldhafte ihres Verhaltens ist daher darin zu sehen, daß sie trotz Wissens um die Mängel ihres Fahrzeuges ihr Fahrverhalten nicht darauf einstellte. Im konkreten Fall hätte sie auch noch das Vorbeifahren der Zeugin E. abwarten müssen, um genügend zeitlichen und räumlichen Spielraum zur Verfügung zu haben, um auch auf ein, für die Berufungswerberin nicht mehr unvorhersehbares Fehlverhalten ihres Fahrzeuges reagieren zu können. Dem entgegengesetzt hat die Berufungswerberin nur jene Zeitspanne für ihren Einbiegevorgang einkalkuliert, der einem zuverlässigen, voll funktionsfähigem PKW entspricht und in der Folge durch die am Fahrzeug eingetretene Störung die Zweitbeteiligte E. zum Abbremsen und Auslenken ihres Fahrzeuges genötigt.

Die Berufungsausführungen unter Hinweis auf eine mögliche Reaktionsverspätung der Zeugin E. sind für die vorliegende Entscheidung nicht von Relevanz. Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens ist nicht die Frage, wer zu welchen Anteilen am Verkehrsunfall Schuld trägt: Hier ist nur die Frage zu beantworten, ob der Berufungswerberin die fahrlässige Verletzung der Vorrangregel des § 19 Abs 5 StVO vorzuhalten ist. Dies war aus den oben schon dargelegten Gründen zu bejahen.

Zur Strafbemessung ist folgendes festzuhalten:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Die von der Berufungswerberin übertretene Vorrangregel zielt wie nahezu sämtliche Bestimmungen der StVO, darauf ab, die mit dem Straßenverkehr naturgemäß verbundenen Gefahren und Gefährdungsmomente auf ein Mindestmaß zu reduzieren, nicht zuletzt um Personen und Sachschäden zu vermeiden. Durch die Nichtbeachtung des Vorranges hat die Berufungswerberin einen Verkehrsunfall verursacht und damit gerade "jenen Erfolg" herbeigeführt, der durch die Einhaltung der Regel vermieden werden soll.

§ 19 Abs 2 VStG normiert, daß bei der Bemessung der Strafhöhe nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommende Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen sind, wobei auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen ist. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Im Sinne dieser Bestimmung hat die Berufungsbehörde als erschwerend nichts, als mildernd die absolute Unbescholtenheit der Berufungswerberin zum Tatzeitpunkt gewertet. Diesen Milderungsgrund hat die belangte Behörde bei der Festsetzung des Strafausmaßes rechtswidrigerweise nicht berücksichtigt, sodaß von der Berufungsbehörde unter Einbezug dieses Milderungsgrundes die Strafe auf das festgesetzte Ausmaß herabzusetzen war. Die persönlichen Verhältnisse der Berufungswerberin (monatliches Einkommen von S 11.000,--, kein Vermögen, keine Sorgepflichten, keine Schulden) wurden dabei bereits ausreichend berücksichtigt.

Die verhängte Strafe befindet sich ohnehin noch im untersten Bereich des möglichen Strafrahmens bis zu S 10.000,--. Sie soll auch noch geeignet sein, die Berufungswerberin in Hinkunft von Übertretungen der gleichen Art abzuhalten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Schuldausschließungsgrund
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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